Lübker, Friedrich - Die Märthyrer unter Nero.

Lübker, Friedrich - Die Märthyrer unter Nero.

Während das Evangelium seine jugendliche Lebenskraft erprobte in den Ländern der Heiden rings umher, während es seine Sendboten ausgehen ließ zu Wasser und zu Lande unter den mannichfaltigsten Gefahren, um dem Gebote des Herrn gemäß allen Völkern das Wort zu bringen, das den Juden ein Aergernis und den Griechen eine Thorheit war: als die Selbstsucht und die Sünde auf dem Herrscherstuhle des damaligen Weltreichs. Da mußte denn auch die junge Gemeinde in Rom die erste Feuerprobe der Wahrheit bestehen und es an den Tag legen helfen, daß das Blut der Märtyrer die Aussaat der Kirche ist.

Der Kaiser Nero war nicht ohne den Schmuck leiblicher und geistiger Gaben auf den Stuhl gestiegen, zu dem ihm Frevel und Gewaltthat den Weg gebahnt hatte. Auch hielt der Einfluß seines Lehrers Seneca, der ihm ohne Zweifel eine Richtung zu geben bemüht war, die mehr mit dem Wesen jener verdorbenen Welt, als mit dem Geiste des Christenthums in Widerspruch stand, nur einige Jahre (man spricht von fünf) vor. Dann ging es wie mit jenem unsauberen Geiste, der, nachdem er von dem Menschen ausgefahren ist und dürre Stätte durchwandelt hat, wieder umkehrt in sein Haus und sieben andere Geister zu sich nimmt, die arger sind denn er selbst. Einem Manne, der nicht die leiseste Ahnung hatte von dem Ernste des Lebens oder einem ewigen Gerichte, der seine eigene, ihm freilich nicht von Gott gegebene, hohe Stellung zu dem albernen Tand eines öffentlichen Sängers und Schauspielers mißbrauchte, und unter Sclaven und schmutzigem Pöbel im ehrlosen Handwerk des Wagenlenkens sich übte, mußte der heilige Ernst und stille Friede auf einer jeden Christenstirne etwas Entsetzliches haben, das ihn mit Haß erfüllte. Und dennoch lag das versunkene römische Volk vor ihm auf den Knieen und betete ihn an, weil er täglich neue und vorher nie gesehene Spiele und Schaugepränge hielt, welche Tag und Nacht dauerten, weil er auf die sinnloseste Art vergeudete, was zum Theil unter den Todesseufzern seiner Unterthanen erpreßt war.

Einst im Jahre 64 brach ein Feuer aus in den Prachthöfen des berüchtigten Gastgebers Tigellinus; es breitete sich am Circus aus, ergriff die Buden, wo Fettwaren und andere brennbare Materialien aufgehäuft lagen; dann wälzte es sich gegen den palatinischen und iolischen Hügel hin mit reißender Schnelligkeit fort. Nero war abwesend, er befand sich in Antium und zögerte auf die erhaltene Kunde noch lange. Endlich kam er, aber es war ihm kein Ernst dem Feuer zu wehren; er freuete sich vielmehr, daß durch diese Zerstörung seinen Plänen zur Verschönerung Roms ein freies Feld der Verwirklichung sich öffnete. Er hinderte darum die Anstalten zum Löschen, ja er ließ sogar diejenigen gewaltsam abhalten, die dem Feuer Einhalt thun oder auch nur ihr Eigenthum retten wollten. So wüthete das Feuer denn sechs Tage und sieben Nächte hindurch: es wurden von den vierzehn Quartieren der damaligen Hauptstadt der Welt drei von den Flammen ganz verzehrt, aber auch von sieben anderen nur einzelne Häuser und Trümmer gerettet, während nur vier Quartiere völlig unberührt blieben.

Nero wälzte die Schuld des Brandes auf die ihm verhaßten Christen, deren vermeintliche Sonderbarkeit, deren stilles, zurückgezogenes Leben der geeignetste Träger eines solchen Verdachtes schien. Großartige, aber auch pomphafte Veranstaltungen ließ er treffen, um Unterkommen und Nahrung für die Armen zu bereiten; aber dennoch hatte er jetzt die Volksgunst verloren und gewann sie nie wieder. Es war bezeichnend genug, daß er auf der Stätte, wo die Hütten der Armuth gestanden, von dem letzten Sparpfennig verwüsteter Provinzen sein „goldenes Haus“ bauen ließ; er verrieth seinen Sinn und sein Streben, wenn er behauptete: Keiner der Fürsten habe noch gewußt, was ihm frei stände.

Jenseits des Tiberstroms, auf dem rechten Ufer desselben, von der vatikanischen Brücke aus über den reizenden Hügel der Barberinischen Villa hin dehnten sich in weitem Umfange und ausgesuchter Pracht die Gärten des Nero aus; sie waren ohne Zweifel vereinigt aus den Gärten der älteren Agrippina, der Gattin des Germanicus, und der Domitia, der väterlichen Muhme Nero's, deren Tod er beschleunigte, um in den Besitz ihrer Güter zu kommen wenn die letzteren auch zu der Zeit, von der wir hier sprechen, vielleicht noch nicht dazu gehörten. Sie erstreckten sich bis nahe zum Ufer, gegen welches hin das darin befindliche Gartenhaus einen Altan hatte, womit ein Säulengang nach dem Ufer hin abschloß. Vor dem Haupteingange derselben, der nach der Tiberebene zu, wahrscheinlich der vaticanischen Brücke gegenüber, sich befand, empfing einst Caligula eine Gesandtschaft der Juden, deren in Rom lebende Genossen ihr Quartier in der Nähe dieser Gärten hatten. Und eben diese Gärten, in deren Mitte Nero einen Circus zu seinem, erst geheimen, dann öffentlichen Gebrauche errichten ließ, sind der Schauplatz der grausamen Hinrichtung der ersten Christen.

Ob eine, auch noch so falsche Anklage, ob irgend welche Untersuchung. den unmenschlichen Qualen vorausging, die man gegen sie ersann, wissen wir nicht. Freilich sagt der römische Berichterstatter Tacitus, der hier ein um so sicherer Gewährsmann ist, als ihm Wesen des Christenthums völlig fremd und deshalb nach damaliger Auffassung zuwider ist: zuerst wären solche ergriffen worden, welche bekannten, alsdann auf deren Anzeige eine ungeheure Menge, nicht sowohl der Brandstiftung als des allgemeinen Menschenhasses überwiesen. So also erschien den Heiden der weltverachtende Glaubensmuth der Christen und ihre Weigerung, an heidnischen Cultusformen sich zu betheiligen. Vielleicht mag die Mehrzahl derselben gekreuzigt worden sein; aber Andere wurden nach demselben Berichte in die Felle von wilden Thieren eingenäht und dann die Hunde auf sie gehetzt, damit sie von diesen zerfleischt sterben sollten. Noch Andere wurden an ihren Kleidern mit allerlei brennbaren Stoffen bestrichen oder in Pechsäcke eingehüllt, dann angezündet, und mußten so im langsamen Feuertode dazu dienen, bei Nachtzeit als Fackeln die kaiserlichen Gärten zu erleuchten. Und vielleicht schon zum Schlusse dieser schaudervollen Belustigungen in seinem Park gab Nero ein Circusspiel, wobei er selbst im Aufzuge eines Wagenlenkers erschien. Das Volk aber ward nicht befriedigt, es fühlte vielmehr Mitleid mit den Christen, die ja nicht dem allgemeinen Wohle, sondern der Mordlust eines Einzigen geopfert wurden.

Beschränkte sich auch diese Verfolgung, eben um des gebrauchten Vorwandes willen, zunächst auf die Christen in Rom, so blieb dennoch auch die nachtheilige Rückwirkung auf die durch die Provinzen hin zerstreuten Christen nicht aus. Ein allgemeines Gefühl der Unsicherheit mußte sich ihrer bemächtigen, das bei jeder gegebenen Veranlassung, bei dem häufigen Regierungswechsel u. s. w. in fieberhafte Spannung sie versetzen konnte. So fanden sie denn zunächst auch keine Beruhigung darin, als vier Jahre später der Tod des unmenschlichen Kaisers ihnen gemeldet ward. Daher bildete sich eine Sage und blieb lange Zeit weit verbreitet unter dem christlichen Volke, indem ein heidnisches Element darin christlich ausgemalt wurde: Nero sei nicht gestorben, sondern habe sich über den Euphrat zurückgezogen und werde wiederkommen als der Antichrist.

Kaiser Constantin ehrte die Stätte, wo das Blut dieser treuen Zeugen in so reichen Strömen geflossen war: er baute auf jenem Platze eine große, reich geschmückte Basilika, von der wir wissen, daß sie die rechte Seite des Neronischen Circus einschloß. Sie hat lange gestanden; in ihr empfing Karl der Große die römische Kaiserkrone. Seitdem sie aber im fünfzehnten Jahrhundert hat abgebrochen werden müssen, wölbt sich über der nämlichen Stätte die Kuppel von St. Peter, und noch jetzt glaubt das Volk, daß in den unterirdischen Gewölben dieser größten Kirche der Welt die Gebeine jener Märtyrer ruhen.

Friedr. Lübker in Parchim.

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