Krummacher, Friedrich Wilhelm - Salomo und Sulamith - Er ist es gar!

Krummacher, Friedrich Wilhelm - Salomo und Sulamith - Er ist es gar!

Fünfzehnte Predigt

Hohelied Salomons 1, 13.
Mein Freund ist mir ein Büschel Myrrhen, das auf meiner Brust übernachtet.

Wir vernehmen in den verlesenen Worten die Stimme der Braut. Sie rühmt ihren Herrn und Heiland, und meldet, was sie an Ihm habe. O, sie hat viel an Ihm, ja Alles; darum ist ihr Freund allewege vor ihr, ja wie ein Büschlein Myrrhen ist Er, das auf ihrer Brust übernachtet. Es steht jedoch nicht jede begnadigte Seele so zu ihrem Herrn, wie sie. Der Ausspruch der Sulamith an unserm Orte wird gewöhnlich erst zur bleibenden Herzenslosung, wenn man vorab eine Weile in allerlei selbsterwählten Heiligungsbestrebungen sich versucht hat, und zu Schanden geworden ist. Nicht wahr, ihr mögtet gern vernehmen, wie man zu der Stellung Sulamith's gelange? Ihr sollt es hören. In aller Kürze will ich euch den geistlichen Lebensweg der mehrsten Christen vor Augen malen, und das Gesagte, so weit es die Zeit erlaubt, mit den Erfahrungen jenes gläubigen Predigers zu belegen suchen, dessen Selbstgeständnisse ich in diesen Tagen, ich gestehe es mit hohem Interesse, gelesen habe. Ich werde euch zeigen:

  1. Was man gewöhnlich im Anfange des Christenstandes will.
  2. Wie man's zu erzielen hofft.
  3. Wohin man gelangt.

I.

Das also haltet vor Allem fest, daß wir von Christen reden. Es handelt sich von Menschen, die nicht blos erweckt, die schon bekehrt, begnadigt, in ihrem Innern beruhigt sind. Im Gefühl ihres verlorenen Zustandes kamen sie weinend zu dem Sünderfreunde und suchten Vergebung. Sie haben gefunden, und sind sich dieses Fundes auch bewußt, und in diesem Bewußtsein vergnügt und selig. Dieser Glücklichen Einen, dem eben solch lieblich Loos gefallen, fassen wir näher in's Auge. O wie froh ist dieser Mensch! wie leicht und heiter fühlt er sich, einem Vöglein vergleichbar in den Bäumen! Er tauschte in der That mit keinem Könige, daß er nur in diesem Elemente bliebe, und das apostolische Wort verstände: „Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christum, so wandelt in Ihm!“ Aber er gibt diesem Spruche eine falsche Deutung, und lange währt es nicht, da steigt ein Wollen in ihm auf, an das sich eine ganze Kette von Kämpfen, Sorgen und Mühseligkeiten für ihn knüpfen wird. Er will noch etwas Anderes, als seinen Christum; ein Anderes noch, als die Freude in dessen Verdiensten. Ein Gleiches widerfuhr dem lieben Prediger, von dem ich sagte. Als ihm vergeben war, dachte er: - und wer will diesen Gedanken als solchen schelten? - das Alte ist nun vergangen; so muß jetzt Alles an dir neu, und du selbst in all deinem Thun und Lassen als ein andrer aus Gott geborner Mensch erfunden werden. Und so griff er denn „das Ablegen des alten, und das Anziehn des neuen Menschen“ mit allem Ernste an, meinend, das sei die Sache, die es jetzt einzig gelte, und welche er, versteht sich unter Gottes Beistand , durch Anwendung der ihm verliehenen Kräfte zu erledigen habe. Ein so lückenhaftes, unvollkommenes Christenthum, wie das der meisten sei, sollte man bei ihm nicht finden; vielmehr wollte er, was es auch immer kosten mögte, als ein rechter und ganzer Nachfolger Jesu dastehn. Dazu entwarf er sich denn seinen Plan, und hoffte durch stufenweise Ablegung einer Unart um die andere binnen zehn, oder doch sicher binnen zwanzig Jahren etwas Bedeutendes „zu Lobe der herrlichen Gnade“ werden zu können.

So aber macht man's gemeiniglich im Anfang. Man denkt: die beiden Catechismusfragen: „wie groß meine Sünde und Elend sei, und wie ich von solchem Elend möge erlöset werden,“ habe ich nun lebendig inne; jetzt muß ich mit dem Kapitel „von der Dankbarkeit“ in die Praxis. Und freilich, der Wille ist gut, doch näher besehen steckt Manches dahinter, das nicht taugt. In jene tiefe Erniedrigung, in der man nur Sünde vor dem Herrn aufzuweisen hat und allein von Gnade leben muß, will man nicht gern hinein. Mit der Zeit wäre man doch auch wenigstens Etwas gern in sich und möchte dem Herrn nicht immer nur einen armen Missethäter zu präsentiren haben. Hört unsern Prediger. Daß man im Anfang der Bekehrung als ein ganz nackter Uebertreter zu Christo kommen müsse, das, sagt er, habe er wohl begriffen. Daß man aber müsse ein armer Sünder bleiben; daß man sogar bei allem Wachsthum in der Gnade sein ganzes natürliches Elend und Verderben einmal, wie das andere, ja je länger je mehr in sich zu fühlen bekommen, und somit stets ärmer und gnadenbedürftiger werde, das habe ihm durchaus nicht eingewollt. Das sei vielmehr ein Punkt, in den er sich selbst gegenwärtig noch nicht allemal gleich zu finden wisse, sondern daran er täglich, ja stündlich noch zu lernen habe. „Wenn aber,“ bezeugt der theure Mann, „vor Gott kein Fleisch sich rühmen, wenn neben dem freien Erbarmen die Heiligung und Aufopferung Christi für uns der einige Grund unseres Seligwerdens, und der Glaube an den Versöhner der alleinige Weg, dazu zu gelangen, sein und bleiben soll, so darf es wohl nicht so gehen, wie ich mir die Vorstellung gemacht und es gehofft habe; sondern so muß Gott das Böse, das in mir wohnt und mein ist, ob ich es schon nicht will, zu meiner Demüthigung mir lassen, ohne auch nur ein einziges Stück davon ganz von mir zu nehmen; und das Gute, das in Ihm wohnt und Sein ist, ob ich es gleich gar gerne in mir hätte, zu seiner Verherrlichung in sich behalten, ohne mir auch nur einen einigen Acht- und Lebensfunken so davon mitzutheilen, daß ich ihn als ein eigenes, selbsterrungenes, in meiner Gewalt beruhendes und zu meiner Verfügung gestelltes Gut ansehen, und immer darauf rechnen könnte. Die wahre Besserung des Menschen,“ fährt unser Prediger fort, „die ein Stück von dem Heilwerden durch Jesu Wunden, und eine Frucht des Geistes ist, bleibt deswegen nicht aus, wenn man gleich nie über den Sünderpunkt hinaus, noch dazu kommt, daß man dem Verderben immer weniger, und von dem rechtschaffnen Wesen immer mehr in sich gewahrt. Im Gegentheil befördert dieselbe nichts so sehr, als daß man immer Sünder sein und bleiben muß.“ Jawohl! der Mann hat Recht. Der Hauptschade des menschlichen Herzens, die Eigenheit, wird nirgends gründlicher geheilt, als in diesem tiefen Wege. Da lernt man das eigene Leben verlieren, und Christo ganz allein die Ehre geben, und was einmal Gutes an uns kommt, jede Bewahrung vor der Sünde, jeden Sieg über die Versuchung, jeden aufsteigenden Seufzer zu dem Herrn, jeden richtigen Gedanken, jedes Wort zur rechten Zeit geredet - als etwas Geliehenes lernt man's ansehn, das uns nicht angehört, sondern von einem Augenblick zum andern eben sowohl als ein unverdientes Gnadengeschenk aus Gottes Erbarmen uns zufließen muß, wie die Vergebung der Sünden um des Verdienstes Christi willen.

II.

Was man im Beginn des Christenlebens gewöhnlich will, haben wir gehört. Man legt es darauf an, heilig und heiliger zu werden in sich selbst. Dazu schlägt man verschiedenartige Wege ein. Laßt euch erzählen, wie unser Prediger das Ziel zu erreichen glaubte. Zuerst versprach er sich einen großen Erfolg von einem anhaltenden Lesen, Durchforschen, Betrachten und Wiederholen des göttlichen Wortes. Er meinte: des Morgens mit einem Bibelsprüche aufstehn, den Tag über dieses- oder jenes Schriftart wiederholt sich vorsagen, des Abends über heiligen Betrachtungen in den Schlummer fallen, das werde die Besserung wachsen machen, wie die Weiden an den Wasserbächen. Aber seine Hoffnung betrog ihn. Er fand nicht, daß sich die Lüste des Fleisches von seinen Bibelsprüchen bis zum Verstummen, oder gar bis zum Abzug imponiren ließen. Später sah er auch ein, wie zu jener Zeit sein Vertrauen zum göttlichen Worte mehr ein gewisser Aberglaube, als der rechte Gebrauch desselben gewesen war, und daß er sich der Bibelsprüche mehr nur als einer Art von Zaubermitteln und Amuleten habe bedienen wollen, durch deren Mithülfe er den Zweck seiner Selbsterhöhung zu erreichen hoffte. Das Wort hatte er gewissermaßen zu seinem Heiland und Sündentilger machen wollen, nicht Jesum selber; und somit bei dem Wegweiser Heil und Hülfe gesucht, statt Alles allein zu suchen bei Dem, auf welchen jener hinweist.

Da es nun auf jenem Wege nicht gerathen wollte, gedachte er es einmal mit dem Gebete zu versuchen; und so ging es denn an's Händefalten und Niederknien. Da ward gebetet zu festgesetzten Stunden, und in der Zwischenzeit; allein und in Vereinigung mit Andern; stehend, und am Staube liegend, und häufig mit einer Anstrengung, und mit einer erzwungenen Heftigkeit, daß man's auf der Gasse hören mochte. Aber auch auf diesen Sprossen kam der arme Mann nicht vorwärts. Es erschien das nicht, um was es ihm vor Allem ging. War doch auch sein Beten nur ein beständiges sich selber helfen, ein eigenmächtiges erraffen, erzwingen Wollen eines Gutes, das aus der Hand der Gnade will empfangen sein. Später leuchtete es ihm ein, er habe wirklich nicht geglaubt, daß der Gebetskampf Jesu in Gethsemane und sein Blut am Kreuze in Wahrheit Alles schon gethan, und das Herz Gottes bereits für uns erweicht, gewonnen und zum Zusagen geneigt gemacht habe; er habe vielmehr in der fleischlichen, eigengerechten Meinung gestanden, er müsse mit vielem Bitten, Flehn und Weinen gleichsam durch den Zorn Gottes erst sich durcharbeiten, und dem Ewigen das Erbetene mehr als einen Lohn, denn als eine Gnade abdingen und abringen. Kurz auch auf diesem Wege ward nichts erbeutet, als etwa ein tieferes Bewußtsein seiner Sündigkeit. Der Selbstruhm, ein gesalbter Beter zu sein, ging unter diesen Versuchen still zu Grabe. Er ward gewahr, wie all sein Beten nur ein gemachtes Werk, und nicht ein Sprudeln aus lebendiger Quelle sei, und so fiel sogar auch noch, was er an Schmuck schon zu besitzen meinte, nach und nach in ekeln Lumpen von ihm herunter.

Doch die Hoffnung, an's Ziel zu kommen, ward noch nicht aufgegeben. Nun sollte es vor Allem durch einen heiligen Ernst in der Verleugnung der Welt, sowie durch Strenge in Kreuzigung und Ertödtung des sündlichen Fleisches erzwungen werden. „Ja,“ sprach der tapfere Ringer zu sich selbst, „wenn du deines alten Menschen in keinem Theile schonen, sondern ihm alle Tage mit einem „Der Alte sterbe! An's Kreuz mit ihm!“ zu Leibe gehen wirst, so kann's nicht fehlen, daß das sündliche Leben in dir entkräftet, der Geist aber ausschließlich Herr und Meister in dir werden wird.“ Und so wurde es denn auf das Ertödten der Glieder, die auf Erden sind, nach Kräften angelegt, und dem Fleische in allen Stücken die Schraube aufgesetzt. Der Anzug, wie der Genuß der Speise wurde auf das Notdürftigste beschränkt, und der Liebe zur Gemächlichkeit ein bitterer Hohn geboten. Der Gebrauch der Augen, Ohren u. s. w. blieb nur für einen kleinen, ernsten Kreis ihm frei, und tausendmal wurde ihm von dem, deß es gelüstete, das saure Gegentheil geboten. Ja es wurden selbst Versuche gemacht, mit Peitschen und Ruthen dem alten Menschen seine Phantasien und Gelüste zu vertreiben; aber wohin schlug das Alles aus? „Ich habe gefunden,“ bekennt er selbst, „daß das Alles ein bloßes geistliches Spielwerk, und an sich selbst nichts ist. Ich habe gefunden, daß der alte Mensch ein stärkeres Leben hat, als daß er nach und nach auszuhungern, oder zu Tode zu necken und todt zu peitschen wäre. Ich habe gefunden, daß man nur darum so geneigt ist, seine Zuflucht zu der ohnmächtigen armseligen Selbsthülfe in der Bekämpfung seiner unordentlichen Neigungen zu nehmen, weil man gar zu gerne das Kreuz Christi vorbei ginge, und es immer, wenn auch noch so sein und versteckt, darauf anlegt, sein eigener Heiland und Erlöser zu werden. Ja, die Schrift hat in den Stellen, welche von Kreuzigung des Fleisches handeln, vollkommen Recht; aber ich habe die Ausdrücke derselben nicht in dem rechten Sinn genommen, und es in der Befolgung und Ausübung noch viel weniger getroffen.“ So unser Freund. Ja, später ward es ihm klar: wenn irgendwie die bösen Regungen des Fleisches zu überwinden seien, dann nur in dem lebendigen Genüsse der beseligenden Wahrheit, daß Christus an seinem Kreuze unsern alten Menschen vor Gott bereits vernichtet habe; dann allein vermöge eines fröhlichen Glaubenslebens im Element der freien Gnade; dann dadurch nur, daß man sich seiner Freiheit und Vollkommenheit in Jesu freue, und sich um nichts mehr kümmere, als um das, was man in Christo sei und habe.

III.

Zehn Jahre hindurch hatte sich der heiligungsdurstige Mann, von dem wir reden, in seinen gesetzlichen Versuchen abgemüht; und siehe da, nicht nur nichts erworben hatte er auf diesen Wegen, sondern nur eingebüßt. Der Friede seines Herzens war weg; fort sein Muth, entschwunden die Hoffnung, daß je was Rechtes aus ihm werden werde; verloren Alles, was von eigener Gerechtigkeit und Kraft noch in ihm übrig war. Aber diese schmerzlichen Einbußen waren, richtig gewürdigt, nur Gewinn für ihn; denn durch sie drang er durch in den rechten Stand, und auf die rechte Straße. Der Koth seines so mächtig in Erfahrung gebrachten Elends wurde ihm eine heilsame Salbe auf seine Augen. Er fand den Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium, zwischen altem Testament und neuem. Christus wurde ihm in seiner ganzen Herrlichkeit verklärt. Er erkannte, wie er Alles besitze, wenn er Christum habe. Es ging ihm nun das große Licht auf, daß er schon in Christo gekreuzigt, gestorben, auferstanden und in das himmlische Wesen versetzt sei; ja daß er in Christo dem Ewigen durchaus gefalle, indem ja die Gerechtigkeit jenes großen Bürgen ihm geschenkt sei. Als arger Frevel erschien es ihm mit einem Male, sich irgend eine andere Würdigkeit anstreben zu wollen, als die man in Christo schon besitze; verabscheuungswürdig, für etwas Anderes noch Sinn und Zeit zu haben, als für die freudige Bewunderung der großen Gnade, zu der in Christo man gelangte. Elend erschien es ihm, zu Dem, der uns mit seinem Blut erkaufte, sich nicht auch in aller Ruhe versehn zu wollen, daß Er uns auch so heilig machen werde, als es unser hoher Beruf erfordre; erbärmlich, die selige Ehe mit ihm zu brechen, und sich wieder buhlerisch mit dem Gesetze einzulassen.

So wurde denn die Loosung Sulamith's in unserm Texte auch die seine. „Mein Freund,“ frohlockte sein Inneres, „ist mir ein Büschel Myrrhen, das auf meiner Brust übernachtet!“ Mit nichts wollte er's nun mehr zu thun haben, als mit Christo. Den im Auge zu behalten, und Ihn allein, war jetzt das einzige Dichten und Trachten seiner Seele. Wohlan, er sage es uns selber, zu welcher Einsicht er gekommen. „Man hat überall im Christentum nichts zu thun,“ spricht er, „als nur zu glauben, anzunehmen, zu genießen; und wenn es in irgend einem Stücke weiter, und über das einfältige Glauben und Genießen hinaus geht, oder das Geschäft des Herzens was Anderes, als das ist, was in der Bibelsprache Glauben heißt, so steckt sicher eine falsche Einbildung von einem eigenen Können und Vermögen dahinter; so kommt es nur zu einer unrechten, und aus dem rechten Wege führenden Eigenwirksamkeit; so läuft es am Ende auf nichts Geringeres, als auf Verleugnung der Kraft des Kreuzes Christi, und auf Erhebung seiner selbst hinaus, wobei man sich zwar sehr abarbeitet und ermüdet, aber doch nichts gewinnt, sondern von Seiten Gottes überall Widerstand findet.“

So unser Freund. Ehe er fortan an irgend sonst was dachte, sah er sich immer nur nach dem rechten Leben und Wohlsein des Herzens aus der Versöhnung Jesu um. Von nun an stand er Morgens nicht mehr auf mit allerlei gesetzlichen Vornahmen, sondern mit dem Freude gebährenden Bewußtsein: „Ich habe Christum; was fehlt mir noch?“ So blieb sein Freund auf seiner Brust die Nacht der Erdenwallfahrt durch, bis zu des großen Tages Anbruch; und freilich ward ihm sein Freund „ein Büschlein Myrrhen.“ Myrrhen, dies kräftige, wohlduftende Gewürz, ihr wißt, es stärkt das Herz, es bewahrt vor Fäulniß, es scheucht die Ohnmacht, es belebt die Nerven, es wehrt der Verwesung. Nun seht, dies Alles, und ungleich Größeres, geistlich thut's Christus der Gekreuzigte, wo man in wahrem Glauben Ihn umfangen hält. „Aber wie? so kam der Prediger also jetzt zum Ziel und erlangte die Heiligungsstufe, die er erstrebte?“ Laßt euch sagen, meine Lieben: wenn irgend was im Stande ist, den alten Menschen zu bändigen und zu binden, die böse Lust zu dämpfen, die Welt uns zu vergällen, einen Standpunkt uns zu geben über der Welt und ihrem armen Treiben, und für die Ehre Gottes uns zu entflammen: dann der Glaubensumgang mit den Gütern, die in Christo uns geschenkt sind; der Genuß des neuen Testaments in seinem Blut; ein stilles Herzensleben im Elemente seiner Lieb' und Gnade. „Also unser Freund jetzt heilig?“ Hört, seine Umgebung wollte behaupten, daß eine große Veränderung mit ihm vorgegangen, daß er demüthiger geworden sei, als sonst, leutseliger, sanfter, versöhnlicher, nachsichtsvoller, geduldiger; kurz daß man, was was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohl lautet, und was zu den Früchten des Geistes sonst gehört, nie so an ihm entfaltet gesehen habe, als seitdem. Die Umgebung wollte es bemerken; aber er selber wußte davon nichts. Er wußte nur, - und es däuchte ihm, er erführe es täglich mehr, - daß er in sich ein armer Sünder sei, in Christo aber heilig und gerecht vor Gott; und freilich, dieses Bewußtsein ist der Boden, auf dem, wenn irgend wo, die Himmelsblumen wachsen, die wir mit dem Namen der christlichen Tugenden zu bezeichnen pflegen.

Genug! der Herr erleuchte auch uns, ihr Brüder, und zeige auch uns die rechte Spur. In Christo ruht unser Alles. Er ist es gar! Bei diesem offenen Brunnen gilt es niedersitzen, allaugenblicklich schöpfen. Die Gnade schenke uns den Durst, das Gefäß, die schöpfende Hand! Sie mache unsere Seele nur fröhlich in dem Herrn. In allem Betracht ist uns geholfen, wenn wir uns unsres Gottes freun, und von Herzen mit unserm Dichter singen können:

O Fels des Heils! am Kreuzesstamm
Für meine Sünden, wie ein Lamm,
Gemartert und geschlachtet.
Dein Leiden ist ein Büschlein mir
Aus Myrrhen, welches für und für
Auf meiner Brust vernachtet.
Wo ich
Stets mich
Wohl erquicke,
Und erblicke,
Seelenweide,
Ja die Wurzel aller Freude. Amen.

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