Lobstein, Friedrich - Das Wirken der Gnade an den Seelen - VI. Wie Gott erzieht im häuslichen Kreis.
Johannes, 2, 1-11.
- Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Cana in Galiläa; und die Mutter Jesu war da.
- Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen.
- Und da es am Wein gebrach, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben nicht Wein.
- Jesus spricht zu ihr: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.
- Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut.
- Es waren aber allda sechs steinerne Wasserkrüge gesetzt, nach der Weise der jüdischen Reinigung; und gingen je in einen zwei oder drei Maß.
- Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser. Und sie füllten sie bis oben an.
- Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun, und bringt es dem Speisemeister. Und sie brachten es.
- Als aber der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, und wusste nicht, von wannen er kam, (die Diener aber wussten es, die das Wasser geschöpft hatten,) ruft der Speisemeister den Bräutigam,
- Und spricht zu ihm: Jedermann gibt zum ersten guten Wein, and wenn sie trunken geworden sind, alsdann den geringeren; du hast den guten Wein bisher behalten.
- Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Cana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.
Süß ist es zwar, mit Menschen traulich zusammen zu stehen, weit süßer aber ist es, mit dem Herrn traulich zu stehen. Damit muss der Anfang gemacht werden. Willst du deinem häuslichen Glück die rechte Festigkeit geben? Suche zuerst fest mit dem Herrn zu stehen; einen andern Grund gibt es nicht, und ohne Jesum Christum kannst du nichts tun (Joh. 15.); auch nicht in rechter Liebe verkehren; alle Dinge bestehen nur in ihm. Freilich ist für Viele Jesus Christus nur ein Prediger oder ein Wundertäter, der aber außerdem nicht mehr an seinem Ort ist. Sie wissen nicht, dass die Gottseligkeit zu jeglichem Dinge nütze ist und die Verheißungen hat des gegenwärtigen und zukünftigen Lebens (1 Tim. 4). Willst du wissen, ob du den wahren Jesus Christus hast? Frage dich nur, ob er über deine Hauptneigung herrscht; denn er muss, wie er zu Zachäus sagte, in deinem Hause einkehren. Du isst oder du trinkest, in den Kleinigkeiten wie in den Hauptsachen muss deine Gesinnung eine christliche sein, was nicht der Fall ist, wenn Jesus Christus nicht in deinen Augen Allem voransteht, und zwar nicht auf pharisäische Weise, sondern mit Behagen und Freudigkeit. Dazu will der Herr behilflich sein. Die Hochzeit zu Cana, die wir nun betrachten wollen, zeigt uns die Erziehung, welche Jesus Christus im Familienkreis vornimmt. Alle, die zusammen unter demselben Dache wohnen, sind unter der Hand des Herrn; er versetzt ein Jedes in Lagen, wo das offenbar wird, was im Finstern verborgen, und wo man sich bekehren muss, nicht nur halb, sondern ganz und wahrhaftig. Besehen wir uns die Freunde zu Cana und merken wir, wie er seine Herrlichkeit offenbart im Innern der Familie, auf dass seine Jünger an ihn glauben.
Ist nicht der Tisch, um welchen die Freunde zu Cana versammelt sind, gleichsam ein Bild des Bandes, welches diejenigen einigen soll, welche zusammen leben oder welche sich unter demselben Dach zu sehen pflegen? Dieser gemeinsame Tisch, und auf dem Tisch dasselbe Brot, derselbe Wein, deuten sie uns nicht an, dass wir Glieder eines Leibes sind und Teil haben an derselben Hoffnung? Predigen sie uns nicht von der Einheit des Geistes und vom Band des Friedens? Ob reich oder arm, das ist gleichviel, es ist aber ein großer Gewinn, wer gottselig ist und lässt ihm genügen. (1 Tim. 6.) Es ist besser ein wenig mit der Furcht des Herrn, denn großer Schatz, darin Unruhe ist. (Spr. 15.) Aber ein völliger häuslicher Einklang ist selten; das muss der Herr auf vielfache Weise zubereiten. Belehren wir uns also durch das, was er in dem vorliegenden Falle getan hat.
Wir haben vor uns eine Hochzeit, eines derjenigen Feste, wo nach weltlicher Sitte der Wein fließt und die Freude mit ihrem Glanz alle Sorgen verschlingt. Zwar ist der Herr wohl nicht in einem weltlichen Zirkel, die Hochzeitleute sind fromm; aber es gibt in der Frömmigkeit verschiedene Stufen. Gewiss sind zwei Eheleute, ehe sie zusammen durch Wasser und Feuer gegangen, nicht schon sehr befestigt in der Kenntnis des Herrn. Es gibt fromme Kreise, wo man das Evangelium lieb hat, wo aber eine wirkliche Bekehrung nie stattgefunden hat. Man ist wohl erzogen, wohl unterrichtet worden; man hat gute, gottesfürchtige Grundsätze und allerlei liebliche Eigenschaften. Verheiratet man sich zusammen, so wird dies Alles gemeinsam, und mit diesem doppelten Guten meint man, man habe auch eine doppelte Bürgschaft des Glückes. Man rechnet auf sich selbst, nicht auf den Herrn allein. Was geschieht? Es gebricht an Wein. Es stellen sich allerlei Verlegenheiten ein, die einen materiell, die andern geistig, wo die eigenen Kräfte nicht mehr ausreichen.
So z. B. gebricht es bald an den natürlichen Gefühlen. Gründet man den Hausstand, so will man sich glücklich machen; man ist von edlem Eifer beseelt; man weiß aber nicht, was Alles unter dieser schönen Decke schlummert. Diese Hingebung, welche zwei Wesen verbindet, ist nur ein Egoismus. Dieses neue Verhältnis ist noch nicht geheiligt. Ein Jedes sucht seine eigene Befriedigung, und dies heißt es Liebe. Es will aus der Verbindung sein besonderes Glück schöpfen; aber die rechte Liebe besteht nicht in der Selbstbefriedigung, sondern in der Selbstverleugnung. Jede andere Liebe geht schrecklichen Enttäuschungen entgegen. Bald wird der Freudenbecher leer, der Hochzeitwein aus sein. Die Wirklichkeit wird die schönen Vorspiegelungen ersetzen; nach der poetischen Seite tritt die wahre ein. Die Glut der Gefühle bleibt nicht dieselbe; die Verkehrtheiten kommen zum Vorschein; noch einige ungünstige Einflüsse von außen, und es enthüllen sich die Charaktere. Stößt ein Eigenwille auf den andern, treten die Empfindlichkeiten ein, erwacht die böse Laune oder die Leidenschaftlichkeit, so versiegt der Hochzeitwein, und was von den natürlichen Gefühlen wahr ist, das ist auch wahr von der natürlichen Frömmigkeit.
Es gibt nämlich eine bürgerliche Frömmigkeit, welche oft nur eine herkömmliche Gewohnheit ist. Man hat sie als ein Erbstück überkommen und will sie beibehalten mit dem übrigen Haushalt; aber diese Familienreliquie bringt im Grund wenig ein. Die wahre Frömmigkeit ist eine Gotteskraft; man ist erst recht fromm, wenn man sich selbst überwinden kann. Es wird sich bald zeigen, in wie weit du diese Frömmigkeit besitzt. In jeder Ehe gibt es Stunden, wo man anziehen muss herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Geduld; man glaubte dies Alles zu besitzen; aber wo alle diese Tugenden nötig wären, was findet man vor? Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, schandbare Worte (Kol. 3); das wird vielleicht unter einem. christlichen Mantel verdeckt, aber es arbeitet nichtsdestoweniger in dir, und es gebricht am Hochzeitwein.
Maria, die Mutter Jesu, sieht die Verlegenheit des jungen Paares, und beeilt, den Gatten beizustehen, sagt sie zu ihrem Sohn: Sie haben keinen Wein mehr. Allein Jesus antwortet seiner Mutter: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Hier mischt sich Maria in das Amt ihres Sohnes; sie möchte ihn zu einer Wundertat antreiben; aber Jesus gibt seine Ehre keinem Andern, er ist selbst Rat. Eine solche Antwort gibt der Herr einer jeden zu eifrigen Seele. Er will das Familienglied in der Geduld erziehen, wenn er zu ihm sagt: Was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. In jeder Familie hat der Herr das Eine oder das Andere auf diese Weise zu behandeln. Die Ungeduld ist bald zur Hand, und sie geht gewöhnlich aus einem herrschsüchtigen Geist hervor. In der Frau wie im Mann ist die Anlage zum Tyrannen. Man kleidet diese Gesinnung gern in den Schein des Ratgebens, des selbstgefälligen Ermahnens, der Weisheit. Eine solche Richtung muss gedemütigt, muss zum Harren gebracht werden. Als die Brüder Jesu zu ihm sagten: Mache dich auf und gehe von dannen, und gehe in Judäa, auf dass auch deine Jünger sehen die Werke, die du tust: so gab er ihnen dieselbe Antwort wie hier der Maria: Meine Zeit ist noch nicht gekommen; eure Zeit aber ist allewege. (Joh. 7.)
Solche Lektionen sind vorzüglich; die Arbeit Gottes an der Seele will uns zur Einsicht führen, dass die Weisheit bei den Demütigen wohnet, dass der Geduldige besser ist als der Stolze, und der sich selbst beherrscht besser als der Städte einnimmt. Die Geduld aber, sagt Jakobus, soll fest bleiben bis ans Ende; ja, bis ans Ende fest bleiben, das ist die Hauptsache. Es gelingt manchmal, tausend Regungen der Ungeduld zu ersticken, plötzlich aber brechen sie los wie ein Gewitter. Da muss man von vorne wieder anfangen; denn ein Mann, der seinen Geist nicht halten kann, ist wie eine offene Stadt ohne Mauer. (Spr. 25.) Das versteht Maria wohl; sie sagt zu den Dienern: Tut Alles, was er euch sagt.
Schön ist's, sich unter den Willen des Herrn zu beugen. Haben wir nicht unsere Seele gestillt und entwöhnt, wie einer von seiner Mutter entwöhnt wird, so schaffen wir uns selbst eine Quälerei nach der andern. Die aber von Gott gelehrt sind, sind glückselig; die schönste Zierde ist der verborgene Mensch des Herzens unverrückt, mit sanftem und stillem Geist, das ist köstlich vor Gott. (1 Petr. 3.) Sanftmut überwindet Alles, wenn sie aus einem demütig unterworfenen Herzen kommt, das zu warten weiß, ohne dem Herrn etwas vorzuschreiben. Dann ist die Stunde Jesu da, die Stunde, wo er seine Wunder tut.
Neben dem Hochzeittisch standen sechs große steinerne Krüge, die zu der Reinigung dienen sollten; und Jesus sprach zu den Dienern: Füllt diese Krüge mit Wasser; und sie füllten sie bis oben an.
Sagen uns diese sechs leeren Krüge nichts, welche beim Hochzeittische stehen? Mögen wir nicht durch sie aufmerksam gemacht werden darauf, dass neben unsern Hochzeitfreuden und unsern innigsten Verhältnissen immer noch eine Leere übrig bleibt, die Jesus allein ausfüllen kann? Die Erde ist immer noch die Erde; niemand lebt davon, dass er viele Güter hat. (Lukas 12.) Dasselbe lässt sich von den Neigungen des Herzens sagen. Auch die Diener, wie wir sehen, haben vom Herrn zu tun. Sie füllen die Gefäße und werden, ohne es zu ahnen, die Werkzeuge eines Wunders.
Ein armer Diener, eine geringe Magd, mit welchen niemand sich weiter befasst, können für ein ganzes Haus ein Sauerteig zum Segen werden. Man denke nur an den Knecht Abrahams oder an das Mägdlein der Frau Naemans. Die Letzten werden die Ersten sein und die Ersten werden die Letzten sein. Die Hauptsache für einen Diener ist die Treue im Kleinen; er sage zu sich selbst: Was ich auch tun mag, das tue ich von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen. Auf diese Weise seid ihr gehorsam, nicht mit Dienst vor Augen, als den Menschen. zu gefallen, sondern mit Einfältigkeit des Herzens und mit Gottesfurcht. (Kol. 3.)
Der Herr lässt nur Wasser eingießen, aber dieses Wasser, wenn es wieder weitergegeben wird, ist zu Wein geworden.
Dieses Wunder wiederholt sich immer. Jesus Christus kann etwas Geringeres in etwas Höheres verwandeln, wenn wir von kindlichem Gehorsam beseelt sind. Ein Gut, das wir nicht anschlagen, eine Stellung, die uns gar gering, ganz undankbar erscheint, werden etwas ganz Anderes, sobald wir sie als vom Herrn kommend ansehen und für ihn benützen. Schöpfet nun, spricht Jesus zu den Dienern, welche seinem Befehl gehorsam waren. Kommt und seht, wie freundlich der Herr ist, ihr, die ihr gefangen genommen habt alle Vernunft unter den Gehorsam Christi. (2 Kor. 10.) Denn alle Kreatur Gottes ist gut und nichts verwerflich, das mit Danksagung empfangen wird. (1 Tim. 4.) Sei treu und es sollen Tannen für Hecken wachsen, und Myrten für Dornen, und dem Herrn soll ein Name und ewiges Zeichen sein, das nicht ausgerottet werde. (Jes. 55.)
In diesem Wunder des zu Wein gewordenen Wassers liegt eine Lehre für viele Christen. Es gibt eine Menge Menschen, die sich in ihrem Beruf nicht gefallen; sie wissen ihn nicht recht anzufassen; sie arbeiten im Mietlingsgeist, der ihnen Alles verdirbt. Diese Menschen, anstatt auf sich selbst die Augen zu wenden, sehen nur ihre Lage. Ihrer Meinung nach wären sie andere Leute, wenn sie ein anderes Schicksal, eine höhere Laufbahn, eine erbaulichere Umgebung hätten. Sie sollten es umkehren. Du wirst alle diese Dinge verändern, sobald du ein anderer Mensch bist. Greife dir nur einmal ins Herz und du wirst sehen, dass du nicht einen andern Beruf, wohl aber einen andern Geist haben solltest. Das Wasser wird zu Wein, sobald du Herz und Hand dem Herrn gegeben hast. Wie er von der Verdammnis erlöst, so auch erlöst er von jedem Missbehagen. Leiste für ihn, was du bisher für dich unternommen hattest; es nimmt Alles eine andere Gestalt an, wenn man gelernt hat es als eine Gunst, anstatt einer Last, anzusehen. Gott ist die Liebe, er mag tun und dir zuschicken, was er will; sei erfüllt von der Erkenntnis des Willens Gottes, und wandle seiner würdig, um ihm in allen Dingen wohlzugefallen, so wirst du erfahren an dir seine herrliche Kraft, um alles mit Geduld, Sanftmut und Freudigkeit ertragen zu können. So bleibe denn ein Jeder in dem Beruf, in welchem er berufen worden ist; siehe dich als einen Haushalter des Herrn an, denn ihr seid nicht euer, ihr seid teuer erkauft worden; was aber der Herr von seinen Haushaltern begehrt, ist, dass sie treu erfunden werden.
Bei der Hochzeit von Cana stellt sich uns noch eine andere Persönlichkeit dar, der Speisemeister nämlich. Der Speisemeister kostet den Wein, der Wasser gewesen war und erklärt sich dieses Wunder auf natürliche Weise. Er meint, das habe unerwarteter Weise der Bräutigam so angeordnet; er denkt nicht an den Herrn; er bleibt bei den Ursachen zweiter Hand stehen.
Ist nicht in jedem Hause irgend Jemand, der diesem Speisemeister ähnlich ist? Jemand, der Jesum neben sich hat, ihn aber nicht wahrnimmt. In jedem Familienleben ereignet sich viel, das offenbar vom Herrn so gefügt und gnädig gewendet wird. Allein der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes (1 Kor. 2); seine eigene Weisheit hat ihm den Blick verschleiert. Was er sieht, erklärt er nach Naturgesetzen, durch den Gang der Begebenheiten, durch Physik und Chemie; er sieht Alles, nur nicht Jesum. Die Diener sind, in ihrer Einfalt, hellsehender als dieser Speisemeister. Sie wissen, wem sie diesen Wein zuzuschreiben haben, und man ist glückselig, wenn man mit Johannes ausrufen kann: Es ist der Herr! Man hat den wahren Heiland nicht, wenn man ihn nicht in allen Dingen sehen kann; gedenke an ihn, in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen. (Sprüche 3.)
Dennoch sagt der Speisemeister in all seiner Blindheit ein Wort, das sehr wahr ist, wenn wirs auf den. Herrn beziehen. Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken geworden sind, als dann den geringeren; du hast den guten Wein bisher behalten.
Die Welt gibt zum ersten den guten Wein; sie verführt durch einen schönen Schein; aber der Schein trügt und die Welt vergeht mit ihrer Lust. So verhält es sich nicht mit dem Weine Jesu, noch mit der Methode, welche der Herr befolgt. Jesus, unser Seelenbräutigam, wartet, bis wir trunken geworden sind; hernach, wenn er uns weltsatt und im Eckel vor dieser leichten Speise sieht, bietet er uns etwas Besseres an, die Gnade nämlich, die nimmermehr versiegt, und die besser ist, als das Leben. Dann lässt man der Welt, was ihr angehört, und spricht zum Herrn: Wie teuer ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel trauen. Sie werden trunken von den reichen Gütern deines Hauses, und du tränkest sie mit Wollust, als mit einem Strom. (Psalm 36.)
Am Ende unserer Erzählung heißt es: Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Cana, in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.
Die Jünger waren bei dem Wunder gegenwärtig gewesen; auch sie wollte der Herr erziehen. In einem fremden Hause, darein er sie führt, offenbart er ihnen seine Herrlichkeit. Man ist dem Herrn nicht immer am nächsten in der Kirche; beim Gottesdienst ist man oft zerstreut, aber der Herr hat noch andere Erbauungsstätten. Ich meine die Häuser, wo die Gnade mächtig gewirkt hat. In wie manchem Kreise, der zuerst gegen das Evangelium eingenommen war, hat der Herr nach einiger Zeit seine Herrlichkeit geoffenbart. Unter demselben Dach weht ein anderer Geist; das Alte ist vergangen, sieh, es ist alles neu geworden. Man hat eingesehen, dass Christus, der Welt Heiland, auch der Familien Segen ist. Das geschieht, auf dass seine Jünger an ihn glauben. Wen die Bibel nicht zum Glauben führt, den überzeugt oft ein christliches Hauswesen. Führe ihn ein in eine Familie, wo das Wasser zu Wein geworden, wo die geistliche Erziehung Alle umfängt, und du wirst die Macht der Wahrheit erkennen. Da wird der Ungläubigste sprechen: Gewisslich ist der Herr an diesem Ort, und ich wusste es nicht. Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes denn Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. (1 Mose 28.)
Wir haben die verschiedenen Personen nach einander gesehen, die im Hause zu Cana versammelt sind, uns haben bei jeder die Stellung zum Herrn nachgewiesen. Gewiss sind sie nicht durch den Zufall zusammengeführt worden. Der Herr wählt uns aus, das Eine für das Andere, und erzieht uns für einander; wir werden es erfahren, sobald wir bei ihm anfragen. Zuerst aber müssen wir Ihn kennen lernen; denn was ist des Lebens Zweck, warum hat Gott die Menschen geschaffen? Dass sie den Herrn suchen sollten, ob sie doch ihn fühlen und finden möchten. Und zwar er ist nicht ferne von einem Jeglichen unter uns. (Apostelgesch). 17.) Bist du da angekommen? Dann sind gewiss auch an deiner Seite andere Seelen, welchen du zum Segen sein kannst. Dann bist du nicht mehr ein Einzelner, sondern ein Glied eines Leibes; ein lebendiger Stein, der zum Bau gehört; ein Rebe, der mit andern Reben an demselben Weinstock sich befindet. Selbstsucht trennt; die Liebe Christi eint, denn sie ist das Band der Vollkommenheit. Es wird euch klar werden, dass ihr das Eine für das Andere erzogen worden seid, wenn ihr vorerst Jesu Christo eure Leiber zum Opfer begeben habt. Wir, die wir nun Hausgenossen sind, werden uns einst vor demselben Richterstuhl einfinden; wie bitter wird es sein, wenn wir dann erkennen, dass wir Eines für das Andere ein Hindernis waren; wie süß dagegen, wenn es sich herausstellt, dass wir Mitarbeiter Gottes gewesen.
Auch bei der Hochzeit zu Cana war ein Gast, der nie ausbleibt; zuerst hinter dem Schleier, enthüllt er sich bald: ich meine den Tod. Wir laden ihn nicht, er kehrt von selbst ein und zählt die versammelten Häupter. Noch eine kurze Zeit, und eine Stelle wird leer; die Familie nimmt ab; wie im Herbst die Blätter, so sinkt Eines nach dem Andern unter der Todeshand. Ein einziger Gastgenosse wird uns bleiben, der Herr. Er ist treu, er ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit. Die Leere, welche bei jedem Verlust zurückbleibt, will der Herr auch ausfüllen. Er wird dich nicht Waise lassen; er wird zu dir kommen; auf dass seine Freude in dir sei und deine Freude voll werde. Das ist wohl der rechte Hochzeittag, da seine Gnade uns genügt. Ringsum Trauer, inwendig das ewige Leben! Außer uns der Grabeshügel, in uns Christus, die Hoffnung der Herrlichkeit. Eine jede neue Beraubung soll uns diesem himmlischen Erbteil näher bringen. Ihr glücklichen Freunde Canas, ihr seid für die Ewigkeit zusammen auferzogen worden, und sollt euch nach der Reihe wiederfinden, nachdem ihr nacheinander von hier verschwunden seid. Auf diese irdische Hütte, auf diese vergängliche Speise wird folgen die Behausung, von Gott gemacht, das Hochzeit mahl des Lammes. Nach der vollendeten irdischen Erziehung beginnt die himmlische. Es erwartet euch eine Sonne, die nicht erlischt, ein Wein, der nicht versiegt, in der Stadt Gottes, wo der Glaube dem Schauen, und die Leiden dieser Zeit unaussprechlichen und herrlichen Freuden weichen werden.