Luther, Martin - Vorrede uber den Propheten Jeremia.
(Zuerst 1532 erschienen.)
Den Propheten Jeremia zu verstehen, dars nicht viel Glossens, wo man nur die Geschicht ansiehet, die sich begeben haben unter den Königen, zu welcher Zeiten er gepredigt hat. Denn wie es dazumal im Lande gestanden ist, so gehen auch seine Predigt.
Erstlich, war das Land voller Laster und Abgötterei, erwürgeten die Propheten, und wollten ihre Laster und abgötterei ungestraft haben. Darumb ist auch das erste Theil fast eitel Strafe und Klage uber die Bosheit der Jüden, bis an das zwanzigste Kap. hinan.
Zum andern, weissagt er auch die Strafe, so furhanden war, nämlich die Verstörunge Jerusalem und des ganzen Landes, und das babylonische Gefängniß, ja auch aller Heiden Strafe. Und doch daneben tröstet und verheißet er auf gewisse bestimpte Zeit, nach ergangener solcher Strafe, die Erlösung und Heimfahrt wieder ins Land und gen Jerusalem rc.
Und dieß Stück ist das furnehmeste in Jeremia. Denn umb desselbigen willen ist Jeremias erweckt, wie im 1. Kap. das Gesicht anzeigt von der wacker Ruthen und siedenden Töpfen, so von Mitternacht kommen.
Und das war auch hoch vonnöthen. Denn weil solch gräuliche Plage sollte uber das Volk gehen, daß es gar zurissen und weggeführt würde aus seinem Lande, hätten die frommen Herzen, als Daniel und ander viel, verzweifelen müssen an Gott und an allen seinen Verheißungen, als die nicht anders hätten mügen denken, denn als wäre es gar aus mit ihnen, und sie von Gott allerdinge verstoßen wären, daß kein Christus nimmermehr kommen würde; sondern Gott hätte seine Verheißung, umb des Volks Sunde willen, in großem Grimm zurücke gezogen. Darumb mßte Jeremias da sein, und die Strafe und den Zorn also verkündigen, daß sie nicht ewig, sondern eine bestimpte Zeit, als 70 Jahr, währen sollten, und darnach sie wiederumb zu Gnaden kommen.
Welcher Verheißunge er sich selbs auch hat müssen trösten, und sich damit erhalten; hat sonst nicht viel Trostes noch guter Tage gehabt. Denn er ein elendet betrübter Prophet gewesen ist, zu jämmerlichen bösen Zeiten gelebt, dazu ein trefflich schwer Predigampt geführet, als der uber vierzig Jahr, bis zum Gefängniß, sich mit bösen halstrarrigen Leuten hat mussen schelten, und doch wenig Nutz schaffen, sondern zusehen, daß sie je länger je ärger wurden, und immer ihn tödten wollten, und ihm viel Plage anlegten.
Zudem hat er erleben und mit Augen sehen müssen die Verstörung des Lands und Gefängniß des Volks, und viel großen Jammer und Blutvergießung, ohn was er darnach in Aegypten hat müssen predigen und leiden. Denn man hälts dafur, daß er von den Jüden sei gesteinigt in Aegypten.
Zum dritten, thut er auch wie ander Propheten, und weissagt von Christo und seinem Reich, sonderlich im 23. und 31. Kap., da er gar klärlich von der Person Christi, von seinem Reich, vom Neuen Testament, und vom Ende des Alten Testaments weissagt. Aber diese drei Stück gehen nicht in Ordnung nach einander, und sind nicht von einander getheilet im Buch, wie sie in der That und Wesen nach einander gegangen sind. Ja, im ersten Stück stehet oft im folgenden Kap. etwas, das doch ehe geschehen ist, weder das im vorigen Kap., daß sichs ansiehet, als habe Jeremias solche Bücher nicht selbs gestellet, sondern seien stücklich aus seiner Rede gefasset und aufs Buch verzeichent. Darumb muß man sich an die Ordnung nicht kehren, und die Unordnung nicht hindern lassen.
Wir lernen aber aus Jeremia unter andern das, wie gemeiniglich, je näher die Strafe ist, je ärger die Leute werden; und je mehr man ihnen predigt, je höher sie es verachten. Daß man greift, wenn Gott strafen will, daß er die Leute verstocken läßt, auf daß sie ja ohn alle Barmherzigkeit untergehen, und mit keiner Buße Gottes Zorn versühnen. Also mußten die zu Sodom vorhin den frommen Loth nicht allein verachten, sondern, da er sie lehret, auch plagen; und war doch ihr Plage fur der Thür. Pharao, da er schier sollte im rothen Meer ersaufen, mußte er die Kinder Israel zwiefältig martern, mehr denn vor. Und Jerusalem mußte Gottes Sohn auch kreuzigen, da ihr endlich Verstörung daher ging.
Also gehets auch itzt allenthalben. Nu das Ende der Welt herzutritt, wüthen und toben die Leute wider Gott aufs allergräulichst, lästern und verdammnen Gottes Wort, das sie wissentlich erkennen, daß es Gottes Wort und die Wahrheit sei. Daneben so viel gräulicher Zeichen und Wunder erscheinen, beide am Himmel und fast an allen Creaturen, die ihnen schrecklich dräuen. Und ist auch wohl so eine böse jämmerliche Zeit, und noch ärger, denn Jeremias Zeit.
Aber es will und muß so sein, daß sie sicher werden und singen: Pax, es hat nicht Noth; und nur verfolgt alles, was Gott haben will, und alles Dräuen der Zeichen in Wind geschlagen, bis sie (wie Paulus sagt,) plötzlich das Verderben ubereilet und verstöret, ehe sie es gewahr werden.
Doch wird Christus die Seinen wissen zu behalten, umb welcher willen er sein Wort leuchten läßt in dieser schändlichen Zeit, wie er zu Babel Daniel und seine Gleichen behielt, umb welcher willen Jeremias Weissagung leuchten mußte. Demselben lieben Herrn sei Lob und Dank, sampt dem Vater und Heiligem Geist, einigem Gott uber Alles, und in Ewigkeit, Amen.
Quelle:
Dr. Martin Luther's
sämmtliche Werke.
Drei und sechzigster Band:
Vierte abtheilung
Vermische deutsche Schriften
Eilfter Band.
Frankfurt a.M. und Erlangen,
Verlag von Heyder & Zimmer.
1854