Luther, Martin - Vorrede auf den Propheten Jesaiam.

Luther, Martin - Vorrede auf den Propheten Jesaiam.

Zuerst 1528 mit der deutschen Uebersetzung des Jesaja erschienen.

Wer den heiligen Propheten Jesaiam will nützlich lesen, und desto daß verstehen, der lasse ihm (so ers nicht besser hat oder weiß,) diesen meinen Rath und Anzeigung nicht veracht sein: zum ersten, daß er den Titel oder Anfang dieses Buchs nicht uberhüpfe, sondern aufs Allerbeste lerne verstehen; auf daß er sich nicht dünke, er verstehe Jesaiam fast wohl, und müsse darnach leiden, daß man sage, er habe den Titel und erste Zeile noch nie verstanden, schweige denn den ganzen Propheten. Denn derselbige Titel ist fast fur eine Glosse und Licht zu halten uber das ganze Buch. Und Jesaias auch selbs gleich mit Fingern seine Leser dahin weiset, als zu einer Anleitunge und Grund seines Buchs. Wer aber den Titel veracht oder nicht verstehet, dem sage ich, daß er den Propheten Jesaiam mit Frieden lasse oder je nicht gründlich verstehen werde; denn es unmüglich ist, des Propheten Wort und Meinung richtiglich und klärlich zu vernehmen oder zu merken, ohn solches des Titels gründlich Erkenntniß.

Den Titel aber meine und heiße ich nicht alleine, daß du diese Wort, Usia, Jotham, Ahas, Jeheskia, der Könige Juda rc. lesest oder verstehest; sondern fur dich nehmest das letzte Buch von den Königen, und das letzte Buch der Chronika, dieselbigen wohl einnehmest, sonderlich die Geschicht, Rede und Zufälle, so sich begeben haben unter den Königen, die im Titel genennet sind, bis zu Ende derselbigen Bücher. Denn es ist vonnöthen, so man die Weissagung verstehen will, daß man wisse, wie es im Lande gestanden, die Sachen drinnen gelegen sind gewesen, weß die Leute gesinnet gewest, oder fur Anschläge gehabt haben mit oder gegen ihre Nachbar, Freunde und Feinde, und sonderlich, wie sie sich in ihrem Lande gegen Gott und gegen den Propheten, in seinem Wort und Gottesdienst, oder Abgötterei, gehalten haben.

Länder umb Jerusalem und Juda gelegen.

Zudem wäre auch wohl gut, daß man wüßte, wie die Länder an einander gelegen sind, damit die ausländischen, unbekannten Wort und Namen nicht Unlust zu lesen, und Finsterniß oder Hinderniß im Verstand macheten. Und auf daß ich meinen einfältigen Deutschen einen Dienst dazu thu, will ich kürzlich anzeigen die Landschaft, umb Jerusalem oder Juda gelegen, darinnen Jesaias gelebt und geprediget hat, damit sie deste baß sehen, wo sich der Prophet hinkehret, wenn er weissagt gegen Mittage oder Mitternacht.

Gegen Morgen hat Jerusalem oder Juda am nähesten das todte Meer, da vor Zeiten Sodom und Gomorra gestanden ist. Jenseits dem todten Meere liegt das Land Moab und der Kinder Ammon. Darnach weiter hinüber liegt Babylon oder Chaldäa, und noch weiter der Perser Land, davon Jesaias viel redet.

Gegen Mitternacht liegt der Berg Libanon, und hinüber baß Damascus und Syria; aber weiter enhintere zu, morgenwärts, liegt Assyria, davon auch Jesaias viel handelt.

Gegen Abend liegen die Philister am großen Meere, die ärgesten Feinde der Jüden; und dasselbige Meer hinab, zur Mitternacht zu, liegt Zidon und Tyrus, welche gränzen mit Galiläa.

Gegen Mittage hats viel Länder, als: Aegypten, Mohrenland, Arabia, das rothe Meer, Edom und Midian, also daß Aegypten gegen Abend im Mittag liegt. Dieß sind fast die Länder und Namen, da Jesaia von weissagt, als von den Nachbarn, Feinden und Freunden, so umbs Land Juda herliegen, wie die Wolf umb einen Schafstall. Mit welcher etlichen sie zuweilen Bund und wieder Bund machten, und half sie doch nichts.

Wovon der Prophet Jesaia handelt.

Darnach mußt du den Prophete Jesaiam in drei Theil theilen. Im ersten handelt er, gleichwie die andern Propheten zwei Stück: Eines, daß er seinem Volk viel prediget, und straft ihr mancherlei Sünde, fürnehmlich aber die manchfältige Abgötterei, so im Volk uberhand hatte genommen (wie auch itzt und alle Zeit fromme Prediger bei ihrem Volk thun und thun müssen) und behält sie in der Zucht mit Dräuen der Straf und Verheißen des Guten.

Das Ander, daß er sie schicket und bereitet auf das zukünftige Reich Christi zu warten, von welchem er so klärlich und manchfältiglich weissagt, als sonst kein Prophet thut, daß er auch die Mutter Christi, die Jungfrau Maria beschreibt, wie sie ihn empfangen und gebären sollt mit unversehrter Jungfrauschaft, Kap. 7. (V. 14), und sein Leiden im 53. Kap. sampt seiner Auferstehung von Todten, und sein Reich gewaltiglich und dürre eraus verkündigt, als wäre es dazumal geschehen, daß gar ein trefflicher, hocherleuchter Prophet muß gewesen sein. Denn also thun alle Propheten, daß sie das gegenwärtige Volk lehren und strafen, daneben Christus Zukunft und Reich verkündigen, und das Volk drauf richten und weisen, als auf den gemeinen Heiland, beide, derer Vorigen und Zukünftigen: doch einer mehr, denn der ander, einer reichlicher, denn der ander: Jesaias aber uber sie alle am meisten und reichlichsten.

Im andern hat er ein sonderlichs zu thun mit dem Kaiserthum zu Assyrien, und mit dem Kaiser Sanherib. Da weissaget er auch mehr und weiter von, denn kein ander Prophet, nämlich, wie derselbige Kaiser alle umbliegende Länder würde gewinnen, auch das Königreich Israel, dazu viel Unglücks anlegen dem Königreich Juda. Aber da hält er als ein Fels mit seiner Verheißung, wie Jerusalem solle vertheidingt, und von ihm erlöset werden: welchs Wunder wohl der größesten eines ist, so in der Schrift erfunden wird, nicht allein der Geschicht halben, daß solcher mächtiger Kaiser sollte fur Jerusalem geschlagen werden, sondern auch des Glaubens halben, daß mans hat gegläubt. Wunder ists, sage ich, daß ihm ein Mensch zu Jerusalem hat können gläuben, in solchem unmüglichem Stücke. Er wird ohn Zweifel oft haben müssen viel böser Wort der Ungläubigen hören. Noch hat ers gethan; den Kaiser hat er geschlagen, und die Stadt vertheidigt. Darumb muß er mit Gott wohl dran und ein theurer Mann fur ihm geacht sein gewest.

Im dritten Stücke hat er mit dem Kaiserthum zu Babel zu thun. Da weissagt er von der babylonischen Gefängniß, damit das Volk sollt gestraft, und Jerusalem verstöret werden durch den Kaiser zu Babel. Aber hie ist seine größeste Arbeit, wie er sein zukünftig Volk in solcher zukünftiger Verstörunge und Gefängniß tröste und erhalte, daß sie ja nicht verzweifeln, als sei es mit ihnen aus, und Christus Reich würde nicht kommen, und alle Weissagung falsch und verloren sein. Wie gar reiche und volle Predigt thut er da, daß Babel solle wiederumb verstöret, und die Jüden los werden und wieder gen Jerusalem kommen: daß er auch anzeiget, mit hochmüthigem Trotz wider Babel, die Namen der Könige, welche Babel sollen verstören, nämlich die Meder und Elamiter oder Perser; sonderlich aber den König, der die Jüden sollt los machen, und gen Jerusalem wieder helfen, nämlich Kores, den er nennet den Gesalbten Gottes, so lange zuvor, ehe denn ein Konigreich in Persien war. Denn es ist ihm alles umb den Christum zu thun, daß desselbigen Zukunft, und das verheißen Reich der Gnaden und Seligkeit, nicht veracht oder durch Unglauben und fur großem Unglück und Ungeduld bei seinem Volk verloren und umbsonst sein mußte, wo sie deß nicht wollten warten, und gewißlich zukunftig gläuben. Dies sind die drei Stücke, damit Jesaias umbgehet.

Was für Ordnung der Prophet halte.

Aber die Ordenung hält er nicht, daß er ein Iglichs an seinem Ort, und mit eigen Kapiteln und Blättern fassete, sondern ist fast gemenget unter nander, daß er viel des ersten Stücks unter das ander und dritte mit einführet, und wohl das dritte Stück etwa ehe handelt, denn das ander. Ob aber das geschehen sei durch den, so solche seine Weissagung zusammen gelesen und geschrieben hat, (als man im Psalter auch achtet geschehen sein,) oder ob ers selbs so gestellet hat, darnach sich Zeit, Ursachen und Person zugetragen haben, von eim iglichen Stücke zu reden, welche Zeit und Ursachen nicht gleich sein noch Ordnung haben mügen, das weiß ich nicht. So viel Ordnung hält er, daß er das erste, als das furnehmeste Stücke zeucht und treibt von Anfang bis ans Ende, beide, durchs ander und dritte Stücke. Gleich wie auch uns gebührt in unsern Predigten zu thun, daß unser furnehmest Stücke, die Leute zu strafen und von Christo zu predigen, immer mit unterlaufe, ob wir gleich etwas Anders zuweilen zufälliglich furhaben zu predigen, als, vom Türken oder vom Kaiser rc.

Hieraus kann nu ein Iglicher den Propheten leichtlich fassen, und sich drein schicken, daß ihn die Ordnung (als bei den Ungewohneten scheinet), nicht irre noch uberdrüssig mache. Wir zwar haben müglichen Fleiß zugethan, daß Jesaias gut, klar deutsch redet, wiewohl er sich schwer dazu gemacht, und fast gewehret hat; wie das wohl sehen werden, so Deutsch und Ebräisch wohl können, allermeist aber die Dünkelmeister, die sich dünken lassen, sie können Alles. So ist auch der Dräusprüche und Schrecken wider die verstockten, hoffärtigen harten Köpfe gnug drinnen, wo es helfen sollt.

Was für Nutz aber haben müge, wer Jesaiam lieset, das will ich den Leser lieber selbs erfahren lassen, denn erzählen. Und wer es nicht erfähret noch erfahren will, dem ist auch nicht nütze viel davon zu rühmen. Er ist voller lebendiger, tröstlicher, herzlicher Sprüche fur alle arme Gewissen, und elende, betrübte Herzen. So ist auch der Dräusprüche und Schrecken wider die verstockten, hoffärtigen, harten Köpfe der Gottlosen gnug drinnen, wo es helfen sollt.

Du sollt aber Jesaiam bei dem jüdischen Volk nicht anders ansehen, denn als einen verachteten Mann, ja wie einen Narren und Unsinnigen. Denn wie wir ihn itzt halten, so haben sie ihn nicht gehalten, sondern, wie er selbs zeuget Kap. 58. [57.], haben sie die Zungen gegen ihm herausgereckt und mit Fingern auf ihn geweiset, und alle seine Predigt fur Narrheit gehalten, ohn gar ein wenig frommer Kinder im Haufen, als der König Ezechias rc. Denn es war die Gewohnheit bei dem Volk, die Propheten zu spotten und fur unsinnig zu halten 4. Reg. [2. Kön.] 9., wie denn allen Gottesdienern und Predigern allezeit geschehen ist, täglich geschieht und forthin geschehen wird.

Das kann man auch dabei merken, daß er das Volk am meisten straft umb die Abgötterei: die andern Laster, als prangen, saufen, geizen, rühret er kaum dreimal. Aber die Vermessenheit auf ihr erwählete Götzendienst und eigen Werk, oder Trost auf Könige und Verbündniß, strafet er durch und durch, welchs dem Volk unleidlich war; denn sie wollten recht darin sein. Derhalben er auch zuletzt durch König Manasse, als ein Ketzer und Verführer, soll getödtet, und (als die Jüden sagen,) mit einer Säge von einander geschnitten sein.

Quelle: Dr. Martin Luthers vermischte deutsche Schriften,
bearbeitet von Dr. Johann Konrad Irmischer,
Eilfter Band.
Frankfurt a. M. und Erlangen,
Verlang von Heyer & Zimmer.
1854

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