Löhe, Wilhelm - David und Salomo - II.
1. Chron. 12, 1-3; 4-6; 7-9.
(Vgl. 2. Sam. 5.)
1.
Welcher Gegensatz ist zwischen der ersten Lektion von heute und zwischen den beiden Lektionen von gestern. Gestern sahen wir den König Saul in all seinem Unglück und heute sehen wir den König David in all seinem Glück. Was hat Saul ausgerichtet mit seiner Majestät und all seiner Macht, und was hat ihm sein Arm geholfen? Dagegen was hat es David geschadet klein zu werden und in die Schule Gottes zu gehen und auf die Erfüllung der Verheißungen, die bereits auf ihm ruhten, geduldig zu warten? Wer sich ergeben kann in seine schwere Zeit, wer bei einem Heldenarm, wie ihn David hatte, und bei einem Heldenglück, wie es David hatte, dennoch sich beugen kann vor einem gottlosen König und Schwiegervater, wer mit einem göttlichen Anrecht auf den Thron eine solche Verfolgung über sich ergehen lassen kann, wie David sie von Saul erduldete, wer sich von seinem besten Freund nicht reizen lässt, nach ihm gegebener Macht zu verfahren; kurz wer allezeit so den Weg Gottes, den Weg der Demut und Geduld, geht: der kommt vielleicht etwas langsamer zum Ziel, wird aber auf dem Weg dahin ein Schauspiel der Engel, und der HErr im Himmel streckt Seine Hand nach ihm aus und segnet ihn. Man kann nicht sagen, dass es David nach seiner natürlichen Art leicht geworden sein müsse, sich in dieser seiner Prüfungszeit allzeit untadelig zu verhalten. David war kein Phlegma; er entbrennt wohl auch manchmal im Zorn wie dort bei Nabal, aber er fasst sich und dämpft den Zorn, und wer ihn fassen und halten will im Unrecht, der findet bei ihm eine gute Statt. Er hat gewartet, so lange Saul lebte, und als er nach Sauls Tod König wurde, da ist seine Aufgabe wieder zu warten; 72 Jahre bleibt er ruhig zu Hebron, er sieht zu, wie es dem Isboseth glückt, wie Abner den Isboseth erhöht und zum König über die Stämme Israels macht; er sieht zu, wie Abner dem Isboseth missfällig wird, wie Abner die Stämme Israels ihm zuführt; er sieht zu, wie Joab den Abner erschlägt, bis es endlich doch dahin kommt, dass er auch über die Stämme Israels König wird.
Eben darum ist aber auch nie ein Königstag gewesen wie der zu Hebron, wo sich von den fernsten Gauen und Enden des Reiches alles zu David versammelte, um ihm zu huldigen. Die Zahl der Gäste, die er am Tage seiner Salbung hatte, war 340.000 Mann. Und diese 340.000 Mann werden drei Tage freigehalten, nicht von ihm, sondern von ihren Brüdern, vor allem von seinen Stammesgenossen, den Juden, die sich freuen, dass ihr König, der Judenkönig, nun König des gesamten Israels geworden ist (1. Chron. 13, 23-40). Da kommt alles herzu und spricht zu David: du bist unser Fleisch und Blut, wir können dich wählen (nach 5. Mos. 17, 15), du bist bezeugt und bewährt, auch ruht die Verheißung auf dir, dich hat der HErr bestimmt, Fürst Israels zu sein, auch unter Saul hast du schon die Heerscharen geführt zu Kriegen und Siegen und von Siegen zurück zu Triumphen. Ganz Israel jauchzt David zu und fällt ihm zu, und der König macht mit ihnen einen Bund im Namen des HErrn, und sie salben ihn nach der Anleitung, die von Samuel gegeben war, und er, der König, sitzt nun ohne Vorwurf und Tadel auf dem Thron, ein Unschuldiger und Heiliger Gottes. Da sieht man: Demut siegt, Sanftmut überwindet; da sieht man den Segen des Gehorsams und der Ergebung in die Wege und Führungen Gottes. Was ist das für ein Tag, der Königstag zu Hebron, gegenüber dem letzten Tage Sauls! Es hat nie einen König gegeben wie David; auch alle seine Nachkommen vom ersten bis zum letzten können nur in einzelnen Dingen mit ihm verglichen werden. Es ist ein Königsideal, groß im Frieden, groß im Krieg, groß in der Ordnung des gottesdienstlichen Lebens, selbst ein Sänger auf der Harfe, lieblich mit Liedern Israels, und in seinem ganzen Gang aus der Niedrigkeit zur Größe das schönste Vorbild auf JEsum, der ihn freilich weit überstrahlt wie der Himmel die Erde. Darum sprechen wir: Gelobt sei David, aber hochgelobt sei JEsus Christus, Davids Sohn und Davids HErr!
2.
Wie unter den Männern David, so ist unter den Städten Jerusalem auserwählt. Nicht David hat Jerusalem auserwählt, nicht er allein, sondern er folgt dem Zuge seines Gottes, er geht nach Jerusalem an der Hand des HErrn und mit ihm geht ganz Israel. Die Hunderttausende, die ihn zu Hebron gewählt hatten, ziehen mit ihm hinauf, um einem solchen König eine Stätte zu bereiten, die vorbildlich sei und sein könne, wie der König, der dort thronen soll. Da weiß denn Niemand eine bessere Wahl zu treffen als Jerusalem, die Stadt, die gemacht ist zusammenzufassen alle Stämme des HErrn, die mitten inne ist zwischen Israel und Juda, auf der Schwelle beider gelegen, einsam, majestätisch, heilig, fest gegen Menschen, offen gegen den Himmel, dass von oben her der Segen niederträufle. Aber die einzig feste Stadt ist noch von den Jebusitern bewohnt, Jerusalem ist erst dem unteren Teil nach Israel gehörig. Wenn man den König Israels dahin setzen will, so muss man die Burg erst aus der Feinde Händen nehmen. Doch die Stadt liegt feste, Zion ist unüberwindlich, wenn Gott sie nicht selbst ihren Feinden in die Hände gibt. Könige sind an ihr vorübergezogen und haben sich an ihren Mauern die Köpfe zerschellt. Darum spotten auch die Jebusiter und höhnen: „Du wirst nicht hier hereinkommen, sondern Blinde und Lahme werden. dich abtreiben.“ Der Sinn ist wohl der: so fest liegt die Stadt, dass Blinde und Lahme sie verteidigen könnten. David aber nimmt die Burg Zion dennoch ein, denn Gott gibt sie ihm; er muss ja haben, wo er seinen Thron hinsetzen kann. So zieht er denn in die Burg ein und nennt sie Davids Stadt. Aber wenn es mit einem Mann in die Höhe geht, so wird ihm sicherlich auch sein Kreuz beigelegt, und wenn Davids Geist die Seinen beseelt und begeistert1), so muss es ein Joab sein, der den Preis gewinnt und mit David einzieht, und muss dem Frommen und Heiligen ein selbstsüchtiger, gewalttätiger Mensch zur Seite gehen, wie dem Apostel Paulus ein Satansengel beigegeben wurde, der ihn mit Fäusten schlage; denn Joab ist zwar ein Verwandter Davids, aber ein Mensch, der mit David durchaus nicht stimmt. So weiß der HErr die Seinen zu führen und gibt ihnen allezeit was sie bedürfen, gibt ihnen zur Lust die Last und zur Würde die Bürde. Der weise David will seinem Kreuz nicht entfliehen, er beugt sich unter sein Joch, er zieht ein in sein Zion und nimmt seinen Vetter Joab mit sich. Joab ist von David nicht zu trennen und David hält Joab lebenslang die Treue (denn Joab überlebt ja sogar noch David), hat aber an ihm auch seine lebenslängliche Plage, bis er kommt zu der ewigen Stadt und zu dem Ort, der höher ist als Zion, wo neben David kein Joab mehr steht, und kein Ärgernis mehr den anficht, der Gottes Huld und Frieden auf ewig hat.
3.
David kommt nun zu seiner Ruhe, baut sich sein Haus mit Zedern vom Libanon, mit innerer Beschämung, dass seines Gottes Lade noch unter dem Zelte steht, aber unter Gottes Anweisung: es solle also sein. Sein sehnlichster Friedenswunsch, Gott dem HErrn einen würdigen Tempel zu bauen, wird ihm nicht gewährt, er muss seines Gottes Gezelt schauen und selber im Zedernhause wohnen. Er aber weidet Israel und thront und wirkt in Jerusalem unter wachsender Teilnahme des Volks und Anerkennung der ganzen Welt (2. Sam. 5, 11. 12). Alles neigt sich vor dem König David, denn sein Gott war mit ihm (1. Chron. 12, 9). Das Geheimnis alles Segens Davids, seiner Ruhe und Kraftentfaltung in der Ruhe ist das Wort: Der HErr Zebaoth war mit ihm. Denn wenn der HErr Seine Hand ausstreckt und segnet, dann heißt es: Seine Gesegneten sind gesegnet und werden das Land erben. Gott ist mit David, darum geht es ihm wohl. Also nicht das Verdienst Davids, nicht sein Wohlverhalten, seine innere und äußere Schöne, nicht die Kraft seiner Seele oder seines Leibes, nicht seine hohe Begabung, sondern die Gnade Gottes ist es, die David groß gemacht hat. Er ist alles von Gottes Gnaden, die Gnade hat ihn zubereitet zu dem, was er werden sollte.
Geh in deinem kleinen Maß, auf deinem unbedeutenden Wege, in deinem kleinen Leben, auf das niemand sieht, den Weg des großen Königs und halte dich allezeit im Glauben an deinen Gott. Dann wird's dir gelingen in deinem zeitlichen Beruf, du wirst auf Erden Freude haben und wirst auch das Ziel deiner himmlischen Berufung erreichen. Dann wird dir Ruhe und Ehre sein, wenn dein Auge sich hier schließt und wenn es sich öffnet für die andre Welt. Amen.