Luther, Johann Christian - Taufrede über Gal. 3,26.27.
„Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben“, (Jes. 9,6), so hat es auch in diesem Hause gehießen, und das ist eure Freude gewesen, ihr lieben Eltern; da habt ihr gesehen, wie der Herr so freundlich ist, wie Er so gern den Menschen ihres Herzens Wunsch gewährt und so gnädiglich hilft. Nun ja, ihr habt jetzt dieses Kind, diesen Sohn und ihr dankt eurem Gott für diese teure Gabe, die euch ans Herz gelegt ist, ihr dankt Ihm, dass Er Alles so wohl hat gehen lassen und so freundlich durch- und ausgeholfen bis auf diese Stunde. Aber was wäre dieses Kind, dieser Sohn, wenn nicht der ganzen Welt das Kind und der Sohn gegeben wäre, auf dessen Schulter die Herrschaft ist und der da heißt: „Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Ewig-Vater, Friedefürst“ (Jes. 9,6)? Und wie stände es mit der Freude über die Geburt eines armen, sündigen Menschenkindes, wenn wir von Dem nicht wüssten, der arm geworden ist, auf dass wir reich würden durch Seine Armut, von Dem nicht wüssten, der gekommen ist, das Verlorene zu retten? Ach könnten wohl Eltern mit Recht sich der Geburt eines Kindes freuen, wenn es keinen Heiland, keinen Erlöser gäbe? Und gibt es überhaupt eine wahre Freude in dieser Welt, wo man Jesum nicht kennt, wo die Dunkelheit dieses Jammertales den Menschen nicht erleuchtet ist durch den hellen Schein des Barmherzigen und Gnädigen? Doch gelobt sei Gott und der Vater der Barmherzigkeit, ihr Lieben kennt den, der ewig reich und ewig selig machen kann auch euch ist der Aufgang aus der Höhe zur Lebenssonne geworden, die euch Licht und Wärme gibt und ihr freut euch nun in dem HErrn - und eure Freude ist eine doppelte, wenn ihr nach unten und nach oben seht. Doppelt könnt ihr euch eures Kindleins freuen, denn es ist euch ans Herz gelegt und ihr dürft hoffen, euer Gut und Blut auch dem Erbarmer ans Herz gelegt zu sehen; doppelt könnt ihr euch des Herrn freuen, denn ihr habt Ihn nicht nur für euch und euer Bisheriges, sondern auch für dieses euer Kind; es ist wieder Etwas da, worin euer eigen Leben lebt, was durch Ihn gesegnet werden kann, und gesegnet sein soll.
Wie wird nun aber eure Freude erfüllt werden? und was wird dieses Kindlein empfangen, wenn wir es jetzt dem HErrn Jesu darbringen? Was wird es haben, was wird es geworden sein, wenn das Sakrament der heiligen Taufe an demselben vollzogen ist? Nun das sagt uns der Apostel mit den Worten (Gal. 3,26.27): „Ihr seid alle Gottes Kinder durch den Glauben an Christo Jesu, denn wie viele eurer getauft sind, die haben Christum angezogen.“ Ja, so ist es: Alle die Christum angezogen haben, die sind dem Vater angenehm gemacht in dem Sohne, die sind Gottes Kinder, wie viele aber getauft sind, die haben Christum angezogen. Also nichts Geringeres, als das: es soll diesem Kinde jetzt Christus angezogen werden, es soll jetzt Christum bekommen als Bekleidung für seine Seele, als Schmuck und Anzug für seinen inwendigen Menschen, damit es nicht bloß erfunden werde, damit es habe, worauf der Vater im Himmel mit Wohlgefallen sieht; dann ist ihm Christus angezogen, es hat dann Christum als Rock der Gerechtigkeit und alle Seine Tugenden als Kleider des Heils; es hat das, womit es vor Gott bestehen kann; es hat einen neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit, es ist von neuem geboren in Christo und Gott sieht es nun nicht mehr nach dem Fleische, sondern Er sieht es an, wie es in Christo ist; es ist Ihm ein teures, liebes Kind geworden, für das er ein Vaterherz hat und das Ihn Vater nennen darf, - und dem Er so erst Kindesrechte einräumt, dem Er einen Platz gibt in Seinem Vaterhause und Anteil haben lässt an Seinem himmlischen Erbe. O welch eine Fülle des Reichtums und was wird doch Alles durch dieses wunderbare Wasserbad gegeben! Wie viele geheime, unsichtbare Kräfte müssen doch hier wirksam sein! Da bedarf's denn also nicht noch erst einer Erwerbung der göttlichen Gunst, einer Erwerbung des Himmels und der Seligkeit, sondern das Alles ist geschenkt, gegeben und man hat sich nur des Geschenkten zu erfreuen, man hat nur von dem Gegebenen zu nehmen Gnade um Gnade; es braucht die Seele nicht zu sorgen und zu fragen: womit werde ich mich kleiden, womit werde ich mich nähren? Sie braucht sich nicht zu ängstigen und zu quälen darüber, wo und wie sie Christum gewinne, wo und wie sie Den finden wird, den sie haben muss als Decke für ihre Blöße, als Schutz für ihre Schwachheit, als Schmuck und Zierde, um einmal in dem Hochzeitssaale erscheinen zu können, sondern sie hat ihn in der Taufe schon angezogen, ist schon in Christo, bevor sie daran gedacht hat, Ihn zu suchen. Da gilt es nun, das Empfangene zu bewahren und gewissenhaft zu gebrauchen; da gilt es, in dem Anzuge, der einem geschenkt ist, einherzugehen und darauf zu sehen, dass der ganze inwendige Mensch in ihn gekleidet und der Anzug vollständig sei, dass man nicht bloß Lappen von Christo habe, sondern sich ganz und gar in Ihn hülle, und wenn Einem aus Fleisch und Blut ein eigener Anzug angewachsen ist, - immer wieder den alten Adam aus- und den neuen anzuziehen. Das wird denn auch die Lebensaufgabe dieses Kindes sein, wenn es an Alter und Gnade bei Gott wachsen soll. Es wird nehmen müssen aus der Fülle des Reichtums, die vor ihm aufgetan ist; es wird darüber wachen müssen, dass es allezeit in Christo erfunden werde und dass es in keinem andern Schmucke vor Gott zu erscheinen begehre, als in dem der Gerechtigkeit Jesu Christi, seines Herrn.
Nun, möge es das einmal verstehen! möge es einmal von Herzen sich dessen freuen, ein Kind Gottes geworden zu sein und Theil zu haben an der Gnade und Wahrheit, möge es aber auch den Grund seiner Kindschaft fest halten und im rechten Glauben sprechen können: Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, möge es ein Kind bleiben an der Bosheit und ein Mann werden am Verständnis, von Tag zu Tage in sich abnehmen und wachsen in Ihm (Joh. 3,30), von Tag zu Tage mehr in Ihn hinein gehen und einst, wenn es darauf ankommen wird, gegen Welt und Teufel und das eigene Fleisch zu kämpfen als ein guter Streiter Christi dastehen, angetan mit dem völligen Harnisch Gottes, Christum im Munde und im Herzen habend! Wir wissen wohl, was uns Menschen entgegentreten, unsere Hoffnung vereiteln kann, wir wissen wohl, dass, wenn Eltern es auch noch so redlich meinen, noch so sehr auf das Beste bedacht sind, dennoch nicht minder einem Menschenkinde große Gefahren drohen, und sehen, wie es nicht jedermanns Ding ist zu glauben (2 Thess. 3, ) und wie Viele von denen, welche Christum angezogen haben, ihr ganzes Leben nur brauchen, um ihn abzutun, drum könnten wir fragen: Wird es hier nicht auch so sein? Wir könnten uns mancherlei Gedanken und Sorgen über die Zukunft dieses Kindes machen, auch darüber, ob sich bei demselben der rechte Verstand, der rechte Eifer finden wird. Doch gelobt sei der Herr, dass es, was das ewige Heil betrifft, nicht an Jemandes Wollen und Laufen, sondern allermeist an Gottes Erbarmen liegt (Röm. 9,16) und abermals gelobt, dass es geschrieben steht: „Gott macht uns selig durch das Bad der Wiedergeburt, nicht nach den Werken, die wir getan, sondern nach Seiner Barmherzigkeit“ (Tit 3,5) - so dürfen wir denn nicht zagen, sondern müssen der Barmherzigkeit und Treue Gottes zutrauen, dass Er, der dem Kinde den himmlischen Anzug geschenkt hat, auch für das Tragen desselben, für das beständige Eingekleidetsein in dasselbe sorgen wird. Der heilige Geist zieht aus, der heilige Geist zieht an, und durch den heiligen Geist verrichtet die Vater- und Mutterliebe Gottes die Bekleidung ihres Kindes. Will aber die ewige Liebe sich menschlicher Hilfe bedienen, - wohl dem Kinde, dessen Eltern Gebete mit dem Heilsgedanken Gottes übereinstimmen. Ja, wenn die Mutter, so oft sie ihr Kindlein wäscht, es tut mit dem Gedanken: so wasche dich der heilige Geist und das Blut des Lammes von deinen Sünden; - wenn sie bei jedem Kleidungsstücke, das sie ihm am Abende abnimmt, die Bitte hinzufügt: Herr! ziehe Du ihm so Stück für Stück den alten Menschen aus, und am Morgen beim Ankleiden eben so: Herr! ziehe Du ihm so ein Stück der Gerechtigkeit Christi nach dem andern an, - wenn Vater und Mutter darin treu sind, in täglicher Reue und Buße den alten Adam zu ersäufen, um täglich als ein neuer Mensch in Christo zu erstehen, dann wird es schon gehen.