Melanchthon, Philipp - Am neunten Sonntage nach Trinitatis.

Melanchthon, Philipp - Am neunten Sonntage nach Trinitatis.

Evangelium Luk. 16, 1-9.

Die vorliegende Erzählung rügt die menschliche Nachlässigkeit in den Angelegenheiten unsers ewigen Heiles; ferner ist sie eine Belehrung über die Anwendung zeitlicher Güter, und zugleich die herrlichste Zusicherung der göttlichen Vergeltung für geübte Wohlthätigkeit. -.- Zuerst also macht sie auf die Verkehrtheit der Menschen aufmerksam, welche nur um die gegenwärtigen vergänglichen Dinge besorgt sind, und das Ewige dabei vernachlässigen; denn sie tadelt jene blinde gränzenlose Sicherheit in den Herzen Derer, welche um das ewige Leben sich keine Sorge 'machen, und gar nicht an dasselbe denken „wie man stehet, daß die Leute dahin gehen in blinder, tiefer und schläfriger Nachlässigkeit und Gleichgiltigkeit in Ansehung Gottes und des ewigen Lebens.“

Die Dinge, welche die Menschen vorzugsweise beschäftigen, sind verschiedener Art. Dieser findet sein Glück in sinnlicher Lust, Jener in Reichthum, ein Dritter in äußerlichem Gepränge, und was des Dings mehr ist. Darüber wird Das versäumt,' was der vorzüglichste Gegenstand ihrer Sorge sein müßte. Viele zersplittern ihre Zeit durch Nebendinge; Andere handeln geradezu schlecht; ein großer Theil des Lebens geht durch Nichtsthun verloren. Noth ist das nicht so böse, als das Letzte. Man unterzieht sich Geschäften, die weder befohlen, noch nothwendig sind, und versäumt Das, was besohlen und nöthig ist. So ist im Allgemeinen das Leben aller Menschen; „wir sind Alle so toll und närrisch, wie ich's nennen soll.“ Suchen wir Beispiele dazu in dem gewöhnlichen Treiben an den Höfen, oder in dem der öffentlichen Beobachtung mehr entzogenen Privatleben auf; von beiden Seiten treten uns die beklagenswerthesten Belege entgegen. Aber auch unsere eignen Fehler wollen wir beherzigen. Jene Nachlässigkeit in Ansehung des Ewigen lassen wir uns Alle zu Schulden kommen, während Jeder in seinem irdischen Streben „die ganze Welt gewinnen möchte.“ - Das sollen wir wohl beachten, und unsre Herzen im Zaum halten, und uns zu der Ansicht vom Reiche Gottes je mehr erheben, welche wir nach Seinem Willen von demselben haben sollen. „Nun nimmt Christus den Haushalter, der ein schlechter Haushalter war, für sich,“ und sagt, daß er von seinem Herrn gelobt worden. Hier fragt sich's: Was wird denn an demselben gelobt? Das Allgemeine, was in seiner Handlungsweise bemerklich wird, sein vorsorglicher, betriebsamer Sinn, nicht aber die besondere Aeußerung desselben, nicht die Veruntreuung wird gelobt. Christus will uns an dem Beispiele jenes Diebes zeigen, mit welchem Fleiß diejenigen zu Werke gehen, welche nur sinnliche Güter erstreben, und erweckt uns zu Sorgfalt und Fleiß in der Erstrebung weit wichtigerer Güter, indem Er also schließt: Wenn die Menschen schon die Erlangung irdischer Güter sich so angelegen sein lassen, wie viel mehr sollte dieß in Ansehung geistiger Güter der Fall sein! - Wohl Manchen hat die Frauenliebe zum Thoren, die Ehrsucht Manchen rasend gemacht. „So ein großer Ernst ist es uns in denen Dingen:“ in göttlichen Dingen hingegen sind wir völlig kalt und unthätig1).

Wie viele Beispiele rechtfertigen den Vorwurf, der hier der menschlichen Schwachheit gemacht wird, daß die Sorge für die geistigen Güter weit geringer, als die für die leiblichen ist! Wir sehen, daß alle Aeltern weit mehr darauf denken, ihren Kindern Geld und Gut zu erwerben, als darauf, ihnen heilsamen Unterricht zu ertheilen. Darum sagt Horaz:

„Lasset uns Gold vor Allem erstreben, ihr herzigen Bürger,
Nach dem Golde die Tugend!“

Die wichtigste Sorge müßte doch die sein, die Kinder aufzuziehen „in der Furcht und Vermahnung zum Herrn“ (Eph. 6, 4.); und als erste Regel in Ansehung unsers häuslichen Berufs müßte gelten das Wort: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes“ u. s. w.; aber wir kehren's um. Wir sehen, wie in den Zeiten drückenden Mangels oder großer Gefahren das Menschenherz sich ängstigt, wie schwer es ihm wird, einen zeitlichen Verlust zu überwinden. Der Eine wird durch diese, der Andere durch eine andere Erfahrung mehr oder weniger unangenehm berührt; wir sind jedoch allesammt so beschaffen, daß irdischer Verlust einen sehr schmerzlichen Eindruck auf uns macht. Wie Viele bringt eine erlittene Kränkung ihrer Ehre, oder unverdiente Schmähung zum Wahnsinn! Mit Einem Worte: Allen Menschen verursacht irdischer zeitlicher Verlust weit größern Kummer und Schmerz, als der Verlust ewiger Güter. Man sieht es ja, welche schmerzliche Unruhe, welche ängstliche Besorgniß das Herz des Menschen ergreift, wenn er darbt, oder Verlust an seinem zeitlichen Gute erleidet, oder wenn er sich der Verachtung ausgesetzt sieht. Cicero spricht: „Wenn du nicht mehr bist, wer du zuvor gewesen, wie kannst du dann wünschen wollen, länger zu leben?“ Jene Bekümmerniß, jene Bangigkeit und Schmerz ist uns Allen wohl bekannt. Mit solchen Empfindungen nun sollten uns die Güter der Ewigkeit erfüllen. Aber wenn auch einmal eine Solche in uns wach wird, wie ist sie dann so schwach und vorübergehend! Sage mir, verursachen dir deine Sünden eine so schmerzliche Bangigkeit, wie dein Geld, wenn es dir nicht sogleich zu der bestimmten Zeit geschickt wird? Wahrlich, nein! jener Schmerz über die Sünde geht schneller vorüber, aber die peinliche Sorge um Geld und Nahrung haftet tiefer und fester. Wohl ist eine schwere Bürde die Armuth, und das Sprichwort sagt: „Armuth wehe thut.;“ aber es sollte auch Schmerz über unsre Sünden in uns sein. Mit welcher Sorgfalt sucht man Verlust an zeitlichem Vermögen zu verhüten! Es müßte aber viel größer die Sorge sein, wie wir uns vor Sünden hüten können, als die Begierde, zeitliches Gut zu erwerben, ist. Es wird Jedermann gewaltig aufgebracht, wenn ihm Etwas entzogen wird; es sollte aber auch das uns mit Unmuth und Schmerz erfüllen, daß wir Sünder, daß wir so gar unrein, so geneigt zur Sünde sind. Laßt uns aber unsern Wandel bessern, und Gott darum anrufen, von Dem es heißt: „Wie viel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die Ihn bitten!“ (Luk. 11, 13.) Solche ungöttliche Gesinnung, solche Entweihung der menschlichen Natur, solche fleischliche Sicherheit! In göttlichen Dingen rügt Christus im Evangelium.

Der zweite Hauptpunkt hat die Anwendung des zeitlichen Guts zum Gegenstande. Wir erkennen es als eine göttliche Einrichtung, daß Einige reich, Andere arm sind, und schon Salomo spricht: „Reiche und Arme müssen unter einander sein; der Herr hat sie Alle gemacht.“ (Sprichw. 22, 2.) Gott will's also haben, und es muß auch also sein: wir können nicht Alle reich sein. Es muß jedoch Welche geben, die vor Andern begütert sind, „sonst könnte man im menschlichen Leben Nichts ausrichten.“ Aber es findet auch vielfacher Mißbrauch des Reichthums Statt. Ihrer wahren Bestimmung nach müssen zeitliche Güter verwendet werden, erstens: zur Beförderung der Ehre Gottes, wie schon heidnische Weise ausgesprochen haben, es müsse einzelne Reiche geben, um den Opfercultus zu unterhalten. Richtiger behaupten wir, daß von Reichthümern das evangelische Lehramt und die Kirche unterstützt werden müsse; zweitens bedarf es zeitlichen Vermögens, um den Unterhalt für uns und unsre Kinder zu bestreiten; drittens, zur Unterstützung des bürgerlichen Gemeinwesens; viertens, um den Armen, so viel wir können, Hilfe angedeihen zu lassen. Wenige aber wenden so ihr Vermögen an. Viele vergeuden ihre Habe auf thörichte Weise. Drum nennt Christus zeitliches Gut „ungerechten Mammon,“ weil immer einiges Unrecht sowohl im Erwerb, als Gebrauch dazu kommt. Wir verschwenden in den Genüssen der Tafel, der Italiener im Ehrgeiz und andern Eitelkeiten. So Hab' ich einen Spanier gesehen, der stolzierte in einem goldgestickten Rocke einher, und wenn er essen wollte, ging er erst zum Brunnen, trank Wasser, fraß Salat, obgleich er doch auch verhältnißmäßig seinem Leibe die gehörige Kost hatte reichen müssen. So macht im gemeinen Leben der Eine gern Einkäufe, der Andere reist gern und bringt auf Reifen Viel durch; ein Dritter baut gern, und macht auch auf diese Weise viel unnützen Aufwand; kurz, Keiner ist, der nicht auf irgend eine Weise sein Vermögen mißbraucht, und Niemand geht damit auf die rechte Weise um.

Der dritte Hauptpunkt handelt von der Vergeltung geübter Wohlthätigkeit. „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon,“ heißt es, „auf daß, wenn ihr nun darbet, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“ Wen nennt hier das Evangelium Freunde? Christum, und die Armen, nämlich die Kirche, fromme christliche Brüder, darbende Geistliche, wahre Diener des Evangelium, arme Schullehrer, und dann auch andere Bedürftige. Zuerst macht euch Christum zum Freunde! Er ist der Aermste, Dürftigste auf der Welt. Seine Ehre ist auf eine schaudervolle Weise Preis gegeben. Dann die Diener des Evangelium und andere wirklich Bedürftige. Ich rede aber nicht von jenen wohlgenährten Bettlern, jenen schlauen, ränkevollen Buben! Wenn Christus hier spricht: „auf daß sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten,“ so kann dieß kaum dem Mißverstande ausgesetzt sein, als verliehen heilige Menschen das ewige Leben, als sei darin der Heiligendienst begründet. Christus redet nicht nur von jenem seligen Leben nach dem Tode, sondern von der Gemeinschaft aller Frommen in der Kirche, sowohl in diesem, als nach diesem Leben. Dann werden sie euch aufnehmen, verstehe Christus und die Heiligen. Christus wird euch aufnehmen, als der Geber der Seligkeit, die Heiligen als Seine Zeugen. Christus nimmt uns auf, so wie Er es kann, und jene auch nach ihrem Vermögen. Christus nimmt als der Geber des Lebens, als der Erlöser uns auf, und ertheilt uns Segnungen, theils in diesem, theils in jenem Leben. Denn es bleibt die Regel: „Gebet, so wird euch gegeben.“ (Luk. 6, 38.) Diese Erklärung gebietet das ganze Evangelium; denn Christus ist nicht im Widerspruch mit Sich, und thut mit nichten jener Lehre Abbruch, daß wir „durch den Glauben gerechtfertigt, . Frieden hätten;“ sondern die Heiligen nehmen auf in die ewigen Hütten, d. i. in die Gemeinschaft aller Frommen in der Kirche, weil sie für dieselbe beten, und in ihrem Gebete alle Diejenigen Gott empfehlen, welche gegen die Kirche wohlwollend gesinnt sind, und weil sie zu Gott flehen, daß Er Frieden, ruhige Zeiten und andere Güter verleihen wolle. Um der Kirche willen gibt Gott dem babylonischen Reiche Frieden (Jerem. 29,7.); weniger Frommen wegen will Gott Sodom verschonen; um weniger wahrhaft Bußfertigen willen begnadigt Er Ninive. So nimmt Christus uns auf als die Ursache, indem Er das ewige Leben, durch Sein Verdienst erworben, uns gibt; die Heiligen nehmen uns auf durch ihr Gebet in diesem Leben, und indem sie in einem andern Leben von, unsrer Wohlthätigkeit Zeugniß ablegen. Hast du einem Frommen Gutes erzeigt, so wird Gott ohne allen Zweifel dir wiederum Gutes widerfahren lassen. „Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen.“ (1. B. Mose 12, 2.) „Wer dieser Geringsten Einen nur mit einem Becher kalten Wassers tränket, - wahrlich es wird ihm nicht unbelohnt bleiben!“ -

1)
Das Folgende ist aus den in verschiedenen Jahren demselben Evangelium beigefügten Anmerkungen entlehnt und hier eingeschaltet.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/m/melanchthon/melanchthon-9_nach_trinitatis.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain