Melanchthon, Philipp - Auslegung des einundfünfzigsten Psalms.

Melanchthon, Philipp - Auslegung des einundfünfzigsten Psalms.

Laßt uns bedenken, daß die Psalmen göttliche Weisheit und göttliche Stimme sind, und daß Gott, der Quell der Beredtsamkeit, weise, recht und wohlgeordnet redet. Darum hat man, wie in andern wohlgeschriebenen Gedichten, so auch in jedem einzelnen Psalm einen in demselben durchgeführten Hauptsatz zu suchen, und zu erwägen, wie die Glieder unter einander zusammenhangen. So werden sie uns deutlicher und anziehender werden, und die Sache selbst wird zeigen, daß die einzelnen Glieder keineswegs ohne Regel und Absicht zusammengeworfen sind. Daher suchen wir, wie in andern gelehrten Schriften, so auch in den Psalmen bestimmte Themata, und eine Aufeinanderfolge von Theilen, und bringen sie, je nachdem der Inhalt ist, einen jeden unter seilte besondere Gattung, damit wir, den Regeln der Schule gemäß, um so sorgfältiger erwägen, was der Zweck eines jeden Psalmes sei, was er beabsichtige, ob er Belehrungen oder Bitten enthalte. Es sind also einige Psalmen prophetischen Inhalts, und gehören zu den Lehrpsalmen, indem sie lehren, wer der Messias ist, und welches die Wohlthaten desselben sind. So der zweite Psalm: „Warum toben die Heiden?“ rc. Der 110.: „Der Herr sprach“ rc. Der 45.: „Mein Herz“ rc. und der 72.: „Gott, gib Dein Gericht“ rc. Andere enthalten Gesetzeslehre, wie der 133. von der Eintracht: „Siehe, wie sein und lieblich ist's“ rc. Andere lehren, was die Kirche, und wo sie ist; so Psalm 84: „Wie lieblich sind Deine Wohnungen“ rc. Andere sind Trostgesänge und Danklieder; Andere flehen um Sündenvergebung, und Andere um Rettung. Es können aber die Trost- und Bittpsalmen zu der Gattung der bestimmenden Psalmen gerechnet werden, und so auch der 51. Psalm. Es ist zugleich zu wissen, daß die einzelnen Gattungen vermischt vorkommen, denn mit Belehrungen werden Aeußerungen des frommen Gefühls verwebt, und zwischen diese wiederum Belehrungen eingestreut, und man muß es darum mit jenen Eintheilungen nicht zu ängstlich nehmen, sondern nur die wichtigsten Glieder suchen, und die Beispiele von Bitten und von Rettung sind für uns gewissermaßen allgemeingültige Verheißungen; wie z. B. der 34. Psalm: „Ich will den Herrn loben allezeit,“ den Fall, der dem Dichter zunächst lag, auch auf die übrigen anwendet: „Da dieser Elende rief, hörte der Herr“ u. s. w.

Es ist aber der Psalm: „Gott, sei mir gnädig,“ ein Gebet um Vergebung der Sünden, Rechtfertigung, Heiligung und Linderung der Strafen. Das sind die Hauptsätze, mit denen der Ausdruck frommer Gefühle, weitere Ausführungen und Beweise verwebt sind. Gleich der erste Vers ist ein Hauptsatz: „Gott, sei mir gnädig!“ d. h., vergib mir meine Sünden, sei mir versöhnt; rechtfertige mich! Zu diesem Satze fügt er den Grund: „nach Deiner großen Barmherzigkeit,“ indem er auf die Verheißungen sieht, in welchen die Barmherzigkeit Gottes sich kund thut, die um des Mittlers willen verheißen wird, dessen er auch in der Folge Erwähnung thut, wenn er spricht: „Entsündige mich mit Ysop,“ d. i., mit dem Blute des Messias. Man dürfte hier den Gegensatz vermissen: Nach Deiner Barmherzigkeit, nicht wegen meiner Werke oder Verdienste. Die Barmherzigkeit oder Verheißung muß aber im Glauben ergriffen werden, d. h., das Herz darf nicht in Zweifel beharren, sondern soll wissen, daß auch dir die Verheißung gilt, und im Glauben an den Mittler sich beruhigen, um welches willen die göttliche Erbarmung uns verheißen ist. Dieser Satz wird nun wiederholt in den Worten: „Wasche mich wohl“ u. s. w. Dann folgt in der Form der Selbstanklage ein Sündenbekenntniß, das zugleich eine Belehrung enthält, woher die Sünde, und welch ein großes Uebel sie sei. „Denn ich erkenne meine Missethat, und meine Sünde ist immer vor mir. An Dir allein hab' ich gesündigt/ und übel vor Dir gethan.“ Ich bekenne, daß ich ein Sünder, und strafwürdig bin; und zwar bin ich eben nur ein Sünder, habe kein Verdienst, keine Gerechtigkeit vor Dich zu bringen, sondern spreche es frei aus, daß Du, indem Du mich anklagst, gerecht bist, und spreche es frei aus, daß Du Recht behältst, wenn Du von den Heuchlern gerichtet wirst, die mit entsetzlichem Murren Gott der Ungerechtigkeit anklagen, weil sie eben so wie Andere, auf denen offenbare Verbrechen lasten, gezüchtigt werden. Ich hingegen erkenne, daß diese menschliche Natur in der Sünde versunken, und des Todes und der Strafe würdig ist, wenn auch der Wandel Mancher nicht offenbar verbrecherisch ist. Dieses Sündenbekenntniß ist ein Ausruf des David nicht nur, sondern der ganzen Kirche in ihrer wahren Zerknirschung, übereinstimmend mit dem Ausspruche: „Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Uebertretung bekennen; da vergabst Du mir die Missethat meiner Sünde.“ (Ps. 32, 5.). Es schließt aber dieses Sündenbekenntniß zugleich den Trost in sich: Du bist gerecht und willst uns rechtfertigen; Du hast die Verheißungen von der Vergebung der Sünden kund gethan; auf diese Verheißung gestützt, nahe ich Dir. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß Du wahrhaft bist, und Deine Verheißung erfüllst, ich sage es laut, daß ich, obgleich ein Unwürdiger, dennoch werde angenommen werden. Dieß läugnen die Heuchler. Diese Aussprüche stimmen mit der oft wiederholten Lehre von der Versöhnung aus Gnaden überein, z. B. Röm. 3, 24. Ps. 31, 5. und Hiob 13, 15: „Wenn Er mich auch tödtete, so will ich dennoch auf Ihn hoffen, und meine Wege vor Ihm strafen; Er wird ja mein Heil sein; denn es kommt kein Heuchler vor Ihn.“

„Siehe, ich bin aus sündlichem Samen gezeugt, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen.“ Zuvor hatte er in der Selbstanklage im Allgemeinen gesagt: Ich erkenne meine Sünde, und bekenne mich für schuldig. Nun fügt er eine Erklärung hinzu, welche Sünde er beklage, nämlich nicht die äußerlichen Vergehungen allein, sondern die Unreinigkeit seiner Natur überhaupt. Denn nach dem Verluste des ursprünglichen Lichtes, und der ursprünglichen Gerechtigkeit werden wir nun so geboren, da? wir Finsterniß mitbringen, und daß diese elende Natur von Gott abgewendet, und im Tode versunken, gleich einem von Gott losgerissenen Wesen untergeht. Diese Gebrechen, welche uns von der Geburt an anhängen, sagt er, erkenne er wohl, und spricht sich sehr richtig über die Erbsünde aus. Es verdient aber der Nachdruck, der in den gewählten Ausdrücken liegt, unsre besondere Beachtung. Er setzt zwei Worte zur Bezeichnung dieses Uebels. Das erste bedeutet Abweichung vom Rechten, Unordnung in allen Kräften. Dann nennt er es ausdrücklich Sünde, in welchem Ausdruck die Schuld, d. i. die Anerkennung der Straft, die furchtbare Verwerfung bestimmter ausgesprochen wird, nach welcher Gott eine Person verdammt, und vorher spricht er: Ich bin in Unordnung gebildet worden; d. h., als ich zur Frucht im Mutterleibe gebildet wurde, da war jener Stoff unrein, und ohne das göttliche Licht. Nachher spricht er bezeichnender: „Meine Mutter hat mich in Sünden empfangen,“ d. h., als mich meine Mutter in ihrem Schooße trug, da entwickelte meine Natur dasselbe Verderbniß, mit welchem der natürliche Same, d. i., die Aeltern selbst, behaftet waren. Diese obwohl kurze Darstellung enthält doch die Lehre von der Erbsünde in ihrem ganzen Umfange, weil sie dieselbe eine Unordnung, und zwar eine verdammliche und von Gott verdammte Unordnung nennt, und jene Unordnung in die mannichfachen ungeregelten heftigen Triebe und Begierden in der Natur des Menschen setzt, die dem Göttlichen entgegen sind, wie Paulus spricht: „Fleischlich gesinnet sein ist Feindschaft wider Gott!“ (Röm. 8, 6.) Es gibt nichts Traurigeres als diese Darstellung.

„Siehe, Du hast Lust zur Wahrheit, die im Verborgenen liegt;“ diese Worte drücken den Ernst des Bekenntnisses aus, und sind gleichsam ein Zuruf: Du forderst, daß wir ohne Hehl uns als Sünder und als solche bekennen sollen, die der Straft würdig sind, damit in derselben die Gerechtigkeit Gottes gerühmt werde, wie Daniel spricht: „Du Herr bist gerecht, wir aber müssen uns schämen.“ (Daniel 9, 7.) Darum lege ich dieß Bekenntniß ab, und bitte zugleich, daß Du mich Deine Weisheit lehrest, die der menschlichen Vernunft verborgen ist. Denn in ihrer natürlichen Sicherheit fürchtet die Vernunft das Gericht Gottes nicht; sie sieht dieses Elend nicht, wie denn die Epikurer, die Philosophen der Akademie und viele Andere das Spiel mit willkürlich gestellten Vorstellungen von Gott für hohe Weisheit halten, und nicht wissen, wie Gott wolle erkannt sein, wie man Ihn recht erkennen, und wie unsre Natur beschaffen sein müsse. In der wahren Buße aber wird diese Sicherheit geahndet, wie Jeremias spricht: „Du hast mich gezüchtiget, und ich bin auch gezüchtigt wie ein geil Kalb; bekehre Du mich, so werde ich bekehret.“ (Jerem. 31, 18.) David begehrt demnach, daß seine Sicherheit durch das ihm vorgehaltene Bild seiner Sünde gezüchtigt, und daß er dann durch Erbarmung wieder aufgerichtet werden möchte. Nun kehrt er zu dem Hauptsatze von der Sündenvergebung zurück, und fügt die Erwähnung des Mittlers und der Verheißung hinzu; dieß ist ausgedrückt in dem Bilde der Besprengung mit dem in Blut getauchten Ysop, welches Bild wir so zu erklären haben, daß das Zeichen statt der bezeichneten Sache genannt wird. „Entsündige mich mit Ysop,“ d. i., mit dem Blute des Mittlers, der in dem Opferblute angedeutet wird. Im Texte heißt es eigentlich: Mache mich zur Sünde durch Ysop, d. i., mache mich zu einem Sühnopfer, entsündige mich, reinige mich; nimm die Sündenschuld von mir weg, und zwar durch das Blut des Sohnes. Das Wort Sünde bedeutet in der hebräischen Sprache je nach der Verbindung, in welcher es steht, entweder einfach „Sünde“ mit dem Begriff der Schuld und Verdammlichkeit, oder es heißt: zur Sünde gemacht werden, nämlich besprengt mit dem Blute des Sohnes; da nämlich bekennt man, daß man schuldig sei, daß aber die Schuld auf den Sohn übergetragen, und von uns weggenommen werde. Die Besprengung mit Ysop aber bedeutet die Predigt des Evangelium, durch welche die Wohlthaten des Sohnes Gottes den Gläubigen angeeignet werden, und durch welche der Sohn Gottes selbst wirksam ist, wie es bald im nächsten Verse von der Predigt heißt: „Laß mich hören Freud' und Wonne, daß die Gebeine fröhlich werden.“ Hier redet er von der Predigt des Evangelium, und von dem Mittel, durch welches wir der Wohlthat des Mittlers theilhaftig werden, nämlich durch die Stimme des Evangelium, welches Freude verkündigt. Zugleich mit dieser Stimme spricht aber der Sohn Gottes in deinem Herzen das Wort: Dir sind deine Sünden vergeben! und ruft durch dieses Wort neues Leben in dich. Denn die Wirkungen des Sohnes und des heiligen Geistes im Menschen greifen eben auf diese Weise in einander: Der Sohn spricht das Wort, in welchem Er den Willen des Vaters kund thut, und wenn nun diese Gewißheit im Herzen leuchtet, so gibt Er den heiligen Geist, der Freudigkeit anzündet, und macht, daß das Herz freudig sei in Gott. In dieser Beziehung heißt der Sohn „das Wort,“ weil Er auch uns das Wort ist, indem Er in unserm Innern den Vater offenbart. So spricht Petrus: „Wiedergeboren aus dem lebendigen Wort Gottes“ (1. Petr. 1, 23.); und Athanasius stellt wiederholt die Bestimmungen auf: Der Vater wirkt durch das Wort im Geiste; der Geist ist nicht außer dem Worte; und im dritten Buch vom heil. Geiste spricht er: „ So oft es heißt, der heil. Geist sei in einem Menschen, so ist zu verstehen, daß in demselben das den heil. Geist verleihende Wort sei;“ und in Ansehung des Sohnes drückt er sich eben so aus, wie Augustin im vierten Buch von der Dreieinigkeit: „Täglich wird der Sohn in die Herzen der Gläubigen gesendet; aber anders wird er gesendet, um Mensch zu sein, anders, um mit dem Menschen zu sein. Dieß geschieht aber, wenn er in uns durch das äußere Wort wirksam ist, das im Glauben aufgenommen werden muß, nach dem Spruche: „Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, die da selig machet Alle, die daran glauben.“ (Röm. 1, 16.)

„Verbirg Dein Antlitz von meinen Sünden;“ diese Worte sind eine Wiederholung der Bitte um Sündenvergebung: wende Dein Antlitz ab, insofern es nämlich Zorn, Mißfallen ausdrückt; in diesem Bilde stellt die Schrift sehr oft Zorn und Gericht Gottes dar. Nun wird dieselbe Bitte ohne Bild wiederholt: „Tilge alle meine Missethat.“ Bis jetzt hat der Prophet geschildert, was im Werke der Bekehrung das Erste ist, und wie der Mensch Vergebung der Sünde empfängt, und mit Gott in jenem geheimen Rathschlusse versöhnt wird, und hat die Lehre von der Rechtfertigung vorgetragen, über welche Paulus sich so ausdrückt: „Nun wir denn sind gerecht worden durch den Glauben, so haben wir Friede mit Gott - und einen Zugang zu Ihm.“ (Röm. 5, 1. 2.) Stets aber gibt der Sohn, der das Wort des Trostes in uns verkündigt, mit der Vergebung der Sünden und der Zurechnung Seiner Gerechtigkeit, zugleich auch den heil. Geist in unsre Herzen, und macht uns zu Erben des ewigen Lebens. Darum redet der Psalm nachher von der Wiedergeburt durch den heil. Geist, von der Milderung der Strafen, vom Bekenntniß und vom Kreuz.

„Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen gewissen Geist;“ ein reines Herz, d.i., nach der Erklärung der Apostel, ein solches, welches durch den Glauben gereinigt, schon um des Mittlers und Gottmenschen willen, wohlgefällig ist; denn „das Blut Jesu Christi macht uns rein von allen Sünden.“ (1. Joh. 2, 7.) Damit aber der Mensch also Gott gefallen könne, muß er das Wort gläubig annehmen, und den Zweifel besiegen; das geschieht aber, wenn das Herz durch den heil. Geist gewiß gemacht wird, der eben darum hier ein gewisser, d. i. ein solcher genannt wird, der nicht zweifelt, der nicht in banger Ungewißheit schwebt, nicht zaghaft und muthlos vor Gott flieht, wie Paulus von Abraham sagt: „Er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern ward stark im Glauben, und gab Gott die Ehre“ u. s. w. (Röm. 4, 20.)

„Verwirf mich nicht von Deinem Angesicht;“ diese Worte sind eine Wiederholung der zweifachen Bitte im ersten Gliede. Er fleht um Vergebung der Sünden, indem er bittet, daß Gott ablassen möge, zu zürnen.. Denn, Gott verbannt einen Menschen von Seinem Angesicht, heißt eben, Er will ihn nicht gnädig anblicken, sondern ihn vielmehr in dem schrecklichen Gefühl, von Ihm verworfen zu sein, untergehen lassen. So heißt es z. B. Psalm 31, 23: „Ich sprach in meinem Zagen: ich bin von Deinen Augen verstoßen,“ d. i., wenn Du mir zürnst, blickst Du nicht gnädig auf mich, sondern reibst mich sogar durch bange Schrecken auf. Hierauf bittet er um den heil. Geist: „Nimm Deinen heiligen Geist nicht von mir.“ Vorher hatte er ihn einen gewissen Geist genannt, d. i., der das Herz im Glauben gewiß macht, und die Zweifel des Unglaubens besiegt; hier nennt er ihn einen heiligen Geist, d. i., der das Herz heiliget, welches sich auf den ganzen Gehorsam bezieht, der es regiert, allen Geboten gemäß zu wandeln. Denn das Wort „heilig“ bezeichnet im Allgemeinen Dasjenige, was zu göttlichem Gebräuche bestimmt ist; so 3. B. Mose 11, 44: „Ihr sollt heilig sein, denn Ich bin heilig!“ d. i., so, wie Ich in Meinem Gesetze Mich kund thue. Es ist aber bekannt, daß der heil. Geist anregt und antreibt, und eben darum in die Herzen der Gläubigen gegeben wird, um in ihnen neue Regungen und Gefühle gegen Gott zu wecken, und es heißt öfters: „Ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater!“ (Röm. 8, 15. Gal. 4, 6. u. a.)

„Tröste mich wieder mit Deiner Hilfe, und der freudige Geist enthalte mich!“ Er bittet zunächst um Trost in jedem Leiden und im Kreuze, welches auf die Bekehrung folgt. Das ist deutlich; es ist die Hilfe, die Errettung von Hölle und Tod; es ist ein solches Leben, welches Freudigkeit in Gott empfindet. „Mit Deiner Hilfe“ sagt er, weil sie von Gott kommt. Den Geist nennt er einen freudigen Geist, deßhalb, weil der heil. Geist das Herz bewegt, daß es Gott im Kreuze willig gehorche und es kräftigt, damit es im Stande sei, die Last der ihm aufgelegten Noth und Leiden zu ertragen. So gehorcht Laurentius willig, und erduldet die Todesmarter. David unterwirft sich bereitwillig, da er aus dem Lande vertrieben wird. Saul zürnt mit Gott, da er seine Siege und seinen Thron auf einen Andern übergehen sieht. An solchen Beispielen kann man sehen, um was er bittet, wenn er den Geist einen freudigen Geist nennt, nämlich um einen Geist, der da willig gehorsam, stark und muthig sei, um Leiden und Trübsale erleiden zu können.

„Denn ich will die Uebertreter Deine Wege lehren.“ Es ist gewöhnlich, daß man bei einer Bitte seiner Dankbarkeit Erwähnung thut, so wie Man auf ähnliche Weise auch den Nutzen als Grund für sich geltend macht. In der Kirche aber hat jede Errettung und Erlösung hauptsächlich die Zwecke, daß Gott Zeugnisse von Sich und Seiner Lehre gebe, und daß wir Gott dankbar preisen, die Lehre um so eifriger durch Bekenntniß und Unterricht ausbreiten, damit Viele zu Gott bekehrt werden sollen. Diese eigenthümlichen Zwecke schließt er hier an die Bitte an, weil man sie nothwendig verfolgen muß, wie oft in den Psalmen gesagt wird, z. B.: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herren Werk verkündigen“ ( Ps. 118,14.); und: „Du hast meine Bande zerrissen; Dir will ich Dank opfern.“ ( Ps. 116, 16. 17.)

„Errette mich von den Blutschulden!“ Wiederholung der Bitte und des Dankes. Er bittet aber hier namentlich um Linderung der Strafen; denn das Bild in dem Worte „Blut“ deutet Todesstrafe an. Indem er daher um Rettung von Todesstrafen flehet, bittet er, daß seine Strafen gelindert werden möchten, damit er nicht aus einer Sünde in die andere stürze, und zuletzt der Last seiner Sünden und Strafen unterliegend, wie Saul, Pharao u. A. in ewige Verzweiflung und ewige Strafen falle. So bittet er in einer andern Stelle.- „Herr, strafe mich nicht in Deinem Zorn“ ( Ps. 6, 1.); und Jeremias: „Züchtige mich, Herr, nicht in Deinem Grimm, auf daß Du mich nicht aufreibest;“ und Habakuk ruft: „Gedenke in Deinem Zorne Deiner Barmherzigkeit.“ - „So Du willst, Herr, Sünde zurechnen, Herr, wer wird bestehen?“ ( Ps. 130, 3.)

„Daß meine Zunge Deine Gerechtigkeit rühme,“ d. h., ich will Dich rühmen, daß Du gerecht bist und gerecht machst; ich will bekennen, daß Du der Richter bist und die Sünde strafst; ich will auch bezeugen, daß wir aus Barmherzigkeit von Dir begnadigt und gerechtfertigt werden, und daß wir nur, indem Du uns rechtfertigst, gerecht sind, nicht aber um des Gesetzes, oder um unserer Würdigkeit willen.

„Herr, thue meine Lippen auf!“ Der wiederholte Ausdruck seiner dankbaren Gesinnung, nach welcher er die Lehre auszubreiten versprochen hat: „Ich will die Uebelthäter Deine Wege lehren“ u. s. w. Denn das soll der Hauptzweck jeder Erlösung sein, daß die Erlösten als Zeugen der erbarmenden Nahe Gottes dastehen, und wissen sotten, daß sie eben darum errettet werden, damit für die Kirche Lehrer übrig sein sollen, und Gott in der ausgebreiteten Lehre angerufen und gepriesen werde, nach dem Worte: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werk verkündigen:“ Damit dieß geschehen und mit Erfolg geschehen könne, bedarf es des Beistandes Gottes, wie der Herr spricht: „Ich bin der Weinstock; ihr seid die Reben.“ (Joh. 15, 5.) Deßwegen fleht er um Hilfe und bittet, daß Gott die Stimme des Lehrenden regieren, und durch dieselbe wirksam sein möge. Weil es aber auch andere Zeichen des Bekenntnisses gibt, nämlich Opfer, so redet er auch davon, und beseitigt zuerst die falschen Vorstellungen von den Opfern, und unterscheidet äußere Ceremonieenopfer, und Opfer des Geistes. „Denn Du hast nicht Lust zum Opfer; ich wollte Dir es sonst wohl geben.“ Wie verträgt sich dieß? Das Gesetz hat Opfer geboten; der Prophet aber lehrt das Entgegengesetzte, nämlich, Gott wolle keine Opfer haben, und Brandopfer gefielen Ihm nicht, und setzt doch wieder gleich darauf hinzu: „Dann wird man Farren auf Deinem Altar opfern.“ Dieser scheinbare Widerspruch löst sich also: Der erste Satz in dieser oft wiederkehrenden Lehre ist: Gott will nicht, daß diese Opfer in der Meinung dargebracht werden sollen, daß sie ein wirklicher Dienst und als bloße äußerliche Handlung an sich verdienstlich seien, oder daß sie Vergebung der Sünden verdienen. Es ist aber gewöhnlich, daß die Menschen in diesen Wahn fallen, und in solchem Aberglauben dann die Opfer hausen, wie es in der Folgezeit in der Entweihung der Messen geschehen ist. Diese unwürdige Vorstellung rügen die Propheten wiederholt, z. B. Psalm 50, 13: „Meinst du, daß Ich Ochsenfleisch essen wollte?“ und Jesaias 66,3: „Wer ein Schaf opfert, ist, als der einem Hunde den Hals bräche;“ und Jerem. 7,22: „Ich hab' euren Vätern nicht von Opfern geboten, sondern dieß gebot Ich ihnen: “„Gehorchet Meinem Worte, so will Ich euer Gott sein und ihr sollt Mein Volk sein.““ Es fügt aber der Prophet, gleich wie Jeremias, hinzu, welche Opfer Gott gefallen, und wie sie Ihm gefallen. Daher folgt als zweiter Satz: Nur die von Ihm selbst vorgeschriebenen Opfer gefallen Gott, und nur die Werke, die aus wahrhaft zu Gott bekehrtem Herzen und aus dem Glauben kommen, weil äußerer Gottesdienst ohne den innern Nichts ist. Ja es spricht Salomo Sprichw. 15,8: „Der Gottlosen Opfer ist dem Herrn ein Gräuel, aber das Gebet der Frommen ist Ihm angenehm.“ Es ist aber der Gottesdienst nach dem ersten Gebot die Bekehrung zu Gott, und der Glaube, der den Mittler annimmt, in Dem wir den Zugang haben zu Gott, und glauben, daß wir begnadigt und erhört werden. Dieser innere Gottesdienst muß der äußern Handlung vorangehen. Also sind auch äußere Opfer von Gott angeordnet, und gefallen Ihm, wenn sie auf rechte Weise und zur rechten Zeit Ihm dargebracht werden.

„Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist.“ David sagt hier in Beziehung auf die Bekehrung und den wahren Innern Gottesdienst dasselbe, was Sacharja Kap. 1, 3. spricht: „Kehret euch zu Mir, so will Ich Mich zu euch kehren.“ Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein Herz, welches aufrichtige Schmerzen der Buße und Bekehrung empfindet, und indem es sich des göttlichen Zornes bewußt wird, und zugleich zu dem Mittler seine Zuflucht nimmt, der mit Rücksicht auf solche Schmerzen tröstend sagt: „Kommet zu Mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken.“ Von solchen Schmerzen reden die Propheten häufig; so Jesaias 66, 2: „Ich sehe an den, der zerbrochenen Herzens ist.“ „Ich wohne bei denen, so zerschlagenen und demüthigen Geistes sind, auf daß ich erquicke den Geist der Gedemüthigten“ (Kap. 57, 15.) An diese erhebende Trostsprüche muß man sich halten, und wissen, daß sie recht eigentlich evangelische Stimmen sind. Denn Vernunft und Gesetz sagen, die elenden und mit Schmerzen, beladenen Menschen seien von Gott verworfen. Die Stimme des Evangelium versichert, daß sie Tempel Gottes, und daß die Anfechtungen und Trübsale der zu Gott Bekehrten Opfer, d. i., glänzende Werke seien, durch welche Gott geehrt werde, und daß sie Gott gefallen; es ermahnt dieselben, Gott anzurufen, und zuversichtlich Hilfe und endliche Befreiung von Ihm zu erwarten, wie es heißt: „Aus sechs Trübsalen wird Dich der Herr erretten.“ (Hiob 5, 14.) Das ist der wahre Gottesdienst, will David sagen, der Gott gefallt: Schmerzen der Buße, Glauben, Gebet, Hoffnung u, s. w. Das ist der „vernünftige Gottesdienst,“ wie ihn Paulus nennt (Röm. 12,1.), in welchem die Seele Gott denkt, und im Herzen Seine Nähe, und Zittern und Freudigkeit in Gott empfindet. Darin eben setzt ihn Paulus, als den vernünftigen Gottesdienst, äußerm Werkdienst entgegen, der unvernünftig ist, bei welchem das Herz voll Unglauben und Zweifel ist, und vor Gott flieht, wie es im heidnischen Opferthum, und wie es von Saul geschieht.

Zuletzt fügt er noch eine allgemeine Bitte um Erhaltung der Kirche hinzu, wie sie unsern besondern Bitten stets angeschlossen werden sollte. Erstlich bittet er um Vergebung der Sünden; zweitens webt er eine Klage über die Größe und den Ursprung der Sünde ein. Sodann erwähnt er den Mittler, indem er spricht: „Besprenge mich mit Ysop.“ Viertens bittet er, daß der heil. Geist ihn heiligen und regieren wolle. Fünftens verspricht er, durch Belehrung Anderer seinen Dank zu bezahlen. Sechstens fleht er um Linderung der Strafen, damit er fähig sei, zu lehren. Siebentens erbittet er sich Beistand dazu! „Herr, thue meine Lippen auf.“ Achtens lehrt er Opfer und Gottesdienst richtig unterscheiden. Neuntens betet er für die ganze Kirche, und bittet namentlich um Erhaltung des Lehramts, und daß Viele zu Gott bekehrt werden und wahre Opfer darbringen möchten: „Thue wohl an Zion mit Deiner Gnade; baue die Mauern zu Jerusalem,“ d.i.: möge die Kirche erhalten und gemehrt werden, mögen in ihr das öffentliche Lehramt und fromme Vereine und menschenfreundliche Anstalten bestehen; möge sie „Dir Opfer der Gerechtigkeit,“ d. i., wahre Gerechtigkeit als Opfer darbringen, durch wahre Buße, Glauben, Ehrfurcht, Hoffnung, Geduld, und andere von Dir gebotene Tugenden Dich verehren! So fordert er zunächst den innern Gottesdienst, von dem oft die Rede ist, z. B. 1. Petr. 2, 5: „Zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum.“ Diesen vorausgesetzt, so gefallen Gott dann auch äußere von Ihm angeordnete Ceremonieen, wenn sie zu dem Zweck geschehen, damit der öffentliche Gottesdienst in den Gemeinden erhalten werde, und in dieser Beziehung spricht er: „Dann wird man Farren auf Deinem Altar opfern,“ d. h., ich bitte, Du wollest die öffentliche Gemeinde beschirmen und erhalten, damit in derselben die Stimme der ungefälschten Lehre ertöne, und Viele zu Die bekehrt, Erben des ewigen Lebens werden, und in öffentlicher Gemeinde ihr Bekenntniß und ihr Gebet öffentlich darbringen mögen.

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