Lassenius, Johann - Heilige und erbauliche Passions-Andachten - Siebente Woche,
vorstellend für die Morgenstunden die sieben Wunderwerke, und Sterben Christi zugetragen, und für die Abendstunden das siebenfache Leichgepränge bei seinem Begräbniß.
I. Die verfinsterte Sonne.
Und von der sechsten Stunde ward eine Finsterniß über das ganze Land bis zu der neunten Stunde, Matth. 27. V. 45. Marc. 15. V. 33. Und es war um die sechste Stunde, und es ward eine Finsterniß über das ganze Land, und die Sonne verlor ihren Schein, Luc. 23. V. 44. 45. Eine übernatürliche Finsterniß, die auch von heidnischen Schriftstellern als ein Wunder der Natur angemerkt worden ist. Sie hat sich über den ganzen Erdboden erstreckt, und zwar am Mittage, wo sonst die Sonnenstrahlen am hellsten leuchten. Christus, das Licht der Welt, war dem Untergange nahe; die Sonne der Gerechtigkeit wollte untergehen, ihr Glanz war am Kreuz durch den Nebel des Leidens ganz verdunkelt. So war es denn billig, daß die erschaffene Sonne der unerschaffnen Gemeinschaft leistete und das schönste Geschöpf sich in Schwarz verhüllte, um seinen Schöpfer zu betrauern. Es scheint auch, als wenn die Sonne sich verborgen habe, um die Bosheit der Juden nicht zusehen, die den Herrn der Herrlichkeit kreuzigten, 1 Cor. 2. V. 8. Und auf daß der Tag selbst würde die Nacht der Finsterniß, worüber der Heiland klagt, Luc. 22. V. 53. So ward erfüllt, was Amos geweissagt ist: Zu derselbigen Zeit will ich die Sonne am Mittage untergehen lassen und das Land am hellen Tage lassen finster werden. Auch zeugte diese Finsterniß von jener geistlichen Finsterniß, die dem verstockten Volke der Juden widerfahren ist, daß sie noch bis auf den heutigen Tag als die Blinden im Dunkeln tappen. Auf jene Finsterniß in Egypten, 2 Mos. 10. V. 22. folgte die Ausführung der Israeliten aus ihrem Diensthause und das Schlachten des Osterlammes. Hier folgt auf diese natürliche Finsterniß die Befreiung von der Sklaverei des höllischen Zwingherrn, indem das rechte Osterlamm am Stamme des Kreuzes für uns geschlachtet wird. Betet herzlich:
HERR JESU! du wahre Sonne der Gerechtigkeit, du Glanz der Herrlichkeit deines Vaters und Ebenbild seines Wesens, du verlierst deinen Schein am Kreuze, und die trübe Wolke des unendlichen Zornes deines Vaters verursacht bei dir eine finstere Traurigkeit, daß du rufest: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen! Was Wunder, daß auch dein Geschöpf, die Sonne, ihr Angesicht verhüllt und der Bosheit deiner Kreuziger ihren Schein entzieht. Aber ach, HERR JESU, da auch die leblosen Kreaturen, die nicht gesündigt haben, bei deinem Leiden trauern, wie sollte nicht mein Herz betrübt sein, wenn ich bedenke, daß ich mit Werken der Finsterniß dich beleidigt und mit deinen unzählichen Martern deinen schmählichen Kreuzestod verursacht habe! O du Licht der Welt, wann du trauerst und zagst und dich von deinem Vater verlassen klagst, wie sollte bei mir das Licht der irdischen Freude nicht untergehen! Ich will bei dieser Sonnenfinsterniß mein Herz in Wehmuth verhüllen, ich will trauern über meine Missethaten, ich will mit einem zerknirschten Geiste, mit zerschlagenem und demüthigem Herzen dein Angesicht suchen. Laß mir aufgehen das Licht deines Antlitzes bei dieser Finsterniß und laß meine Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast. Ach HERR, wie oft kann denen, die dich lieben, die Sonne am hellen Mittage untergehen, wie oft werden sie gleich denen, die da sitzen in Finsterniß und Schatten des Todes! Aber du lassest ihnen das Licht wieder aufgehen von deinem gnädigen, barmherzigen Angesichte. Ist es auch dein heiliger Wille, mein Hort, daß mir die Sonne der Freuden und des Glückes nicht mehr scheinen soll, so laß mir doch nur das Licht deiner Augen leuchten, dann wird meine Seele genesen. Es mag alles in Egypten dunkel werden, wenn ich nur wie dein Israel den Schein deiner Gnade spüre und das Zeichen deines Blutes zur Sicherheit vor dem Würgengel bringe. Hilf, daß ich nur vor der Finsterniß der sündlichen Werke mich hüte, so wird mich keine Finsterniß, auch die des Todes nicht, erschrecken. Das Gebet Josua war so kräftig, daß es den Lauf der Sonne hemmte, und dies schöne Geschöpf so lange still stehen machte, bis er sich an seinen Feinden gerochen. Ach, daß nur mein Gebet so kräftig sein möchte, dich, o Sonne der Gerechtigkeit, zu halten, daß du nicht vorüber gehest, wenn die trüben Wolken des Kreuzes über mein Haupt zusammenschlagen! Laß Finsterniß bedecken das Erdreich und Dunkel die Völker, so müsse doch über mir aufgehen der Herr und seine Herrlichkeit erscheinen über mir. Darum will ich getrost wandeln durch das finstere Thal des Todes und in allem trüben Elend freudig sagen: ob ich gleich im Finstern sitze, ist doch der Herr mein Licht! So sei denn o Jesu, mein Licht im Leben, sei mein Licht im Sterben, und bleibe im finstern Grabe meine Sonne und meine Zuversicht, bis ich einst mit diesen meinen Augen den Glanz deiner Herrlichkeit und die Strahlen deines glorwürdigsten Angesichtes droben schaue. Amen.
II. Der zerrissene Vorhang.
Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriß in zwei Stücke von oben bis unten, Matth. 27. V. 15. Marc. 51. V. 38. Luc. 23. V. 45. Es war ein doppelter Vorhang im Tempel, der äußere und der innere. Von diesem ist die Erzählung der Evangelisten zu verstehen, welcher in dem Allerheiligsten vor die Bundeslade gezogen war. Das Schattenwerk der Vorbilder war dahin. als der Heiland, das Wesen, selbst zugegen war; und nachdem er gerufen, es ist alles vollbracht, und mit seinem Tode das Neue Testament versiegelt hatte, mußte der levitische Gottesdienst weichen und der zerrissene Vorhang zeigen, daß, seit Christus durch sein eignes Blut in das Heilige eingegangen, uns eine ewige Erlösung erfunden, Hebr. 9. V. 12. das Allerheiligste uns eröffnet und der Zugang zu der rechten Bundeslade frei und ungehindert ist. Der Tod dieses Gerechten hat die Sünde, den Tod und den Fluch des Gesetzes abgethan, und durch dies blutige Opfer ist der Weg in das Allerheiligste, den Himmel selbst, gebahnt worden, der durch jenes Allerheiligste vorgebildet worden war. Hebr. 9. V. 24. Der Vorhang im Tempel verwehrte, daß nicht Alle in das Allerheiligste gingen, sondern nur den Priestern vergönnt war, dem Allerheiligsten sich zu nähern. Jetzt aber wird bei dem Tode Christi der Vorhang weggethan, daß wir lernen möchten, die jüdischen Ceremonien hatten ein Ende und ihre Erfüllung erreicht, es sei Allen vergönnt, zu dem Gnadenstuhl zu treten, und das Allerheiligste, der Himmel selbst, sei durch unsern ewigen Hohenpriester eröffnet worden. Es ist auch dadurch die Scheidewand zwischen Juden und Heiden weggethan, so daß in Christo Jesu kein Unterschied ist zwischen Juden und Griechen, sondern wir allzumal in ihm eins sind, Gal. 3. V. 28. und daß wir alle zu diesem unsern Hohen-Priester in allen Nöthen treten und mit Freudigkeit und Zuversicht ihn anrufen können, wenn uns Hülfe noth ist.
Gelobet seist du. ewiger Hohepriester, daß du uns durch dein Blut den Weg zum Allerheiligsten gebahnt hast, damit wir ungehindert zu dem Gnadenstuhl treten und mit Zuversicht deinen Vater um Gnade bitten möchten, wenn uns Hülfe noth ist. Du bist einmal durch dein Blut in das Heilige eingegangen und hast uns eine ewige Erlösung erfunden. Ach hilf, daß wir dieser so theuern Erlösung durch den Glauben theilhaftig und durch die Kraft deines Blutes gerecht, heilig und selig werden! Der Vorhang im Tempel ist zerrissen, da du Herr des Tempels deinen Geist aufgegeben hast, und das Heiligthum sollte nicht mehr verdeckt bleiben, da du Allerheiligster den neuen Bund mit deinem Tode versiegelt. Die Decke der Vorbilder ist dahin, und wir haben das wirkliche Bild, der Schatten ist dahin, und wir haben den Körper. Kein Vorhang wehrt uns mehr in das Heiligthum zu sehen, ja selbst in das Herz deines himmlischen Vaters. Du hast uns aufgedeckt alle deine Güte und durch deinen Tod den Reichthum deiner Gnade bekannt gemacht. Ach! daß nur auch der Vorhang meines Herzens weggenommen wäre, daß kein Nebel der Vernunft, des Zweifels und der irdischen Eitelkeit mir im Wege stünde, in das Heiligthum deiner Herrlichkeit zu schauen. Ich flehe dich an, mein treuer Hoherpriester, und bitte dich mit zerknirschtem Geiste, nimm von mir alle Vorhänge der Welt und des eiteln, Menschen, zerreiße alles, was dich noch verbirgt vor meinen Augen, und gönne nicht, daß etwas in der Welt mich hindere, die wahre Bundeslade und den erfreulichen Gnadenstuhl, dich meinen Jesum, anzuschauen. Oeffne mir dein Herz und laß dein blutiges Opfer, welches du einmal ins Heiligthum getragen hast, allezeit mein einziger Trost und meine Freude sein! Zerreiße mein Herz durch wahre Buße und nimm weg aus meinen Gedanken, was noch nach der Erde schmeckt. Laß meine Seele deinen Tempel sein, darin du wohnen und ohne Vorhang dich mir wollest zu erkennen geben. Hilf, daß ich ja nicht diesen Tempel zerstöre oder zerbreche, sondern laß darin stets den Schmuck deines Heiligthums zu finden sein. Habe auch Geduld mit diesem schwachen Hause meines Herzens, GOTT, mein Heil, und mache seine Mauern fest, daß mein Feind dein Heiligthum nicht zerstöre. Gib. daß ich stets zu deinem Gnadenstuhle ohne Furcht und Mißtrauen trete und den neuen und lebendigen Weg, der durch dein Blut bereitet ist, suche und finde. Laß mich vor dir erfunden werden mit zerrissenem, aber wahrhaftigem Herzen, im völligen Glauben, besprengt in meinem Herzen mit deinem Mute und los von dem bösen Gewissen, gewaschen am Leibe mit reinem Wasser. (Hebr. 19. V. 22.) Nimm durch deinen heiligen Geist den Vorhang weg von den Herzen der Irrenden und Ungläubigen, daß sich in ihnen deine Klarheit spiegle mit aufgedecktem Angesicht und sie verklärt werden in dasselbe Bild von einer Klarheit zu der andern, als vom Geiste des Herrn. (2 Cor. 3. V. 18.) Wenn du auch mir Schwachgläubigen scheinst hinter dem Vorhange zu stehen und dein Angesicht verbirgst, so nimm doch auch wieder weg die dunkle Decke und erquicke mich wieder mit der Freude deines Angesichts. Endlich, wenn du den Vorhang meines Leibes zerreißen wirst, so öffne mir das Heiligste, das droben ist, und laß mich in dem Tempel, der nicht mit Händen gemacht ist, vor deinem Throne Tag und Nacht dir dienen. Hier sehe ich nur durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort, dort aber werde ich dich sehen von Angesicht und dich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Da wird mir recht dein Heiligthum aufgethan werden, und meine Augen werden ohne Vorhang die Lade deines Bundes schauen. Amen.
III. Das Erdbeben.
Und die Erde erbebte, Matth. 27. V. 52. Ein ungewöhnliches Erdbeben, wodurch nicht allein der Berg Golgatha und die ganze Stadt, sondern auch die benachbarten Länder erschüttert worden sind. Daß in Bithynien die Stadt Nicäa, in Thracien verschiedene Städte und Flecken und sonst hin und wieder in Kleinasien viele herrliche Städte dadurch verwüstet worden sind, wird die Kirchengeschichte bezeugen und die weltlichen Schriftsteller können die Sache auch nicht leugnen. So erschrak die Erde bei dem Tode ihres Schöpfers und gab durch ein ungewöhnliches Beben theils den Zorn Gottes gegen die verstockte Menschheit, theils ihr Erstaunen über den Tod dieses Gerechten zu erkennen. Wenn der Himmel zürnt, wie sollte die Erde als sein Fußschemel nicht erzittern? Wenn der Löwe aus Juda brüllt, wie sollte nicht Himmel und Erde erbeben? Die Sonne wollte ihr Licht den Bösewichte nicht gönnen und die Erde wollte nicht länger die überhäufte Bosheit tragen. Scheint es doch auch, daß Himmel und Erde Mitleiden mit ihrem Schöpfer gehabt haben, und die leblosen Kreaturen nicht ohne Empfindung seines Todes gewesen sind. Als das Gesetz auf dem Berge Sinai gegeben wurde, bebte der ganze Berg und wurde erschüttert, 2 Mos. 19. V. 18. Ps. 68. V. 9. Hier wird auf dem Berge Golgatha das Evangelium mit Blut versiegelt, das auf dem ganzen Erdboden sollte verkündigt werden. Wie sollte denn die Erde mit ihrem Beben nicht die Freude des Evangeliums vorstellen, da sie dort die Furcht des Gesetzes abgebildet hatte? Ein Wunder geschieht an der Erde, die den Gekreuzigten trägt, aber das größte Wunder geschieht am Kreuz selbst, daß nämlich der ewige Gottessohn sein Leben aufgibt.
Ach, HERR JESU, du Freude meines Herzens! wie reich war mir dein angstvoller Tod, den du arm für mich am verfluchten Kreuze gelitten hast. Die ganze Natur erschrickt darüber, wie sollte ich denn ohne Bewegung sein? Die Eide bebt, wie sollte mein Herz nicht auch erschüttert werden! Die leblosen Kreaturen haben keinen Theil an der Frucht und Kraft deines Todes, ich aber, liebster Jesu, bin durch deinen Tod lebendig gemacht. Aber ich bin es auch, der dich zum Tode gebracht hat. Du neigst dein Haupt, daß ich mein Haupt emporheben möchte. Du gibst deinen Geist auf und damit gibst du mir wieder Geist und Leben. Deine Seele wird von deinem Leibe getrennt, daß meine Seele nimmer von dir getrennt werde. Du Herzog des Lebens wirst eine Beute des Todes, darüber die ganze Natur erschrickt; aber mein Herz wird dadurch erfreut, denn damit hast du das Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht! O was sind das für ruchlose Seelen, die nicht so viele Empfindung als die Erde über dein Leiden haben. Gib mir doch, mein Heiland, ein solches Herz, das in Buße bewegt und in Reue bebend gemacht, aber auch mit dem Troste deines Wortes wieder erquickt wird. Himmel und Erde sollten bewegt werden, wenn du, aller Heiden Trost, kommen würdest: das ist bei deiner Geburt, es ist aber auch bei deinem Tode erfüllt worden. Erfülle es auch in meinem Herzen, du Trost aller Heiden, durch eine heilige Bewegung, die nur dein Geist wirken kann. Die Erde redet von deinem Tode, da alles schweigt, und dieses Getön deines Geschöpfs wird das Geläute deiner Leiche. Aber ich will meine Andacht zu dem Erdbeben gesellen und mit meinen Thränen und Seufzen deinen Tod verehren. Wenn auch alles schweigen sollte, soll mein Herz dich doch loben und meine Zunge soll dich preisen, so lange ich Odem habe. Die bewegte Erde zeigt mir an, daß (Hebr. 12. V. 27.) das Bewegliche soll verändert werden, als das gemacht ist, auf daß da bleibe das Unbewegliche und wir empfangen sollen ein unbeweglich Reich. Auch das ist, HERR JESU, die Frucht deines Todes, daß ich erwarte eine neue Erde, die nicht erschüttert wird, wo die fröhlichen Einwohner ohne Furcht dich ewig preisen! Amen.
IV. Die zerrissenen Felsen.
Wie die Erde bebte, so sind auch die Felsen bei dem Tode Christi zerrissen, auf daß ein Wunderwerk mit dem andern verbunden würde. Die felsigen Herzen der Juden blieben unbeweglich, aber die harten steinernen Felsen zersprangen. So kann das Herz der Verstockten werden, wie Jeremias 5. V. 3. es beschreibt: Sie haben ein harter Angesicht denn ein Fels und wollen sich nicht bekehren. Der Fels des Heils wird aus dem Lande der Lebendigen gerissen, davon müssen die zerrissenen Felsen zeugen, und da kein Mensch für seine Unschuld sprechen wollte, mußten die Steine schreien. Wie muß aber auch die Allmacht des Gekreuzigten im Tode daraus erkannt werden, daß um dessentwillen die Erde erschüttert wird und die Felsen zerspringen, der sich von Gott verlassen klagte und den seine Feinde als Hülflos am Kreuze betrachten! Es sei also, daß die zerrissenen Felsen zeugen von dem Zorne des erschrecklichen Gottes, Nahum 1. V. 6. Die hier zerrissenen Felsen zeugen auch zugleich von seiner Langmuth und Gütigkeit. Die Erde bebt wohl und thut sich auf, aber sie verschlingt nicht die verfluchte Rotte. Die Felsen werden wohl zerrissen, aber die verstockten Juden bleiben unbeschädigt, die Gräber thun sich auf, nicht auf daß Lebendige verschlungen, sondern daß Todte lebendig werden. So blickt mitten im Zorn die Gnade hervor, und die erschrecklichsten Wunderwerke bei Christi Tode haben nichts Erschreckliches für die Lebenden. Was leblos ist, wird bewegt, und der Lebendigen wird geschont. So muß Himmel und Erde zeugen, daß der Tod dieses Gerechten nichts als Gnade und Versöhnung mit sich führe und dieser Fels des Heils darum zerschlagen worden sei, daß wir in seinen Ritzen und Felslöchern (Hohesl. Salom. 2. V. 14.) unsere Sicherheit fänden.
JESU, du ertödtetes Leben! dein Leben war voller Wunder, dein Tod ist es nicht minder. Ja, die größten Wunder hast du am Kreuze und im Tode gethan. Als du umher gingst, hast du Kranke geheilt, Blinde sehend gemacht, einige Todte erweckt; aber im Tode hast du alle unsere Krankheit geheilt und uns Todten allen das Leben wieder gebracht. Du Fels des Heils wurdest geschlagen mit der Zornruthe deines Vaters, und du gabst bessern Saft als der Fels von Mose geschlagen. Das Blut, welches aus deiner Seite floß. und das heilige Wasser ist nicht nur ein Labetrank im geistlichen Durste, sondern auch eine bewährte Arznei für alle Schäden der Seele. Aber die Hand, die dich rührt, wird weiter gefühlt als am Kreuze, die harten Felsen werden dadurch zerschmettert und die steinigten Klüfte werden getheilt. Was für ein Herz ist so felsigt, das nicht vor dem Zorne des Himmels über die Sünde erschrecke, oder durch deinen Tod. HERR JESU, zerrissen werde. Ach! erweiche mein Herz mehr und mehr zu deiner Liebe und erfülle es mit allerlei Gottesfülle. Weil kein steinernes Herz in deinem Tempel taugt, so nimm von allen Hörern deines Wortes das steinerne Herz, das noch etwa bei ihnen ist, und laß die Predigt von deinem Kreuze ihnen sein wie einen Hammer, der Felsen zerschmeißt. Laß dein Wort tief in ihre Seele dringen und schärfer schneiden, denn kein zweischneidig Schwert, bis daß es scheide Seele und Geist, auch Mark und Bein. O daß mein Herz doch recht erkennen mochte, welch einen gewaltigen König ich an dir habe, vor dem die Felsen zerspringen und alles beben muß, wenn er sich hören läßt! Gründe meine Zuversicht auf den festen Grund Gottes, der da besteht und dies Siegel hat: Der Herr kennt die Seinen. Laß auch meine Hoffnung nicht wanken und mein Vertrauen, wenn gleich Felsen zerreißen, nicht erschüttert werden, sondern hilf, daß ich fest an dir als dem wahren Felsen meines Heiles halte und mich nicht fürchte, wenn gleich die Erde bebt, wenn gleich die Felsen zerspringen und die Berge mitten ins Meer sänken, auf daß ich in der Stadt Gottes, darin die Brünnlein des Höchsten sind, fein lustig bleibe und meine Zuversicht setze auf den Herrn Herrn! So wird mein Glaube weder wanken noch brechen, sondern sein wie ein Fels, den die Pforten der Holle nicht überwältigen können. O du mein Fels, mein Hort und mein Erretter, stehe mir bei in der Noth und bewahre mein Herz, daß ich nicht wie das abtrünnige Israel den Fels, der mich gezeugt hat, außer Acht lasse und dessen vergesse, der mich gemacht hat! Verbirg mich als eine gejagte Taube in den Felslöchern deiner Wunden und laß mich darin die süße Ruhe finden, die du mir durch deinen Tod erworben hast. Amen.
V. Die geöffneten Gräber.
Und die Gräber thaten sich auf, und es standen auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen, und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt, und erschienen Vielen, Matth. 27. V. 52.53. So mußte bei dem Tode des Heilandes die Frucht seines Leidens auch dadurch angedeutet werden, daß sich die Gräber öffneten und die Leiber der Heiligen auferstanden, damit wir ein sichtbares Zeugniß hätten, daß er nicht für sich selbst gestorben, auch nicht bloß ihm selbst zu gut wieder auferstanden sei, sondern daß sein Tod uns das Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hatte. Es ist aus des Evangelisten Worten glaublich, daß die Gräber sich zwar alsbald geöffnet, die Leiber der Heiligen aber erst nach Christi Auferstehung aus den Gräbern hervorgegangen seien, um den Triumph des Siegesfürsten als lebendige Zeugen zu ehren. Was es für Heilige gewesen seien, meldet der Evangelist nicht, ob sie dem Alten oder Neuen Testament angehört haben, oder beiden Theilen etliche; wiewohl das letzte glaublich ist, damit auch hierdurch kund würde, daß Christi Tod auch im Alten Testamente seine Kraft habe und keiner heilig werde, als durch das Blut dieses Gerechten. Wo diese Heiligen geblieben seien, wird in der Schrift nicht gemeldet. Die da bejahen, daß sie wieder in ihre Gräber gegangen und gestorben seien. haben schlechten Grund. Die Meinung aber scheint besser gegründet zu sein, daß sie nach Verlauf der vierzig Tage mit Christo gen Himmel gefahren und also mit Leib und Seele der^ ewigen Herrlichkeit theilhaftig geworden seien.
HERR JESU! du Herzog des Lebens und Herr der Herrlichkeit; dein Tod ist mir das Leben und dein Grab ist mir die Thür zum Himmel. Wie wir in Adam alle gestorben sind, also hast du uns in dir alle lebendig gemacht. Davon mußten die geöffneten Gräber zeugen und die erweckten Heiligen mußten uns diese heilige Hoffnung erwecken, daß wir in Kraft deiner Auferstehung wieder zum Leben auferstehen werden. Du bist ja. HERR JESU, die Auferstehung und das Leben, wer an dich glaubt, wird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebt und glaubt an dich, wird nimmermehr sterben! Wie angenehm ist mir diese Betrachtung, daß es von deinen Heiligen heißt, sie schlafen nur, wenn sie gestorben sind! Ist der Tod deiner Heiligen, der werth geachtet ist vor deinen Augen, nur ein süßer Schlaf, eine sanfte und liebliche Ruhe, was scheue ich denn das Grab, darin ich ruhen soll von aller meiner Arbeit? Du bist der Erstling worden unter denen, die da schlafen, auf daß du die, so entschlafen sind, mit dir zum Himmel führest. Dein Tod ist gewißlich eine Quelle des Lebens, da so bald auf deinen Tod die Lebendigmachung der Heiligen folgt. Du hast den Tod in seinen Wohnungen angegriffen und die Gewalt des Grabe? und der Hölle niedergeworfen. Du befreist uns auch vom Tode der Sünden und erweckst uns aus den Gräbern des Elendes; und endlich wirst du unsre Asche aus unsern Gräbern wieder hervor bringen und am jüngsten Tage lebendig und Herrlich machen. Inmittelst verleihe, liebster Heiland, daß wir das Grab der Sünden mit allen Heiligen verlassen und aller Welt sehen lassen, daß wir lebendige Glieder an deinem Leibe sind. So wird der andere Tod über uns keine Macht haben, weil wir Theil haben an der ersten Auferstehung. O wie fröhlich wird an jenem Tage unser Ausgang aus dem Grabe sein, wenn du, mein Leben, dich offenbaren wirst, und wir mit dir werden offenbar werden in der Herrlichkeit. Dann werde ich gehen in die heilige Stadt, die nicht mit Händen gemacht ist, in das Jerusalem, das droben ist, wo die Schar der Heiligen vor dir erscheinen und dich loben wird, immer und ewiglich. Amen.
VI. Die bekennenden Kreuziger.
Aber der Hauptmann und die bei ihm waren und bewahrten Jesum, da sie sahen das Erdbeben und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen. Matth. 27. V. 54. Marc. 15. V. 39. Luc. 23. V. 47. Unter die Wunderwerke, die bei Christi Tode geschahen, rechnen wir billig auch das Bekenntniß seiner Kreuziger. Es ist viel, daß die Felsen zerreißen, aber noch mehr, daß felsigte Herzen zerrissen werden; ein Wunder, daß sich die Erde aufthut, aber noch ein größeres Wunder, daß sich der irdische Mund der Kreuziger aufthut zum Lobe des Gekreuzigten. Im Heiligthum des Tempels ward der Vorhang zerrissen und weggethan, hier wird vor des Hauptmanns Augen der Vorhang zerrissen, daß er klar in das Geheimniß der Gottheit des Herrn sieht und öffentlich bekennt: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen! So wird zwar die Sonne am Himmel verfinstert, aber auf Erden geht das Licht auf denen, die da saßen in Finsterniß und Schatten des Todes. Der Mund, der des Heilandes gespottet hatte, bekennt ihn jetzt, und den man im Leben für einen tobten Menschen gehalten, den hält man im Tode für den lebendigen Gott. Als der Heiland noch lebte am Kreuz, war der Umstehenden Glaube todt, jetzt bei seinem Tode wird ihr Glaube lebendig. Der Hauptmann preist den unschuldig, welchen die Hohenpriester und Schriftgelehrten alle schuldig erklärt hatten. Er bekennt den für Gottes Sohn, welchen er todt am Kreuz steht, und preiset den mit gläubigem Munde, den alle mit höhnischem Munde verachtet hatten. Wie bald kann ein verkehrter Sinn ein bekehrter werden, und der Mund des Spötters den Herrn preisen? Darum will ich an Niemandem verzagen, wie groß auch seine Bosheit wäre. Der Hammer, der Felsen zerschmeißt, kann aus einem gottlosen Kriegsknechte einen Heiligen machen. Das ist der Nutzen des Todes Christi, daß er die geistlichen Todten lebendig macht, damit er sich lebendige Glieder zu seinem Leibe sammle und eine Gemeine aufrichte, welche die Schmach seines Kreuzes willig trage. Betet herzlich:
Heiligster Erlöser, der du mit einem Opfer vollendet hast alle, die geheiligt werden. wie ist doch die Kraft deines Blutes so allgemein und unendlich! Niemand ist davon, auch nicht deine Kreuziger, ausgeschlossen. Du hast für sie am Kreuze gebetet, da du dein Blut für sie und uns alle vergossen hast, und daß du es vergebens nicht vergossen, zeigt gleich die Bekehrung des Hauptmanns und der übrigen Bekenner. O du Liebhaber des Lebens, wie läßt du im Tode selbst spüren, daß du nicht Lust habest am Tode des Gottlosen, sondern daß er sich bekehre und lebe! Wie erfüllst du. was du versprochen, daß du alle nach dir ziehen wollest, wenn du erhöhet sein würdest von der Erde! Du ziehst auch deine ärgsten Feinde dir nach, daß sie laufen dich zu bekennen, und daß der Mund, der dich gelästert, dich wieder preise. So hast du dein Leben zum Schuldopfer gegeben, daß du Samen habest. Er ist sogar auf dem felsigten Acker aufgewachsen, daß aus deinen ärgsten Feinden die muthigsten Bekenner geworden sind. O meine gekreuzigte Liebe, HERR JESU, der du solch Wunder im Tode thust, gib meinem Herzen die selige Freudigkeit, dich stets zu bekennen, und durch keine Gefahr mich von deiner Wahrheit bringen zu lassen! Richte meine Augen und mein Herz nach deinem Kreuze, daß ich wie jener Hauptmann dich gläubig ansehe, deine Wunder betrachte und dich im Leben und im Tode muthig bekenne. Hilf, daß ich mit denen, die um dein Kreuz standen, an meine Brust schlage und mit herzlicher Reue über meine Sünden vor dem Zorne Gottes erschrecke. Zerschlage du selbst mein Herz durch den Hammer deines Gesetzes; aber verbinde auch wieder die Wunde, die du geschlagen hast. Laß mich nimmer an deiner Gnade zweifeln, die du auch den Kriegsknechten nicht versagt hast, sondern getrost aus der Quelle deines Blutes schöpfen, die auch deinen Kreuzigern offen stand. Hilf mir, o HERR JESU, alles Aergerniß deines Kreuzes überwinden und dich nicht allein in meinem Herzen, sondern auch vor aller Welt mit meinem Munde bekennen, bis ich dermaleinst mit allen Heiligen dich ewig preise und als ein lebendiges Glied an deinem Leibe über Tod und Sünde triumphiere. Amen.
VII. Der Blut, und Wasserfluß.
Der Kriegsknechte einer öffnete seine Seite mit einem Speer, und alsobald ging Blut und Wasser heraus, Joh. 19. V. 34. Die dieses für etwas Natürliches angesehen haben, verstehen weder die Natur noch die Schrift. Beide widersprechen ihrer Meinung und zeugen von einem Wunderwerke. Die Schrift gibt es für ein solch Wunderwerk aus, so daß der Evangelist Johannes es für nöthig gehalten hat, hinzu zu setzen: Der das gesehen hat, der hat es bezeuget, und sein Zeugniß ist wahr und derselbige weiß, daß er die Wahrheit sagt, auf daß auch ihr glaubet. So unglaublich meint er, werde dies den Leuten vorkommen, daß, wo es nicht auf göttlichem Zeugniß gegründet wäre und die Weissagung dadurch hätte müssen' erfüllt werden, würden sich viele daran stoßen. Aber die Schrift hat müssen erfüllt werden, die da sagt: Sie werden sehen, in wen sie gestochen haben. Auch sollte dadurch die Wahrheit des Todes Christi um so viel mehr bestätigt werden, damit ja niemand nach seiner Auferstehung vorgeben mochte, als wäre er nicht wahrhaftig gestorben. Uns aber zeigt dieser Mut- und Wasserfluß, daß aus dem Tode des Gekreuzigten eine lebendige Quelle auf uns herab fließt, und daß im Neuen Testamente der Bund des Friedens durch Wasser und Blut, durch Taufe und Nachtmahl aufgerichtet und bestätigt werde.
O JESU, du süße Lebensquelle! Wie ist dein Herz so voller Liebe, daß es sich auch nach dem Tode öffnet und den Strom des Trostes fließen läßt. Meine Seele wird erquickt, wenn ich an dich gedenke, und der Tod wird mir angenehm, wenn ich deine unaussprechliche Liebe betrachte, die du mir auch im Tode bewiesen hast. Du rufst mir und allen zu, die da mühselig und beladen sind, daß sie zu dir kommen sollen, du wollest sie erquicken. Ich komme zu dir, mein Hort, durch dich selbst gezogen. Ach! erquicke mich und laß mich in deiner geöffneten Seite Ruhe finden. Wasche mich mit deinem Blute, daß ich schneeweiß werde und heilig und rein vor dein Angesicht trete. Du bist gekommen mit Wasser und Blut, daß du uns reinigen und versöhnen möchtest. Du kommst mit dem Wasser des Lebens zu uns in der heiligen Taufe, die da ist das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes. Da werden unsere Seelen abgewaschen von Sünden und gereinigt von ihrer Missethat. O daß wir nimmer diese Reinigkeit verscherzen und den befleckten Rock der Sünde wieder anlegen möchten! Du läßt uns dein vergossenes Blut im hochheiligen Abendmahle mündlich empfangen, und mit diesem Tranke der Unsterblichkeit erlabst du unsere matte Seele. Q daß wir doch deine Liebe daraus erkennen und im Glauben und in der Liebe fest an dir hangen möchten! Begieße doch mein Herz mit diesem Strome des Lebens, der besser ist als jenes Wasser, das im Garten Eden strömte. Bei dir ist die lebendige Quelle, die dem Hause Davids und allen Bürgern zu Jerusalem ewiglich offen steht zur Abwaschung ihrer Sünden. Diese Quelle vertrocknet nicht, wenn alle Flüsse in Syrien auch vertrocknen sollten und der Brunnen Jacobs kein Wasser mehr gäbe. Erwecke in mir, HERR JESU, einen heiligen Durst, daß, wie der Hirsch nach frischem Wasser schreit, so meine Seele, Gott, nach dir schreie. Reinige und versöhne mich, und laß das Blut der Besprengung, das besser redet, als das Blut Abels, für mich bei deinem Vater um Gnade schreien. Amen.
Für die Abendstunden der siebenten Woche
stellen wir zur gottseligen Betrachtung vor
Das siebenfache Leichen-Gepränge des Heim Jesu.
I. Die vornehmen Leichen-Besteller.
Daß des Messias Ruhe Ehre sein würde, war schon Jes. 2. V. 10. geweissagt, und ist nicht allein durch die Wunderwerke erfüllt worden, die auf seinen Tod erfolgt sind, sondern auch dadurch bewiesen daß sein Begräbniß so ehrlich und herrlich gewesen. Die beiden vornehmen Leichen-Besteller waren Joseph von Arimathia, ein heimlicher Jünger Jesu, ein ehrbarer Rathsherr, welcher auch auf das Reich Gottes wartete. Der wagte es und ging hinein zu Pilato und bat um den Leichnam Jesu. Es kam aber auch Nicodemus, der vormals bei der Nacht zu Jesu gekommen war. Joseph von Arimathia war zum Wenigsten fremd in Jerusalem als seiner Vaterstadt; aber doch bewies er dem Heilande mehr Liebe im Tode, als irgend Jemand sonst in Jerusalem, ja sogar als seine eignen Jünger. Diese waren geflohen, und es schien, als ob mit dem Tode Christi auch ihr Glaube todt wäre. Da wird des Josephs von Arimathia Glaube bei dem Tode des Heilandes lebendig, und dieser heimliche Jünger beschämt die öffentlichen Jünger. So hat Gott seine verborgnen Heiligen, die vor der Welt oft unbekannt, dem Himmel aber angenehmer sind, als die, welche den Schein eines gottseligen Lebens haben und seine Kraft verleugnen. Der, welcher zur Zeit des Elias sich noch sieben tausend übrig behalten hatte, die ihre Kniee vor Baal nicht gebeugt, der hat noch hier und da seine Anhänger: der Herr kennt die Seinen und es ist vor ihm ein Buch geschrieben für die, welche den Herrn fürchten und an seinen Namen gedenken. Der heimliche Jünger wagts, zu Pilato zu gehen und um den Leichnam Jesu öffentlich zu bitten, der sich vorher nicht gewagt, heimlich zu Jesu zu kommen. Wie kann doch Gott das glimmende Docht des Glaubens erhalten und durch seine Kraft zu einem großen scheinenden Lichte machen! Wie kann er die müden Kniee stärken und die verzagten Herzen aufrichten, daß sie fest stehen wie die Cedem in Libanon! Joseph von Arimathia bittet um den Leichnam Jesu und erlangt es gar bald von Pilato, der nicht weiß, was für einen Schatz er mit diesem Armen wegschenkt und was für Leben bei diesem Todten sei. Wie geht doch die Welt mit Christo um! Judas verkauft ihn für dreißig Silberlinge; Pilatus gibt ihn weg für nichts. So gering ward der Herr der Herrlichkeit geachtet, auf daß er uns bei seinem Vater herrlich machte. Was aber Pilatus nicht zu schätzen wußte, das war dem Joseph von Arimathia ein werther und unschätzbarer Besitz. So wird das Manna, das Israel nur Ekel macht, zum Honigseim in eines Andern Munde, und was Andern ist ein Geruch des Todes zum Tode, wird diesem ein Geruch des Lebens zum Leben. Joseph von Arimathia war ein reicher Mann, aber da am reichsten, als er den von Pilato erlangt, in welchem aller Reichthum der Weisheit und der Erkenntniß verborgen liegt. Reichthum an sich selbst hindert die Gottseligkeit nicht, das Gold des Glaubens kann mit deinem irdischen Golde wohl zusammen stehen; aber du mußt, wie Joseph von Arimathia, Christum im Herzen und das Gold nur in der Lade haben. Der Mammon muß dir nicht so lieb sein, daß du ihn nicht gern zu Christi Ehren anwenden und alles das Deine gern opfern wolltest, um Christum zu gewinnen. Joseph von Arimathia wagt all das Seine um Christi willen und verliert doch keinen Heller. Wer das Reich Gottes sucht, dem fällt das Zeitliche zu oder wird ihm doch beibehalten. Ein reicher Leichen-Besteller schickte sich wohl für diesen Todten, der uns ewig reich gemacht hat und darum arm geworden war, daß wir die Fülle hätten. Er mußte auch wie ein Reicher begraben werden. Jes. 53. V. 9. Selige Reiche, die Werke der Barmherzigkeit üben und sich Schätze sammeln, welche weder die Motten fressen, noch die Diebe aufgraben und stehlen können! Das that dieser Reiche, er suchte die Perle des Himmelreichs mit großer Freudigkeit. Er läßt sich nicht abhalten von seinem Vornehmen durch viel Unreinigkeit des heidnischen Hauses Pilati, denn er suchte die Reinigkeit in Christo; er, fürchtet nicht die Ungerechtigkeit des Richters, weil sein Herz ihn nicht verdammte; er scheut nicht den Haß des Rathes, weil er der Liebe seines Meisters versichert ist. Die Schande vor dem Volke achtete er nicht, weil seine Ehre darin bestand, ein Jünger Christi zu heißen. Den Verlust seiner Güter sieht er als etwas Geringes an, weil er auf die himmlischen Güter in Christo Jesu wartet. O daß doch unsere Seelen so viel Glauben und Liebe, so viel Freimüthigkeit und Treue, so viel Eifer und Hoffnung zu Christo empfinden möchten! Wie begierig sollten wir nicht sein, des Leichnams Jesu, der für uns gekreuzigt ist, theilhaftig zu werden, daß wir ihn durch den Glauben in uns begraben möchten. Lauf, mein Herz, zum Kreuze, nimm ihn wie jener herab, trage diese süße Bürde auf den Armen des Glaubens, halte ihn fest und schätze ihn höher als alle Schätze der Erde. Dieser Tod kann dich lebendig machen, denn sein Tod ist die Quelle des Lebens. Gewiß, der Tod Christi machte die lebendig, deren Glaube vorher todt war. Nicodemus kam bei der Nacht zu Christo, da er lebte; nun da er todt ist, kommt er bei Tage. Weil die Nacht des Zweifels bei ihm vertrieben ist, scheut er nicht mehr die Gefahr des Tages. So kann des Herrn Stärke unsere Schwachheit mächtig machen!
Heiligster Erlöser, du Herr der Herrlichkeit und wahrer Ursprung des Lebens, der du auch im Tode lebendig machst und den erstorbenen Muth zum Leben, das aus Gott ist, erweckst; ach, beweise auch an meiner Seele die Kraft, die du an Joseph von Arimathia bewiesen hast, daß meine Seele mit Muth und Freudigkeit dir anhange, um deinetwillen keine Gefahr achte, keinen Feind scheue, keine Schmach und Verfolgung sich zu Herzen nehme, sondern deine Ehre auch mit Verlust alles Zeitlichen suche. Ach, HERR JESU, du kennst unsere Herzen besser als wir selbst! Wer weiß, wie sehr die Furcht und das Ansehn der Menschen uns blenden möchte, wenn wir um deines Namens willen etwas leiden sollten. Darum so mache uns stark nach dem inwendigen Menschen durch deines Geistes Kraft, stärke unsern Muth, wenn er sinken will, richte unser Herz auf, wenn es verzagen will, und laß unsre müden Kniee nicht zu Boden fallen! Du bist ja in den Schwachen mächtig; so laß mich auch bei der Schwachheit meines Glaubens deine durchdringende Kraft sammt deiner gebenedeieten Langmut!) sehen, in der du zugesagt hast, daß du das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen und die nicht verwerfen wollest, die auf dich hoffen, du Gott Israel! Mache mich aber auch klug, daß ich mich ja auf meine eignen Kräfte nicht verlasse, sondern von deiner Hand mir allen Trieb und alle Stärke zum Guten erbitte, damit du das Gute, so du in mir angefangen hast, bis auf den Tag deiner Erscheinung vollendest. Gib mir Gnade, mein süßer Heiland, daß ich alles in der Welt gering achte, um dich zu gewinnen, gern verlasse, was dahinten, und mich nur nach dem strecke, was da vorn ist, nachjagend dem vorgesteckten Ziele, dem Kleinode, welches die irdische Berufung Gottes in dir mir vorhält! Hilf, daß ich Schätze sammle, die der Zeit und allem Unfall trotzen. Und wenn dein heiliger Wille mir einen Theil des Irdischen zuwerfen wollte, so gib, daß ich es zu deinen Ehren anwende und mir mit Joseph von Arimathia eine Freude daraus mache, dir und deinen Gliedern zu dienen. Du bist, HERR JESU, meines Herzens einziger Trost und mein Theil; was frage ich nach Himmel und Erde, wenn ich nur dich habe! Ich habe und halte dich und will dich nicht lassen, bis ich dich bringe in meines Grabes Kammer. Wie gering du auch von deinen Feinden geschätzt worden und wie verächtlich du auch von Pilato verschenkt worden bist, habe ich doch in dir meiner Seele größten Reichthum, meinen Ruhm und meine Freude. Ich gehe in meinen Gedanken zu deinem Kreuze, ich fasse dich in die Arme meines Glaubens, ich drücke dich an mein Herz, ich suche bei dir Todten das Leben. Ach, verlasse mich nicht, meine Zuversicht und meine Hülfe, und verschmähe nicht das Herz, das mit deiner Liebe erfüllt ist! Ich will mit dir gehen, wo du hin gehst; ich will dir zu Ehren alles wagen, ich will die Schmach deines Kreuzes gern auf mich nehmen, ich will mich nicht von deiner Liebe trennen lassen! O HERR JESU, stärke meinen Vorsatz, erhalte mich in der seligen Gemeinschaft mit dir und laß mich stets ein lebendiges Glied an deinem Leibe sein! Und weil deine Liebe so groß ist, daß du eben den Leib, den du für mich in den Tod dahin gegeben hast, mir zur Speise im hochheiligen Nachtmahle darreichst; so hilf, daß ich mit gläubiger Begierde mich nach dieser Speise sehne und deinen Tod zu verkündigen nicht aufhöre. Laß mich aller Wohlthaten, die du durch deinen Kreuzestod mir erworben hast, theilhaftig werden, und gründe mein Herz im Glauben, in der Liebe und in der Hoffnung, daß ich alles, was in der Welt ist, überwinde und endlich durch Tod und Leben zu dir dringe. Ich gedenke mit Freuden an die Gnade und Macht, die du in deinem Tode an deinen Freunden erwiesen, deren Schwachheit du gestärkt und deren Muth du lebendig gemacht hast. Du machst mich Armen hoffen, daß du mir aus dem Reichthum deiner Barmherzigkeit neue Kräfte mittheilen werdest, meine Furcht und Schwachheit mir vergeben, mich zu einem gläubigen Bekenner deines Namens salben und mir endlich das Reich bescheiden, wie es dir dein Vater beschieden hat. Amen.
II. Die Grabtücher.
Joseph nahm den Leib und wickelte ihn in eine reine Leinwand, Math. 27. 59. Und er kaufte eine Leinwand, nahm ihn ab und wickelte ihn in die Leinwand, Marc. 15.46. Da nahmen sie den Leichnam Jesu und banden ihn in leinene Tücher, Joh. 19, 40. Der, welcher sobald als er in diese Welt kam, sich in Windeln wickeln ließ, wird, da er von der Welt geht, in Grabtücher eingewickelt. Maria verhüllte ihn in enge Windeln, obgleich ihn weder Himmel noch Erde fassen konnte, und Joseph und Nicodemus verhüllen ihn in Grabtücher, worin er doch nicht bleiben, sondern aus des Todes Banden, von denen er Andere entbunden hatte, bald wieder frei hervorgehen sollte. Die Liebe machte, daß man nichts an ihm sparen wollte, aber der Sieg seines Todes machte diese Grabtücher bald zu Triumphfahnen, und was davon nachgehends in seinem Grabe gefunden ward, Joh. 20, 5. 6. 7. das war als eine Beute des Todes, als die zerrissene Bande der Feinde, als Simsons zersprengte Stricke anzusehen. Denn der Löwe aus Juda, dessen Haupt mit einem Schweißtuche verhüllt war, hob sein Haupt empor, und nachdem er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hatte, nahm er das Leben wieder, er, welcher es freiwillig gelassen. Die köstliche Leinwand zeugte von der Freigebigkeit seiner Bestatter und die weiße Farbe mußte auch lm Tode ein Merkmal seiner Unschuld sein, daß er von Sünden unbefleckt und abgesondert wäre und den Tod nicht als einen Sold eigner Sünde, sondern an unsrer Statt gekostet hätte.
HERR JESU, du einziges Verlangen meines Herzens! ich komme zu dir mit brünstigem Geiste und suche im Glauben zu thun, was der Hand versagt ist, dich, mein Leben, zu begraben. Ist gleich mein Herz an sich selbst weder rein von Missethat, noch in seiner Unschuld jener weißen Leinwand zu vergleichen, so weiß ich doch, daß du, weil du es mit deinem Blute gereinigt und mit dem weißen Kleide deiner heiligen Unschuld geziert hast, darin deine Lust haben werdest. Ach hilf, daß Ich dich recht fassen und durch deine Kraft ewig halten möge, und daß, wie du mit Banden der Liebe viel fester gebunden gewesen bist, als mit jenen Grabtüchern, so auch ich mit Seilen herzlicher Liebe und unauflöslicher Treue an dein Herz gefesselt sei! Du hast dich in der heiligen Taufe so mit mir vereinigt, daß ich dich angezogen habe, wie ein Kleid, und im heiligen Abendmahle wird dein lebendig machender Leib mir sogar mündlich dargereicht, daß er in die reine Leinwand meines Glaubens gewickelt und darin wohl verwahrt werde. O wie sehnt sich meine Seele nach dieser Vereinigung! Wie freut sie sich, der Tempel zu sein, darin du wohnen möchtest; wie bereitet sie sich, in einem reinen Gewande zu erscheinen und deinem Rathe, weiße Kleider zu kaufen, gehorsam nachzukommen! Ach hilf, daß ich sei unter den wenigen Namen zu Sarden, die ihre Kleider nicht besudelt haben und die mit dir wandeln werden in weißen Kleidern! Denn wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angethan werden, und du willst seinen Namen nicht austilgen aus dem Buche des Lebens, sondern willst ihn bekennen vor deinem Vater und vor seinen heiligen Engeln. Du hast, uns sterblichen Menschen gleich, dich in Grabtücher wickeln lassen, damit du die unsern heiligen möchtest und wegnehmen, was scheußlich an ihnen war, die Furcht des Todes. Nun sehe ich meinen Leichenmantel an als einen prächtigen Purpur, worin ich dir, meinem Bräutigam, zugeführt werden soll. Die Grabtücher werden mich nicht ewig verhüllen und die Banden des Todes werden mich nicht unaufhörlich in der Asche halten. Ich werde frei von diesen Banden an jenem Tage hervorgehen. Und wie du, mein Erlöser, deinem Freunde Lazarus bei seiner Auferweckung die Leinwand, womit er an Händen und Füßen gebunden war, und das Schweißtuch, womit sein Angesicht verhüllt war, auflösen ließest, so wirst du selbst durch die Hand deiner Allmacht an jenem großen Tage auch die Banden meiner Sterblichkeit auflösen. Jetzt aber, allersüßester Jesu, nimm weg von meinem Herzen alle Banden der Furcht und des Mißtrauens, worein es verwickelt ist, und laß mich ungehindert die Werke der Liebe ausrichten. Wie sollt ich dir oder den Deinen ein Kleid der Liebe versagen! Hast du mir doch deine Gerechtigkeit und den Rock des Heils geschenkt und in weiße reine Seide mich gekleidet. Du wirst auch mir und allen denen, die zu der Hochzeit des Lammes kommen, dermaleinst geben, anzuthun das ewige Hochzeitskleid und das Reich zu ererben, das du für uns eingenommen hast. Da werde ich dir nicht in einem sterblichen und verweslichen Leichenmantel, sondern in unverweslicher herrlicher Klarheit zugesellt werden, und mit allen Heiligen und Auserwählten dich loben immer und ewiglich. Amen.
III. Die köstlichen Salben.
Es kam auch Nicodemus und brachte Myrrhen und Aloe unter einander, bei hundert Pfunden, Joh. 19. V. 39. Das waren gewöhnliche Specereien, um die Leichname einzubalsamieren und vor der Fäulniß zu bewahren. Die gottseligen Weiber wollten Christo einen gleichen Dienst erweisen, aber sie kamen zu spät und fanden den Herrn schon auferstanden, während sie den Todten noch salben wollten. Wer Christo oder seinen Gliedern einen Liebesdienst erweisen will. muß sich nicht säumig finden lassen. - Ob die hundert Pfund Myrrhen und Aloe nach dem Gewichte oder nach dem Werthe zu verstehen seien. kann uns ganz gleich sein. Dies sehen wir, daß Joseph und Nicodemus keine Kosten gespart haben, um ihre Liebe gegen Christum zu beweisen. Es sind den Gläubigen die allerangenehmsten Ausgaben die, welche sie zur Ehre Gottes machen, und da streuen sie gern aus, wo Christi Glieder sammeln sollen. Eine Schwachheit scheint es von Joseph und Nicodemus zu sein, daß sie den salben und vor der Fäulniß bewahren wollen, der die Verwesung nicht sehen und vom Tode nicht gehalten werden kann. So ist bei unserm besten Thun doch noch Schwachheit und Unvollkommenheit zu finden. Aber es kann sein, daß sie zwar an der Auferstehung Christi nicht gezweifelt haben, den Liebesdienst aber doch nicht haben unterlassen wollen, welchen der Landes-Gebrauch und ihre Verehrung für Christus forderte. Gott schickte es auch so, daß dadurch die Wahrheit des Todes Christi um so viel mehr bestätigt und die Prophezeihung erfüllt würde, Ps. 45. V. 9: Deine Kleider sind lauter Myrrhen und Aloen. Der Glaube aber dieser beiden Jünger läßt sich hierbei gar herrlich sehen und gibt durch ihre Salben einen köstlichen Geruch, der alle Würze übertrifft. Der rühmt sich vergebens seines Glaubens, welcher nicht die Liebe blicken läßt; und der bekennt Christum fälschlich mit dem Munde, welcher ihn mit der That verläugnet. An Maulchristen haben wir stets Ueberfluß, aber die Zahl derer, welche mit Joseph und Nicodemus Myrrhen und Aloe ihrer Liebe bringen, ist gering. Was ich Christi Gliedern nicht thue, das thue ich ihm auch nicht; wer jene nicht speist, wenn sie hungert, und tränkt, wenn sie dürstet, der hat Christum selbst hungern und dürsten lassen. Du rühmst dich ohne Grund der Liebe gegen deinen Meister, wenn du sie nicht gegen seine Jünger erweisest. Liebreichster HERR JESU, du Trost der Blöden und du einzige Zuversicht der Betrübten, meine einzige Hoffnung im Leben und im Tode! Ich komme zu dir mit demüthigem Herzen und mit dem sehnlichen Verlangen, dir meine Liebe durch etwas Thätiges zu beweisen. Aber was ist in der Welt würdig genug, dir gereicht zu werden, und was kann mein Verstand ersinnen, dir, meiner Liebe, zum Opfer! Wo sind die Specereien, deren du bedürftig wärest, und wo sind die Salben, damit ich Armer dir gefallen könnte? Wo finde ich mit Nicodemus die Myrrhen und die Aloe, deren Geruch dir angenehm sein mag? Es ist alles dein, was die Welt besitzt; und doch liebst du Nicht die prächtigen Geschenke der Welt, sondern was in der kleinen Welt das Kleinste ist: das Herz derer, die dich lieben, das ist das Größte in deinen Augen. Die hundert Pfund Salben derer, die dich salbten, wogen nicht so viel bei dir als ein Quentlein ihrer Liebe. Du sahest ihr Herz an und dadurch wurde dein Herz vergnügt. Dies ist auch das einzige Opfer, mein Leben, das ich habe-. ein Herz, welches dich liebt, und eine Seele, die nach dir verlangt. Verschmähe nicht dies Opfer deines Knechtes und gedenke, mein Gott, daß du es selbst gefordert hast. Das Opfer, welches dir gefällt, ist ein zerknirschter Geist; ein zerschlagenes und demüthiges Herz, das wirst du, o Gott, nicht verachten! Dies lege ich nieder auf deinem Altare, o HERR, laß mich Gnade vor deinen Augen finden! Dein heiliger verklärter Leib bedarf es nicht gesalbt zu werden, sonst wollte ich mit der büßenden Sünderin mich zu deinen Füßen werfen, um sie zu salben; das köstliche Nardenwasser sollte mir nicht zu theuer sein, dich damit zu überschütten, und kein Judas sollte mir den vermeinten Unrath wehren. Aber dieser Liebesdienst ist mir durch deine Auffarth benommen. Doch will ich mit Thronen, wie jene, deine Füße netzen, ich will mit tausend gläubigen Seufzern dir meine Reue beweisen. Die Myrrhen meiner Buße sollen nicht mangeln, und die Aloen eines inbrünstigen Gebetes sollen mein Rauchwerk sein. Laß dein Herz durch die Liebe deines Kindes erweicht werden, und verschmähe nicht, was meine zarte Neigung dir opfert. Du siehst ja an die, so zerbrochnen Geistes sind, und läßst dir gefallen das Gebet derer, die dich fürchten und lieben. Deine Sulamith gefällt dir ja, o Bräutigam meiner Seele; denn der Geruch ihrer Salben übertrifft alles Gewürz, weil die Werke ihrer Liebe aus dem Glauben fließen. So siehe denn auch an meinen Glauben, ob er gleich schwach ist, und laß dir die Werke gefallen, die daraus quellen. Dein Name, HERR JESU, ist eine ausgeschüttete Salbe, diesen Namen führe ich in meinem Mund und Herzen, und so lange ich mich daran halte, wird es mir nie an geistlicher Salbe fehlen, die deinem himmlischen Vater ein süßer Geruch sein wird. Du hast uns gesalbt zu Königen und Priestern, und von deinem gesegneten Haupte fließt viel köstlicherer Balsam auf unsere Seele, als von dem Haupte Aarons auf seine Kleider. Der Thau, der von Hermon herabfällt auf die Berge Zions, ist mit den Nardentropfen deiner Gnade nicht zu vergleichen. Ich thue meinen Mund auf, HERR JESU! fülle ihn oder vielmehr mein Herz, durch deine Güte. Du hast deinen heiligen Leib salben lassen bei deinem Begräbniß, obwohl du die Verwesung nicht sehen solltest, damit du uns lehren möchtest, daß du unserthalben gethan hast, was deiner selbst halben nicht nöthig war. Bei dieser Salbung aber entsteht mir ein Geruch des Lebens zum Leben, der mir alle Furcht des Todes benimmt und die Hoffnung des künftigen Lebens in mir erweckt. Denn ich bin ja, HERR JESU, ein Glied an deinem Leibe; so werde ich auch Theil haben an deiner Herrlichkeit. Soll gleich erst mein Leib verwesen, und ist gleich kein Balsam in Gilead, mich von der Fäulniß dieses Fleisches zu befreien, so weiß ich doch, daß dies Verwesliche soll anziehen das Unverwesliche und dies Sterbliche soll anziehen die Unsterblichkeit. Aller Todtengeruch und Abscheu des Grabes wird durch den Balsam deines Leichnams vertrieben, denn auch bei deinem todten Leibe finde ich den Balsam des Lebens. Falle hin, meine zerbrechliche Hütte, ich weiß, daß ich einen bessern Bau im Himmel habe. Du aber, HERR JESU, mein Leben und meine Zuversicht, erfülle mein Herz mit dem Balsam deines Trostes! Du bist mit Freudenöl gesalbt worden mehr als deine Genossen (Hebr. 1. V. 9.), aber gib nur deinen Genossen einige Tröpflein Trostes aus deiner unerschöpften Gnadenquelle und laß mit ihnen mich, deinen armen Knecht, nimmer trostlos von dir gehen. Ich halte dich, mein theuerster Heiland, und lasse dich nicht, ich liebe dich, ich hoffe auf dich; laß mich nimmermehr zu Schanden werden! Amen.
IV. Die Leichenfolger.
Es meldet auch die evangelische Geschichte bei dem Leiden und Sterben Jesu, daß Maria Magdalena und Maria Jacobi und Joses, und die Mutter der Kinder Zebedäi dem Herrn zu Grabe gefolgt seien und geschaut hätten, wo er hingelegt würde. Marc. 15. V. 47. Ob Maria, die Mutter des Herrn, auch mit darunter gewesen sei, melden die Evangelisten nicht. Es ist aber wahrscheinlich, daß sie, in dem Glauben an die Auferstehung Jesu fester als die andern gegründet, es nicht für nöthig gehalten, seinen Leib zu salben, der doch im Grabe nicht verwesen würde, sondern am dritten Tage herrlich wieder auferstehen. Die übrigen Weiber lassen in ihrem schwachen Glauben doch den Eifer ihrer Liebe blicken. Denn sie standen nicht allein unter dem Kreuze, sondern folgten eben auch mit zum Grabe des Herrn und gaben dadurch zu erkennen, daß ihre Liebe stärker wäre als der Tod, und daß der doch in ihrem Herzen lebe, welchen sie als todt zum Grabe begleiteten. Sobald sie diesen Liebesdienst verrichtet haben, gehen sie wieder in die Stadt, um die Salben und Specereien zu bereiten, die ihnen nöthig däuchten Christum zu salben. Durch göttliche Schickung mußte diese Zeit so zugebracht werden, damit das Zeugniß der Auferstehung des Herrn um so viel herrlicher würde. Wie traurig diese Weiber den Ort seines Begräbnisses betrachtet haben mögen, ist leicht zu ermessen. Sie verstanden noch nicht die Frucht desselben und die Wirkung seines Todes. Darum war ihre Hoffnung todt und alle ihre Freude mit ihm begraben. Sie begriffen noch nicht die Erfüllung des Zeichen Jona, daß, wie er nach dreien Tagen aus dem Bauche des Fisches, so Christus wieder aus dem Bauche der Erde kommen sollte. Darum wehren sie weder ihren Augen die Thränen noch ihrem Herzen die Betrübniß. Beides hätte bei ihnen durch die Hoffnung des fröhlichen Wiedersehens aufhören sollen. Aber so sind wir schwache Menschen! Wir betrauern unsre Todten, als wenn wir sie einem immerwährenden Kerker anvertrauten, und wir wissen doch, daß sie aus ihrer Asche wieder hervorgehen werden. Wir wissen, daß unser Erlöser lebt und daß wir ewig bei ihm leben werden.
HERR JESU! du Liebhaber des Lebens, hilf, daß ich dir in meinem ganzen Leben folge und ein lebendiges Glied an deinem Leibe sei, das nimmer von dir abgerissen werde. Lebe du in mir, auf daß ich nicht mir selber lebe, sondern wie du mich geliebt hast und dich für mich in den Tod dahin gegeben, so ich dich von Herzen wieder liebe und bis in den Tod mich dir ergebe. Laß mich durch keine Gefahr von dir abgeschreckt werden, sondern mit den gläubigen Weibern dir allezeit folgen, wo du hin gehst, wie traurig und betrübt auch der Gang sein möchte. Siehst du dann auch an mir, wie an jenen, noch viele Schwachheit, ach! so habe Geduld mit mir, langmüthiger JESU, und handle mit mir, wie du mit denen gehandelt hast, deren Traurigkeit und Zweifel durch den Glanz deiner Auferstehung vertrieben wurden! Wirf mich nicht weg, wenn sich die Fehler meiner Schwachheit häufen, sondern gedenke, daß du ein Hirte seiest, die schwachen Schafe zu tragen und die müden Kniee aufzurichten! Siehe an das Herz deines Knechtes, der dich liebt, und vergib mir um deines Todes willen, was mir noch Sündliches und Unvollkommnes anklebt. O HERR JESU, willst du das irdische Gefäß zerbrechen, darin wir unsern Schatz tragen, wie sollen wir dann vor dir bestehen! Aber ach, schone unsrer nach deiner Güte; gieß das Oel deiner Gnade in unsre Lampen und schmücke sie von neuem, daß wir dir gefällig werden! Wenn wir auch wie die gläubigen Weiber bei deinem Grabe sitzen und die lebendige Kraft deiner Gegenwart nicht empfinden, so stärke uns mit deinem göttlichen Troste und laß nach diesem Nebel der Traurigkeit die Sonne der Freude uns wieder scheinen. Wir wollen dir folgen bis zum Grabe und die Furcht des Todes damit vertreiben, daß du nicht vom Tode gehalten worden bist. Wir wollen trachten nach dem, das droben ist, und nicht suchen, was auf Erden ist. Laß dich finden, o meine Hülfe, wenn meine Seele dich sucht; und wenn sie dich, als verlornen, beweinte, wie Maria Magdalena, zeige dich ihr lebendig wieder und laß mich nimmer ohne Trost von deinem Angesicht gehen! Amen.
V. Die Grabstätte.
Es war nahe an der Stätte, da er gekreuzigt ward, ein Garten und im Garten ein neu Grab, in welches niemand zuvor gelegt war; daselbst hin legten sie Jesum, Joh. 19. 41. Die Sünde war im Garten begangen, im Garten gebüßt worden, und im Garten sollte sie auch mit Christo begraben werden. Die Blume von Taron wird billig unter die edelsten Blumen und die Wurzel Jesse unter die schönsten Pflanzen gezählt. Ob sie gleich ihr Haupt wie verdorrt zur Erde neigt, gibt sie doch einen Geruch des Lebens zum Leben. Kein schönerer Ort zu einer Grabstätte als im Garten. Wo Lust und Ergötzlichkeit gezeugt wird, soll die Betrachtung des Todes nicht fern sein. Was ist unser Leben anders als eine Blume, die verwelkt, als eine Rose, die verblüht, als das Gras, das verdorrt, wenn die Hand des Schnitters es berührt! Was trauen wir unsrer blühenden Jugend! Sie ist verstrichen, ehe wir's merken, und der Baum unsers Lebens verliert eher den Taft der Wurzel, als wir's meinen. Ein jäher Nordwind kann in einer Nacht die schönsten Blumen fällen, und ein unvermutheter jäher Zorn reißt unser Leben ab wie eine Weberspule. Dessen kann uns stets die Gartenlust erinnern, aber auch dabei der seligen Hoffnung, die wir von der künftigen Auferstehung als Christen schöpfen. Diese erneuerte Kraft der Erde ist ein Bild unsers irdischen Leibes, und die verjüngte Natur predigt uns von der Auferstehung. Wenn der Winter unsers Grabes vorbei sein wird, haben wir den Frühling der Auferstehung zu hoffen. Da werden unsre verdorrten Knochen wieder grünen, und unsre vermoderte Asche wird wieder beseelt werden. Der Erstling unter denen, die da schlafen, gründet hier unsre Hoffnung, und im Garten seines Begräbnisses wachsen uns die Blumen des Lebens.
HERR JESU! der du geworden bist der Erstling unter denen, die da schlafen, und durch den Sieg deiner Auferstehung uns wiedergeboren hast zu einer lebendigen Hoffnung, daß wir warten auf die Zukunft deiner herrlichen Erscheinung und auf das unverwelkliche, unvergängliche und unbefleckte Erbe, das uns behalten wird im Himmel. Wir müssen zwar ins Grab, und unser Leib, der von der Erde genommen ist, muß wieder zur Erde werden; aber wir scheuen nicht die dunkle Gruft des Grabes, weil du dieselbe durch deine Grabstätte geheiligt hast. In dem Garten deines Begräbnisses wachsen uns die schönsten Rosen der grünen Hoffnung, und dein unverweslicher Leib versichert uns, daß unser Verwesliches wird anziehen die Unverweslichkeit und unser Sterbliches soll anziehen die Unsterblichkeit. Wie könnten wir auch, HERR JESU, im Grabe bleiben, da du, unser Haupt, aus dem Grabe sieghaft wieder hervor gegangen bist, nachdem du dem Tode durch deinen Tod die Macht genommen hast! Unsre Gräber sind durch dein Begräbniß so geheiligt worden, daß wir sie nicht mehr als dunkle Leichenkerker, sondern als liebliche Wohnungen des Friedens anzusehen haben, wo wir sicherer als in unsern Kammern ruhen. Wie bitter wäre mir doch der Tod, HERR JESU, wenn er nicht durch deinen Tod versüßt wäre, und wie scheußlich wäre mir auch die allerprächtigste Grabstätte, wo sie nicht durch dein Begräbniß wäre geheiligt worden! Du hast, o Liebhaber des Lebens, alle meine Sünden mit dir ins Grab genommen; und wie du sie getragen an deinem Leibe auf dem Holz, also hast du sie in der Gruft deines Begräbnisses eingesenkt und verscharrt, daß ihrer in Ewigkeit nicht mehr gedacht werden soll. Nun wird ja dein himmlischer Vater von mir nicht fordern, was du, mein treuer Bürge, bezahlt hast, und wie sollte er meine Missethat wieder ans Licht stellen, die du im Tode gebüßt und im dunklen Grabe verschlossen hast! Ach hilf, heiliger Erlöser, daß ich sie selbst nicht wieder hervorschaue, sondern der Sünde absterbe und der Gerechtigkeit lebe. O daß ich doch dir in meinem Herzen eine angenehme Grabstätte bereiten möchte, darin du Lust hättest zu ruhen, nicht nur drei Tage, wie in jenem Grabe, sondern die ganze Zeit meines Lebens! Hilf mir mein Hort, daß ich dir lebe, dir sterbe, mit dir zur Ruhe gebracht und endlich kraft deiner Auferstehung zur ewigen Ruhe erweckt werde! Amen.
VI. Das fremde Felsen-Grab.
Und Joseph legte ihn in sein eigen neu Grab, welches er hatte lassen in einen Felsen hauen, Matth. 27, 60. Marc. 15, 46. Luc. 23, 53. Joh. 19, 41.42' Der, welcher nicht so viel in seinem Leben hatte, wo er sein Haupt hinlegen konnte, wie er selbst (Matth. 8. 20.) klagt, hat nicht so viel Eignes im Tode, daß er könnte begraben werden. Abraham hatte nichts Erbliches im Lande Canaan, auch nicht einen Fuß breit (Apostelg. 7, 5.). Doch kaufte er zum Eigenthum die Hohle des Begräbnisses, 1 Mos. 23. V. 20. Aber der gebenedeiete Same Abrahams ist viel dürftiger im Lande seiner Pilgrimschaft. Im fremden Stall wird er geboren, in fremden Windeln eingewickelt, in fremden Häusern wohnt er und in einem fremden Grabe wird er begraben. Doch wie sollte der auch ein eignes Grab in der Erde haben, der nur drei Tage in ihr bleiben sollte! Ein fremdes Grab schickte sich am besten für den, welcher um fremder Sünde willen gestorben war und durch sein Begräbniß Andern Ruhe verschafft hatte. Was sollte der ein eignes Grab in der Erde haben, der sich selbst den Einwohnern der Erde zu eigen gegeben hatte und keinen Sitz auf Erden achtete, weil seine ewige Wohnung im Himmel ist! Aber auch durch diese Armuth hat er uns reich gemacht, 2 Cor. 8, 9. Und der, welcher keinen Ort der Ruhe in der Erde gehabt hat, hat uns den lieblichen Ort der stolzen Ruhe im Himmel bereitet, da die vielen Wohnungen sind in seines Vaters Hause. Hier lag er in einem neuem Grabe, der durch seinen Tod Alles neu gemacht und durch sein Begräbniß eine neue Hoffnung der künftigen Auferstehung erweckt hat. Wie muß doch alles durch die göttliche Weisheit zu einem Zwecke geführt werden, den kein Mensch vorher sieht! Joseph mußte dies todte Leben in ein Grab legen, das noch keine Leiche jemals empfangen hatte, damit nicht die verläumderischen Juden dichten möchten, ein vorher Begrabener. nicht Christus wäre auferstanden, oder auch Christus wäre durch das Berühren der Gebeine eines Heiligen wieder lebendig geworden. Um dergleichen Lügen vorzubeugen, war es auch ein Felsengrab, auf daß niemand auf den Argwohn siele, der Leichnam Jesu sei von seinen Jüngern durch eine verborgne Höhle dieser Gruft weggenommen worden. Wie erstreckt sich doch die Vorsehung des weisen Gottes auch auf das Allergeringste, und warum wollten wir derselben darum nicht trauen? Aber es findet sich auch nichts so Geringes in den Umständen des Lebens und des Todes Jesu, das mir nicht zum Trost gediehe. Das Felsengrab, worein der Fels meines Heils gelegt worden ist, gibt mir felsenfeste Zuversicht, daß, wie ihn ein starker Fels im Tode nicht hat halten können, auch ich aus der Höhle meines Begräbnisses wieder hervor gehen müsse. Kein Grab wird so felsicht, kein Meer so tief, kein Ort so verborgen sein, da die letzte Stimme nicht hindringen und die Todten wieder hervorrufen könne.
O JESU, mein Erlöser! Je mehr ich dein Begräbniß betrachte, desto mehr finde ich darin begraben das Geheimnis, deiner Weisheit, den Schatz meines Trostes und eine lebendige Hoffnung. Man legt dich in ein fremdes Grab, daß ich den Trost zu eigen Hätte, mein Grab sei nicht ein ewiges Gefängnis; meiner Gebeine, sondern ein fremder Ort, auf eine Zeitlang geliehen, woraus ich dermaleinst als ein Pilgrim aus der Fremde gehen und in mein Vaterland, das droben ist, einziehen werde, da dich meine Augen schauen werden und kein Fremder. Ach JESU! meines Herzens Trost und mein Theil, weil du nichts Eignes auf dieser Welt gehabt hast, so lehre mich doch dies Vergängliche verachten und nichts Eignes in der Welt suchen, weil ich doch die Welt und alles, was in der Welt ist, verlassen muß. Laß mich alles Irdische ansehen als etwas Fremdes, so werde ich das Vaterland, das droben ist. um so viel eifriger suchen. Du bist in ein neues Grab gelegt worden, der du neue Ehre unsern Gräbern erworben und das Neueste und Unerhörteste auf Erden hervorgebracht hast, daß durch den Tod eines Gerechten allen Ungerechten das Leben wiedergegeben worden ist. Wie aber dein todter Leib in keinem andern als in einem neuen Grabe hat liegen sollen, so weiß ich auch, daß du in keiner andern Seele als in einer erneuerten ruhen willst. Ein altes Grab diente nicht zu deiner Ruhe in der Erde, und ein Herz mit alten Sünden befleckt dient nicht zu deiner Ruhe auf Erden. Ach! so erneuere meine Seele und heilige sie, daß du Lust habest darin zu ruhen. Reinige dies Herz wie ein übertünchtes Todtengrab, daraus man die vermoderten Gebeine und den stinkenden Unflath wirft, und mache mich zu deiner Wohnung, die dir gefällig ist. Du bist am Kreuze zwischen zwei Mördern gestorben, aber im Grabe eines Gerechten zur Ruhe gebracht worden. Ach, mein Hort und mein Leben, habe ich dich bisher mit meinen Sünden gekreuzigt und wie jene Schacher mit Mund und Hand beleidigt, so laß es vergessen sein und ruhe jetzt im Grabe des Gerechten,- in der Seele deines Knechtes, der durch dein Blut gerecht geworden ist! Mein Herz soll hinfort ein neues Felsengrab sein, darin der neue Mensch in Früchten des Geistes erstehe, und die Beständigkeit im Guten wie ein Fels anzutreffen sei. Du aber, o Fels meines Heils, mache mich stark nach dem inwendigen Menschen und laß den Fels meiner Hoffnung nimmer wanken! Laß die Freudigkeit meines Glaubens sein wie ein Haus auf einem Felsen gebaut, und meine Zuversicht auch im Tode lebendig bleiben, so werde ich keinen Tod und kein Grab scheuen. Der Tod kann mich ja auch nicht halten, und das Grab, wenn es auch wie dein Grab von Felsen wäre, muß mich wieder hervorgeben. Deine starke Stimme, o du Ueberwinder des Todes, wird mich allenthalben zu finden wissen, und in welchem Felsen, unter welchem Steine auch meine verwesliche Asche zerstreut läge, deine Hand wird sie doch wieder sammeln und herrlich machen. Dies glaube und hoffe ich, darum fahr' ich hin mit Freuden! Amen.
VII. Der verwahrte und versiegelte Grabstein.
Die Wuth der Juden gegen Christum war nicht zugleich mit ihm gestorben, denn auch nach seinem Tode rasen gegen ihn diese m Sünden Todte und die selbst so elend Verführten nennen ihn einen Verführer, weil er von seiner Auferstehung vorher geweissagt hatte und am dritten Tage die Erscheinung seiner Herrlichkeit versprochen. Dies will ihr Unglaube zu glauben verhindern, und sie begehren von dem Richter Kriegsknechte als künftige Zeugen gegen Christum. Und siehe da, diese müssen Zeugen für ihn werden! Die Wahrheit findet auch bei ihren Feinden Zeugniß, und was Gott beschlossen hat, müssen die Widerwärtigen befördern, wenn sie es hindern wollen. Menschenwitz und Menschenklugheit vermag doch nichts gegen Gott. Die von Pilato ertheilten Hüter werden Zeugen des Gehüteten. Der Grabstein wird ein Gedenkstein und ein herrliches Monument seiner Auferstehung, und das Siegel wird eine neue Befestigung dieser unläugbaren Wahrheit. So weiß Gott seine Werke herrlich auszuführen und durch die Rathschläge der Widerwärtigen selbst den Fortgang seines weisen Rathes zu befördern. Da müssen Josephs Brüder, die es übel gedachten mit ihm zu machen, ihm selbst den Weg zur Ehre bahnen, und da sie die Weissagung von ihm aus Neid verhindern wollen, selbige wider ihren Willen erfüllen. Es müsse uns aber der Juden Bosheit noch zu einem andern Zwecke dienen, daß wir nämlich, wenn wir Christum in unserm Herzen zu Grabe gebracht haben, nicht vergessen, das Grab wohl zu verwahren und den Stein des festen Vorsatzes davor zu wälzen, daß wir nicht wieder in vorige Sünden fallen wollen. Da sind wachsame Hüter von Nöthen, daß wir nicht in Sicherheit verfallen und unsers Schatzes beraubt werden; da sind Kriegsknechte von Nöthen, daß wir männlich kämpfen gegen alle, die uns um unsre Beilage bringen wollen; da ist das Tiegel des heiligen Geistes von Nöthen, welches er selbst auf unser Herz drücken muß! Darum betet:
Ach JESU, du Anfänger und Vollender meines Glaubens, dich bitte ich durch dein schmerzliches Leiden, durch deinen Kreuzestod und dein heiliges Begräbniß, laß mein Herz sein wie das Grab Josephs von Arimathia, daß du darin ruhen mögest und begraben werdest! Zwar ist es nicht bisher, wie jenes, anzusehen gewesen. Es ist, ach leider! nicht ein anmuthiges Gartengrab, wo die Rosen der Liebe vollkommen wachsen und die Blumen der Gottseligkeit einen süßen Geruch geben. Es ist auch allezeit nicht ein neues Grab, weil die alten Sünden mehr denn zu oft darin beherbergt werden. Noch viel weniger ist es einem Felsengrabe zu vergleichen, weil dies unbeständige Herz so oft von dir, dem beständigen Liebhaber des Lebens, abgewichen ist und ich elender Mensch, auch wenn ich das Wollen gehabt, das Vollbringen des Guten nicht habe finden können. Was Wunder nun. wenn du diese Seele ansehen wolltest wie jene übertünchten Todtengräber. worüber du geklagt hast, daß sie zwar auswendig wohl geschmückt, aber inwendig voller Koth und Unflath wären. Aber gedenke, HERR JESU, daß du eben darum gelitten hast, eben darum gestorben und begraben bist, daß meine Seele mit Gott, deinem himmlischen Vater, versöhnt und durch dein Blut gereinigt und erneuert würde. So lasse denn mein Herz als ein erneuertes Grab gelten vor deinen Augen, mache es zu einem Felsengrabe, daß es im Guten beständig und auf den Tag deiner herrlichen Erscheinung unanstößig behalten werde. Und wie dein Grab mit einem Steine verwahrt und versiegelt worden ist, so bewahre mein Herz und versiegle es durch deinen heiligen Geist, daß es vor allen Feinden behütet durch deine Macht bewahrt werde zur Seligkeit. Sei du selbst der Hüter dieses Grabes, wie du dessen Inwohner bist, und mache es durch die Kraft deines Todes fest und unüberwindlich, daß mich kein Unfall rühre. Es ist ja durch dich, mein Erbarmer, die Sünde versiegelt, die Missethat versöhnt und die ewige Gerechtigkeit wiedergebracht worden. Nun hilf, daß ich deinen heiligen Geist nicht betrübe, mit welchem ich versiegelt sein soll auf den Tag deiner herrlichen Erscheinung! Alles, was ich hier mit der Betrachtung deines schmerzlichen Leidens zu meinem Trost und Unterricht geschöpft habe, das versiegle in mir durch deinen Geist, daß ich in der Stunde des Todes mich deiner Wohlthat von Herzen tröste und kraft deines Todes und Begräbnisses alle Furcht des Todes und des Grabes überwinde. Setze du mich selbst wie ein Siegel auf dein Herz, daß auch in mir der feste Bund Gottes bestehe, der das Siegel hat: der Herr kennt die Seinen! Erkenne mich doch in der Noth, wenn ich dich anrufe, und gedenke, daß meine Seufzer kommen aus einer Seele, die du so theuer erkauft hast. Laß mich sein dein liebes Schäflein, o mein Hirte, welches das Zeichen deiner Liebe und das Siegel des Glaubens vor den Augen aller Welt trägt und das niemand aus deiner Hand reißen kann. Ich will bei deinem Grabe alle Lüste der Erde vergraben, alles Vergängliche bei Seite setzen und hinfort nicht mir selbst leben, sondern dem, der für mich gestorben und begraben ist. Dazu bin ich ja mit dir, HERR JESU, begraben durch die Taufe in den Tod, daß mein Leben mit dir in Gott verborgen sei, und wie du von den Todten wieder erweckt bist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch ich vor dir in einem neuen Leben wandle. Ach hilf, daß ich so dein Leiden betrachte, auf daß mein Leben gebessert und ich eine neue Kreatur werde! Amen.