Lobstein, Friedrich - Das Wirken der Gnade an den Seelen - III. Der geprüfte Glaube.

Lobstein, Friedrich - Das Wirken der Gnade an den Seelen - III. Der geprüfte Glaube.

Matth. 15,21-28.
21. Und Jesus ging aus von dannen und entwich in die Gegend Tyrus und Sidon. 22. Und sieh, ein kananäisches Weib ging aus derselben Grenze und schrie ihm nach und sprach: Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner, meine Tochter wird vom Teufel übel geplagt. 23. Und er antwortete ihr kein Wort. Da traten zu ihm seine Jünger, baten ihn und sprachen: Lass sie doch von dir, denn sie schreit uns nach. 24. Er antwortete aber und sprach: Ich bin nicht gesandt, denn nur zu den verlorenen Schafen von dem Hause Israel. 25. Sie kam aber und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir! 26. Aber er antwortete und sprach: Es ist nicht fein, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde. 27. Sie sprach: Ja, Herr, aber doch essen die Hündlein von den Brosamen, die von ihrer Herren Tische fallen. 28. Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: O Weib, dein Glaube ist groß! dir geschehe, wie du willst. Und ihre Tochter ward gesund zu derselben Stunde.

Je mehr man im christlichen Leben voranschreitet, desto mehr hält man sich an den Glauben. Von allen Wirkungen Gottes ist er die schönste, die fruchtbarste, die notwendigste; auch nennt sie der Heiland das vorzüglichste Werk, das Werk Gottes. Selbst die Liebe, welche das Ende ist des Gesetzes, entspringt aus dem Glauben, denn sie geht aus einem reinen Herzen, einem guten Gewissen und einem aufrichtigen Glauben hervor. Wir bewundern Christoph Kolumbus, wie er hinausgeht in unbekannte Meere, mit einer gewissen Zuversicht dessen, was er hofft und ohne Zweifel an dem, das er nicht sieht. (Hebr. 11.) Nun denn, noch weiter greift der christliche Glaube; sein Ziel ist die Ewigkeit und sein Weg führt auch über Meere und Abgründe. Und das, was den Glauben erhält, besteht nicht in vollem Sonnenschein, nicht in Wohlbehagen, sondern in Kampf, Finsternis, Entbehrung; die festesten Seelen sind die, welche am meisten erschüttert, am meisten hin und her getrieben waren vom Sturme. Wenn die verkehrten Stützen zusammenbrechen, kann die unendliche Größe der Macht Gottes und der Glaube, welcher der Sieg ist über die Welt, sich offenbaren. Das Evangelium, das mehr durch Beispiele als durch Vorschriften uns belehrt, führt uns vor Allem Vorbilder des Glaubens vor. So haben wir den Hauptmann von Kapernaum, den Aussätzigen, den Blinden von Jericho, viele andere Kranke, Männer und Frauen; doch verbleichen diese Alle vor dem Glauben der Kanaaniterin. Dieser Phönizierin gibt der Herr selbst das schönste Zeugnis, mit dem Ausruf: O Weib, dein Glaube ist groß! Es geschehe dir, wie du willst! In diesem Glauben zeigt sich eine Kraft, eine Ausdauer, ein männlicher Mut, welche ihn zu einem Musterglauben machen. Und doch war Grund genug für die Kanaaniterin, von Anfang an zu verzweifeln. Behandelt zu werden wie sie, ohne Ärgernis zu nehmen, bis ans Ende zu bewahren, was sie unterstützte von Anbeginn, darin besteht die Lehre, die wir zu gewinnen haben, wenn unsere Beziehungen mit Jesu Christo Frucht bringen sollen. Wie ist eine Heidin zu einer solchen christlichen Höhe gelangt? Wie wir sehen, verhängt der Herr Prüfungen über sie. Es gibt zweierlei Prüfungen, äußere und innere: erstere kommen uns durch die Begebenheiten, letztere durch die Kämpfe mit uns selbst. Und diese letzteren sind heftiger als erstere. In unserm Herzen ist eine ganze Welt von Feindschaft und eben über diese Welt hat die Kanaaniterin gesiegt. Vor der Türe des Reichen hatte Lazarus zu kämpfen mit den leiblichen Schmerzen und Sorgen, dies ist sehr schwer, ja schrecklich; aber es gibt gefährlichere Feinde unseres Glaubens, die Entdeckungen nämlich, die wir in uns selbst machen, und jene Ketten des alten Menschen, welche plötzlich in den finstern Abgründen des Herzens zum Vorschein kommen. Folge Jesu nach auf dem schmalen Pfad und du wirst erfahren, was du bist; du wirst sehen, dass nicht alles in dir so wohl bekehrt ist, wie man es wohl glauben mag. Aber an dem Beispiel der Kanaaniterin wirst du auch sehen, dass der Glaube nicht nur der Sieg ist über die Welt, sondern auch über das Herz. Du kannst über dich selbst eine volle Gewalt bekommen und dieser zweite Sieg ist schöner als der Sieg über äußere Umstände. Wer vermag solches? Das wollen wir sehen. Vor dir hast du einen geprüften Glauben. Es zeigt sich der Herr hier als ein Feuer, das läutert, und als die Seife des Wäschers (Mal. 3); in solcher Schule ist die Kanaaniterin das geworden, was du sie siehst. Sie geht durch drei Prüfungen allgemeiner Art; und von diesen drei Glaubensprüfungen wollen wir reden. Der Weltmensch kennt sie nicht, aber sobald man den Herrn zum Gefährten erwählt, stellen sie sich ein; denn der Heiland verschont keinen: denn er liebt uns und will uns seiner Heiligkeit teilhaftig machen. Untersuchen wir genauer die Geschichte der Kanaaniterin, so werden wir wissen, wovon die Rede ist.

Jesus, so heißt es in unserem Text, entwich in die Gegend Tyrus und Sidons. Gewöhnlich ging er so weit nicht, da, wie er es selbst sagt, sein Beruf ihn zuerst an die verlorenen Schafe aus dem Hause Israel wies. Doch gab es noch andere Schafe, welche nicht aus diesem Stalle waren; auch diese, sagt er, muss ich leiten und sie werden meine Stimme hören und es wird eine Herde und ein Hirte sein. Die Kanaaniterin gehört zu diesen fremden Schafen; sie hat eine kranke Tochter, die von Teufeln übel geplagt wurde. Diese Not führt sie zum Heiland; wahrscheinlich hatte sie schon von ihm reden hören als von einem Propheten, mächtig in Worten und Taten; so hatte sie schon einige vorbereitende Eindrücke erhalten; aber in ihren unmittelbaren Beziehungen mit Jesu wird nun Alles sich aufklären. Es hatte zwar die Kanaaniterin weder das Gesetz noch die Propheten; die Bedürfnisse ihrer Seele aber waren laut; sie ruft zum Herrn als eine unglückliche Mutter: Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner.

Welche Antwort gibt ihr der Herr? Zuerst keine; und er antwortete ihr kein Wort. Darin besteht die erste, große Prüfung. Man ruft zum Herrn und er antwortet nicht.

Fassen wir die Lage der Kanaaniterin noch näher ins Auge: morgen könnten wir uns in einer gleichen befinden. Es gibt Prüfungen, welche zum Schreien nach dem Herrn treiben, wo dann das gewöhnliche Beten unzureichend ist. Es liegt die Kanaaniterin unter einer häuslichen Not, und wollten wir in das häusliche Leben der Familie eindringen, fänden wir wohl auch eine Menge Heimsuchungen vor. Aber die wahre Prüfung der Kanaaniterin sollte erst anfangen: die wahren Heimsuchungen beginnen eigentlich erst, wenn Jesus Christus uns nicht antwortet. Mit Jesus kann man durchs Feuer und Wasser gehen; aber man hat nicht immer das Gefühl seiner Gegenwart. Oft ist das Gebet ganz wie fruchtlos. Man bittet und empfängt nicht; man sucht und findet nicht; man klopft an und es wird nicht aufgetan. Es prallt das Gebet wie an einem ehernen Himmel ab; wenn aber das Gebet nichts mehr wirkt, was bleibt da noch übrig? Dieses Schweigen des Herrn ist ein großes Leiden. Ach! wie jammervoll ist es, wenn man sich mit sich selbst herumplagt und aus allen Winkeln des Herzens nur unser Elend uns entgegentritt! In solchen Augenblicken ist die Seele ein wahres Labyrinth; man weiß sich nicht mehr aus sich selbst herauszufinden, und was man anfängt ist verlorene Mühe. In den Gedanken ist Verwirrung, der Kleinmut herrscht im Herzen, der Wille ist gelähmt; alle Wogen gehen über uns; das sind wir ohne Jesum; es ist gut, dies sich täglich vorzuhalten. Jesus antwortete ihr nicht. Du arme Kanaaniterin! und doch hast du nicht aufgehört zu schreien; du hast nichts von dem Erbarmen des Herrn erfahren und doch hast du geglaubt; die Jünger wollten dich zurückweisen, dein Glaube aber war stärker als die Jünger. Es wirkte hier Etwas, das nicht die Kanaaniterin war: es wirkte Gott. Er trieb diese Seele an, er belebte das Göttliche in ihr und bereitete so eines jener wunderbaren Ereignisse, wie sie nur in dem jammervollen Zustand des armen Sünders vorfallen.

Warum gab ihr Jesus keine Antwort? Auch für uns kann der Fall eintreten. Die Prüfung der Kanaaniterin geht Alle an, wann es gilt zu glauben trotz dem eigenen Gefühl. Gewöhnlich glauben wir nur, so lange das Gefühl uns trägt; wann aber dieses schwindet oder wenn unser Gebet keinen Erfolg mehr zu haben scheint, so glauben wir nicht mehr; der wahre Glaube aber ist was Anderes; er spricht: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. (Psalm 61.) Die Kanaaniterin hält sich an den lebendigen Heiland, den sie nicht aus den Augen verliert; an ihn, nicht an sich heftet sie sich. Wir sind veränderlich und müssen die Unveränderlichkeit außer uns suchen; die Fülle, die nie erschöpft wird, besitzen wir in der Person Christi. In seiner Person besitzt du zugleich sein Werk, seine Verheißungen, seine ewige Liebe, seine unermüdliche Fürbitte. Er spreche oder schweige, er strecke dir die Hand entgegen oder er verberge sich im Sturm, so ist er dennoch lebendig, treu und kann sich nicht verleugnen; wann wirst du ihm endlich glauben? Es wäre Zeit, ein für alle mal ihm zu glauben; aber anstatt zu glauben, was tust du? du betrachtest dich selbst und machst deine Gefühlseindrücke zu deinem Heiland; wie könnten die Schwankungen deines eigenen Geistes einen festen Grund abgeben? So kannst du nur hin und her geworfen werden. Du musst den Felsen haben und du kannst ihn haben: es ist Jesus Christus, gestern und heute und derselbe in Ewigkeit. (Hebr. 13.) Was er für die Kanaaniterin war, er für den geringsten unter den Sündern. Aber glaube, d. h. halte dich fest an den, den du nicht siehst, als sähest du ihn. Dies ist nicht eben leicht, das weiß ich wohl; aber weil es dir abgeht, deshalb musst du es lernen. Wann aber willst du's lernen? Wenn Alles nach Wunsch geht und du allerseits dich bequem und getragen fühlst? Nie hätte die Kanaaniterin in solchen Verhältnissen das Heil gefunden. Jesus antwortete ihr kein Wort: darin besteht die Schule des wahren Gläubigen. Du bittest: aber was musst du tun, bis die Hilfe erscheint? Wenn ich mich tot fühle und das Herz mir versagt, was muss ich tun? Du musst harren. Hat denn der Herr nie auf dich harren müssen? Wie hast du denn bis heute gelebt? Hast du nicht bis jetzt von den Reichtümern gezehrt seiner Güte, Geduld und Langmut? Die Geduld unsres Herrn achtet für eure Seligkeit. (2 Petr. 3.) Wolltest du nicht auf ihn harren, ob er gleich verzieht, wenn du die Verheißung hast, dass er gewisslich kommen und nicht ausbleiben wird? Höre, was der Psalmist sagt: Ich habe auf den Herrn geharrt und er hat mein Schreien gehört. Durch Stillesein und Harren werdet ihr stark werden. (Jes. 30) Aber anstatt dessen wollt ihr auf Rossen davon eilen. Bleibe ruhig und harre; denn es ist gut, stille zu sein und auf die Hilfe des Herrn harren. Lege dich, wie die Sünderin, zu den Füßen Jesu; diese Stellung kennst du noch nicht; in ihr aber findest du das Eine, das Not tut. Er wird dich in seiner Hütte bergen zur bösen Zeit (Psalm 27); tritt in diese Hütte ein und du wirst sehen, wie wohl es einem darin wird. Kannst du nicht mehr beten, so kannst du noch seufzen; kannst du nicht mehr seufzen, nun wohl, so wird ein Anderer für dich beten und seufzen. Werft euer Vertrauen nicht weg, das eine große Belohnung hat. (Hebr. 10.) Er lebt noch, der Heiland der Kanaaniterin. Er hat dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will er dich sammeln; er hat sein Angesicht im Augenblick des Zornes vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will er sich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser. (Jes. 54.)

Hast du dich in der ersten Prüfung gut gehalten, so wirst du einer zweiten gewürdigt werden. Tritt eine solche ein, so ist es immer ein Zeichen, dass der Herr unser gedenkt. Blicken wir wieder auf die Kanaaniterin. Jesus antwortet nun; seine Antwort aber sieht aus wie eine Zurückweisung. Er sagt: Ich bin nicht gesandt, denn nur zu den verlornen Schafen von dem Hause Israel; also nicht zu dir, arme Kanaaniterin; du bist außer der Bürgerschaft Israels und stehest ferne den Testamenten der Verheißung; er, den du mit deinem Schreien verfolgst, lässt dich ohne Hoffnung und ohne Gott in dieser Welt. (Eph. 2.) Dies hätte die Kanaaniterin sich sagen können, und dies sagen wir uns oft mehr oder weniger laut in unsern dunklen Stunden, wenn uns ist, als läge eine Kluft zwischen den Worten des Heilands und uns. Diese Prüfung ist wieder allgemeiner Art. Sie umfasst alle Lagen, in welchen wir uns die Verheißungen des Herrn nicht aneignen können, wo es ist, als wäre er für Alle, nur nicht für uns, erschienen. Man hat die Bibel vor sich mit all ihren trefflichen Wahrheiten; man weiß, sie ist das Wort Christi; aber nichts aus ihr will wirken und nicht ein Titelchen kann man daraus auf sich selbst anwenden. Man glaubt nun, dass man sich nicht genug verloren fühlt, nicht bußfertig, nicht bereitet genug ist für Jesum. Man verliert sich in eine Menge von Skrupeln, und diese Selbstquälereien sind nur eine Betrügerei des alten Menschen; man hält sie für Zeichen der Demut, sie stammen aber aus der Selbstgerechtigkeit. Ehe man das freie Heil in seiner ganzen Fülle sich aneignet, will man vorher in die rechte Verfassung sich versehen; aber je mehr man sich abmüht, desto weniger gelingt es. Kann ein Mohr seine Haut wandeln und ein Pardel seine Flecken? (Jerem. 13.) Oder, wenn diese ersten Versuche nicht gelingen, so nimmt man was Anderes vor. Man vergleicht und sucht rechts und links die verlorenen Schafe aus dem Hause Israels. Man sagt sich: Wäre ich wie dieser oder jener, da wäre ich glücklich und ich könnte Alles mir aneignen. Man hält sich alle diejenigen vor, welche einem weiter voranscheinen im innern Leben und man sagt sich, dass, wenn man nicht auf ihrer hohen Stufe angelangt wäre, man wie sie glauben und wie sie als zur Herde Christi gehörig sich ansehen würde. So will man an den Heiland glauben, wenn man keinen Heiland mehr braucht; man will seine Verheißungen anrufen, wenn man schon im Vollgenuss derselben ist. Wie verkehrt! So macht man aus Jesu den Arzt der Gesunden, da er doch gekommen ist das Verlorene zu suchen und selig zu machen! So wartet man, bis man sich zubereitet, sich selbst belebt, da doch des Lebens Quelle bei ihm ist und er seinen Ruhm keinem Andern gibt! Was sind denn all jene vorzüglichen Christen, die man sich vorhält? Da ist kein Unterschied; sie haben Alle gesündigt und ermangeln des Ruhms vor Gott. (Röm. 3.) Der Bekehrteste wird vor Allen sein Nichts bekennen; hat er mehr getan als alle Andern, so ist nicht er es, sondern die Gnade Gottes, die in den Schwachen mächtig ist. (1 Kor. 15.) Warum wollt ihr die Aufgabe umtauschen. Gib dich Jesu wie du bist und er wird dich so machen, wie er dich haben will. Da ist keine Kluft, wohl aber ein offener Weg zwischen dir und ihm. Die Kanaaniterin sagt sich: Er ist hier für mich und ich bin hier für ihn. Sie hält fest an dem Herrn und so hat sie auch die Verheißungen. Lass ab von deinem Überlegen und es wird das Wort des Herrn schon in dich eingehen. Tue dein Herz auf und wirf von dir deine Besorgnisse, deine Berechnungen, dein Misstrauen! Rühme, du Unfruchtbare, die du nicht gebierst; freue dich mit Ruhm und jauchze! Mache den Raum deiner Hütte weit und breite aus die Teppiche deiner Wohnung. (Jes. 54.) Erkenne die Liebe Christi, die besser ist, denn alles Wissen. Wann aber willst du sie erkennen? Wenn Alles gut geht? Wenn du geschickt genug warst, dir selbst zu helfen? Dein bester Stand ist doch wohl auswendig Streit, inwendig Furcht (2 Kor. 7); in materiellen und geistlichen Unmöglichkeiten verherrlicht sich das Heil Christi und lernt man an seiner Gnade sich genügen lassen. Doch hier bewundern wir nicht sowohl die Kanaaniterin, als die Gnade, die immer den Sieg behält. Sie ists, die der Seele das Heil nahe bringt; sie öffnet die Türe den verlorenen Schafen. Und wenn sie auftut, wer kann verschließen? wenn sie verschließt, wer kann auftun? Lass dich nicht ein mit deinen eigenen Gedanken, sondern setze deine Hoffnung ganz auf die Gnade, die dir angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi. (1 Petr. 1.) Hast du gelernt trotz deiner Gefühle zu glauben, so lerne auch noch glauben trotz deiner Gewissenszweifel; du wirst erfahren, wie man da stark wird und du magst es an der Kanaaniterin sehen. Wendet sie zu ihren Gunsten ein Wort, das gegen sie gerichtet scheint, so kommt es daher, dass sie Christum kennt; würde ihr Leib und Seele verschmachten, dennoch würde sie noch auf ihn hoffen. Tue desgleichen und du wirst siegen.

Doch nicht gleich. Es bleibt noch eine dritte, die schwerste Prüfung durchzumachen. Es wendet sich Jesus nochmals um mit den Worten: Es ist nicht sein, dass man den Kindern das Brot nehme und werfe es vor die Hunde. Nun kommt noch die Verachtung über die Kanaaniterin. Ihre Unwürdigkeit wird ihr vorgehalten. Hier erscheint Jesus Christus als Richter, nicht als Heiland. Auch diese Prüfung ist allgemeiner Natur und sie stellt sich ein, wenn Jesus Christus uns selbst uns enthüllt und die ganze Schuld unserer Sünde. Die Sünde ist eine vernichtende Macht und es gibt eine Niedergeschlagenheit, wo man keine Spur von Gnade mehr steht, wo die Sünden über uns kommen, wo ihre Zahl größer ist, denn die Haare auf unserm Haupt und wo das Herz uns vergeht.

Unsere größte Trübsal ist alsdann der Schreck, den unsere Unwürdigkeit über uns bringt; auch über unser Gewissen müssen wir einen Sieg gewinnen, wie über unsere Gefühle und Bedenklichkeiten. Das Bewusstsein der Sünde kann auf mehr denn eine Weise laut werden. Es gibt zwar Menschen, die ein solches Bewusstsein nie wahrgenommen und die zu spät es inne werden mögen. Anderen ergeht es mit demselben wie gewissen Kranken, welche an einem versteckten Übel leiden, das nicht zum Ausbruch kommen will. Solche Menschen fühlen sich nie wohl, ohne je zu wissen warum. Die Sünde zehrt im Verborgenen an ihnen; sie wollen sie nicht sehen und nichts davon hören. Bei Andern stellt sich dieses Bewusstsein unter einem bestimmten Vorwurf ein, der sie durchs ganze Leben begleitet. Es gibt schmerzliche Erinnerungen, welche zwar zuweilen auf Zeiten in Ruhe lassen können, die aber dann aufs neue auftauchen, wie ein Wurm, der nicht sterben oder wie ein Feuer, das nicht erlöschen will. Aber das wahre Bewusstsein der Sünde ist weit allgemeiner. Es entsteht, wenn dein ganzes Wesen ins Licht Gottes gestellt wird. Es gibt Augenblicke, wo, ohne irgend eine besondere Sünde, unsere ganze Person uns einen Abscheu einflößt. Jesus Christus bringt über den rechtschaffensten Christen Zeiten der Niedergeschlagenheit, wo ihm wird, als hätte er es nur mit einem Richter zu tun und wo der wahre Christus wie verschwunden ist für ihn. Dennoch hält die Kanaaniterin fest an ihrem Glauben. Ihr Herz verdammt sie, aber hier ist jemand, der größer ist als ihr Herz; sie weiß, wo die Sünde mächtig ist; sie weiß aber auch, wo die Gnade viel mächtiger ist und sie antwortet: Ja, Herr; aber doch essen die Hündlein von den Brosämlein, die von ihrer Herrn Tisch fallen. Sie sieht eine Hoffnung, die nicht zu Schanden wird; eine Barmherzigkeit, die sich über die Verdammnis erhebt. Was auch das Gewissen sagen mag, Jesus Christus ist nicht ein Richter. Er ist nicht gekommen, die Welt zu richten, sondern die Welt selig zu machen. Diesen offenen Brunnen wider die Sünde und Unreinigkeit darfst du nicht aus dem Auge verlieren. Wann aber wird er für dich fließen? Wenn es gut mit dir steht? Wenn du dir zu deinen Fortschritten im innern Leben Glück wünschen magst? Sei vielmehr dankbar; wenn du dich als den geringsten der Sünder erkannt haben wirst; erst dann kannst du sagen: Mir ist Barmherzigkeit widerfahren, auf dass an mir vornehmlich Jesus Christus erzeigte alle Geduld, zum Exempel denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben. (1 Tim. 1.)

So endet die Prüfung, die zeitlich nur ist und es folgt darauf Preis, Ehre und Ruhm. Es spricht Jesus: O Weib, dein Glaube ist groß! dir geschehe wie du willst! und ihre Tochter ward gesund zu derselben Stunde.

So wird uns denn in Wahrheit nach unserm Glauben geschehen! Glauben wir nicht, so werden wir auch kein Wunder sehen; glauben wir wenig, so werden wir wenig Wunder sehen; glauben wir immer, so werden wir immer Wunder sehen. Nicht nur gibt der Glaube den Sieg über die Welt, sondern auch über dich selbst, über deine Gefühle, deine Bedenken, dein Gewissen. Der Glaube versetzt die Seele in ihren wahren Boden, wo sie frei und glückselig ist. Wann bist du über die Zufälle erhaben, welche deiner alten Natur zustoßen können? Wenn du wider Hoffnung hoffen kannst. Dem Soldaten gehören Schlachten, dem Matrosen Stürme, dem Christen eine verschlossene Welt. So ward die Kanaaniterin herangezogen. Ihr ganzes Leben war eine Liebesschickung. Gedenke dieser Heidin, wenn du was Anderes begehrest als den schmalen Pfad, als die verhüllte Zukunft, als ein Kampfesleben. Der große Gewinn liegt für dich in der Nachfolge Christi; heute in der Niedrigkeit, morgen in der Herrlichkeit. Freilich hat er seinen Weg im Meer und seinen Pfad in großen Wassern (Psalm 77); aber warum das Auge auf den Weg heften? Deine Zuversicht setze auf deinen Führer. Christus ist die Kraft Gottes und die Weisheit Gottes und als solcher die Hoffnung der Herrlichkeit. Schreite voran mit ihm, und halte aus in seiner Zucht; er wird dich bewahren vor jeglichem Fall, er, der dich behüten kann ohne Fehler und stellen vor das Angesicht seiner Herrlichkeit unsträflich mit Freuden. (Judä 24.)

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