Luther, Martin - Die siebente Wittenberger Predigt.

Luther, Martin - Die siebente Wittenberger Predigt.

Am Sonnabende nach dem Sonntage Invocavit.

Lieben Freunde, gestern habt ihr gehört von dem Brauch des hochwürdigen Sacraments des Leibs und Bluts Christi, und welche recht dazu geschickt sind, als nämlich die, in welchen des Todes Furcht ist, die der Teufel jagt, die ein verzagt blödes Gewissen haben, und die sich vor der Sünde und vor der Hölle fürchten. Diese alle gehen billig und würdig zu dieser Speise, zu stärken ihren schwachen Glauben und zu Tröstung ihres betrübten Gewissens. Dieß ist der rechte Brauch und Uebung des Sacraments des Leibs und Bluts Christi: wer sich nicht also geschicket fühlet, der laß es anstehen, bis daß ihn Gott mit seinem Wort auch rühret und ziehet.

Jetzt wollen wir nun auch von der Frucht dieses Sacraments reden, welches die Liebe ist; nämlich, daß wir uns also gegen unsern Nächsten finden lassen, wie uns von Gott geschehen und widerfahren ist. Nun haben wir von Gott eitel Liebe und Wohlthat empfangen. Denn, ist das nicht eine große unaussprechliche Liebe, daß er seinen eingebornen Sohn vom Himmel herunter geschickt hat und ins Fleisch geworfen, auf daß er uns errettete und erlösete von Sünde, Tod, Teufel und Hölle? Ist das nicht eine große unermessene Liebe, daß uns Gott solchen Schatz in seinem Worte durch die Predigt verkündigen und austheilen läßt, und uns allen den Sieg und Triumph seines Sohnes, unsers Herrn Jesu Christi wider die Sünde, Tod, Teufel und Hölle schenket, so daß ich mich des Sieges und Triumphs rühmen kann, als hätte ichs selbst gethan? Dazu so ist Christus unsere Gerechtigkeit, unsere Genugthuung, unsere Weisheit und unsere Heiligung, 1 Cor. 1, 30., ja der ohne Unterlaß vor Gott, seinem Vater, uns vertritt, und unsere Fürsprache ist.

Diese unaussprechliche Liebe, die kein menschlich Herz fassen kann, soll uns bewegen, wiederum unsern Nächsten auch zu lieben, ihm wohl thun, helfen und rathen, womit wir können, und er unser bedarf. Aber solche Liebe spüre ich hie noch nicht, wiewohl euch viel geprediget ist: es will aber niemand hinan; zu andern unnöthigen Sachen läuft man häufig; hie ist niemand daheim. An dem einigen Stück kennet man die Christen, wenn sie einander Liebe beweisen, wie Christus im Johanne zu seinen Jüngern sprach: Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch unter einander liebet, wie ich euch geliebet habe. Dabei wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt. Joh. 13, 34. 35. Und St. Paulus spricht: Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz, oder eine klingende Schelle. Und wenn ich weissagen könnte, und wüßte alle Geheimnisse und alle Erkenntniß, und hätte allen Glauben, also, daß ich Berge versetzet?, und hätte der Liebe nicht, so wäre mirs nichts nütze. 1 Cor. 13, 1. 2. 3. Das sind treffliche, harte Worte; so weit aber seid ihr noch nicht kommen.

Weil ihr aber allhie zu Wittenberg große Gaben Gottes habt, und deren viel, auch das Erkenntniß der Schrift, welches gar eine große Gabe und Gnade ist; darzu habt ihr das Evangelium hell und klar: aber mit der Liebe wollt ihr nirgend fort. Gerne habt ihr, daß euch Gott wohl thue, euch seine Gaben mittheile; aber Andern wollt ihr Nichts mittheilen: Keiner will dem Andern die Hände reichen. Keiner nimmt sich des Andern ernstlich an; sondern ein jedermann hat auf sich Achtung, was ihm am förderlichsten ist, und suchen alle das Unsere; lassen gehen, was gehet; wem da geholfen ist, dem sei geholfen; niemand stehet auf den Annen, wie ihm auch geholfen werde. Es ist zu erbarmen, daß ich euch so lange gepredigt habe, und fast in allen meinen Büchlein nichts Anders getrieben, denn den Glauben und die Liebe, und soll so gar keine Liebe an euch gespürt werden.

Ich will euch gewiß sagen: wo ihr nicht unter einander Liebe erzeigen werdet, so wird Gott eine große Plage über euch senden. Denn er will sein Wort nicht vergebens gepredigt und offenbaret haben; er will auch nicht, daß man sein Wort Unehren oder verachten solle. Ihr versucht Gott zu hart. Meine Freunde, wäre dieß Wort vor etlichen Zeiten unsern Vorfahren gepredigt, sie hätten sich vielleicht wohl anders hierinnen gehalten, denn ihr thut. Ihr schickt euch gar nichts darzu, und laßts euch keinen Ernst sein. Davon könnet ihr wohl reden; aber mit der That wollt ihr noch nicht folgen. Mit anderm Gaukelwerk gehet ihr um, das vonnöthen ist; was aber nöthig ist, das laßt ihr anstehen. Gott gebe, daß es dermaleins nicht allein in Worten stehe, sondern auch kräftig heraus breche. Dabei wollen wirs jetzt lassen bleiben.

Quelle: Luthers Volksbibliothek, Band 17 + 18

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