Major, Charles Forsyth - Das Gesetz Gottes, erklärt in der evangelischen Kapelle zu Straßburg - Der Missbrauch des heiligen Namens.
2. Mos. 20,7.
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.
Wenn man in unserer Zeit schon überhaupt Ursache findet, sich über die Verachtung des Wortes Gottes zu beklagen, so muss diese Klage besonders laut werden, sobald man die einzelnen Gebote mit den Gebräuchen des täglichen Lebens vergleicht. Es tritt bei dieser Vergleichung, je länger je mehr, die Gottlosigkeit der Menschen hervor, und das Wort des lebendigen Gottes gewinnt an Bedeutung und Kraft in unseren eigenen Herzen. Wie wenn ein Mensch die Gassen unserer Stadt durchwandelt, und neben allen anderen Gebäuden ihm allerdings das große Münster als ein besonders herrliches in die Augen fällt, aber ehe er es sorgfältig mit den übrigen Gebäuden vergleicht und seine einzelnen Teile untersucht, wird es ihm nicht anschaulich werden, welche unendliche Bedeutung, welche Riesenkräfte in diesem herrlichen Meisterwerk vereinigt sind. Noch viel mehr das Wort Gottes, wenn man es in seinen einzelnen Geboten, vergleicht mit den Gebräuchen des täglichen Lebens. Hier steht vor uns ein Meisterbau göttlicher Weisheit und Gerechtigkeit, an dem jede Figur harmonisch zum Ganzen passt; und über dem gottlosen Getreibe unseres schmutzigen Gassenlebens, über den verächtlichen Gebäuden, die unsre armseligen irdischen Sorgen für einen kurzen Erdentag aufführen, ragt es empor in majestätischer Würde und mächtiger Ruhe, mit seinem Kreuz in die ewige Heimat weisend. Ja, dieser Gottesbau, von dem kein Strichlein vergehen wird, steht da vor uns auf dem Wege und spricht in erhabener Einfalt zu unseren Herzen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein worden. Von dem Herrn ist das geschehen, und ist wunderbar in unseren Augen. Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf welchen er aber fällt, den wird er zermalmen (Matth. 21,42.44.).
Halten wir uns daher in dieser Stunde bei dem dritten Gebot auf und betrachten diese göttliche Figur sorgfältig, damit, wenn es zum Fallen, zum Zerschellen und zum Zermalmen kommt, wie zu denen gehören, die seine Reden gehört und getan haben und darum von ihm selbst verglichen werden mit einem klugen Manne, der sein Haus auf einen Felsen baute (Matth. 7, 24.)
Der Missbrauch des Namens Gottes ist der wichtige Gegenstand, der in dieser Stunde unsere ganze Aufmerksamkeit fesseln soll. Wir werden zeigen: 1.) worin er besteht; 2.) auf welche Weise ihn Gott bestraft, und 3.) welches der rechte Gebrauch des heiligen Namens ist.
I.
Unter den Gliedern des menschlichen Leibes ist die kleine Zunge, dieses dem Auge des Nächsten entzogene Werkzeug, eines der bedeutendsten, wo nicht das bedeutendste. Mit deinem Fuß wandelst du, mit deiner Hand verrichtest du Taten, mit deinem Auge siehst du in die Ferne, mit deinem Ohr lauscht du auf verborgene Töne, aber mit deiner Zunge sprichst du das Wort aus, welches das Bild deiner Seele in sich schließt. Mit deiner Zunge stellst du dein eigenes Wesen äußerlich dar. Mit ihr schaffst und wirkst du von Morgen bis Abend in unermüdlicher Tätigkeit, und treibest Andere an zum Gedanken, zur Tat. Mit deiner Zunge baust du mühsam entweder auf Sand eine zerbrechliche Hütte der Zeit, oder auf dem Felsen ein unzerbrechliches Haus der Ewigkeit. Dein Wort ist die Tat deines Lebens, deine Zunge das Werkzeug, das an deiner Seligkeit arbeitet oder an deiner Verdammnis zimmert. O welches wichtige Ding ist das Wort des Menschen! Und doch hören wir tausend unnütze Worte in einer Stunde über eine und dieselbe Zunge heraus rauschen aus der Finsternis des Herzens, wie einen Strom aus verborgenem Quell'; doch sehen wir diese Zeugen des inwendigen Seelenzustandes sich in zehntausend verschiedenartigen Gestalten um Einen Menschen aufeinander türmen und ihn bald in diesem, bald in jenem Lichte vor unseren Augen vorüberführen. Fragen wir aber nach dem Namen aller dieser Gestalten, dieser Bilder, dieser Tone, so antwortet uns ein ernstes Buch: Eitelkeit; fragen wir nach dem Meer, wohin dieser Fluss der Rede eilt, so hören wir das schauderhafte Wort: Verdammnis; fragen wir nach dem Felsen, über den dieser stolze Strom hinabschäumen wird in die Tiefe, sich auflösend in Dunst durch seinen heftigen Sturz, lange ehe er einen Ruhepunkt findet, um zu neuer Tatkraft gesammelt zu werden: so hören wir des Felsen Namen mit Entsetzen und Schrecken: er heißt Ewiges Gericht, denn aus deinen Worten wirst du gerichtet! Aus deinen Worten wird einst eine große, unabsehbare Reihe auftreten und gegen dich zeugen und dich verdammen oder selig sprechen, O Mensch, o Bruder, aus deinen Worten wirst du gerichtet!
Ist dein Herz mit Eitelkeit angefüllt, so wird Eitelkeit der Gegenstand deiner Rede sein; ist es von Gottes Weisheit bewohnt, so wird Gottes Güte der Inhalt deiner Worte sein. Uber auch der Name Gottes wird von dem eitlen Geschlecht der Vergänglichkeit missbraucht, und diese traurige Zungensünde ist es, die wir näher zu betrachten haben.
Zuerst hören wir täglich um uns den Namen Gottes und Jesu, unsres Herrn und Heilandes, im gewöhnlichen Gespräch gedankenlos und ohne Ehrerbietung nennen, und wie ein Dolchstich durchs Herz, so fährt es uns oft durch die Seele, wenn wir es vernehmen. Oft habe ich mich selbst gefragt, woher es komme, dass dieser Name, der mir sonst so lieb ist und meiner Seele so angenehm klingt, wenn er von rohen Menschen als leere Interjektion1): Ach Gott! O Jesus! und dergleichen gebraucht wird, mir so wehe tut; und ich habe in ehrlichem Kampf mit dem feineren Gefühl aus Liebe zu meinen Nebenmenschen diese Empfindlichkeit überwinden wollen, aber immer wieder trat mir das heilige Wort entgegen: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen. Darum musste ich mich endlich entschließen zu sagen: Das Wort Gottes ist heilig und gerecht. Dein durch den Umgang mit demselben geschärftes Gefühl ist das Wahre, und dieser Gebrauch unserer Zeit ist verwerflich, verdammlich, ist Sünde, die Gott zu strafen gedroht hat. Nun, meine lieben, teuren Zuhörer, was soll ich tun? soll ich schweigen und mit humaner Gewandtheit diese so allgemein gewordene Sünde übergehen, und von Einem oder dem Andern dafür den Ruhm davon tragen, dass ich ein gewandter Prediger bin, der die Sünde zwar anzudeuten wisse, aber nie so deutlich spricht, dass er die Personen beleidigt mit zu bestimmter Bezeichnung ihrer eigentümlichen Sünde? Wäre ein solches Verfahren nicht eine unverantwortliche Sünde von meiner Seite? Darum will ich reden und meine Seele retten, während ich aufrichtig bemüht bin, Viele von einer Sünde zu überzeugen, die unter uns große Verheerungen anrichtet. Ist es nicht traurig, dass ich hier vor dem Angesichte des allwissenden Gottes bezeugen muss, wie ich selten mit einem Menschen über zehn Minuten. sprechen kann, ohne den Namen Gottes mehrmals missbraucht zu hören? Bald` geschieht es als ein Ausruf der Verwunderung, bald als Ausdruck des Gefühls, des Mitleids, des Bedauerns, der Teilnahme; bald als Beteuerung oder zur Bekräftigung einer unbedeutenden Versicherung; bald ohne allen Zusammenhang der Gedanken, so dass ich mich oft fragen muss: was will der Mensch denn eigentlich damit sagen? Oft habe ich sogar bemerkt, dass einige Leute den tollen Wahn haben, als ob es sich so gehöre und ein Zeichen besonderer Frömmigkeit sei, wenn sie im Gespräch mit einem Geistlichen den Namen Jesu oder Gottes recht fleißig in die Rede einflechten.
Diese so allgemeine Sünde hat dermaßen Überhand genommen, dass es mir schon begegnet ist, einen Menschen darauf aufmerksam gemacht zu haben, der es durchaus nicht wusste, dass es bei ihm so oft vorkomme, und dann, überzeugt, sich entweder damit entschuldigte, dass es eine böse Gewohnheit sei, oder das Sündhafte darin geradezu wegleugnete. Es ist aber mehr als böse Gewohnheit, es ist eine Sünde, die ihre Strafe mit sich trägt, wie wir bald sehen werden.
Ich kenne unter meinen heutigen Zuhörern mehrere mir liebe und teure Personen, die diese Sünde fortwährend treiben und oft mit einer Gedankenlosigkeit den Namen Gottes über ihre Lippen gleiten lassen, dass sie mir in ihrem Umgange schon viele Schmerzen bereitet haben, ohne es zu wissen. Solche werden mich vielleicht fragen, warum ich sie noch nie darauf aufmerksam gemacht habe? Ich antworte Ich antworte: Es ist solche Erinnerung unterblieben weder aus Mangel an Freimütigkeit, noch an Liebe zu Eurem wahren Wohl, sondern darum, weil ich die Bemerkung gemacht, dass Ihr bei den meisten Anlässen innerlich so zerstreut und leichtfertig wart, dass ich fürchten musste, meine Erinnerung würde nur Eure Verantwortlichkeit vermehren, weil ihr sie nicht zu beachten geneigt sein könntet; darum zog ich es vor, bis auf eine gelegenere Zeit zu schweigen. Diese ist nun gekommen. Wir sind still und andächtig um das Wort Gottes versammelt, der Gegenstand führt uns notwendig darauf, und ich bezeuge Euch, teure Zuhörer, dass diese sogenannte böse Gewohnheit eine schwere Sünde ist, die ihre Strafe in sich selbst trägt.
Gröber noch tritt die Sünde wider das dritte Gebot im Volksleben hervor, da man den Namen Gottes zum Schwören und Fluchen missbraucht, was gewöhnlich als Mangel an Bildung und als roher Sinn, aber selten als schwere Sünde angesehen wird. Und doch hat Jesus ausdrücklich erklärt: „Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst keinen falschen Eid tun, und sollst Gott deinen Eid halten. Ich aber sage euch, dass ihr allerdings nicht schwören sollt; weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Stuhl; noch bei der Erde, denn sie ist seiner Füße Schemel; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. Auch sollst du nicht bei deinem Haupte schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. Eure Rede sei: Ja, ja; Nein, nein; was drüber ist, das ist vom Übel“ (Matth. 5,33-37.). Wusste doch schon der alte Sirach, dass solches schwere Sünde war, wie geschieht es denn, dass wir es nicht mehr wissen? Hören wir Sirach darüber: „Gewöhne deinen Mund nicht zum Schwören, und gewöhne dir nicht an, Gottes Namen zu führen. Denn gleichwie ein Knecht der stets gestäupt wird, nicht ohne Striemen ist: also kann der auch nicht rein von Sünden sein, der immer schwört und Gottes Namen führt. Wer oft schwört, der sündigt oft, und die Plage wird von seinem Hause nicht bleiben. Schwört er und verstehts nicht, so sündigt er gleichwohl; und verachtet ers, so sündigt er zwiefältig. Schwört er vergeblich, so ist er nicht ohne Sünde; sein Haus wird hart gestraft werden. Es ist auch ein tödlicher Fluch, der müsse nicht gefunden werden im Erbteil Jakobs. Denn die Gottesfürchtigen fliehen solches Alles und besudeln sich nicht mit dieser Sünde“ (Sir. 23,8-15.).
Ich übergehe hier den groben Meineid und mancherlei Aberglauben, der im Volk mit dem heiligen Namen getrieben wird, nicht weil ich glaube, dass weniger Sünden der Art zu unserer Zeit getrieben werden, sondern weil sie allgemein als Sünde anerkannt und wenigstens im öffentlichen Bewusstsein als solche bezeichnet werden und darum mehr im Finstern schleichen. Leider aber lehrt die Erfahrung, dass zu keiner Zeit mehr als jetzt mit dem bürgerlichen Eide gespielt wird, was man als ein Zeichen besonderer Aufklärung und höher Bildung betrachten will, während manches geängstete Gewissen nicht allein im Volk, sondern auch unter den gebildeten Ständen oft zu dem gröbsten Aberglauben, als Kartenschlagen, Amuletten und dergleichen Teufelspiel Zuflucht nimmt. Was sollen wir zu solchen sonderbaren Widersprüchen einer und derselben Zeit, ja oft bei denselben Personen sagen?
Wir antworten mit einem französischen Sprichwort: „Die Gegensätze berühren sich, und reichen sich gern die Hand zum allgemeinen Verderben.“
Ärger noch als in unserem bürgerlichen Leben tritt der Missbrauch des Namens Gottes im kirchlichen Tode unserer Zeit hervor. Jeder Gottesdienst, in welchem der Name Gottes von unbekehrten und unbußfertigen Menschen angerufen wird, ist ärgere Sünde als der bürgerliche Meineid, denn: „Zu dem Gottlosen spricht Gott: Was verkündigst du meine Rechte, und nimmst meinen Bund in deinen Mund; so du doch Zucht hassest und wirfst meine Worte hinter dich?“ (Ps. 50,16.17.) Wie manche Predigt unserer Zeit, da der Prediger nichts weniger glaubt, als das Wort Gottes, welches er dem Volk zu verkündigen vorgibt, erscheint unserem Gebot gegenüber als schwere, unverantwortliche Sünde! Wie manches Gebet am Altar, da man nicht in demütiger Sündergestalt im Namen Jesu und getrieben vom heiligen Geiste den heiligen und gerechten Gott anruft, sondern als stolzer Pharisäer im Namen der Lugend und getrieben vom Zeitgeist es wagt, die heilige Stätte vor der versammelten Gemeine zu betreten, wird, in das Licht vor seinem Angesicht gestellt, verurteilt und verdammt werden als grober Meineid! -
Wie manche Gemeinde unserer Zeit, von blinden Leitern geführt, irrt am Abgrunde und weiß nicht das Wort des Herrn auf sich anzuwenden: „Ihr Heuchler, es hat Jesaias wohl von euch geweissagt und gesprochen: Dies Volk naht sich zu mir mit seinem Munde und ehrt mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir; vergeblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehren, die nichts denn Menschengebote sind“ (Matth. 15,7-9.).
Muss nicht der heilige Geist Gottes, wenn er in diesen letzten Tagen unter uns aufsteht, da so viel Schein der Gottseligkeit vorhanden ist, aber ihre Kraft verleugnet wird (2 Tim. 3,5.), muss er nicht jene alte Klage wiederholen: „Was soll mir die Menge eurer Opfer? spricht der Herr. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von den Gemästeten, und habe keine Lust zum Blut der Farren, der Lämmer und Böcke. Wenn ihr herein kommt zu erscheinen vor mir, wer fordert solches von euren Händen, dass ihr meine Vorhöfe zertretet? Bringet nicht mehr Speisopfer so vergeblich. Das Rauchwerk ist mir ein Gräuel; die Neumonde und Sabbate, da ihr Versammlungen haltet, Laster und Feier zusammen, kann ich nicht ertragen. Meine Seele ist feind euren Neumonden und Jahreszeiten; sie sind mir zur Bürde, ich bins müde zu leiden. Und wenn ihr schon eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen von euch; und ob ihr schon viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Bluts. Wascht, reinigt euch, tut euer böses Wesen von meinen Augen, lasst ab von Übeltat; lernt Gutes tun, trachtet nach Recht und führt der Witwen Sache“ (Jes. 1,11-17.).
Möge denn das wehmütige Zeugnis, dass in unserer Zeit im geselligen, im bürgerlichen, wie im kirchlichen Leben vielfach gegen das dritte Gebot gesündigt wird, Jeden von uns auf sich selbst aufmerksam machen, dass wir unsere Worte wägen lernen und besonders darauf unsere ganze Aufmerksamkeit hinrichten, uns selbst gewissenhaft vor Gott zu fragen: In welchem Gemütszustande pflegst du den Namen Gottes im täglichen Leben wie in deinen religiösen Übungen zu brauchen?
II.
Der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht. So lautet die ernste Drohung, die diesem Gebot besonders beigegeben ist. Dass solche Drohung bei diesem Gebot besonders hervorgehoben wird, ist ein auffallender Zug der Treue und Sorgfalt Gottes, der wohl weiß, was für ein Gemächte wir sind, und in seiner Allwissenheit des Menschen leichtfertiges Herz in allen seinen Falten ergründet hat. Sind wir nicht so sehr geneigt, die eben geschilderten Sünden als leicht und verzeihlich aufzufassen? Werden nicht die Meisten ohne Bedenken sagen: Solche Zungensünden sind doch viel verzeihlicher und geringer als die Übertretung anderer Gebote, wie Mord, Ehebruch, Diebstahl und dergleichen? Was antwortet aber das Wort des Heiligen auf diese Einwendung des leichtfertigen fleischlichen Sinnes: „So jemand das ganze Gesetz hält und verstößt an Einem, der ist es ganz schuldig“ (Jak. 2,10.). Also schließen wir: So jemand nicht mordet, nicht Ehebruch treibt, nicht stiehlt, nicht Abgötterei treibt, nicht den Sabbat entheiligt, nicht falsch Zeugnis redet wider seinen Nächsten, keiner bösen Lust huldigt, aber er missbraucht den Namen Gottes auf die eben beschriebene Weise, der ist des ganzen Gesetzes schuldig und wird nicht ungestraft bleiben, denn „Missbrauch dieses heiligen Namens ist ein frevelhaftes Verspotten und Herausfordern des Allerhöchsten.“
Ein ernstes Beispiel der Strafe Gottes finden wir im in folgender Geschichte. 3 Mos. 24,10-16.
Es ging aber aus eines Israelitischen Weibes Sohn, der eines ägyptischen Mannes Kind war, unter den Kindern Israel, und zankte sich im Lager mit einem Israelitischen Manne. Und der Sohn des Israelitischen Weibes lästerte den Namen (Gottes) und fluchte. Da brachten sie ihn zu Mose und legten ihn gefangen, bis ihnen klare Antwort würde durch den Mund des Herrn. „Und der Herr redete mit Mose und sprach: Führe den Flucher hinaus vor das Lager und lass Alle, die es gehört haben, ihre Hände auf sein Haupt legen und lass ihn die ganze Gemeine steinigen. Und sage den Kindern Israel: Welcher des Herrn Namen lästert, der soll des Todes sterben, die ganze Gemeine soll ihn steinigen. Wie der Fremdling, so soll auch der Einheimische sein; wenn er den Namen (Gottes) lästert, so soll er sterben.“
Wir erkennen aus diesem Worte Gottes, dass der Tod die Strafe ist, welche der Mund des Herrn über den Missbrauch seines Namens verhängt hat. Dieser Tod nun kündigt sich im Neuen Testament auf mancherlei Weise an. Zuerst bei solchen, die sich gewöhnt haben, den heiligen Namen gedankenlos zu missbrauchen, ist die natürliche Strafe die, dass sie im Gebet die lebendige Kraft, die in diesem Namen liegt, nicht erfahren können. Sie bleiben, trotz aller Gebete, die sie zuweilen verrichten mögen, tot in Sünden und Übertretungen; sie bleiben ausgeschlossen aus der Gemeine Gottes, und der Fluch des Allmächtigen drückt sie zu Tode, wie ein schwerer Stein, der ihnen auf das schuldbeladene Haupt geschleudert wird. Wundert euch darum nicht, wenn alle eure äußerliche Frömmigkeit nichts verschlagen will. Wundert euch nicht, wenn das Wort Gottes keine Lebenbringende Kraft an euern Herzen ausüben kann; wundert euch nicht, wenn eure Gebete unerhört bleiben; wundert euch nicht, wenn eure Herzen kalt und gefühllos bleiben, während andere von dem heiligen Namen in selige, fromme Rührung versetzt werden; so lange ihr diesen Namen leichtfertig missbraucht, kann es nicht anders sein: das ist der natürliche Fluch, die gerechte Strafe, die eure Sünde nach sich zieht.
Es wäre mir leicht, hier manches Beispiel von auffallenden Strafen Gottes, die dem Missbrauch seines Namens auf den Fuß gefolgt sind, anzuführen; aber ich übergehe sie lieber, weil ich bemerkt habe, dass diejenigen, welche sich nicht durch vernünftige Vorstellungen und liebreiche Ermahnungen wollen bessern lassen, selten sich von der Furcht vor der Strafe auf bessere Wege leiten lassen. Doch darf ich nicht verschweigen, wie es meine vollkommene Überzeugung ist, dass der traurige, oft bis zur Verstockung gehende Zustand der Christenheit unserer Tage eine ganz natürliche und notwendige Folge ist des so häufig erscheinenden Missbrauchs des göttlichen Namens, sowohl in bürgerlicher, als in kirchlicher Beziehung. Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch Verderben ernten. (Gal. 6,7.8.)
Das Verderben hat schon Überhand genommen unter den Christen, und wächst allmählig heran zu einer fürchterlichen Flut, die sich über unsere Familien, über unsere Kirchen, über unsere Städte, über unsere Dörfer, über unsere Freuden, über unsere Leiden, über unsere Seelen, über unsere Leiber wälzen und Alle, die den Namen des Herrn missbrauchen, fortschwemmen wird in die ewige Verdammnis. Denn der große und offenbarliche Tag des Herrn naht mit unaufhaltbarer Eile und wird gehen über alle Höhen der Erde, und es wird keine Errettung sein für solche, die ohne Gott und Christus gelebt haben in dieser Welt.
Wer aber den Namen des Herrn anrufen wird, der soll selig werden (Apstlg. 2,21.). Diese Versicherung des heiligen Geistes führt uns zur versprochenen Schilderung des rechten Gebrauchs des göttlichen Namens.
Um einen Gegenstand seiner Bestimmung nach recht brauchen zu können, muss man ihn zuvor kennen gelernt haben; darum wird unserer Schilderung des rechten Gebrauchs des göttlichen Namens auch eine Hinweisung auf die Bedeutung dieses Namens voran gehen müssen.
Dein Name ist eine ausgegossene Salbe, heißt es (Hohel. 1, 3.) von ihm. In diesen Worten finden wir eine Andeutung der Wirkung, welche der rechte Gebrauch des göttlichen Namens auf die Seele des Menschen ausübt, aus welcher Wirkung wir schon auf die hohe Bedeutung desselben schließen können, die uns in anderen Stellen mit bezeichnenden Worten angegeben wird. Durch die Sünde ist die Seele des Menschen tief verwundet, ja sie ist wie eine offene Wunde geworden, die durch nichts geheilt werden kann, als durch die innerliche Bewegung des Namens Gottes in einem feinen, stillen Herzen. In dem Namen Gottes liegt seines Wesens Kraft verborgen, und sobald diese in Berührung tritt mit dem Inwendigen des Menschen, so äußert sie ihre heilende Kraft, und wie ein Balsam, ausgegossen auf eine leibliche Wunde, so wirkt der Friede Gottes, der mit seinem Namen in die Seele kommt, besänftigend und. lindernd im Herzen des Menschen. Dasselbe sagt uns der Herr, wenn er uns beten lehrt: Geheiligt werde dein Name. Denn was heißt das Wort „heiligen“ anders, als absondern zu einem besondern, eigentümlichen Gebrauch? Wir können aber diesen Namen nicht anders von anderen Namen auf Erden absondern, als wenn wir ihn seiner ganzen Bedeutung nach in unserer Seele mit hellem Bewusstsein aufnehmen und bewegen, und dadurch seine Gotteskraft in uns ausrichten lassen, wozu sie uns gegeben ist, nämlich uns zu erfüllen mit dem Frieden, den die Welt nicht geben kann; und uns durch Mitteilen göttlicher Eigenschaften und Kräfte zu heiligen, d. i. von der Welt, mit welcher wir verwachsen sind von Natur, abzusondern und einer anderen Welt, der Welt göttlicher Heiligkeit, einzuverleiben. Dadurch allein wird die tiefe Wunde, welche die Sünde unserer Seele geschlagen hat, geheilt, und der Name Gottes beweist sich an uns als eine ausgegossene Salbe.
Nun hat sich aber dieser Gott den Menschen als ein Dreieiniger offenbart. Sollen wir ihn mit menschlichem Bewusstsein in uns aufnehmen, so können wir ihn nicht anders fassen als von der, der menschlichen Natur zunächst verwandten, Seite seines göttlichen Wesens, und das ist eben der Name Jesus Christus, der Gekreuzigte, von dem uns die Schrift sagt: „Es ist in keinem Andern Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin sie sollen selig werden“ (Apostg. 4,12.). Dass ich mich menschlich hierüber ausdrücke, um verstanden zu werden: Von dieser Seite allein kann Gott dem Menschen und der Mensch Gott nahen. Ich sage absichtlich kann, denn wäre eine andere Möglichkeit vorhanden, so würde sie uns der Vater in seinem Worte bezeichnet haben, so würde die Menschheit ohne Christi Offenbarung sie lange schon gefunden haben. Weil aber beides nie geschehen, so schließen wir vernünftiger Weise (wenn wir ganz absehen wollen von persönlichen Erfahrungen), dass wir allein im Namen Jesu Christi uns der Gottheit nahen können. Nun lasst uns einfach die Erfahrung der Kirche über den rechten Gebrauch des Namens Gottes hören, die Erfahrung so vieler Tausend und Millionen Seelen, die lange schon eingegangen sind zu ihres Herrn Freude, und in ewiger Seligkeit schauen, was sie im irdischen Kampf geglaubt haben.
Wer im stillen, inneren Gebet fleißig dem Vater naht im Namen Jesu Christi, der erfährt die belebende Kraft des heiligen Geistes an seinem inwendigen Menschen und dringt innerlich durch, aus dem Tode zum neuen Leben des Glaubens, der empfängt die Kindschaft und ruft: Abba, Vater! Ein solcher Mensch fühlt sich im Geiste vereinigt mit Allen, die den Herrn anrufen von reinem Herzen, und jagt, innig verbunden mit ihnen, nach der Gerechtigkeit, dem Glauben, der Liebe, dem Frieden (2 Tim. 2, 22.). Das ist die unsichtbare Gemeine Christi auf Erden. Ist es aber möglich, dass, wo solches gemeinsame Streben wirklich vorhanden, wo mehrere Menschen an einem Ort sich bewusst geworden sind, dass solches ihre Aufgabe, solches ihr Ziel geworden ist, diese Menschen länger vereinzelt dastehen und ihres Geistes innigstes Sehnen sich durch Vermischung mit Andersgesinnten verbergen und schwächen lassen können? Oder fordert es nicht vielmehr das innerste Bedürfnis des Herzens, fordert es nicht das Aufnehmen des Glaubens in der Seele, dass solche Menschen, was sie einzeln erkannt haben, auch gemeinsam bekennen, im Gegensatz mit der Welt, die ein ganz anderes Bekenntnis ablegt mit ihrem gottlosen Treiben? Ja, fordert es nicht das Wort Gottes als unerlässliche Bedingung der Seligkeit, dass die Gemeine der Gläubigen, die das Wort vom Glauben, das die Apostel gepredigt haben, aufgenommen hat, nun auch ihren Glauben öffentlich und unverhohlen bekennt und dadurch aus der Unsichtbarkeit hervortritt und eine sichtbare Gemeine Christi wird? Oder wie sollen wir das Wort des heiligen Geistes anders auslegen oder verstehen, wenn er spricht: (Röm. 10,9-11.) „So du mit deinem Munde bekennst Jesum, dass er der Herr sei, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du selig. Denn so man von Herzen glaubt, so wird man gerecht, und so man mit dem Munde bekennt, so wird man selig. Denn die Schrift spricht: Wer an ihn glaubt, wird nicht zu Schanden werden.“
Wo eine solche Gemeine der Gläubigen wohnt, da wirkt der heilige Geist, denn Lehre und Bekenntnis stimmen mit dem Worte Gottes überein. „Da wird, um mit Luthers Worten es auszudrücken, Gott gefürchtet und geliebt, dass wir bei seinem Namen nicht fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen, sondern denselben in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken.“
Das Bekenntnis zum Sohne Gottes wird von dem heiligen Geiste im Herzen angeregt, und fördert die Erkenntnis des Dreieinigen, indem der Geist nur verheißen ist denen, die unverhohlen bekennen, wes Geistes Kinder sie sind. Wer aber dem Sohne nicht glaubt, hat den Geist nicht, und der Vater bleibt ihm ewig fremd.
Unsere menschlichen Nöte sind gar mancherlei auf Erden, sie sind leiblicher und geistlicher Art, für alle dürfen wir im Namen Jesu Gott anrufen, denn er heißt unter anderem auch der Herr unser Arzt (2 Mos. 15,26.). Die größte Not bleibt aber immerhin unser Sündenelend, darum wird das Anrufen und Beten wohl immerdar vorzüglich darauf Bezug haben, dass uns die Erlösung in Christo immer lieber und teurer werde. Wer aber irgend wie die Kraft des göttlichen Namens, wenn er in Nöten angerufen, aus Erfahrung kennen gelernt hat, der wird ihn nicht mehr leichtfertig über die Lippen bringen können, und im gewöhnlichen Umgang des Lebens wird sich ein solcher Christ bald von einem Gott entfremdeten Weltmenschen unterscheiden. Wer aber könnte einen solchen Helfer in der Not je wieder vergessen? Wird nicht sein ganzes Leben ein Ausdruck werden müssen jener apostolischen Ermahnung: Betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes in Christo Jesu an euch? (1 Thess. 5,17.18.)
Aber nicht nur sein bürgerliches Leben wird geheiligt durch den rechten Gebrauch des Namens Gottes, auch sein kirchliches Leben erfährt dieselbe Umwandlung. Er kann sich nicht bekennen zu einer falschen Lehre, sondern muss sich absondern und in Gegensatz stellen mit Allen, die den Namen Jesu Christi, des Gekreuzigten, nicht bekennen. Laster und Feier zusammen kann Gott nicht ertragen. Nun kennt die Kirche Christi kein größeres Laster als die Leugnung und Entheiligung des Namens Gottes, darum muss das kirchliche Losungswort des Gläubigen werden: „Zieht nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen. Denn was hat die Gerechtigkeit für Genieß mit der Ungerechtigkeit? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Wie stimmt Christus mit Belial? Oder was für Teil hat der Gläubige mit dem Ungläubigen? Was hat der Tempel Gottes für eine Gleiche mit den Götzen? Ihr aber seid der Tempel des lebendigen Gottes; wie denn Gott spricht: Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln, und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein. Darum geht aus von ihnen und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt kein Unreines an: so will ich euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige Herr“ (2 Kor. 6,14-18.).
So, meine Freunde, wird der Name Gottes geheiligt in allen Verhältnissen des irdischen Lebens. Wohl dem, der es hört und tut, wehe dem, der es weiß und nicht tut! Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht. Amen!