Melanchthon, Philipp - Deutscher Katechismus
Melanchthons deutscher Catechismus: Tit. „Die zehen Gebote: der Glaube: das Vater unser. Mit kurzer Erklärung Phil. Melanchthonis. Wittenberg 1549.8.“
Die Zehen Gebote
Das I. Gebot. Du sollt an einen Gott glauben. Das erste Gebot fodert rechte Gotteserkenntniß, Gottesfurcht und Glauben, und ist wohl zu merken, daß wir den wahrhaftigen Gott also erkennen sollen, wie er sich geoffenbaret hat, und sollen ihn absondern von aller Abgötterey.
Das IIte Gebot. Du sollt Gottes Namen nicht misbrauchen. Recht brauchen Gottes Namen, ist, ihn recht anrufen, rechte Lehren predigen, und bekennen, ihm danken, und ihn loben, den Eid treulich halten. Den Eid schwören, ist, Gott über sich anrufen, daß er den Eidbrüchigen strafe, wie auch gewißlich geschiehet.
Das IIIte Gebot. Du sollte den Feyertag heiligen. Den Feyertag heiligen heißt; Gottes Wort daran lehren und hören, und rechten Brauch der Sacrament, und das ganze Predigtamt helfen erhalten.
Das IVte Gebot. Du sollt Vater und Mutter ehren. Das 4te Gebot ordnet die Regiment auf Erden, daß man Vater und Mutter und aller ordentlichen Oberkeit mit herzlicher Ehrerbietung soll unterthan und gehorsam seyn, um Gottes willen, und daß ein jeder in seinem Beruf treulich dienen soll und nicht in fremden Beruf fallen, wie die aufrührischen thun.
Das Vte Gebot. Du sollt nicht todtschlagen. Das 5te Gebot verbeut nicht allein Todtschlag, sondern auch Neid und Haß, wie Matth. 5. geschrieben ist, und ist gewiß, daß Todtschlag gestraft wird, laut des Spruchs: wer das Schwerdt nimmt, der wird durchs Schwerdt umkommen.
Das VIte Gebot. Du sollt nicht ehebrechen. Das 6te Gebot verbeut alle Vermischung außer dem Ehestand, und daß Unkeuschheit hart gestraft wird, beweisen die Exempel und die gewisse Regel Ebr. 13. Gott wird die Hurer und Ehebrecher strafen.
Das VII. Gebot. Du sollt nicht stehlen. Das 7te Gebot verbeut Diebstahl, Raub und allerley Betrug, in kaufen, verkaufen, leihen, und wird solches Unrecht von Gott ernstlich gestraft. Esaia 23. Weh dem Räuber.
Das VIIIte Gebot Du sollt nicht falsch Zeugniß geben. Hie sind alle schädliche Lügen verboten, wie auch der edele Spruch prov. 12. lehret: Lügen ist ein Greuel vor Gott, aber Wahrheit ist Gottes Lust.
Das IXte Gebot. Du sollt niemands Gut begehren. Gott verbeut nicht allein äußerliche unrechte Werk, sondern auch böse Begierden, und Untugend im Herzen, wie Matth. 5. das göttliche Gesetz erklärt wird.
Das Xte Gebot. Du sollt niemands Eheweib begehren. Gott verbeut nicht allein äußerliche Unzucht, sondern gebeut auch, daß das Herz rein und keusch sey, und ehret und belohnet rechte Keuschheit, mit hohen großen Gaben, wie die Historia Joseph beweiset.
Folget der Glaub mit kurzer Erklärung
Ich glaube an Gott den Vater – Erden.
Der Glaube lehret, wie man Gott erkennen und anrufen soll, und wie er ihm eine einige Kirche aus dem menschlichen Geschlecht sammlet, die bey ihm in ewiger Weisheit, Gerechtigkeit und Freude leben, ihm danken und ihn preisen wird. Und ist wohl zu merken, daß wir Christen in aller Anrufung Unterscheid betrachten sollen, zwischen wahrhaftiger göttlicher Majestät, und zwischen Abgöttery, und sollen unsere Herzen und Gedanken diesen wahrhaftigen Gott ansprechen, der sich mit gewissen klaren Zeugnissen, als Auferweckung der Todten, und andern Wunderwerken geoffenbaret hat, und seinen Sohn gesandt uns zu erlösen, und ernstlich geboten, daß wir glauben und vertrauen sollen, er wolle uns um des Sohns willen annehmen, und erhören aus Gnaden, ohne unser Verdienst. Diese Erkenntniß, Glaube und Vertrauen soll in deinem Herzen leuchten, wenn du anfähest diese Artikel zu sprechen, und soll das Herz gewißlich die Güter von Gott erwarten, die in diesen Artikeln genannt werden.
Der erste saget von Erschaffung aller Creaturen. Hie sollt du verstehen, daß nicht der Vater allein, sondern der Vater samt dem ewigen Sohn und heiligen Geist, alle Creaturen erschaffen hat, und noch täglich für und für erhält, und giebt Leben und Nahrung, diese Güter sollt du auch von ihm bitten und erwarten.
Und an Jesum Christum – Todten.
Der andre Artikel redet von Erlösung der Menschen, durch den Sohn Gottes, und sollen alle Artikel auf die letzten gezogen werden: ich glaube Vergebung der Sünde, Auferstehung des Fleisches, und ein ewiges Leben. Nemlich, nicht aus unsern Verdiensten, sondern durch die Fürbitte, und durch das Leiden, darin der ewige Sohn Gottes Jesus Christus, gebohren aus der Jungfrau Maria rc. aus wunderbarlichem Rath göttlicher Majestät, für uns ein Opfer worden, und hat also den ernstlichen und schrecklichen Zorn Gottes wider uns gesühnet. Dieses aber mußt du mit Glauben und herzlichem Vertrauen tröstlich annehmen, und schließen, daß dasselbe nicht allein andern, sondern auch dir zu gut geschehen sey, und daß Gott nicht allein andern, sondern auch dir selbst deine Sünde vergeben, und dich annehmen wolle um seines Sohnes Jesu Christi willen.
Ich glauben an den heiligen Geist – Amen.
Der dritte Artikel redet vom h. Geist, welchen der ewige Vater und der Sohn Jesus Christus senden, durch ihn im Predigtamt, darin das Evangelium von Christo laut dieser Artikel verkündiget und geprediget wird, eine Kirche zu versammlen, und wirkt der h. Geist in den Herzen, die das Evangelium hören, und erkennen, daß Gott wahrhaftiglich über unsere Sünde zürne, und den Trost im Evangelio fürgetragen mit Glauben annehmen. Die sollen festiglich glauben, daß sie Gott mit dem h. Geist gnädiglich regieren wolle, und wolle in ihnen ewiges Leben anfahen, und ist der Artikel von der Kirche hie zugesetzt, alle Gläubige zu trösten, daß wir wissen, obgleich die großen weltlichen Reiche in Haufen fallen, und viel Zerstreuungen werden, daß Gott dennoch für und für, allezeit, auf Erden bis zur Auferstehung ein Häuflein erhalten will, das seine Kirche sey, darin die Stimme des Evangelii von Christo bleibe, und Gott recht erkannt und angerufen wird, und diesem Häuflein giebt er Herberge, daß man die Jugend lehren könne, und daß das Predigtamt erhalten werde, und die Leute in der Kirche öffentlich und ehrlich zusammen kommen mögen.
Folget das Vater Unser mit kurzer Erklärung
Joh. 16. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, so ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird ers euch geben. Bittet, so werdet ihr nehmen.
Vater Unser, der du bist im Himmel. Das ist: ach du allmächtiger Gott, Schöpfer aller Creaturen, der du bist im Himmel, um uns und bey uns allenthalben, und willt unser gnädiger und gütiger Vater seyn, um deines lieben Sohns Jesu Christi willen, und sorgest herzlich für uns, willt uns erhören und helfen.
Die Ite Bitte. Geheiliget werde dein Name. Das ist, dein Name werde recht erkannt, durch rechte Lehre und Glauben, daß Du der wahrhaftige Gott, der du dich geoffenbaret hast, wahrhaftiglich angerufen und recht geehret werdest, und abgesondert von aller Abgötterey.
Die IIte Bitte. Zukomme dein Reich. Das ist, regiere du uns mit deinem heiligen Geist, und ist zu merken, daß die Stücke im Gebet sehr ordentlich gesetzt sind. Erstlich muß in uns seyn rechte Lehre und rechte Erkenntniß, und ist das Wort und das Lernen gewißlich der Anfang. Es wird aber also im Herzen kräftig und lebendig, so der heil. Geist mitwirket, und ist sehr hochnöthig, daß wir bitten, daß er uns regieren wolle, wie geboten ist Luc. XI. wie vielmehr wird Gott den h. Geist geben denen, so ihn darum bitten.
Die III. Bitte. Dein Wille – Himmel. Das ist von Aemtern geredt; ach Herr, wirke du, daß die aemter, Prediger, Lehrer, Könige, Fürsten, Richter, Hausväter ihre Aemter recht ausrichten, daß solches geschehe, das dir wohlgefällig ist, wie die Engel im Himmel ihrer Aemter warten, und thun, das dir wohlgefällig ist.
Die IVte Bitte. Unser – heute. Das ist, versorge auch unsern und unserer armen Kindlein schwache Leib, gieb uns Nahrung, Frieden, Gesundheit, Verstand und Glück in unserer Arbeit, und andere leibliche Nothdurft, wie du gnädiglich zugesagt hast: Erstlich suchet das Himmelreich, so werden euch alle andere Güter zugegeben.
Die Vte Bitte. Vergieb – Schuldigern. Bey aller Anrufung und in allem GEbet, muß diese Bitte mitgehen, vergieb uns unsre Schuld, und muß dieses besondre Licht des Evangelii, und dieser Glaube allezeit in unsern Herzen leuchten, daß Gott gewißlich uns um seines Sohnes willen unsere Sünde vergeben wolle, wie Gott solches mit seinem Eid bezeuget.
Die VIte Bitte. Und – Versuchung. Das ist, laß uns nicht fallen, und von dir abweichen, so wir versucht und angefochten werden, leiblich oder geistlich. Denn der Teufel ist allen Gottesdienern grimmig feind, und sucht allerley List, Gott zu lästern, und die Menschen zu verderben, wie St. Petrus spricht: der Teufel gehet um wie ein brüllender Löwe rc., und ohne göttliche Hülfe können wir allein nicht widerstehen.
Die VIIte Bitte. Erlöse – Uebel. Dieses Stück redet vom Ende, denn dieweil dieses Leben voll Jammers ist, so muß dennoch endlich eine Erlösung seyn, sonst wären wir ewig in der Angst und im Tod, darum bitten wir endlich, daß uns Gott aus diesem Jammer, und vom Tod und Hölle erretten, und uns ewige Gerechtigkeit und Seligkeit geben wolle, Amen.
Ehre sey Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen.
M. Phil. Heinr. Schuler's Geschichte des katechetischen Religionsunterrichts unter den Protestanten Halle, bey Johann Jacob Gebauer. 1802