Linck, Wenzeslaus - Sermon von der Tröstung den traurigen Herzen verheissen

Linck, Wenzeslaus - Sermon von der Tröstung den traurigen Herzen verheissen

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(Über Matth. 5,4) Unter vielen Namen, die man dem heiligen Geist zulegt, nennt man ihn einen Tröster, darum, dass er die Traurigen tröstet, auf dass sie ihnen selber in diesem jammerigen Leben nicht beschwerlich seien und nicht verzagen an dem zukünftigen. In welcher Tröstung anfänglich stehet die Seligkeit, welche in Armuth des Geistes, Mitsamkeit und Traurigkeit angefangen wird. Der Mensch ist durch die Sünde Gott widerwärtig worden und dadurch ihm selber beschwerlich. Wenn er nun seine Untugend erkennet und beklaget, so wird er nicht nur gegen Gott versühnet, sondern auch in ihm selber erleichtert. Er erfindet, dass seine Bosheit erfüllet ist und seine Schalkheit verziehen und vergeben. Darum gewinnt er in seinem Trauern gut Vertrauen und Zuversicht, wenn er im Herzen höret die Stimme des Heiles und anfahet erquicket zu werden. Darum ward Johannes eine Stimme des Herrn genannt; denn er predigte die Busse, welche ist ein Ende des alten Lebens und ein Anfang des neuen, gleichwie die Stimme ein Mittel, dadurch geendet wird das Wort im Herzen Dess, der es redet und angefangen im Herzen des Andern, der ers höret. Und wie Johannes ein Ende war des Gesetzes, durch welches die Sünde gemehret ward und ein Anfang der Gnaden, durch welche die Sünde vertilget und vergeben wird, in Dem, dass er die Busse predigte: also ist die Traurigkeit ein Ende der Sünden und Anfang der Tugend. Darum gleicht als die kleinen Kinder sich freuen, wenn die Fasten auf die Hälfte kommt, und wird ihnen die andere Hälfte desto leichter, darum, dass sie gleich als gegen Thale gehen - es bedünket auch einen Wandrer der Weg viel leichter zu sein, wenn er ihn die Hälfte gegangen ist, nicht, dass der andere Theil leichter sei, sondern leichter scheinet aus Dem, dass der Mensch einen Trost empfangen hat, dass er bald zu dem Ende reichen wird, und darum desto muthiger, williger und kecker wird - : als gedenke im Leben des Menschen, der zu dem wahren Frieden der Seligkeit trachtet, wenn er kommt auf dies Trauern, so hat er den halben Theil, ist niedergestiegen, hat das Böse vermieden und sich purgiret, und fähet nun an aufzusteigen, Gutes zu thun und confortiret zu werden, auf dass sein Heil vollkommen werde. Denn die vollkommene Gesundheit der Seelen stehet auf den Zweien, nämlich auf Böses leiden und Gutes thun. Böses leiden und meiden kommt hart an, darum endet es sich im Trauern. Gutes thun wird süsser und lieblicher, denn es geht vom Trauern zum Trost. Also sehen wir auch bei den Leibeskranken, welcher Gesundheit durch Purgiren, Laxiren und Evacuiren wird angefangen und durch Confortativa und Präservativa erfüllet oder vollbracht. Also pflegt man zu sprechen: Wer wohl angefangen hat, Der hat halb das Werk vollbracht. Wohl hat angefangen das Heil, der zum Trauern des Gemüths kommen ist. Der Herr ruft in der Wüstenei und spricht: Bereitet dem Herrn den Weg und machet gerade oder eben seinen Weg (Jes. 40). Die Bereitung des Weges geschieht in den ersten dreien Seligkeiten, in Demüthigung, Sanftmüthigung und Traurung des Herzens.

Ehe denn der Mensch das Heil des Herrn siehet und den Trost Gottes empfindet, muss er vormals von aller Hoffahrt gedemüthigt werden, von aller Krümme und Beugung gerichtet und von aller Schärfe und Holpern gerichtet.

Also sehen wir auch, so ein Mensch zum Sacrament sich bereiten will, so muss er zum Ersten demüthiglich beichten, zum Andern mit seinem Nächsten versühnet werden, zum Dritten an ihm selber verzagen. Durch diese Beichte unterwirft sich der Mensch Gott dem Herrn und giebt ihm die Ehre mit Vernichtung und Verkleinerung seiner selbst. Durch Versühnung wird er vereinigt mit seinem Nächsten, also, dass er verzeihet seinen Schuldigern und bezahlet. Durch Verzagung an seiner Genugsamkeit wird erfüllet von Gott, was in ihm mangelt. Denn ihm unmöglich ist, Allen zu verzeihen, und genug zu thun ohne Nachlassung. Auf diese Drei reimen sich die ersten drei Seligkeiten, durch welche der Mensch abweicht vom Bösen und also beginnet, Trost zu empfahen. Solcher Trost kommt nicht allein von zukünftigen Gütern, die er hoffet zu erlangen, sondern auch von den vergangenen Übeln, die er durch das Trauern begehrt zu entfahen. Also wie der Acker der Gewissen, der dürr ist, gefeuchtet von oben und von unten; welche zwiefache Tröstung anzeigt der Prophet Esaias, da er spricht: Werdet getröstet, werdet getröstet, mein Volk, sagt euer Gott. Redet zum Herzen Jerusalem und fordert sie herzu; denn ihre Bosheit ist erfüllet, ihre Schalkheit ist verziehen. Sie hat zwiefache Wiedererstattung empfangen von der Hand des Herrn um alle ihre Sünde, als wollte er sprechen: Die ihr liebet den Frieden des Herrn und wollet sein Diener und Volk Gottes, aber seid doch furchtsam im Gewissen wegen der vergangenen Sünden, euch ruft Gott zu ihm, darum sollt ihr nicht fliehen, eure Sünde ist vergeben, kümmert euch nicht, euch wird ein Zwiefaches wiedergegeben, verzaget nicht. Christus ist gegeben euch zu Troste, nicht allein als ein Versühner, durch welchen ihr mit Gott zufrieden und versühnet werdet, sondern auch als ein Mittler und Bürge derselben Versühnung.

Hast du gesündigt, Christus versühnet und bezahlet, kehre dich zu ihm, willst du hinfort die Sünde meiden oder nimmer thun. Christus will dein Bürge und Mittler sein, vertraue auf ihn. Wenn du ansiehest diesen Bezahler, so findest du in dir keine Ursache zur Vermessenheit; wenn du ansiehest diesen Bürgen, hast du keine Ursache zu Verzweiflung oder Kleinmüthigkeit. Auf diesen Zweien steht aller Trost der Christenheit in diesem Leben. Denn wenn sie trauert ob ihrer Dürftigkeit, tröstet sie sich des Leidens Christi, durch welches alles Übel hinweggenommen ist. Wenn sie trauert ob dem Verziehen ihrer Glorie und Seligkeit, tröstet sie sich der gewissen, wahrhaftigen Zusagung Christi, so in der Urständ des Herrn bestätigt ist, aus welcher sie hofft zugefügt zu werden der Gesellschaft aller Auserwählten und bedünkt sich selig zu sein in solcher Hoffnung. Also hat sie unter ihrem Haupt die linke Hand ihres Bräutigams und wird gehalset oder umfangen mit der rechten. Derhalben rühmet und freuet sie sich oder wird getröstet nicht allein in der Hoffnung zukünftiger Glorie, sondern auch in der Duldung gegenwärtiger Miserien.

Alles Beides bewähret der heilige Geist. Meine Taube, spricht er, ist in den Löchern des Felsens (Hohel. 2), das ist, in den Wunden Christi, durch welche sie erlöset ist und befriedet wird; in den Höhlen der ungekalkten Mauern, das ist, in den englischen Fellen, darein sie gesetzt soll werden, die siehet sie beide an mit ämsiger Begierde, hinten und vorn, und findet in beiden Trost und Zuflucht von der Trübsal der Übel und von den Schmerzen. Diese Zwei berührt der Herr, da er zu seinen Jüngern sprach: Ihr werdet heulen und weinen, aber eure Trübsal wird in Freude gewandelt werden (Joh. 16).

Das ist ein ganz vollkommener Trost, wenn sie nicht allein hie hat, was sie erwarten soll, sondern auch, von wannen sie es vermessen oder fordern mag. Also tröstet und wird trösten der Herr die Traurigen. Amen.

Endlicher Beschluss.

In Traurigkeit höret auf das Böse und fähet an das Gute; darum sie ist gleichsam ein Mittel oder Hälfte der Seligkeit, wird auch Tröstung verliehen in zweierlei Gestalt, von vergangenem Übel und zukünftiger Seligkeit.


Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters

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Sermon 20 in der Schrift: Eine heilsame Lehre, wie das Herz oder Gewissen durch die sieben Seligkeiten als sieben Seulen des geistlichen Baues auf das Wort Gottes gebauet wird. Wider die Scrupel und Unruhe, Ärgerniss und Anfechtung, Fleischlichkeit und Begierde der Gewissen. Geprediget zu Nürnberg im Augustinerkloster die Zeit des heiligen Adwents. Anno 1518. Gedruckt und vollendet zu Nürnberg durch Jobst Gutknecht. Anno 1519. 4.
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