MacDuff, John - Nach Jesu Sinn - 17ter Tag. Demut
Ein Jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.
Da stand Er vom Abendmahl auf und legte Seine Kleider ab und nahm einen Schurz und umgürtete Sich. Danach goss Er Wasser in ein Becken und hub an den Jüngern die Füße zu waschen. Joh. 13, 4. 5.
Demut. Welch ein unvergleichliches Bild der Demut! In demselben Augenblicke, wo Er den Thron vor Augen hat, Engelchöre Seinem Ohr ertönen; da die Stunde gekommen war, dass Er aus dieser Welt ginge; in dem erhabenen Bewusstsein Seiner unvergleichlichen Würde, und dass Er von Gott gekommen war und zu Gott ging; da nahm Jesus einen Schurz und umgürtete Sich, und hub an, den Jüngern die Füße zu waschen! Die himmlischen Heerscharen waren in jenem Augenblick bereit, ihre vereinten Kronen vor Seinen Füßen niederzuwerfen. Doch der Hohe und Erhabene, der die Ewigkeit bewohnt, ist auf Erden als ein Dienender!
Jene unendliche Herablassung! sagt ein Frommer, sie versenkt alle menschliche Demut in Nichts, und macht es für den Menschen unmöglich, sich zu demütigen.
Die Demut folgt Ihm von Seiner Geburtsstätte im Stalle bis zu Seinem geborgten Grabe. Sie umgibt alle Seine Handlungen mit einem sanften Glanze. Den geistlich Armen, den Leidtragenden, den Sanftmütigen, gelten Seine ersten Seligsprechungen. Nur gegen eine Klasse war Er strenge, gegen die, welche auf Andere herabsahen. Wie Er auch beschäftigt sein mag: ob Er Seine Wundertaten verrichtet, oder von Engeln besucht wird, oder kleine Kinder in Seine Arme nimmt, so steht Er vor uns an getan mit der Demut. Ja, es wird Seine Demut desto auffallender, je mehr Er Sich der Herrlichkeit nähert. Vor Seinem Tode nennt Er Seine Jünger Freunde; später, Brüder, Kinder. Wie traurig ist der Unterschied zwischen dem Meister und Seinen Jüngern! Kaum waren zwei Stunden vergangen, seit Er ihnen die Füße gewaschen, da erhob sich ein Zank unter ihnen, welcher unter ihnen sollte für den Größten gehalten werden! Möge dieses geistige Bild unseres demütigen Erlösers stets vor unseren Augen sein! Sein Beispiel redet zu uns, mit stummer Beredsamkeit, und zieht uns von unserer stolzen Selbsterhöhung herab. Es kann gewiss für uns kein zu demütigendes Liebeswerk geben, da Er Sich so herabließ. Wir wollen es zufrieden. sein, die niedrigste Stelle einzunehmen; das Glück und die Erhebung eines Anderen nicht beneiden; nicht wie Diotrephes, welcher wollte hochgehalten sein, sondern gerne bereit, gering gehalten zu werden; mit dem Täufer, den Blick auf den Herrn gerichtet, sprechen: Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen!
Wie große Ursache haben wir, demütig zu sein! Die fortwährende Befleckung unserer Seelen, und selbst das, was teilweise gut an uns ist, wie vermischt ist es mit Unvollkommenheit, Eigennutz, Anmaßung und Ruhmredigkeit! Ein stolzer Christ ist ein Widerspruch. Der Seraph (Vorbild der christlichen Kirche und der Gläubigen) hatte sechs Flügel, zwei für Botschaften der Liebe, aber mit vieren deckte er sich! Es ist sehr schön gesagt worden: Du bist dem Strome des lebendigen Wassers am nächsten, wenn du dich beugen musst; du kannst nicht trinken, ohne dich zu bücken. Das Korn auf dem Felde beugt das Haupt, indem es reift; also, indem er zum göttlichen Leben reift, beugt sich der Christ in dieser demütigen Tugend. Christus nennt die Seinen (im Hohen Liede) Rosen, - doch es sind Rosen im Tale, (Hoh. Lied 2,1.) sie können nur im Verborgenen gedeihen!
So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes. Segelt, sagt Rutherford, mit niederem Segel. Die Demut ist das Ordenszeichen deines teuren Herrn; das Kennzeichen Seiner Familie und ihre Ähnlichkeit mit Ihm. Ich wohne bei denen, so demütiges Geistes sind. Ja, das in Demut geheiligte Herz ist ein zweiter Himmel!