Loserth, Johann - Doktor Balthasar Hubmaier und die Anfänge der Wiedertaufe in Mähren – 4. Kapitel.

Loserth, Johann - Doktor Balthasar Hubmaier und die Anfänge der Wiedertaufe in Mähren – 4. Kapitel.

Der „Züricher Zusatz“ und die weiteren Verhandlungen zwischen Waldshut und der Regierung von Vorderösterreich.

Der hartnäckige Widerstand der Stadt Waldshut gegen ihre rechtmäßige Regierung hatte, wie man jüngstens mit Recht bemerkt hat, nicht bloß darin seinen Grund, dass die Bürger der Stadt sich keiner Schuld bewusst waren, demnach auch keine Strafe auf sich nehmen wollten, sondern vielmehr in dem Umstand, dass sie auf eine kräftige Unterstützung durch die Stadt Zürich rechneten. Diese Berechnung war in der Tat nicht grundlos. Seitdem Waldshut die Reformation ganz in der Weise und in dem Geist der Züricher Reformation eingeführt hatte, waren die Beziehungen zwischen den beiden Städten sehr enge geworden, und der Umstand, dass die Stadt Waldshut ihren unablässigen Versicherungen zufolge nur „des Evangeliums“ wegen von der Regierung bedrängt wurde, hatte ihr die wärmsten Sympathien der Züricher Bürgerschaft und deren Unterstützung in den Verhandlungen mit der österreichischen Regierung eingetragen. Von diesen Sympathien, welche man in Zürich für Waldshut hegte, hatte die Regierung schon seit längerer Zeit Kunde; man wusste aber auch, dass es in Waldshut eine vorläufig nur kleine Partei gab, deren Gedanken auf einen völligen Anschluss an die benachbarten gleichgesinnten Kantone gerichtet waren. Hatte Waldshut schon in den vorhergehenden Wochen die Unterstützung Zürichs genossen, so geschah das in der Folge noch viel mehr, und es verlor sie erst in dem Moment, als es sich den „Taufgesinnten“ in die Arme warf. In diesem Sinn haben die Schweizer Reformatoren Balthasar Hubmaier für die Katastrophe, die Waldshut traf, verantwortlich gemacht.

Nachdem Waldshut das Ultimatum der Regierung abgelehnt hatte, setzte es die begonnenen Rüstungen mit Eifer fort. Zwar die Söldner, die es von seinen Nachbarn aus dem Schwarzwald an sich gezogen hatte, rief die österreichische Regierung mit dem Bedeuten zurück: Sie mögen einen Herrn suchen, wo sie wollen, nur bei denen von Waldshut dürfen sie nicht bleiben;1) dagegen gewährten die Gesinnungsgenossen in Zürich einen Beistand, dessen moralische Bedeutung noch viel höher anzuschlagen war als die numerische Stärke. „Als die von Waldshut,“ sagt Heinrich Hug's Villinger Chronik, „gewahr wurden, dass der Fürst in seiner Ungnade sie mit einem gewaltigen Heereshaufen überziehen wollte, der an 12.000 Mann stark sich zu Auggen im Breisgau am Abend des 15. Oktober sammeln sollte, und die Zusagen der Schweizer an die drei österreichischen Regimenter vernahmen, führten sie ihre Zugehörigen vom Wald in die Stadt, die ihnen beim Bau der Befestigungen halfen. So meinten sie sich des Fürsten erwehren zu können.“

Daraufhin gebot Ulrich von Habsperg den Leuten vom Walde, wieder heimzukehren. Als das die Waldshuter sahen, beratschlagten sie untereinander und sandten Botschaften nach Zürich und zu anderen Eidgenossen und baten um Rat und Hilfe. Das taten die Schweizer (Züricher) und besetzten die Stadt mit 170 Mann, ihren Zusagen zum Trotz, die sie zu Zell an die drei Regimenter gemacht hatten. Nachdem die Waldshuter das gemacht hatten, sandte das Regiment am 20. Oktober nach allen Seiten hin Botschaften aus mit der Meldung, der Zug gegen Waldshut wäre verschoben.

Über die Genesis dieses Züricher „Zusatzes“ berichtet die Waldshuter Denkschrift von 1525: „Dergleichen Drohworte, Aufsatz und Empörung hat uns zuletzt dahin gebracht, dass wir es unternahmen, menschliche Hilfe und Beistand zu suchen, wo wir ihn nur finden konnten. Da wir in solcher Weise vom Kaiser, dem Fürsten, den Regimentern, Städten und unseren Nachbarn ganz und gar trostlos verlassen sind, sind wir genötigt, andere Leute um Hilfe und Beistand anzugehen, und haben aus Fügung Gottes und brüderlicher Treue die frommen und handfesten Männer gefunden, von denen etliche aus der Stadt Zürich selbst, etliche aus ihren Landschaften aus eigenem Antrieb, unausgesendet und ohne Besoldung allein wegen des göttlichen Wortes zu uns gekommen und sich erboten haben, Leib und Leben und ihr Vermögen zu uns zu setzen und uns, solange wir Gott und seinem Worte anhängen, nicht zu verlassen.“

Der kleine Haufe - er zählte 170 Mann - wurde von Niklas Keller aus Bulach geführt. Er zog am 3. Oktober aus. Die Züricher Regierung suchte den Zusatz durch Eilboten, die nachgesendet wurden, zurückzuhalten, erhielt aber die Antwort: Sie würden eher sterben als heimkehren. Von allgemeinem Jubel empfangen, zogen die Züricher des Nachts in Waldshut ein. Die Regierung von Zürich geriet durch dies Unternehmen zu den übrigen Eidgenossen und dem Haus Österreich und zu der mit diesem abgeschlossenen Erbeinigung in eine umso schiefere Stellung, als sich Gerüchte verbreiteten, welche in diesem Zuzug nur den Anfang einer kraftvollen Hilfeleistung sahen und dem alten Verdacht, Zürich habe es auf den Besitz von Waldshut abgesehen, neue Nahrung gaben. Zürich sandte daher eine neuerliche Abmahnung durch zwei Regierungsmitglieder nach Waldshut, aber der Rat dieser Stadt stellte in so beweglicher Rede vor, wie tyrannisch sie bedrängt werde, wie großen Trost man aus dem Züricher Zuzug schöpfe und welch trauriges Los ihnen bevorstände, wofern er wieder abzöge, dass von seiner Rückkehr vorläufig keine Rede war.

Dass die ganze Sache der Züricher Regierung sehr ungelegen kam, steht fest, doch sah sie sich im Hinblick der Sympathien der Bürgerschaft für das Unternehmen verpflichtet, für die friedliche Beilegung der Waldshuter Angelegenheit umso eifriger zu wirken, als der Einmarsch des Zuzuges in das bedrohte Städtchen und der Stand der Dinge im Hegau das Regiment in Ensisheim bewogen, von dem Vorhaben gegen Waldshut dermalen abzustehen. Der Hofrat zu Innsbruck, der von den geänderten Maßnahmen wohl noch keine Kunde hatte, meldet am 10. Oktober nach Ensisheim: Da sich die Verhandlungen des Ritters von Reichenbach (mit den Eidgenossen) puncto Waldshut in die Länge ziehen dürften, so möge man, wiewohl man erst am 19. Oktober Waldshut „belegen“ soll, schon jetzt gegen dieses vorgehen. „Gütliche Mittel dürften ja doch nichts verfangen.“ An das Reichsregiment zu Esslingen wurde indes noch an demselben Tag gemeldet: Wiewohl das Regiment zu Ensisheim sich auf den 18. d. M. vor Waldshut zu schlagen hat, so dulde der Hofrat dennoch, dass mittlerweile, ehe der „Fürschlag“ beginnt, gütlich verhandelt werde. Das Reichsregiment möge indes bedenken, dass diese Unterhandlung etwas zu spät und dass es F. D. nicht gelegen sein will, länger mit der Tat still zu stehen. Am folgenden Tag schreibt der Hofrat an Wilhelm von Reichenbach: Da er ohnehin schon in Angelegenheit dieser Empörung gegen Frauenfeld zu den Eidgenossen abgeordnet sei, so möge er den Gesandten des Reichsregimentes bei den Eidgenossen handeln helfen. Der Hofrat hoffe, dass auch des Reichsregiments Gesandte mit solcher Vollmacht abgeordnet seien. Sie haben Befehl, bei ihrer Rückkunft aus der Eidgenossenschaft mit denen von Waldshut zu unterhandeln, damit diese Angelegenheit beigelegt werde. Diese gütliche Handlung möge aber vor der Zeit, da der beschlossene „Fürschlag“ gegen Waldshut geschehen soll, stattfinden, damit keine Sache die andere verhindere. Hier hatte also das Reichsregiment die Vermittlung in die Hände genommen.

Am 10. Oktober versammelte sich der vorderösterreichische Landtag zu Neuenburg am Rhein, um über das weitere Vorgehen gegen Waldshut zu beraten. An den Landtag sandte der Markgraf Ernst von Baden, wie es scheint im Auftrag des Reichsregimentes zu Esslingen, ein Schreiben, in welchem er seine Vermittlung anbot, um den Abzug der Züricher zu erwirken und die Waldshuter wieder zu Gnaden zu bringen. Die Stände beschlossen demgemäß, für den Fall, dass er die Stadt Waldshut bewege, den Züricher Zusatz zu entlassen, in ihrem Vorhaben still zu stehen. „Sollten sich die Waldshuter demütigen und in eine ziemliche Strafe ergeben, so würden die Stände sich des Überzugs vertragen, damit sie wieder zu Gnaden kommen könnten.“ Eine Botschaft der Stände erwarte am kommenden Freitag (14. Oktober) zu Laufenburg über diese Handlung Bescheid. Die Unterhandlungen der markgräflichen Boten in Waldshut dauerten bis zum 16. Oktober und wurden den in Laufenburg versammelten Gesandten mitgeteilt. Zwei Tage später erschienen Ratsboten von Laufenburg, Säckingen, Rheinfelden und dem Schwarzwald in Waldshut und setzten gemeinsam mit diesem „einen gütlichen Tag“ auf kommenden Montag vor Allerheiligen (31. Oktober) zu Rheinfelden fest. Bevor dieser Tag stattfand, trat der vorderösterreichische Landtag nochmals (am 28. Oktober) zu Neuenburg zu einer Beratung zusammen. Hier drückten die Stände den Wunsch aus, die Waldshuter Sache möge solchen Fürsten, welche die Stände selbst bezeichnen würden, zur Entscheidung überlassen werden - ein Wunsch, dessen Erfüllung die Regierung versagte. Waldshut ließ den Markgrafen Ernst ersuchen, in Rheinfelden entweder selbst zu erscheinen oder einen Landvogt oder Kanzler dahin zu senden.

Inzwischen hatten, wie schon oben angedeutet wurde, die österreichischen Gesandten Veit Suter und Wilhelm von Reichenbach am Frauenfelder Tag (13. Oktober) lebhafte Klage wider Zürich erhoben. Nicht bloß dass es die Waldshuter durch die Absendung des Zusatzes unterstütze und jedem Mann desselben täglich einen Batzen Sold verabreiche, gehe die Rede, dass man ihnen einen Zusatz von 6000 Mann versprochen habe. Die Eidgenossen mögen erklären, wie sie sich zu dieser offenkundigen Verlegung der Erbeinigung verhalten. Zürich stellte alle Anklagen als unwahre Behauptungen hin. Der Zuzug sei des Nachts nach Waldshut gegangen, und zwar ohne Wissen und Willen der Obrigkeit. Man habe ihn unverzüglich durch eine Botschaft zur Rückkehr aufgefordert und einzelne seien in der Tat zurückgekommen. Zürich bat, man möge die Waldshuter nicht des Evangeliums wegen strafen und sie bei ihrem guten Recht belassen. Noch am 14. November behauptete Zürich: Was Dr. Reichenbach auf dem Tag zu Frauenfeld gegen die Züricher vorgebracht, sei nicht wahr. Waldshut wandte sich inzwischen an die Eidgenossen, sie möchten ihnen helfen, damit sie endlich zur Ruhe kommen. 2) Am 25. Oktober sandte es ein Schreiben nach Zürich, in welchem es seiner Zufriedenheit mit dem Verhalten des Zusatzes Ausdruck gibt und die Bitte stellt, gegenteiligen Nachrichten keinen Glauben zu schenken.

Wie die Dinge lagen, traten Basel, Schaffhausen und Zürich mit ihren Sympathien auf die Seite Waldshuts. Noch am 27. Oktober dankt Schaffhausen dem Rat von Glarus, dass er zu dem von den acht Orten zu Baden beschlossenen Mahnschreiben wegen des Dr. Balthasar Hubmaier nicht einwilligte. Die Besorgnis der österreichischen Regierung, dass es wegen Waldshut zu einem Krieg mit den Eidgenossen kommen könnte, spricht sich in einem Brief des Innsbrucker Hofrats vom 27. Oktober lebhaft aus. So erschienen denn auch auf dem Tag von Rheinfelden neben den Boten von Waldshut ihre Freunde, zwei aus Zürich, zwei von Basel und einer von Schaffhausen. Der Markgraf Ernst kam erst über besondere Einladung am 2. November. Er war der Meinung, dass die Sache, die durch die Gesandten von den drei Waldstädten, der Herrschaft Rheinfelden und dem Schwarzwald so weit gebracht worden, auch ohne sein Zutun vollends hingelegt werden dürfte. Bereits am 31. Oktober stellten Zürich, Basel und Schaffhausen das Begehren, dass die Leute von Waldshut in ihrer Gegenwart verhört werden möchten. Wir haben ihnen, schreiben die österreichischen Gesandten an das Regiment zu Ensisheim, geantwortet, der Markgraf habe die Vermittlung. Wir versehen uns nit viel Gutes, denn wir hören daneben, dass die von Waldshut nichts schaffen lassen, es sei denn, dass man ihnen die Kosten ersetze. Sie sollen auch ihren Prädikanten Dr. Balthasar wieder bei sich haben. Wäre dem also, so wäre das ein böses Zeichen. Waldshut hatte gehofft, die Abgesandten von Basel, Zürich und Schaffhausen würden sich ganz auf ihre Seite stellen; das geschah nicht. Sie erklärten vielmehr, dem Markgrafen beistehen zu wollen, Waldshut in Gnad und Ruhe zu bringen. Von den österreichischen Gesandten als Parteiischen wollten die Waldshuter nichts wissen. Der Markgraf verhandelte zunächst mit diesen: „Darüber haben sie nach vielen Worten die Antwort gegeben, dass man ihnen zuvörderst ihre Kosten ersetze; zum andern, dass sie niemand des Evangeliums wegen durch Mandate oder auf andere Weise bedrängen dürfe, denn sie wollten dasselbe, sei es durch den Dr. Balthasar oder einen anderen frei verkünden lassen; endlich sollen sie wegen der ergangenen Handlung weder peinlich noch bürgerlich gestraft werden, sondern bei ihren Freiheiten gelassen und ihnen über alles das Siegel und Brief gegeben werden.“ Die Rollen waren, wie man sieht, vertauscht: Statt einer „bürgerlichen“ Strafe, mit der sie früher sich begnügt hätten, verlangte Waldshut eine Entschädigung in Geld und im übrigen den Status quo. Die Landschaft schlug dagegen für sich, ohne Befehl der F. D., Folgendes vor: „Die von Waldshut sollen vor den drei Städten Laufenburg, Säckingen und Rheinfelden und dem Schwarzwald samt anderen Städten des Hauses Österreich Recht nehmen, und wenn diese ihre Handlung als strafbar erkennen würden, so sollte die Strafe doch bürgerlich gehalten sein. Ihren Prädikanten sollten sie von sich tun und den Zusatz abschaffen; dafür wollten sie sich bei Sr. F. D. verwenden, dass inzwischen nichts Gewalttätiges wider sie vorgenommen werde.“ „Die von Waldshut haben diese Mittel abgeschlagen und auf ihren Artikeln beharrt. Und alles das taten sie unter dem Schein, als sollte das von wegen des göttlichen Wortes erfolgen.“ „War es bisher die Meinung der F. D., die Stände des schwäbischen Bundes mit dieser Sache zu verschonen und Krieg und Kosten zu verhüten, so ist sie doch nunmehr genötigt, sie bei den Ständen anzubringen und diese um die Unterstützung des Bundes anzugehen.“ Da Waldshut auf seinen Forderungen beharrte, so gingen die Parteien, ohne ein Resultat erzielt zu haben, auseinander: es ist, wie die Waldshuter sagten, nichts Verfängliches vollendet worden; denn uns ist immer das gemeine Sprichwort im Weg gelegen, welches lautet: „Zwischen Heiligtum und Felsen.“ An einem Ort ist uns der Felsen der weltlichen Gewalt entgegen gelegen, an dem anderen das Heiligtum des göttlichen Wortes.

Die österreichischen Gesandten meldeten ihrem Regiment: „Dieweil dieser Handel ganz beschwerlich anzusehen und zu besorgen ist, es möchte ein Landkrieg und großes Blutvergießen daraus erwachsen, so raten wir, eilends einen Landtag auf Samstag nach Martini (12. November) auszuschreiben, um zu beschließen, was auf der von Waldshut Erfordern zu tun oder zu lassen sei.“ „Einen längeren Anstand als auf 10 Tage haben wir von denen zu Waldshut nicht erlangen können.“ „Wir lassen Euch auch sagen, dass die Eidgenossen künftige Wochen zu Luzern zusammenkommen werden. Es wäre gut, mit ihnen zu verhandeln.“ „Es steht wild und seltsam hier oben; die auf dem Wald haben St. Blasien weggenommen.“ Eine Gesandtschaft der Regierung an die Luzerner Tagsatzung stellte am 8. November an diese das Verlangen, Zürich anzuhalten, dass es seine Angehörigen aus Waldshut zurückziehe. Die Eidgenossen entsprachen dem Wunsche, „damit der Fürst seine Untertanen zu Waldshut und an anderen Orten bestrafen könne.“

Am 12. November trat der Landtag in Ensisheim zusammen; bevor noch die Verhandlungen begannen, wurde ein landesfürstliches Schreiben verlesen, in welchem es hieß, dass es den Ständen nicht hat zustehen noch gebühren wollen, ohne Wissen der F. D. weiterhin sich in diese Sachen einzulassen. Am 15. November erschienen die Waldshuter mit ihren „Beiständen,“ den Verordneten der Städte Zürich, Basel und Schaffhausen in Rheinfelden und vernahmen hier die Botschaft der Regierung, welche Conrad von Bolsenheim, der Landvogt des Markgrafen Ernst und Dr. Glut überbrachten. Sie sprach zwar „zuerstlichen dem Herrn Markgrafen, wie auch den anderen beiwesenden Herren Ehrengesandten für die angewendete Mühe den Dank aus, brachte aber fürs andere nachfolgenden Schluss mit: dass es gnädige Erkenntnis und Beschluss sei, man wäre nit befugt, dero ungehorsamen Untertanen ihre Unkosten zu bezahlen. Bei solchem erspürten Ungehorsam sollen sie die gebürende Strafe zu erwarten haben. Sie und die anderen seien zu erinnern, dass sie hierfür ihrem Herrn sollten gehorsam sein.“

Damit war die Mission des Markgrafen und der Schweizer Boten beendet. Die Waldshuter dankten jenem für die geleisteten Dienste und fügten das Bedauern hinzu, dass der treuen Dienste, die Waldshut von jeher dem Hause Österreich geleistet, von diesem so ganz vergessen werde, und dass sie statt Schirm und Trost nur Ungnade zu gewärtigen haben. Ihre Vollmachten seien derartige gewesen, dass die gegenwärtige Irrung wohl hätte geschlichtet werden können. „Löschet,“ schreiben sie nach Basel, „bei Zeiten, dieweil das Feuer noch klein ist, ehe eure Häuser zu brennen beginnen. Von unseretwegen hat das Spiel zu Waldshut nicht angefangen, denn dies ist nur ein kleines Städtchen auf Erden, das seinem Herrn seit Menschengedenken treu gedient.“ Mit Nachdruck heben sie hervor, dass es nicht etwa die materiellen Leistungen sind, um deretwillen sie sich beschweren: „Leib und Gut, Steuer und was man ihnen sonst noch auferlegt, all das wollen sie gern tragen und leisten. Nur lasse man und bei dem Worte Gottes bleiben.“3)

Trotz der Drohungen, welche den Waldshuter Boten auf diesem zweiten Rheinfelder Tag mit auf den Weg gegeben wurden, geschah in den nächsten Monaten nichts Ernstes wider sie.4) Die Regierung war anfänglich mit großem Nachdruck aufgetreten, hatte sich dann über alles Erwarten nachgiebig gezeigt, hierauf alles zurückgewiesen, was einem Entgegenkommen ähnlich sah, um endlich, wie es den Anschein hatte, den Dingen ihren freien Lauf zu lassen. Dies Verhalten der Regierung war in der allgemeinen politischen Lage begründet. Nach den Beschlüssen des Regensburger Conventes, der am 24. Juni 1524 zusammengetreten war und seinen Mitgliedern die genaueste Durchführung des Wormser Ediktes zur Pflicht gemacht hatte, so dass in Zukunft keine Abkehrung von der alten Lehre geduldet, die ketzerischen Bücher vernichtet und der Klerus unter die strengste Aufsicht gestellt werden sollte, schritt man auch in den Vorlanden mit aller Schärfe gegen die religiösen Neuerungen ein. Als dann aber der große Kampf zwischen Habsburg und Frankreich, der auf den oberitalischen Gefilden ausgefochten wurde, die volle Anspannung aller Kräfte erforderte, hatte Ferdinand viel dringendere Aufgaben zu lösen, als den Kampf mit dem kleinen Waldshut unter Aufwendung starker Machtentfaltung durchzuführen. Dazu kam dann allerdings noch die unsichere Lage dem Bauernaufstand und dem Herzog von Württemberg gegenüber, und endlich erwiesen sich auch die Eidgenossen je länger desto schwieriger. So konnte es kommen, dass die oberen Rheinstädte zeitweise in lebhafter Sorge vor einem Überfall durch die um den Züricher Zusatz verstärkten Waldshuter schwebten.

Um den Abzug dieses Zusatzes drehen sich in der nächsten Seit die Verhandlungen zwischen Österreich und den Eidgenossen im allgemeinen und diesen und den Zürichern insbesondere. Der unausgesetzten Anschuldigungen wegen des Waldshuter Zusatzes müde, fragte der Rat von Zürich bei den Landgemeinden und Zünften an, wessen er sich in dem Handel zu Waldshut versehen solle. Die Mehrheit der Landgemeinden war für die Heimberufung des Zusatzes; einige überließen die Entscheidung dem Rat. Für die Belassung des Zusatzes sprachen sich nur einige Zünfte aus. Der Rat von Zürich sandte nun den „Zusatz“ die Mahnung, heimzukehren, und wiederholte sie, als er keine Miene machte, zu gehorchen. Dies wurde den anderen Orten angezeigt und die Hoffnung ausgesprochen, man werde sich für die armen Waldshuter kräftig verwenden. Am 4. Dezember 1524 zog der Züricher Zusatz aus Waldshut ab. Nur ein kleiner Haufe blieb zurück, entschlossen, mit denen von Waldshut Freud und Leid zu teilen und die Hauptschar im Fall der Not wieder zurückzuführen. Es fehlte auch nicht an Kundgebungen zugunsten von Waldshut in den benachbarten Schweizer Landschaften; eine wirksame Hilfe hatte die Stadt aber von dieser Seite nicht mehr zu erwarten.

1)
Schon am 8. Oktober konnte die Regierung zu Ensisheim den Erfolg ihres Befehls nach Freiburg melden.
2)
Es seien für den rat komen zwei Boten von Waldshut und zeigten an den großen Unwillen, in dem sie gegen den Fürsten unverschuldet stehen . . . und gebeten durch gottes willen, ihnen zu helfen, damit sie zu frieden und ruhe kommen.
3)
In einer Zuschrift vom 3. Dezember 1524 spricht die Innsbrucker Regierung den drei Waldstädten für ihre Vermittlung ihren Dank aus, „welcher euer getreuer Handlung wir gnedigs gefallen tragen“. Werden aufgefordert, als getreue Untertanen des Hauses Österreich in dieser Gesinnung zu verharren.
4)
Ein Schreiben des Hofrats an Se. F. D. vom 12. November 1524 (datiert von Innsbruck) drückt die Furcht aus, der Erzherzog möchte zu einer tätlichen Handlung nicht genügend gerüstet sein „ob Ew. F. D. die zeit gefasst ist, das geben wir derselben zu erkennen .. auch zu bewegen ist, dass der ganz Schwarzwald und darzu vil Stette mit denen von Waldshut in verständiß sind …“
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