Luther, Martin - Predigt am 18. Sonntag nach Trinitatis

Luther, Martin - Predigt am 18. Sonntag nach Trinitatis

Matthäus 22, 34-46

Da aber die Pharisäer hörten, daß er den Sadduzäern das Maul gestopft hatte, versammelten sie sich. Und einer unter ihnen, ein Schriftgelehrter, versucht die ihn und sprach: Meister, welches ist das Vornehmsten Gebot im Gesetz? Jesus aber sprach zu ihm: Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen und, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das vornehmste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst. in diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten. Da nun die Pharisäer bei einander waren, fragt des sie Jesus, und sprach: Wie dünket euch um Christo? Wessen Sohn ist er? Sie sprachen: Davids. Er sprach zu ihnen: Wie nennet ihn denn David im Geist einen Herrn, dar er sagt: Der Herr hat gesagt zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, daß ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße. So nun David ihn einen Herrn nennet, wie ist er denn seinen Sohn? Und niemand konnte ihm ein Wort antworten, und durfte auch niemand von dem Tage an hinfort ihn fragen.

In dem heutigen Evangelium sind vornehmlich zwei Stücke: das erste, vom Schriftgelehrten, der da fragt, welches das vornehmste Gebot sei im ganzen Mose; das andere, daß der Herr Christus die Pharisäer wieder fragt, was Christus für ein Mann sei, sintemal David im Geist ihn seinen Herrn heißt.

Die erste Frage ist eine Anzeigung, daß die Juden in so eine große Blindheit sind gefallen, daß sie der 10 Gebote vergessen haben, welche doch die kleinen Kinder können. Darum sollte jedes Kind auf solche Frage antworten können.

Das erste und größte Gebot heißt: Du sollst nicht andere Götter haben. Die Pharisäer und Schriftgelehrten aber waren davon gekommen, und in die Torheit geraten, daß wenn sie vom höchsten Gebot diskutiert, einer gesagt hat, es sei opfern, der andere, es sei Almosen geben, der dritte, es sei fasten, sich besonders kleiden. Wie man sieht, daß es geht, wenn die Leute von den Geboten Gottes und seinem Wort abgefallen, und sich andere Werke, aus eigenen Gedanken, ohne Gottes Wort vorgenommenen haben. Wie unseren Mönchen und Nonnen auch geschehen ist: die sind in die Klöster gelaufen, haben da einen Gehorsam sich vorgenommenen, Keuschheit und Armut geschworen, alles ohne Befehl, daß sie also Gottes Wort ganz verloren, und vergessen haben, was Glaube und Liebe sei, und nichts denn das unselige Klosterleben für den Stand der Vollkommenheit gerühmt.

Nun, Gott Lob! Kann ein Kind von zehn Jahren besser sagen, was ein vollkommener Stand sei, denn alle Mönche und Nonnen. Ursache, sie denke nur auf ihr Klosterleben. Aber ein Christ spricht: Vollkommen sein heißt, Gott fürchten und lieben, und dem Nächsten alles Gute tun. Denn Gott hat je sonst anderes nichts zu tun befohlen. Solches wissen weder Pfaffen, Mönche noch Nonnen, daß weiß fürwahr, sonst würden sie solch ihr eigenen närrisch Vornehmen fallen lassen und an den rechten Gehorsam der 10 Gebote sich begeben.

Wo kommt aber solcher und Verstand und Blindheit her? Von nirgendwo anders, denn daß die Leute das Wort fahren lassen, und fallen auf äußerliche Werke, die ein besonderes Ansehen haben. Als, wenn man sonderliche Tage erhält, sich besonders kleidet, nicht ißt und trinkt, was andere essen und trinken. Das hat einen schönen Schein und machten den Leuten eine Nase. Darüber aber verliert man die höchsten Werke und Gebote, daß man Gott lieben und den Leuten alles Gute tun soll. Wie wir hier an den Pharisäer und Schriftgelehrten sehen, welche eben dieser Ursache wegen vom vornehmsten Gebot im Gesetz fragen, daß sie davon unter einander selbst nicht eins sind, und einer daß, der andere jenes für das Beste hält.

Darum ist dies Beispiel eine treffliche Warnung, daß so hohe Leute so blind gewesen sind, und nicht gewußt haben, welches das größte oder kleinste Gebot sei, und sind doch Lehre gewesen, die anderen Leuten vorgehen und vom rechten Gottesdienst unterweisen sollten. Wie unser tolles Mönchs- und Pfaffenvolk noch ist. Frage einen, wenn du willst, von guten Werke und was du tun sollst, so du willst selig werden, so wird er dich nicht auf die zehn Gebote weisen, sondern dir sagen, du müssest ein Mönch werden, Messe hören, zu den Heiligen fahren, fasten.

Das heißt aber von den zehn Geboten und dem rechten Weg ins Schlaraffenland gewiesen, welches ist endlich der Lohn von Menschenlehren, wenn man solcher Werke vornimmt, da Gott nichts von geboten hat. Da werden die Leute geblendet, daß sie die zehn Gebote nicht mehr sehen, sondern ganz verlieren. Denn sonst sollte man ja so witzig sein, und sagen können: Das ist das größte, daß Gott befohlen und geheißen hat. Aber Pharisäer und Schriftgelehrter, Pfaffen, Mönche und Nonnen können es nicht.

Darum mögen wir uns vor solchem Irrtum wohl hüten und eigenen Andachten fliehen. Wiederum lasse man den Katechismus nicht eine geringe Lehre sein, so man die Leute unterrichten soll, was sie tun sollen. Denn da hören wir, daß man Gott lieben und keine andere Körper haben soll; das ist, man soll nichts lieber haben und größer achten, denn Gott und sein Wort, und eher alles lassen und leiden. Also, wenn du solches tust, bist du im höchsten Stande.

Ja, sagen sie, solches tun die gemeinen Christen; ich will etwas besonderes machen: ein gemeiner Christ steht des Nachts nicht auf zum beten, ich will aber aufstehen, er ißt Fleisch, ich will Fisch essen; er kleidet sich nach einfacher Weise, ich will mir eine besondere Kleidung machen lassen. Also kommt es endlich dahin, daß die blinden Leute so viel mit eigener Andacht sich zu schaffen machen, daß sie die zehn Gebote ganz vergessen.

Darum willst es nicht eine schlechte Lehre, da der Herr hier sagt, daß größte Gebote sei, Gott lieben, und das andere sei dem ersten gleich, daß man den Nächsten lieben soll, wie sich selbst; denn in diese zwei Stücke ist alles gefaßt, was man predigen und lehren kann von guten Werken. Aus diesem Brunnen soll es auch quellen und wieder hineinfließen. Denn da ist beschlossen: Willst du Gott dienen, so kann es auf keine andere Weise geschehen, denn daß du Gott und deinen Nächsten liebst.

Diese Lehre wird am jüngsten Tage ein sehr strenges Urteil erregen. Denn was im Papsttum geschehen ist, weiß jedermann wohl. Wer Gott wollte dienen, der gedachte an die zehn Gebote nicht, sondern wurde ein Mönch, lief nach Rom, oder anders wohin, rief diesen und jenen Heiligen an, diente ihm mit Fasten, Feiern. Solches hieß man damals den Gottesdienst. Aber dienen heißt, wenn du tust was man dir befiehlt. Darum muß folgen, wer Gott recht dienen will, der muß tun, was Gott ihn heißt, nicht, was er sich denkt. Was heißt aber Gott? Hier steht es, wenn du Gott dienen willst, daß du nicht weit danach gehen und laufen, noch viel Geld darum geben darfst. Liebe Gott und deinen Nächsten. Wie könnte aber Gott seinen Dienst dir näher legen und besser geben, wenn also: wenn du deinen Nächsten liebst und ihm alles Gute tust, daß es Gott dafür halten will, als habe du es ihm selbst getan? Das ist eine wunderlich er Lehre: wenn du deinem Nächsten Gutes tust, daß es ein Gottesdienst sei und sei Gott selbst getan.

Solche Lehre, sage ich, wird am jüngsten Tage gar einen wunderlichen Lärm machen. Denn die Gottlosen, sagt Christus selbst, werden sprechen: «wann haben wir dich hungrig gesehen und durstig?.» Aber Christus wird antworten und sagen: «Was ihr den Geringsten von den Meinen nicht getan habt, daß habt ihr mir nicht getan.» Daß es also gewiß und beschlossen ist, wenn du einem armen Christen ein Hemd, einen Rock, ja, auch einen kalten Trunk Wasser gibst, daß hast du Christus gegeben. Und soll hier niemand einen Unterschied machen.

Ist nun aber das nicht der leidige Teufel, daß wir dies so lassen vorübergehen, und bedenken es nicht, daß wir unserem Herrn Gott so leicht dienen können, und tun es dennoch nicht? Wir denken, wenn wir wüßten, wo Christus zu finden wäre, wir wollten hinlaufen, und ihm alles zutragen, was wir hätten. Aber was bedarf es solcher Gedanken? Hören wir doch hier, daß andere Gebot sei den ersten gleich. Da muß ja folgen, daß es unser Herr Gott gern will annehmen und dafür achten, als sei es ihm geschehen, was wir unserem Nächsten tun.

Ja, sprichst du, unser Herr Gott ist im Himmel. Das schadet nicht; er ist auch hier unten auf werden. Darum, so du einen Christen in Not siehst, so wisse, daß Christus Not leidet und deiner Hilfe bedarf. Wie er selbst sagt, er wolle am jüngsten Tag über uns klagen, daß wir ihn Hunger und Durst haben leiden lassen.

Aber wie gesagt, ein Jammer ist es, daß wir diese Lehre so klar haben, und schlagen sie doch so in den Wind, als wären es nur Lügen und Geschichten. Solcher Unglaube und Ungehorsam wird sich damit nicht entschuldigen lassen, daß wir sagen wollten, wir hätten es nicht gewußt. Denn hier steht es: Das andere ist dem ersten gleich. Darum, wer den Nächsten liebt, der liebt Gott. Es wird auch deswegen das Urteil am jüngsten Tag also lauten: Hättest du deinem Nächsten gedient, so hättest du mir gedient, und ich wollte es dir reichlich bezahlen. Aber ich hätte um deinetwillen müssen sterben und verderben. Vor solchem Urteil sollten wir uns hüten; denn es wird die ewige Verdammnis daraus folgen.

Im Papsttum war es ein sehr gemeines Ding, das alte Reiter, Krieger, Juristen und andere Leute, die von sich meinten, sie wären in einem verdammlichen Stand gewesen, sprachen: Sie hätten bisher der Welt gedient; sie wollten nun anfangen und Gott dienen. Liefen deswegen in die Klöster und worden Mönche. Aber es ist eine teuflische Verführung gewesen. Denn wer Gott dienen will, der soll nicht in ein Kloster laufen, sondern unter den Leuten bleiben, und ihnen dienen, womit er kann, und gewiß sein, er diene Gott damit; denn er hat es befohlen und gesagt: Das andere ist den ersten gleich. Mit dem Mönchsleben aber wird ihm nicht gedient; denn er hat nicht allein davon nichts befohlen, sondern es ist auch wieder die Liebe und den rechten Gottesdienst, da der Herr hier von predigt.

Also ging es bei den Juden auch zu, die taten ihrem Nächsten alles Übel, und meinten, wenn sie nur viel Kühe und Kälber schlachten, sie hätten alles gut getan. Aber was sagt unser Herr Gott im 50. Psalm Vers 8-10? «Deines Opfers halben Strafe ich dich nicht; sind doch deine Brandopfer sonst immerdar vor mir. Ich will nicht von deinem Hause Farren nehmen, noch Böcke aus deinen Ställen; denn alle Tiere im Wald sind mein, und das Vieh, daß bei Tausenden auf den Bergen gehet.» Also sagt er an anderem Orten mehr, er bedürfe ihres Goldes, ihres Tempels und anderes nicht, sondern wenn du mir recht dienen willst, so weise ich dich herunter zu deinem Nächsten. Du hast weit, Kind, die Sünder, Nachbarn, Fürsten, Herren und allerlei Stände, da findest du zu schaffen genug, da diene mir: will dein Kind nicht gehorsam und fromm sein, nimmt schnell eine Rute und haue getrost zu; will das Gesinde nicht recht tun, Strafe es, oder weise ihm die Tür; ist dein Nachbar arm, betrübt, krank, hilf, diene, tröste ihn; sei deinem Fürsten willig und gehorsam, so hast du es mir getan.

Das nun solches nicht will in unser Herz gehen, das ist zum erbarmen. Denn was wir wieder Gott gesündigt und Unrecht getan haben, daß will er uns nicht zurechnen, sondern vergeben; allein sollen wir unserem Nächsten dienen und ihm wohl tun, so will es Gott dafür halten, wir haben es ihm getan, will uns dazu reichlich vergelten.

Wer nun nicht müßte, was die Welt mit ihrem Wesen wäre, und wie sie sich weder an Gottes Verheißung noch Drohung kehre, der möchte es hier lernen. Denn was tun Bürger und Bauern anderes, denn daß sie unserem Herrn Gott ohne aller Scheu ins Angesicht schlagen, raufen und mit Füßen treten? Jedermann geht nur damit um, wie er reich wird und seinen Haufen mehren könne, es gehe den Nächsten, wie es wolle, er sterbe oder verderbe dabei. Wer glauben könnte, was er seinen Nächsten tut, daß er es Gott täte, der würde von Herzen vor solcher Untreue der Welt erschrecken. Aber da ist niemand, der es glaubt, daß es wahr sei; wie der Herr in Matthäus 25 selbst sagt, daß die Gottlosen an jüngsten Tage sagen werden: «Herr, wann haben wir dich gesehen hungrig oder durstig?.» Aber es wird sie nicht helfen. Denn eben wie der Herr hier spricht: «Das andere Gebot ist dem ersten gleich»; also wird Christus dort auch sagen: «was ihr nicht getan habt einem unter diesen Geringsten, daß habt wir mir auch nicht getan.»

Das ist die erste Lehre aus dem heutigen Evangelium. Gott gebe, daß wir sie zu Herzen nehmen, und ein jeder seinen Nächsten dafür ansähe, wenn er ihm diente, daß es Gott gedient sei: so würde die ganze Welt voll Gottesdienst sein. Ein Knecht im Stall, eine Magd in der Küche, ein Knabe in der Schule, die wären eitel Gottesknechte und Gottesdiener, wenn sie solches mit Fleiß täten, was ihnen zu tun von Vater und Mutter, von Herrn und Frau im Hause aufgelegt wird. Also würde ein jedes Haus eine rechte in Kirche sein, darin nichts denn lauter Gottesdienst geübt würde. Aber es will niemand sich zur Herzen nehmen, niemand will den Nächsten dienen. Jedermann sieht nur dahin, wie er sich selbst diene und seinen Nutzen schaffe. Darum, wie man durch des Nächsten Liebe könnte Gott dienen: also dient die Welt durchaus dem Teufel, weil sie des Nächsten Liebe so gar nicht achtet. Es wird aber solches ein böses Ende nehmen. Denn wie sollte doch solches unserem Herrn Gott gefallen, weil er seinen Gottesdienst uns so nahe gebracht hat, daß ein jeder aus seinem Hause und Kammer könnte eine goldene Kirche machen, mit schönen Steinen und Perlen geschmückt: und doch solches mutwillig unterlassen, und lieber dem Teufel dienen wollen, denn Gott.

Darum lernet hier, daß wer seinem Nächsten zum Besten dient, der dient nicht allein seinem Nächsten, sondern Gott im Himmel selbst. denn hier steht es, daß Gott sich solches Dienstes will annehmen, als wäre es ihnen selbst geschehen. Denn sonst würde Christus nicht sagen: «das andere Gebot ist den ersten gleich.» Wer sich aber durch dieses nicht bewegen lassen will, daß er hier auf Erden ein Himmelreich könnte anrichten, und ein Gotteshaus und Kirche aus seinem eigenen Hause und Stande machen, der fahre immer hin. Denn gleichwie du hier ein Paradies und Himmel machen könntest, wenn du deinem Nächsten dienst (denn dasselbige heißt Gott im Himmel gedient): also, wenn du deinem Nächsten nicht Dienst, machst du dir selbst eine Hölle auf Erden; denn du dienst dem Teufel, der in die Hölle gehört. Und es liegt nicht daran, ob du solches noch nicht siehst noch fühlst. Es wird mit der Zeit sich finden, daß du es sehen und fühlen, und ein großes Geschrei über dich selbst und deinen großen Ungehorsam schreien wirst. Darum wäre es nötig, daß wir solches wohl lernen und uns stets in der Liebe gegen unseren Nächsten übten. Denn dazu hat uns Gott bereits gegeben Mund, Augen, Hände, Füße, Geld, Gut, Vernunft und anderes, daß wir solcher seinen Befehl nachkommen und uns in seinen Dienst halten können.

Gleich aber wie diese Lehre von der Liebe Gottes und des Nächsten in das Leben hier auf Erden gehört; also gehört die andere Lehre, wessen Sohn Christus sei, dazu, daß wir lernen sollen, wie wir nach diesem Leben in ein besser und ewiges Leben kommen mögen. Denn das wird uns nicht in den Himmel bringen, daß wir wissen, wie wir Gott und unserem Nächsten lieben sollen, wenn wir schon solche Liebe mit den Werken angreifen, auf das beste können, wie die Pharisäer Gedanken standen: die hielten es dafür, wenn sie Mose hätten, so bedürften sie weiter nichts mehr. Aber Christus zeigte uns hier an, solches werde zum ewigen Leben nicht helfen; wir müssen höher hinaus, und eigentlich lernen, was Christus sei und wessen Sohn er sei. Die Pharisäer wußten wohl, daß er Davids Sohn sollte sein. Aber an dem läßt es Christus hier nicht genug sein. Ursache, wenn Christus nicht mehr denn Davids Sohn wäre, so müßte er auch wie David sterben und nur ein zeitliches Reich haben. Aber Christus hat einen ewiges Reich, und David, sein Vater, heißt ihnen im Geist einen Herrn. Wie will sich es nun schicken, daß Christus zugleich Davids Sohn und Davids Herr sein soll?

Das ist nun die Frage, da die Pharisäer nicht antworten konnten; gleichwie noch heutiges Tages kein Jude darauf antworten kann. Zu solcher Frage hört man nichts vom Nächsten, von der Liebe noch guten Werken; sondern allein ist es darum zu tun, daß wir lernen, wessen Sohn Christus sei? Wer solches weiß, der wird des Weges zum ewigen Leben nicht fehlen können. Denn es ist nicht genug zum ewigen Leben, daß wir das Gesetz und was wir tun sollen, wissen; Ursache, es soll auch mit dem Werk erfüllt werden. Das wird sich aber bei uns sehr langsam finden, weil unsere Herzen sündhaft und böse sind. Darum muß das dabei sein, daß man fleißig lernen, was Christus sei. Darum stellt der Herr seiner Frage also: Sie sollen ihm sagen, wessen Sohn Christus sei, der nach dem Fleisch Davids Sohn war. Aber weil ihn David nicht einen Sohn, sondern seinen Herrn heißt und einen solchen Herrn, der da sitzet zur Rechten Gottes, und dem Gott alle seine Feinde will zum Schemel seiner Füße legen: mit solcher Frage will der Herr die Juden und uns alle aufwecken, daß sie Christum höher halten und mit anderen Augen ansehen sollen, denn daß er allein sollte Davids Sohn sein.

Denn er ist auch Davids Herr, das ist, er ist nicht allein Mensch, sondern auch wahrhaftiger Gott, in Ewigkeit vom Vater geboren. Sonst würde ihn David keinen Herrn heißen, wo er nicht mehr denn ein Mensch und allein Davids Sohn wäre. Denn David ist der größten Heiligen ein nach und der gelehrteste König, und dennoch heißt er Christum, der sein Sohn ist, einen Herrn. Als wollte Davids sagen und frei heraus bekennen: O, mein Sohn ist weit über mich. Ich bin auch ein König und heiße sein Vater; aber er ist mein Herr, und ein solcher Herr, der zur Rechten Gottes sitzt und aus Gottes Befehl herrschet über alle seine Feinde. Denn weil er ein Mensch ist, ist gut zu rechnen, was er für Feinde habe, nämlich, den Teufel und den Tod; wie Paulus 1. Korinther 15,25 folgende aus diesem Psalm auch schließt. Soll nun der Teufel und Tod diesem Sohn Davids zu den Füßen liegen, der er hier Herr sei; so muß folgen, daß eine göttliche Kraft und Allmächtigkeit in diesem Sohn Davids sei, sonst sollte er ebensowenig als andere Menschen dem Tod und Teufel abgewinnen können.

Also führt der Herr uns auf die rechte Bahn zum ewigen Leben. Das Gesetz ist eine sehr gute, nützliche und nötige Lehre; denn es weist uns, was wir tun sollen, wenn wir Gott zu Gefallen leben, ihm dienen und der Sünden Strafe entlaufen wollen. Aber solche Lehre dient nur hier in dies zeitliche Leben. So man aber nach diesem Zeitlichen Leben auch in das Ewige kommen soll, da hilft das Gesetz der Lehre nicht zu. Ursache, zum Leben können wir nicht kommen, wir sind denn aller Sünden frei und ledig. Ob nun das Gesetz schon dazu dient und gegeben ist, daß man der Sünden weniger tun soll; so werden doch die Sünden damit nicht abgelegt. Darum muß man über das Gesetz eine andere Lehre haben, die uns weise, wie wir der Sünden mögen ledig werden. Denn weil wir das Gesetz nicht vollkommen halten können, hilft das Gesetz dazu, daß wir ein böses Gewissen haben und der Sünden wegen Gottes Zorn und Gericht fürchten müssen.

Gegen solchen Unrat, welchen das Gesetz im Gewissen anrichtet, dient diese Frage, daß du lernst, was Christus sei und was er getan habe da sagt Christus selbst: Er sei nicht allein Davids Sohn, wie die Juden ihn hielten, sondern er sei auch Davids Herr, das ist, ewiger und rechter Gott. Was tut er aber? Er äußert sich seiner Gottheit, wie Paulus sagt, und wird Mensch, stirbt am Stamme des heiligen Kreuzes. Warum das? Darum, daß er das Lamm Gottes ist, das ist, daß Opfer, welches Gott selbst für der Welt Sünde geordnet hat. Als er nun gestorben ist, steht er am dritten Tage wieder von den Toten auf in ein ewiges Leben und sitzt zur Rechten Gottes.

Das sollen wir von Christus lernen und wohl merken. Denn wer diese Kunst kann, dem ist geholfen; wer sich nicht kann, der muß in Sünden und Tod verderben. Ursache, wir sind alle Sünder, und das Gesetz hilft uns nicht allein von Sünden, sondern verklagt uns vor Gott, und macht uns erst zu rechten Sündern. Dar stecken wir, können unserethalben weder hinter sich noch vor sich. In Sünden sind wir empfangen und geboren; und je länger wir Leben, je mehr die Sünde mit uns wächst und zunimmt. Denn sie ist uns nicht aufgelegt wie eine andere Last, die wir ablegen und von uns werfen können; sie steckt in Mark und Bein, läßt uns deswegen keine Ruhe. Wie wir bekennen müssen, wenn wir nur die Augen auftun und selbst in unser Herz hinein sehen wollen. Da ist dies die einige Rettung und Hilfe, daß wir lernen, wer Christus sei. Denn wenn du es weist, wer er ist, und danach auch hörst, was er tut, so ist dir geholfen. Ursache, bist du ein armer Sünder, der wider Gottes Willen viel gesündigt hat, siehe hierher, diesen Christum sendet Gott, daß er für die Sünder leiden und bezahlen soll. Was willst du dich aber um die Schuld bekümmern, die so ein reicher Herr auf sich genommen und schon bezahlt hat? Darum liegt es nur an den, daß du dich solches Sterbens und Leidens mit festem Vertrauen annimmt ist.

Also haben wir alle den Tod vor uns, dem kann niemand entrinnen noch sich davon erretten, er sei so mächtig, stark, reich, weise und heilig, als er immer wolle. Aber wo kommt der Tod Herr? Er ist der Sünden Sold oder Lohn, Römer 6,23. Nun hast du gehört, wo wir Vergebung der Sünden finden: nirgends denn bei Christus, der dafür gestorben ist. Derselbe Christus, wie er gestorben ist, ist er im Tod nicht geblieben, sondern von den Toten wieder auferstanden. Das ist ja ein Zeichen, daß er auch über den Tod ein Herr sei. Darum eben wie du durch ihn Vergebung der Sünden hast, also hoffe auch durch ihn das ewige Leben, daß er dich am jüngsten Tage auch leiblich wieder auferwecken und dich ewig werde selig machen.

Das heißt Christum recht erkennen, und wissen, wessen Sohn er sei, nämlich, ein Sohn Davids; denn er ist ein Mensch, aber doch auch ein Herr Davids, als der zur Rechten Gottes sitzt und hat seine Feinde, Sünde, Tod und Hölle, als einen Schemel, zu seinen Füßen. Darum, wer wider solcher Feinde Rettung bedarf, der suche sie nicht bei Mose, nicht durch das Gesetz, nicht durch seine Werke oder Frömmigkeit; er suche es bei den Sohn und Herrn Davids, da wird er es gewiß finden. Solches müssen die blinden Pharisäer nicht; darum achten sie des Herrn Christi nicht; lassen sich an dem genügen, daß sie aus dem Gesetz wissen, wie man Gott und den Nächsten lieben soll. So es doch unmöglich ist, daß man Gott erkennen, ich schweige, daß man Gott lieben möge, man kenne denn Christus. Wie er sagt Matthäus 11, 27. «Niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn offenbart.»

Und das ist auch eine Ursache, daß der Herr jetzt so eben mit dieser Frage kommt. Als wollte er sagen: Das wißt ihr wohl, daß man Gott lieben soll; aber gewißlich werdet ihr Gott nimmermehr recht von ganzem Herzen, ganzer Seelen und ganzem Gemüt lieben, es sei denn, daß ihr Christum recht erkennt, und wißt, wer er sei. Denn wie kann man sonst wissen, was Gott uns für Gnade und Barmherzigkeit bewiesen hat? Es ist nicht ein Geringes, daß Gott uns erschaffen, Leib und Leben, und alles gegeben hat. Aber solches alles dient uns nur eine kleine Zeit, weil wir hier auf Erden leben.

Da aber sehen wir den Reichtum der überschwenglichen Güte und Gnade, daß Gott seines eingeborenen Sohnes nicht verschonet; sondern gibt ihn in den Tod des Kreuzes für uns, daß wir, von Sünden ledig, durch ihnen ewig Leben sollen. Das ist eine ewige, unergründliche Liebe und Gnade, welche kein Mensch wissen kann, er kenne denn Christum; wird deswegen auch nimmermehr Gott recht lieben.

Also sehen wir, was die Pharisäer und Schriftgelehrten an ihrem Fragen und Versuchen gewinnen. Anderes nicht, denn daß sie Christus frei öffentlich vor jedermann überzeugt, daß sie von der Liebe Gottes viel zu sagen wissen, aber nicht einen Funken davon in ihren Herzen haben, vielmal sie Christum nicht kennen. So sie aber Gott nicht lieben, der ihnen so viel Gnade und Gutes bewiesen hat: wie sollen oder wollen sie den Nächsten lieben, der ihre Hilfe bedarf, und ihnen nichts Gutes beweisen kann von wegen seiner Bedürftigkeit?

Darum sollen wir solche Lehre uns lassen lieb sein und Gott von Herzen dafür danken, daß wir nicht mehr in so einer großen Blindheit stecken, wie zuvor unter dem Papst und die Juden hier, sondern die Lehre von Christus lauter haben; dadurch wir nicht allein wissen, wie wir von Sünden ledig und selig sollen werden; sondern auch, wir empfangen dadurch den Heiligen Geist, der unsere Herzen durch solche Lehre dahin treibt, daß wir anfangen, Gott und den Nächsten recht und von Herzen zu lieben. Das verleihe uns allen unser lieber Herr Christus Jesus, Amen.

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