Krummacher, Gottfried Daniel Andachten

Krummacher, Gottfried Daniel Andachten

Sprüche

Wer kann sagen: Ich bin rein in meinem Herzen und lauter von meiner Sünde?
(Spr. Sal. 20,9.)

Zwar meint der natürliche Mensch, es habe mit der Aufrichtigkeit nicht viel zu sagen, und rühmt sich derselben leicht, in allen seinen Werken, da er doch ganz davon entblößt ist. Desto mehr aber macht die Aufrichtigkeit heilsbringenden Seelen zu schaffen, und es ist ihnen oft sehr bedenklich, sich diese kostbare und wichtige Eigenschaft zuzutrauen, und mit Recht, denn arglistig und betrüglich ist des Menschen Herz, wer kann's ergründen? So beschreibt die Heilige Schrift das menschliche Herz, woraus, wie Jesus sagt, List, Schalkheit und Schalksauge hervorgeht. Er braucht drei Wörter, um die nämliche Sache zu bezeichnen und deutet damit an, wie groß und tief die Untugend sei, deswegen Er auch von einem krummen und verdrehten Geschlecht redet. Dem Aufrichtigen aber lässt Er es gelingen. Und so kommt es zum z. B. nicht auf das Maß der Traurigkeit, nicht so sehr auf die Stärke und Zuversicht des Glaubens, auf die Größe der Verleugnung, oder die Inbrunst der Liebe, sondern ihre Echtheit an. Wenn es nur echtes Gold ist, das mit Feuer durchläutert ist, und das Feuer vertragen kann, darauf kommt's an, nicht auf die Größe des Haufens. Zwei Pfennige gelten da mehr als hundert Groschen! (G. D. Krummacher.)

Hüter, wird die Nacht der Sünden
Nicht verschwinden?
Hüter, ist die Nacht schier hin?
Wird die Finsternis der Sünden
Bald zerrinnen,
Darin ich verweilet bin?

Amen.

Jesaja

Ist Meine Hand nun so kurz geworden, dass sie nicht erlösen kann? Oder ist bei Mir keine Kraft, zu erretten
(Jes. 50,2.)

Ach, wie tun ähnliche göttliche Erinnerungen einer bedrängten Seele so wohl, und setzen ihre Füße aus dem Schlamm aufs Trockene! Es kann eine Seele zagend niedersinken über ihre Sündenmenge. O, wie wohltuend ist's ihr da, wenn sie innerlich und kräftig an das Blut Christi erinnert wird, das zu unserer Versöhnung rann, wenn sie im Gefühl ihrer Schwachheit an Seine Kraft, im Gefühl ihres Elends an Seine Durchhilfe erinnert wird! Alsdann bekommt sie Flügel und verjüngt sich wie ein Adler. Wie angenehm beschirmt wird eine trauernde Christenseele, wenn sie nur einsieht, wie sie in ihrem Kummer das Blut, die Gerechtigkeit, die Gnade und Kraft JEsu Christi so übersehen und so wenig in Anschlag gebracht und bei ihrem Turmbau nicht in Rechnung gebracht hat! Da wird der Unglaube wohl mit sehr süßen Tränen beweint und abgeschworen, oder doch geschrien: ich glaube, lieber HErr! komm zu Hilfe meinem Unglauben, oder mit Hiob gesagt: „ich will's nicht mehr tun.“ (Kap. 39,35.) (G. D. Krummacher.).

Amen.

Matthäusevangelium

Mein Joch ist sanft und Meine Last ist leicht.
(Matth. 11,30.)

Man hat von dem Christentum irrige Vorstellungen, wenn man meint, es bestehe nur in Beschwerden, Lasten und Kämpfen. Freilich heißt es: „kämpft“; aber dieser Kampf ist doch ein guter Kampf und hat ein herrliches Ende; freilich heißt es: Ringt danach, dass ihr durch die enge Pforte eingeht. Einer erlangt das Kleinod, lauft nun also, dass ihr es ergreift. Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt tun, reißen es zu sich. Das ist alles wahr, aber ebenso wahr ist es auch, wenn Jesus sagt: Mein Joch ist sanft und Meine Last ist leicht. Schwer machen wir uns dieses Joch, wenn wir trachten, unsere eigene Gerechtigkeit aufzurichten, durch Wollen oder Laufen erschweren wir uns den Dienst des HErrn JEsu, der gesagt hat: „in Mir habt ihr den Frieden!“ Irrig ist es aber auch, wenn man meint, in lauter angenehmen Empfindungen und Erquickungen zum gewünschten Ziel zu kommen, und sich darein nicht finden kann, wenn man zuweilen eine Zeitlang auf den HErrn harren muss und daraus allerlei irrige Schlüsse macht, als ob ein Christ lauter angenehme und gute Tage haben müsse. Freilich wollte die stolze Natur dieses gern, die wünscht es nicht nötig zu haben, alle Tage und in allen Vorkommnissen dieses Lebens so arm, elend, jämmerlich, blind und bloß zu JEsu zu kommen und Seinem Rat zu folgen, Gold von Ihm zu kaufen! Aber dies ist der einzige wahre Weg, den uns das Evangelium zeigt. §Er muss wachsen, wir aber müssen abnehmen.“ Amen. (G. D. Krummacher.)

2. Korintherbrief

Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit Ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu, und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.
(2 Kor. 5,19.)

Welch eine gründliche, vollständige und standhafte Beruhigung schöpft der bußfertige Sünder aus dieser Versöhnung! Er lernt sie nicht sobald verstehen und seine Sünden verschwinden wie ein Strohhalm in der Glut. Er betrachtet sich nicht mehr wie einen Sünder, sondern wie einen Heiligen, nicht mehr wie einen Strafbaren, sondern wie einen Gerechten. Gott ist ihm nicht mehr wie ein strenger Richter, sondern wie ein gnädiger Vater. So vergeblich seine früheren Bemühungen waren, durch des Gesetzes Werk in seinem Gewissen eine frohe Hoffnung des ewigen Lebens, Trost im Leben und im Sterben zu erlangen, so reichlich fließen sie ihm aus diesem Brunnen zu. Freilich sind diese Wirkungen in ihrer tröstenden und heiligenden Richtung in diesem Leben unvollkommen, abwechselnd, mancher Störung und Unterbrechung unterworfen; sie sind aber auch nicht für diese Welt berechnet. In ihrer ganzen Fülle werden sie sich erst dort erweisen, wo dieser Friedensstrom alle Schleusen durchbricht und alles überschwemmt. Bis dahin sind wir wohl selig, aber in der Hoffnung, wissend, dass wir einen Bau haben, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das da ewig ist im Himmel! Amen. (G. D. Krummacher.)

Philipperbrief

Freuet euch in dem HErrn allewege, und abermals sage ich: freuet euch!
(Phil. 4,4.)

In der Tat eine sehr angenehme Pflicht, zu deren wirklicher Ausübung gar mancherlei erfordert wird, die von den Gläubigen in sehr unterschiedlichem Maß geübt wird. Es gibt allerdings unter ihnen solche, welche als auf ebener Bahn. geführt werden, deren äußere und innere Stellung, deren Temperament und körperliche Beschaffenheit, sowie die Gnade, die in ihnen lebt, samt ihren Verhältnissen zusammenwirken, um sie in einer gleichförmigen Heiterkeit fortwandeln zu lassen. Sie sind ebenso entfernt von besonderen Leiden, als auch von ausgezeichneten Freudenbewegungen, und halten sich auf einer gewünschten Mittelstraße. Wie selten aber sind solche Seelen, welche, wie Jakobus sagt, also in das Gesetz der Freiheit durchschauen, dass sie in demselben beharren, bei denen ein festes und einträchtiges Wesen begründet ist! Da ist's freilich nur Gott, der uns im Christentum befestigt. Es ist aber doch nichts Unmögliches, sondern kann wohl von der Gnade verliehen werden, dass sie wirklich Paulo auf eine bleibende Weise nach: sagen können: Ich bin gutes Mutes in Schwachheit, in Schmach, Nöten, Ängsten und Verfolgungen, denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark. Es bedarf nur des Gebots: Schöpft, so wird Jes. 12 erfüllt: Jauchze und rühme, du Einwohnerin zu Zion, denn der HErr ist groß bei dir! „Weicht, ihr Trauergeister, Denn mein Freudenmeister, JEsus tritt herein. Duld ich hier schon Spott und Hohn, Dennoch bleibst Du auch im Leide, JEsu, meine Freude!“ Amen. (G. D. Krummacher.)

Kolosserbrief

Und hat uns geschenkt alle Sünden.
(Kol. 2,13.)

„Und hat uns geschenkt alle Sünden;“ die Worte sind so klar, dass sie keiner Erläuterung, und die Sache so herrlich, dass sie keiner Empfehlung bedürfen. Und hat uns geschenkt alle Sünden! Es fällt mir dabei ein Römer ein, welcher, er mochte auch im Staatsrat vorzutragen haben was er wollte, immer mit den Worten schloss: „Karthago muss zerstört werden!“ So möchte und muss auch der Christ immer wieder darauf zurückkommen: Und hat uns geschenkt alle Sünden! bis das große Wort völlig kleben bleibt, bis es das ganze Haus seines Herzens mit lauter Friede und Ruhe, mit lauter Zuversicht und Liebe Gottes erfüllt, dass in ihm nichts als das „Abba, lieber Vater“ erschallt! Eine solche Erkenntnis wird niemand unfruchtbar sein lassen. Und dies geht auch billig allem anderen vorher , denn dies macht Mut, sich aufzumachen und zum Vater zu gehen und Ihm zu sagen: „Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor Dir!“ Der Apostel redet auch vom Glauben. So lerne man das denn zuvor recht von Herzen glauben: „Und hat uns geschenkt alle Sünden“ - so wird sich auch das Übrige schon regeln und wir die Schuhe anziehen, in welchen wir laufen können den Weg, der uns verordnet ist.

Sünder bin ich, ja das weiß ich,
Ein geborner JEsusfeind;
Brüder sagt, ach sagt mir fleißig
Von dem Armensünderfreund!
Sagt mir anders nichts als Jesum,
Der mein Heiland worden ist
Und Sein Blut gab zur Erlösung,
Welche nun mein Herz genießt!

Amen.

Hebräerbrief

Wir, die wir glauben, gehen in die Ruhe.
(Ebr. 4,3.)

Der Apostel stellt uns vorher als im gleichen Verhältnis mit den Kindern Israel vor, wenn er sagt: Es ist uns auch verkündigt gleich wie jenen. Was wird uns verkündigt? Die Verheißung, einzukommen zu Seiner Ruhe. Das Evangelium von Christo, die frohe Botschaft von der Gnade Gottes wird uns verkündigt. Da heißt's nun aber auch zu uns: Seht zu, dass ihr nicht in dasselbe Exempel des Unglaubens fallt, sondern glaubt an den HErrn Jesum, so werdet ihr selig, gerecht, rein, stark, fröhlich! Jedoch ist kein toter Mundglaube gemeint, sondern ein lebendiger, ein sich selbst und die Welt verleugnender Herzensglaube. Der erste Schritt zu demselben ist die Erkenntnis des Unglaubens, worin wir alle von Natur so tief stecken, verschlossen und begraben sind. O, wie ungeschickt werdet ihr euch zum Glauben finden, wenn's euch erst um den rechten Glauben zu tun ist; wie viele große und kleine Hindernisse werdet ihr antreffen, und wie oft euch genötigt sehen, auch eurerseits zu schreien: Komm zu Hilfe meinem Unglauben! HErr, stärke uns im Glauben! Welch einen Kampf des Glaubens werdet ihr wahrscheinlich zu kämpfen bekommen! Aber kämpft ihn! Ringt um den wahren Glauben lange, bis ihr auch mit jenem Blindgeborenen niederfallen, anbeten und sagen könnt: ich glaube! O, wie glückselig werdet ihr dann sein, denn wir, die wir glauben, gehen in die Ruhe; wer glaubt, hat das ewige Leben, wird selig; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden, denn ohne Glauben ist's unmöglich Gott zu gefallen. So glaubt denn, damit ihr gerecht und Erben werdet des ewigen Lebens! „Lamm und Haupt, Es sei geglaubt und alles auf die Gnad gewagt!“ Amen. (G. D. Krummacher.)

Darum ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volk Gottes.
(Ebr. 4,9.)

Was wird's einst sein, wenn die müden Streiter, von dem mühseligen Kampfplatz dieser Erde erlöst, auf immer und vollkommen erlöst, eingeführt werden in die ewige Ruhe! Aber etwas Ähnliches ereignet sich hienieden schon, sonderlich alsdann, wenn die geängstigte Seele, sie, die kein Durchkommen mehr sah und ihre Errettung fast für ein Stück der Unmöglichkeit hielt, sie, die sich nicht vorstellen konnte, dass sie je eine fröhliche Stunde auf Erden mehr würde haben, will geschweigen, zu einer wahren Freude und zu der gewissen Versicherung ihrer Begnadigung, ihrer Kindschaft und ihres unbezweifelten Anteils am ewigen Leben gelangen könne, sie, die es nur niederschlug, wenn man ihr Mut zusprechen und sie zum Glauben ermuntern wollte, weil alles gewiss noch einmal ganz gut gehen werde, und die vollends zaghaft wurde, wenn sie andere getrost und freudig sah, wenn eine solche Seele nun oft ganz unerwartet und schnell von der Finsternis zu des HErrn wunderbarem Licht berufen und tüchtig gemacht wird, Seine herrlichen Tugenden zu verkündigen; wenn der Vater den verlorenen Sohn, da er noch fern ist, erblickt, ihm entgegeneilt, umarmt, aufs schönste schmückt und köstlich bewirtet! Da hört man auch einen Gesang und Reigen und oft weiß sich die nun getröstete Seele gar vor Freude nicht zu fassen. „Höchst erwünschtes Seelenleben, Ach, wie unbekannt bist du, Da des Geistes Kräfte streben Nach der goldnen Himmelsruh!“ Amen. (G. D. Krummacher.)

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