Krummacher, Friedrich Wilhelm - Der Erndtesegen.

Krummacher, Friedrich Wilhelm - Der Erndtesegen.

Predigt über Lucas 12, 16 - 21. gehalten am Erndtedankfest

Lucas 12, 16-21.
Und er sagte ihnen ein Gleichniß, und sprach: Es war ein reicher Mensch, deß Feld hatte wohl getragen. Und er gedachte bei sich selbst, und sprach: Was soll ich thun? Ich habe nicht, da ich meine Früchte hinsammle. Und sprach: Das will ich thun; ich will meine Scheunen abbrechen, und größere bauen, und will darein sammeln alles, was mir gewachsen ist, und meine Güter, und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrath auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink, und habe guten Muth. Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und weß wird es sein, das du bereitest hast? Also gehet es, wer ihm Schätze sammlet, und ist nicht reich in Gott.

Das Erndtedankfest geht heute durch unser Land, und fordert Opfer des Lobes für den Herrn. Ach, träte es überall mit dem eben verlesenen Gleichnisse in die Gemeinden herein, so gebührte ihm mindestens die Anerkennung, daß es, wenn auch nicht eben schmeichlerisch, so doch sehr passend und zeitgemäß seinen Text gegriffen habe. Ich sage nicht zu viel, wenn ich behaupte, daß nicht anders, als der gottentfremdete Mensch in unserm Evangelium, in unsrer materialistischen Zeit Millionen ihr Erndtefest begehen. In solcher Feier aber beurkundet sich eine Gesinnung, die Gott ein Greuel, und unbedingt von Ihm vermaledeyt ist. Ja, „wer auf sein Fleisch säet, der wird vom Fleische das Verderben erndten“; und „die irdisch gesinnt sind, deren Ende ist die Verdammniß.“ -

Wie der Unglaube Erndtefest hält, und wie der Glaube; oder, daß ich concreter rede: wie das Weltkind zum Erdengute sich verhält, und wie der gläubige Christ; dessen uns klar bewußt zu werden, sei der Zweck unsrer heutigen Betrachtung. Wir werden die beiden Menschenklassen wesentlich auseinander gehen sehen zuerst in ihrer Anschauung von dem empfangenen Gottessegen; sodann in dem Gebrauch, den sie von demselben machen; und endlich in dem Abhängigkeitsverhältniß, in dem sie zu demselben sich befinden.

Sei der Herr mit unserm Worte, und mache Er's zu einem Hammer, der Felsen zerschmeißt, und zu einem Feuer, das Erz und Eisen schmelze!

l.

Der Herr aller Herrn redet. Wer Ohren hat zu hören, der höre! In ein sehr niederes Gebiet geht er diesmal mit seinen Schilderungen ein. Aber er kam nicht, um mit poetischen Blumenguirlanden die Verderbenstiefen unsrer Natur zu verschleiern, sondern überall sie aufzudecken, und dann die Heilmittel für unsre Schäden uns an die Hand zu geben. „Es war ein reicher Mensch“, beginnt er, und sagt hiemit freilich noch weder etwas für diesen Menschen aus, noch wider ihn. Irdischer Besitz kommt bei der Entscheidung unsrer ewigen Angelegenheiten nicht in Betracht. Ein leiblich Armer kann Gott angenehm sein vor dem Reichen, wie ein Reicher - denkt an Nicodemus und Andre - vor dem Armen. Gott stehet das Herz an. Gold und Silber werden in der Waage des Heiligthums nicht mitgewogen. Reich oder arm, für Gottes Reich nur warm; groß oder klein, in Christi Blut nur rein! So heißt die Losung! Uebrigens bleibt es wahr, daß den Boden, auf dem ein Reicher geht, eigenthümliche Versuchungsnetze bedecken. Die Geschichte des begüterten Jünglings im Evangelium veranlaßte den Herrn zu dem ernsten nachdenklichen Ausspruch: „Es ist leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher in's Himmelreich komme.“

„Es war ein reicher Mensch.“ So der Herr. Wen friert nicht bei dieser kühlen Bezeichnung des Individuums? Nur allgemein wird die Gattung genannt, der er angehört, und nicht einmal sein Name. Ist's nicht, als wolle der Herr damit andeuten, er kenne den Menschen weiter nicht, wie hoch er immer stehn möge in den Augen der Welt; Ihm sei er ein Fremdling? Schrecklich dies! O tausendmal lieber von der ganzen Welt übersehen, ja mit Füßen getreten sein, aber in dem einsamen Winkel, in den man sich zurückgedrängt erblickt, an dem Bewußtsein sich erholen können: „Gott kennet mich, und ist mir hold“; als auf den glänzendsten Höhen menschlicher Anerkennung prangen, aber sich sagen müssen: „Im Herzen Gottes wohnest du nicht, und in dem Buche seiner Freunde steht dein Name nicht verzeichnet!“ Ja, Assaph hatte Recht, als er mit freudigem Trotz daherrief: „Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und nach Erde; und wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist Du doch, o Herr, meines Herzens Trost und mein Theil!“

„Des Menschen Feld hatte wohl getragen“, fährt der Herr fort. Diese Worte enthalten schon vorläufige Charakteristik. Der Herr redet hier nämlich aus der Seele jenes Mannes heraus, nach dessen Anschauung nicht Gott seine milde Hand über ihn aufgethan, sondern nur sein Feld ihm wohl getragen hatte. Das Feld bildete seinen ganzen Gesichtskreis; und verstiegen sich seine Gedanken je zuweilen etwas höher, so war es doch nur bis zur Regenwolke oder zum Sonnenschein, welche das Gedeihen seiner Saat bedingten; aber nicht bis zu dem, der Beides, Sonnenschein und Regen, sendet. Von Leuten dieser Art, denen, ohne daß sie gerade ausgesprochene Atheisten sind, der lebendige und persönliche Gott gänzlich abhanden gekommen ist, wimmelt die heutige vom Satan verblendete Welt. Was sie essen, was sie trinken und womit sie sich kleiden, das reicht ihnen nach ihren Begriffen nur die Natur. Was sie besitzen, verdanken sie lediglich sich selbst, oder dem Zufall. Ihr Elenden! warum tragt ihr das Haupt doch aufrecht, und wozu ward euch neben den fünf Sinnen der unsterbliche Geist gegeben, die ihr über den Gesichtskreis der vernunftlosen Thiere nicht hinaus kommt, und mit ihnen auf dem Bauche kriecht und Erde esset? Wie tief gefallen, wie schauerlich verkommen seid ihr! Wo blieb bei aller eurer Bildung und Gesittung nach Außen hin auf eurer Stirn der Stempel wahrer Menschenwürde? O erwachet von euerm Todesschlafe! Kommt zu euch selber! Der Richter ist nahe; und wehe euch, werdet ihr, wann er kommt, noch bei den Ködern betroffen, die über euch bisher einen so schmählichen Zauber übten! -

Wie so ganz anders, als ihr, schaut der gläubige Christ, der Mensch, dem Gott die Augen geöffnet hat, ins Erndtefeld hinaus! Ihm hat nicht „das Feld nur wohl getragen“, sondern der Allmächtige that über ihm den Schatz seiner Milde auf. Er sieht seinen Acker nicht blos mit Halmen und Garben, sondern zugleich mit den Fußtapfen dessen bedeckt, auf welchen „Aller Augen warten, auf daß er ihnen gebe ihre Speise zu seiner Zeit.“ Lerchenartig schwebt er über den Höhen der Erde, und seiner Brust entströmt der frohbewegte Liedesklang: „Er sitzt dort hoch in stiller Einsamkeit und denkt an unser Wohl; den Vaterschooß voll Wohlthat weit und breit, und beide Hände voll!“ Ja, der Christ gewahrt überall das Walten des lebendigen Gottes. Der Herr war's, der es auch in diesem Jahre, wie immer die Welt ihren Weg verderbte, in seiner Langmut!) wenigstens an dem Nothdürftigen uns nicht gebrechen ließ; der Herr, der zugleich auch wieder, uns Sünder zu wahrschauen, da und dort an Wurzel und Frucht unserer so verheißungsreich aufgesproßten Saaten und Pflanzungen die geheimnißvollen Krankheiten sandte; der Herr, der, um uns unsre Abhängigkeit von ihm zum Bewußtsein zu führen, es geschehen lässet, daß, während die Bäume unsrer Gärten unter der Last ihrer Früchte zu brechen dröhn, ein dumpfes Grauen vor der Pest, die im Finstern schleicht, den Leuten gleichsam die Hälse zuschnürt, daß sie nicht genießen können, was ihnen so reichlich gewachsen ist. Dieses Alles thut in den Augen des Gläubigen der Herr, wie es denn wahrhaftig kein Anderer thut, als Er. So schwingt sich der Glaube hoch über das materielle Erndtefeld empor, und sieht allwärts die Ewigkeit in die Zeit, das Himmlische in das Irdische herüberragen. Er begeht sein Erndtefest zerfließend in Dank und Beschämung vor dem unerschöpften Urquell alles Segens, anbetend gerührt über die Langmuth des Allmächtigen gegen die Uebertreter, und in huldigender Beugung vor der erhabenen, souveränen Majestät dessen, der auch auf seinem Haupte die Haare gezählt hat; und wer heute das Fest in einem andern Geiste feiert, als in diesem, den treffen die furchtbaren Worte Jehovah's beim Propheten: „Thue hinweg von mir das Geplärr deiner Lippen, denn ich mag deines Psalterspiels nicht hören!“

2.

Wie in der Anschauung von dem empfangenen Gottessegen, ebenso wesentlich gehn der Weltmensch und der gläubige Christ in der Verwendung und dem Gebrauche desselben auseinander. In dem Lebensbilde unsres Evangeliums treten jetzt Züge auf, in denen das Kind des Unglaubens sein tiefstes Innere uns erschließen muß. Und was ist's nun für ein Mensch, der in dem Gutsherrn, dessen Feldmark wohl getragen hatte, uns entgegentritt; ist's ein Wucherer, ein Geizhals gröberen Schlages, ein ausgemachter Betrüger? Dieses Alles läßt sich von ihm nicht eben sagen. Die Welt, mit der er lebte, lobte ihn vielleicht als einen trefflichen Landwirth. Ja, vielleicht galt er bei ihr für einen „reputirlichen Mann“, wie sie es nennen. Vielleicht prangte er in öffentlichen Aemtern, wenn ihn nicht gar die Bürgerkrone zierte. Wer er aber in den Augen dessen war, der den letzten Spruch hat, und von welchem es eine Appellation nicht weiter giebt, werden wir gleich vernehmen. Die Geschichte erzählt: „Der Mensch gedachte (nämlich Angesichts seines Erndtesegens) bei ihm selbst.“ Er ging zu Rathe, und daran that er wohl; aber leider pflog er nur Rath mit sich und seinem Fleische. Eine höhere Instanz für seine Entscheidungen kannte er nicht. „Was soll ich thun?“ hören wir ihn fragen; „ich habe nicht, da ich meine Früchte hinsammele!“ Entsetzlich dies! Er steht mitten im Lichte der göttlichen Offenbarung, und eine solche Frage kann noch über seine Lippen kommen! Er hat keine Ahnung von der Absicht, in welcher Gott ihn so reich gesegnet habe. Keine Erinnerung ist ihm geblieben an die so bestimmten Anweisungen, die für diesen Fall das untrügliche Gotteswort bei Mose und den Propheten ihm ertheilt. O Mensch, ein Haushalter und Handlanger des Allmächtigen sollst du sein mit deinem Gute. Aber „Albernheit!“ denkt er, und stellt auf's Neue an sein Fleisch und Blut, diese einzigen Rathsleute, die er kennt, die Frage: „Was soll ich thun?“ Er sinnet lange hin und her. Endlich, ein Freudenschimmer fliegt durch sein Angesicht, ruft er wie Einer, der unerwartet einen kostbaren Schatz entdeckte: „Das will ich thun!“ Also der Entschluß ist gefaßt. Wohin geht er? „Ich will meine Scheunen abbrechen,“ spricht der Jämmerliche, „und will größere bauen, und Alles, was mir (ja, mir!) gewachsen (also nicht verliehen und geschenkt) ist, und meine Güter (d. i. die Vorräthe vom vorigen Jahre) darein sammeln. Und dann will ich sagen zu meiner Seele (beachtet nun diesen Ausdruck vollkommenster Befriedigung, und sagt, ob es nicht ist, als hörte man nicht einen Menschen, sondern ein Thier des Feldes reden): „Liebe Seele, du hast einen Vorrath auf viele Jahre; habe nun Ruhe, (ach, wird solch ein Erndtelied die arme Seele wirklich in Ruhe singen?) iß, und trink, und sei guten Muthes!“ - Was sagt ihr zu diesem Fleischesmenschen, zu diesem vollendeten und ausgeprägten Egoisten? Ja, ich räume ein, daß uns in so nackter und unverkappter Gemeinheit die Selbstsucht und der Weltsinn in unsern Tagen nur selten begegnen; aber streift den Leuten um euch her die Gleiße ihrer feineren Gebehrden und frommeren Redensatten ab, und auch zu dieser Zeit, die ja breit, wie keine vor ihr, den Stempel des egoistischen Materialismus an der Stirn trägt, findet ihr Solche zu Tausenden, deren Lebensweisheit ihren getreuen Ausdruck in den bekannten Worten jenes apokryphischen Buches findet: „Es ist ein kurzes, mühseliges Ding um unser Leben, und wenn ein Mensch endet, ist's gar aus mit ihm. So weiß man keinen, der aus dem Todtenreich wiedergekommen sei. Von ungefähr sind wir geboren, und fahren wieder dahin, als wären wir nicht dagewesen. Denn das Schnauben in unsrer Nase ist wie ein Rauch, und unsre Rede (unser Gedanke) ist ein Fünklein, das sich aus dem Schlage unsrer Herzen reget. Darum wohl her nun, und lasset uns wohl leben, weil es da ist. Wir wollen uns mit Wein und köstlichen Salben füllen. Lasset uns die Maienblumen nicht versäumen!“ Hört diesen Herzenssang! Sie nennen ihn „das Schibboleth der fortgeschrittenen Bildung!“ Ihr seht, diese gepriesene Bildung ist schon einige Jahrtausende alt, und der Ausfluß einer eingetretenen religiös sittlichen Verwesung, der nichts Anderes, als der Fluch und die ewige Verdammniß in Aussicht stehen.

Es spricht auch der Glaube Angesichts des leiblichen Segens, der ihm zu Theil ward: „Was soll ich thun?“ aber er spricht's zum Herrn, und fährt mit gefaltener Hand und gebeugtem Kniee fort: „Ich weiß, was mir zu thun obliegt! Mein Herr hat mir in Gnaden diese Güter geliehen, daß ich sie im Dienste der Liebe Ihm heilige, und mit meinem Ueberfluß dem Mangel meiner und seiner Brüder diene. O wie viel seliger ist geben als nehmen! Mein Herr und Gott, wer bin ich, daß du mich gewürdigt hast, diese Seligkeit zu genießen? Siehe, hier trage ich Alles, was du, mein Immanuel, mir schenktest, als fröhlich dargebrachtes Opfer zu deinem Altare. Verfüge frei darüber, und weise sie mir zu, die du durch mich segnen und erfreuen willst, und denen ich in deinem Namen die Augen trocknen soll!“ - So spricht der Glaube, und thut auch in der Stille, wie er spricht, und lässet die Linke nicht wissen, was die Rechte thut; und ist selig, nicht zwar um seines Thuns willen, aber doch in seinem Thun: denn er ist mit Freuden Unterthan dem, der uns durch seinen Apostel sagen lässet: „ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott und dem Vater ist der: die Waisen und Wittwen in ihrer Trübsal versorgen, und sich von der Welt unbefleckt erhalten!“

3.

Ach, die arme Welt! - Die „arme?“ fragt ihr stutzend. Ja, hört nur weiter, was es mit dem Menschen in unsrer Parabel für einen Ausgang nimmt. Eben erst klangen sie von seiner Lippe, die Worte tiefsten Behagens und unbegrenzter Sicherheit, da wird ihm ein schauerlicher Strich durch seine Rechnung gezogen. Der unumschränkte Gebieter über Leben und Tod hat jetzt das Wort, und in das vermeintliche Paradies des unglückseligen Träumers fällt, wie ein zerschmetternder Donner, thatsächlich der Ruf von Oben: „Du Narr, in dieser Nacht noch“ (merkt, Solches muß der vernehmen, der so redete, als ob er auch die „vielen Jahre“ mit in seine Scheune eingefahren und geborgen hätte!) „wird man deine Seele von dir fordern; und weß wird fein, das du bereitet hast!“ - Wie schrecklich dies! Welch ein Titel zuerst, der ihm verliehen wird! „Du Narr!“ Fürwahr, auch nicht ein Tröpflein von Erbarmen schwimmt mehr in dieser entsetzlichen Bezeichnung! Der Mensch wähnte so überaus klüglich und fein calculirt zu haben, und als einen Narren bezeichnet und verdammt ihn der Richter der Lebendigen und der Todten. Und welch' eine Narrheit auch, über den Gaben Gottes den allgenugsamen Geber vergessen, die Bestimmung der zur Unsterblichkeit geborenen Seele auf materiellen Genuß beschränken, derselben den Schooß des Mammon als Stätte ihrer Ruhe anpreisen, und auf Lebensjahre sich Rechnung machen können, während man nicht über Stunden Herr ist und zu gebieten hat! - „In dieser Nacht noch!“ - Welch ein grausiger Contrast zu dem „Du hast einen Vorrat!) auf lange Zeit“! - „wird man“; nach dem Grundiert heißt es „werden sie“; wer sind aber diese „sie“? O, die ganze Hölle schimmert durch diesen Plural durch! - „deine Seele“, lesen wir weiter.

Wehe! die Seele, die in Gott nie lebte, die nach der Gemeinschaft Gottes nie sich sehnte, die nimmer an Bereitung für Gericht und Ewigkeit dachte, sondern im Irdischen festgewurzelt, in Sünden todt war. Aber was wird dieser Seele widerfahren? Wir lesen: „Sie werden sie von Dir fordern!“ Ja, fordern, wie immer du dich sträuben magst, wie laut du schreiest: „Ich will nicht sterben!“ Der Tod eines Weltmenschen ist eine gewaltsame Eruption, eine Hinrichtung mit dem Schwerdte der ewigen Gerechtigkeit. „Und weß wird sein, was du bereitet und gesammelt hast?!“ Nicht dein ist es mehr. Es nehmen's Andre in Beschlag. Blutarm, nackt und bloß - denn du verlorst dein Alles - fährst du von hinnen, ewig fortan zurückedürstend in die Welt und nach ihrem Tande; aber ungesättigt ewig verschmachtend in den Wüsten Gehenna's. Grausenvoller Ausgang eines egoistisch in flüchtigem Fleischesbehagen verbrachten Lebens; aber Ausgang solchem Leben entsprechend und der göttlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit nur zur Verherrlichung gereichend!

Wie selig zu preisen bist dagegen du, Mensch des Glaubens, Jünger Jesu Christi! Nichts büßest du an deinem Erdengute ein, wenn es, wie Allen, auch dir einst zerstiebt. Denn ehe dir's noch genommen wird, thatest du es schon in freiem Geiste von dir. In deiner Seele entsteht keine leere Stelle, wenn dein zeitliches Besitzthum Andre erben. Die Schätze, im Blick auf welche du zu deiner Seele sprichst: „So iß und trink nun, und sei guten Muthes,“ sind dir für die Ewigkeit geschenkt und geborgen. Glücklicher du! dein Leben ist Christus und darum kann dein Sterben dir nur Gewinn sein. O, bei welchem gar anderen Namen wirst du dich einst, wenn dein Stündlein schlägt, von hinnen rufen hören! „Komm her“, wird es zu dir heißen, „du Gesegneter meines Vaters, und ererbe das Reich, das dir beschieden ist!“ Nicht dem Mangel, sondern der Fülle, nicht der Entbehrung, sondern dem Ueberfluß ziehst du entgegen: denn in den Himmel hinein ging deines Herzens Dürsten; und über Dir tönt wie Musik des Paradieses das Wort deines Hohenpriesters: „Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, auf daß sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebet, ehe die Welt gegründet ward.“ - Nachdem der Herr uns in seinem Gleichniß das Schrecken erregende Ende des materialistischen Ackerwirths vorgehalten, schließt er mit den Worten: „So geht' s, wer ihm“ (d. h. eigennützig sich selbst) „Schätze sammelt, und ist nicht reich in Gott.“ - „So geht's!“ - Furchtbares, in die Ewigkeit hinüberweisendes Memento; doppelt furchtbar durch die geschichtliche Folie, auf der es als auf seinem Grunde ruht! Gebe es uns auf unserm ferneren^ Lebensgange das Geleit, und verstumme es nicht mehr vor unserm inneren Ohre! Reich zu werden in Gott sei fortan all unsres Trachtens und Ringens letztes und höchstes Ziel! Was heißt aber: reich werden in Gott, als glaubend, liebend, hoffend an Gott sich aufgeben, in Gott sich versenken, und Gottes als unsres Freundes, Seiner Huld und Gnade als unsres theuersten Besitzthums uns versichern? Eine lebensvolle Einsicht in Gottes Natur und Wege, eine tiefgründende und umfassende Vertrautheit mit den Rathschlüssen Seiner Barmherzigkeit, und ein überfließender, täglich wachsender Schatz von Erfahrungen Seiner Liebe und Treue, Seiner helfenden und heiligenden Nähe: dies sind Bestandtheile des Reichthums, zu dessen Erstrebung der Herr so nachdrucksvoll uns aufruft. O jagen wir aus allen Kräften diesen Gütern nach! In diesem Reichthum überwinden wir die Welt, sind wir von dem Wechsel ihrer Gunst und Ungunst, ihrer heiteren und trüben Tage unabhängig, und sehen uns hoch über alles das, was Erdensorge heißt, hinweggehoben; denn ewig bleibt es wahr: Wer Ihn hat, welcher Alles hat, der hat Alles! - Amen. -

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