Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Neun Predigten - Ueber 2. Brief Petri Capitel 1. Zweite Predigt

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Neun Predigten - Ueber 2. Brief Petri Capitel 1. Zweite Predigt

Wir kommen in dieser Abendstunde zurück auf das 1. Cap. des 2. Briefes Petri. Der Apostel schreibt also Vers 19: „Wir haben ein festes prophetisches Wort, und ihr thut wohl, daß ihr darauf achtet, als auf ein Licht, das da scheinet in einem dunkeln Ort, bis der Tag anbreche, und der Morgenstern aufgehe in euern Herzen.“ Nun lesen wir Vers 5 ff.: „So wendet allen euren Fleiß daran, und reichet dar in euerm Glauben Tugend, und in der Tugend Bescheidenheit, und in der Bescheidenheit Mäßigkeit, und in der Mäßigkeit Geduld, und in der Geduld Gottseligkeit, und in der Gottseligkeit brüderliche Liebe, und in der brüderlichen Liebe gemeine Liebe.“

Das können wir nun so lesen. Setzt sich dabei der Teufel zu uns, so sinkt der Muth und wir sagen: „Das haben wir nicht! ja das ist wohl Alles gut, was da steht, daß es sein sollte, aber ich habe es nicht, und wenn ich nicht anders selig werden kann, dann werde ich nicht selig, sondern gehe verloren!“ Ja, das steht nun aber einmal da, und ich kann es nicht aus der Bibel herauswerfen. Lese ich nun da so alte Bücher darüber, ja dann sind das so die acht christlichen Haupttugenden. Aber diese acht christlichen Haupttugenden läßt man im Uebrigen liegen, was das Leben angeht, und man denkt: nun, ich habe doch Glauben! Das geht denn so voran, meine Geliebten. Aber nun kommt das Folgende, Vers 8: „Denn wo solches reichlich bei euch ist, wird es euch nicht faul noch unfruchtbar sein lassen, in der Erkenntniß unsers Herrn Jesu Christi.“ Wenn solches reichlich bei euch ist reichlich bei mir? es ist ja gar Nichts davon bei mir! Und was ist dann, was da weiter folgen soll: dann wird es euch nicht faul noch unfruchtbar sein lassen in der Erkenntniß unsers Herrn Jesu Christi? Nun kriegt ein aufrichtiger Mensch am Ende erst noch einen Schrecken, indem er liest: „Welcher aber solches nicht hat, der ist blind und tappet mit der Hand, und vergißt der Reinigung seiner vorigen Sünden.“ Vers 9. Der Apostel meint die Reinigung, daß Einer getauft worden ist, nachdem er die Erkenntniß des Evangeliums bekommen hat, und ihm sein ganzer heidnischer sündiger Wandel vergeben wurde. Da ist nun also die Klage da: das ist bei mir nicht, das ist bei mir nicht reichlich, ich verstehe das Alles nicht mal! aber nun kommt erst noch: der ist blind, tappet mit den Händen, vergißt der Reinigung seiner vorigen Sünden! Wo man nun ehrlich mit dem Worte umgeht, mag man hier wohl sagen: „Wo soll ich fliehen hin, weil ich verloren bin!“ Ach, meine Theuersten, der heilige Apostel Petrus hat diese Epistel geschrieben vor seinem Tode. Sollen wir nun nicht lieber diesen Brief liegen lassen und etwas Anderes lesen, was uns besser gefällt, oder sollen wir bei diesem Briefe stehen bleiben? Ich denke, ein Jeder, welcher aus Gott ist, wird sagen: nein, wir wollen dabeistehen bleiben; aber lege du es uns mal aus, wie verhält es sich damit? Nun das thue ich gerne!

Denke dir nun mal für den Augenblick einen dunkeln Ort, daß es in deinem Herzen und um dich herum dunkel ist; nicht Glaube ist da, nicht Tugend, nicht Bescheidenheit, nicht Mäßigkeit, nicht Geduld, nicht brüderliche Liebe, nicht mal gemeine Liebe! Nun denn, in's Wort hinein, in das prophetische Wort. Da siehst du eine Lampe, ein Licht; das bringt dich auf die Spur, um zu bekommen, um zu haben, daß es reichlich bei dir ist. Folge nur diesem Lichte, dann wirst du am Ende den Tag anbrechen sehen und den Morgenstern aufgehen. Was ist das, daß der Tag anbreche, und der Morgenstern aufgehe? Die Alten legten das aus: bis daß ihr gestorben und selig geworden seid, dann werdet ihr den Tag durchbrechen sehen und in vollem Lichte wandeln. Das möchte ich wohl annehmen, wenn hier stände: bis der Tag anbreche vor euern Augen; es steht aber: in euerm Herzen; und diese Theilung in Leib, Seele und Geist kennt man in der ewigen Seligkeit nicht. Also in euerm Herzen! Run erst mal dieses: Haben die, an welche der Apostel schreibt, und zwar schreibt, daß sie den ebenso theuern Glauben wie die Apostel überkommen haben, haben sie in ihrem Wandel gezeigt, daß sie zu ihrem Glauben fügten Tugend, zu der Tugend Bescheidenheit, zu der Bescheidenheit Mäßigkeit, u. s. w.? Wenn sie das Haupt für Haupt gehabt oder gethan hätten, dann brauchte sie Petrus nicht zu ermahnen, daß sie das eine in das andere fügen sollten, aber will er sie dazu ermahnen, dann ist es bei der Gemeine nicht vorhanden, sondern sie werden ermahnt, auf daß es komme. Die Gemeine hat das Wort, hat das Alles in dem Wort, aber sie hat es nicht Haupt für Haupt im Wandel, und wer ehrlich und aufrichtig vor Gott ist, der weiß nicht, daß er Etwas davon hat. In dem Worte hat sie es. Darum schreibt der Apostel Vers 12: „Darum will ich es nicht lassen euch allezeit beachtet wohl dieses „allezeit“ euch allezeit solches zu erinnern, wiewohl ihr es wisset und gestärkt seid in der gegenwärtigen Wahrheit,“ d. i. in der Wahrheit, welche sie damals überkommen hatten, da ihnen das Evangelium gepredigt worden war. Ihr wißt es, sagt er also, ihr seid gestärkt in der gegenwärtigen Wahrheit, aber eben deswegen will ich es nicht lassen, euch allezeit solches zu erinnern. Das klingt fremd. Es sind aber Lebensfragen, an welche wir allezeit wieder müssen erinnert werden. Denn nochmals, das ist nicht ein Rechenexempel, man hat es nicht in der Tasche. Gott gibt es zwar, aber vermittelst seines Wortes; das Wort ermahnt uns und bringt es uns bei. Also schicke den Teufel zur Thüre hinaus und gehe in das Wort hinein, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in deinem Herzen. Was will das nun sagen? Ist es etwas Anderes, als daß wir geübte Sinne bekommen, zu Unterscheidung des Guten und Bösen? geübte Sinne, mehr und mehr, um zu erkennen die Heiligkeit und Güte der Gebote Gottes, die Gnade und Wahrheit Gottes, das Allgenugsame des Heilsverdienstes Christi, und was für Frucht an diesem Baume Jesus Christus wächst? Wißt ihr das allemal so in einem Nu? Und wenn wir es wissen, sind wir es nicht stets wieder vergessen? Kann ein Mensch leben ohne Speise und Trank? Eben so wenig kann ein Mensch vor Gott leben, ohne gespeist und getränkt zu werden mit dem Worte Gottes, ohne fortwährende Unterweisung und Trost. Daß der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in unsern Herzen, das nennen die Apostel sonst: wachsen, zunehmen. Das liegt auch in dem Wunsch und der Heilsbitte des Apostels Petrus, Vs. 2: „Gott gebe euch viel Gnade und Friede, durch die Erkenntniß Gottes, und Jesu Christi, unsers Herrn.“ Es ist also viel Gnade und Friede da. Wo aber dieses gewünscht wird, da ist bei dem Elend dieses Lebens, da ist von Seiten der Welt und des alten Menschen das Gegentheil vorhanden. Bei Gott aber ist viel Gnade und Friede da und es kommt nun eben dieser Segensspruch, daß Gnade und Friede uns gewähret werde, daß Gnade und Friede allmälig und allmälig reichlicher uns zuströme, auf daß wir wo die Sünde mehr und mehr und der Unfriede stärker und stärker wird, wir gegen dieses „Viele“ das andere „Viele“ haben, über das „Viele“ des Elendes hinwegkommen und den Sieg davon tragen. Es ist damit gerade, wie auch Paulus in der ersten Epistel an die Korinther im ersten Capitel schreibt. Da möchten wir auch meinen, die Leute, an die er schreibt, säßen schon im Himmel, denn der Apostel schließt damit, daß er schreibt, es fehle ihnen an keiner Gnade, wir hören aber in demselben Capitel auch, wie der Apostel die Korinther rügt, und alle Apostel sind stets darauf aus zu bitten: Gott gründe euch, und befestige euch, auf daß eure Wurzeln tief geschlagen seien in der Erkenntniß unsers Herrn Jesu Christi. Seht ihr, so sollen wir auch hören auf Petri Ermahnung und nicht hoch hinauf steigen wollen, auch nicht tief grübeln, sondern bleiben bei dem einfachen Wort; das wird uns tagtäglich lehren, zurechtweisen, zurechtbringen, indem es in's Gebet treibt, und uns erfüllen mit dem, was vor Gott wohlgefällig ist. Wir haben von dem Tag, der anbricht, und dem Licht, das aufgeht im Herzen einen schönen Spruch in den Sprüchen Salomo's, Cap. 4, Vs. 18 und 19: „Aber der Gerechten Pfad glänzet wie ein Licht, das da fortgehet und leuchtet bis auf den vollen Tag. Der Gottlosen Weg aber ist wie dunkel, und wissen nicht, wo sie fallen werden. Der Gerechten Weg oder Wandel ist also durch das Wort wie ein Licht; das Licht aber führt weiter und weiter, bis daß es voller Tag wird. Der Apostel weiß, daß nach seinem Tode bald falsche Lehrer auftreten werden; denen gegenüber will er die Leute, an die er schreibt, stärken durch Zweierlei, das Erste ist das Wort, und das Andere ist der Wandel, der Wandel gegenüber den falschen Aposteln, der Wandel gegenüber diesen Verführern und gegenüber denen, die sich verführen ließen. Durch Wort und Wandel würden sie leuchten inmitten eines gottlosen Geschlechts, und während bei diesen Verfall auf Verfall sich hervorthat, so daß sie mehr und mehr Alles verloren, so würden sie, an welche der Apostel schreibt, als Glieder an Christo dem Haupte stehen bleiben, wenn sie die Ermahnung Petri zu Herzen nahmen und danach thaten. Auf daß sie nun aber danach thun möchten, sollten sie auf das Wort sehen, als auf ein Licht, das da scheinet an einem dunkeln Ort, denn in dem Worte hätten sie Alles, was ihnen Noth thue. Da gibt ihnen nun aber der Apostel noch zuvor diesen gewaltigen Trost, daß sie mit den Aposteln eben denselben theuren Glauben überkommen haben. Das wollt ihr nun nicht so nehmen, als ob sie alle so völlig fest gewesen seien im Glauben und in der Erkenntniß, sondern sie hatten alle so viel davon weg, als ihnen Noch that, um Jesum Christum als ihren Gott und Herrn zu erkennen. Von diesem Glauben sagt er, daß er bestehe: in der Gerechtigkeit, die unser Gott gibt und der Heiland Jesus Christus. Im Griechischen steht hier: in der Gerechtigkeit unseres Gottes und Heilandes Jesu Christi, so daß also hier nicht sind zwei, Gott und der Herr Jesus Christus, sondern es wird Jesus Christus in diesem Verse genannt: unser Gott und unser Heiland, wie wir bei dem Propheten lesen: Siehe, das ist unser Gott, er wird uns helfen. Dieser also, unser Gott und Heiland, hat uns die Gerechtigkeit angebracht, welche vor Gott gilt, und hat zu gleicher Zeit Gottes Gerechtigkeit uns in's Herz gegeben, diese Gerechtigkeit Gottes, daß Gott Wort und Treue hält. Ferner kommt der Apostel nicht mit der Thüre in's Haus gefallen, sondern er sagt ihnen, es sei viel Gnade da bei Gott und unserm Herrn Jesu Christo, und es sei viel Friede da und es werde also auch da sein die Erhörung dieses Gebetes: Gott möge ihnen viel Gnade und Frieden schenken. Wodurch? Dadurch, daß sie Gott und den Herrn Jesum Christum erkennen, Gott erkennen an der Vergebung der Sünden, wie Gott gesagt hat: „ich will ihrer Sünden nicht mehr gedenken“, und an der Wohlthat Jesu Christi, zu erkennen nämlich, wie er am Kreuze Alles hat dargestellt, so daß wir den Tod unsers alten Menschen nicht zu suchen brauchen in Selbstkasteiung, in unserm eigenen Fleisch, sondern an dem Kreuze Jesu Christi, wo unser alter Mensch mit gekreuzigt ist. Gott gebe euch also der Gnade viel, denn es ist viel da, und er gebe euch des Friedens viel, denn es ist viel da, nämlich eben darin, daß sie erkennen, wie Gott Gott ist, und Jesum Christum, was für ein vollkommener, gnädiger, freundlicher Heiland er ist.

Bevor er weiter zu der Ermahnung übergeht, hält er es ihnen vor, wie ihnen Alles geschenkt ist, wie sie Alles haben können: „Nachdem allerlei seiner göttlichen Kraft (was zum Leben und göttlichen Wandel dienet) uns geschenkt ist durch die Erkenntnis; deß, der uns berufen hat durch seine Herrlichkeit und Tugend.“ Ihr wollet lesen: der uns berufen hat zu Herrlichkeit und Tugend. Seine göttliche Kraft, d. i. die Kraft des Herrn Jesu Christi, hat uns das Alles geschenkt, was zum Leben dienet, zum ewigen Leben, daß wir einst selig werden, und zum Leben hienieden auf Erden, im Umgang mit den Menschen. Alles was da dienet zur Gottseligkeit hat der Herr Jesus Christus durch seine Kraft uns geschenkt, d. i. aus Gnaden geschenkt. Dann haben wir es also nicht selbst fertig zu machen; dann brauche ich nicht in den Himmel zu klettern oder in den Abgrund hinunter zu steigen, um es hervor zu holen, sondern wie ein Vater seinem Kinde, das sich auf die Reise begibt, Alles mitgibt und schenkt, was es auf der Reife bedarf, so daß es Alles hat und findet, wohin es kommt, bis der Zweck der Reise erfüllt ist, es wird dem Kinde geschenkt, es verdient Nichts, so macht es Gott mit uns. Nun ist freilich hier noch ein Unterschied: Vater und Kind sind Ein Fleisch, aber hier haben wir einen armen fluch- und verdammungswürdigen Sünder, da steckt also die Sünde zwischen ihm und Gott, und Gott in seiner gewaltigen Gnade vergibt erst die Sünde und schenkt dann Alles, was zum Leben und zur Gottseligkeit dient. Aber wem ist das nun geschenkt? Der Apostel sagt: „Nachdem allerlei seiner göttlichen Kraft (was zum Leben und göttlichen Wandel dienet) uns geschenket ist, durch die Erkenntniß deß, der uns berufen hat.“ Ja, das sind denn wohl alles um und um beschlagene Leute gewesen? Nein, sondern der Apostel erinnert und ermahnt sie, er sagt ihnen: wendet allen euern Fleiß daran! Alles ist ihnen geschenkt. Das sollten sie zu ihrem Troste wissen, um davon Gebrauch zu machen. Wenn ich Etwas geschenkt bekomme und ich mache keinen Gebrauch davon, weiß es nicht zu würdigen, dann habe ich an dem Geschenke Nichts. Aber wenn ich haben sollte, was zum Leben und zur Gottseligkeit dient und finde es nicht, kann mir selbst nicht helfen, so soll ich an dieses Geschenk denken. Das ist nun nicht etwa ein Geschenk, wie z. B. ein silbernes Geschirr, sondern ein Geschenk, darin Macht steckt, als z. B. in einer Locomotive, die mich mit fortführt, wohin ich will, so ist in diesem Geschenk eine lebendige wirksame Macht. Das ist ein Geschenk! Das hat der geschenkt, welcher euch berufen hat zu Herrlichkeit und Tugend. Indem er euch berufen hat zu wahrer Herrlichkeit und zu Gottseligkeit, hat er euch das Alles geschenkt.

Es folgt weiter: „Durch welche uns die theuren und allergrößesten Verheißungen geschenket sind.“ Dieses „durch welche“ wollt ihr übersetzen: „nachdem uns die theuren und allergrößesten Verheißungen geschenkt sind,“ nämlich, daß ihr durch diese Verheißung von göttlicher Kraft theilhaftig werdet der göttlichen Natur, so ihr fliehet die vergängliche Lust der Welt. Diese Verheißungen bezwecken also, und sind dafür da, daß wir durch dieselben der göttlichen Natur theilhaftig werden. Die göttliche Natur ist damit gemeint Gottes Wesen, so daß wir werden wie Gott? Nein, das doch nicht. Ich lese aber: „Wer aus Gott geboren ist, der ist gerecht, wie Gott gerecht ist. Ich lese: Seid heilig, denn ich bin heilig. Ich lese irgendwo: Seid vollkommen, gleich wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ Also der göttlichen Natur theilhaftig werden will sagen: des göttlichen Ebenbildes theilhaftig werden, welches wir im Paradiese verloren haben. Dieser Natur sollt ihr theilhaftig werden, wie einem Vater sein Kind ähnlich wird. Ist es doch jedes Vaters, ist es doch der Eltern Freude, daß der Sohn dem Vater ähnlich werde, an Weisheit, Vorsicht, Güte, Begabung. Diese Freude will Gott an uns auch haben, und darum gibt er uns eben diese Verheißungen, daß wir an der Hand dieser Verheißungen der göttlichen Natur theilhaftig werden, so wir fliehen die vergängliche Lust der Welt. Die vergängliche Lust, daran könnt ihr fühlen, was die göttliche Natur ist, nämlich: Unverderblichkeit, Unsterblichkeit. Das ist doch ein Trost, zu wissen: ich bin unsterblich! Diese Unsterblichkeit, worin Gott wohnt, ist mein!

Nun, meint der Apostel, indem ihr nun dieses Alles habt, indem diese theuren und allergrößesten Verheißungen euch geschenkt sind, hört, macht nun daraus einen schönen Kranz von Blumen, euren Feinden gegenüber, indem ihr eine in die andere steckt. Glaube ist da in der Verheißung, Tugend ist da in der Verheißung, Kenntniß ist da in der Verheißung u. s. w. Aber nun wollt ihr allen Fleiß anwenden, wo ihr diese Blumen habt, einen Kranz daraus zu flechten Diese Blumen sind gewachsen am Kreuze Christi. Was nun Glauben ist, das wißt ihr ja. Aber nun gegenüber den Menschenkindern, im Verkehr mit den Menschen, mit der Welt, mit Freund und Feind, wie muß dieser Glaube sein? Nur so was Schwärmerisches, daß man so leicht hin von Vergebung der Sünden reden kann, oder muß er thatkräftig sein? Wir lesen ja in der Epistel an die Ebräer Cap. 11 von den Gläubigen, daß sie durch den Glauben Zeugniß bekommen haben; so lesen wir z. B. von Sarah, die unfruchtbar war, daß sie mit Seufzen und Ringen zu Gott gefleht, daß sie in dem Kampf des Glaubens nicht lässig gewesen ist, die Hoffnung nicht drangegeben, sondern gehofft hat, als Nicht mehr zu hoffen war; so hat sie gegenüber Teufel und Welt ihren Glauben chatkräftig bewiesen, hat Tugend, d. i. Thatkraft in den Glauben gesteckt. So auch Noah; trotz alles Spottes baute er den Kasten und steckte so Tugend in den Glauben. Und in diese Tugend steckt man dann Kenntniß, oder wie Luther übersetzt: Bescheidenheit, daß man die Dinge würdige, wie sie sind, daß man eine gute Kenntniß von den Dingen nehme, von dem einen wie von dem andern. Diese Kenntniß bekommt man auch durch das prophetische Wort, indem man da sieht, wie Gott von je her gewaltet und gerichtet hat. Da kann die liebe Hanna z. B. manche Mutter stärken in ihrem Kampfe, und wie kann Eli manchen Hausvater warnen, der sein eigenes Haus abbrach, weil er seine Kinder nicht strafte. Durch das prophetische Wort lernt man es, Bescheid zu wissen gegenüber der Welt, daß sie Einen nicht fortreißt in einem Nu, gegenüber den Menschen, wie sie nun mal sind, gegenüber den falschen Brüdern. Das steckt nicht im Verstände, sondern im Worte; da wird Einem das Eine vor, das Andere nach klar. In diese Kenntniß oder Bescheidenheit dann stecket Mäßigkeit. Mäßigkeit? wie denn im Essen und Trinken? Nun warum nicht? Es ist gemeint, daß man Maß zu halten wisse in allen Dingen, nicht zu viel und nicht zu wenig, wie wir lesen Pred. 7, Vs. 17 u. 18: „Sei nicht all zu gerecht und nicht all zu weise, daß du dich nicht verderbest. Sei nicht allzu gottlos und narre nicht, daß du nicht sterbest zur Unzeit.“ Da haben wir Etwas von dieser Mäßigung. Da heißt es: Sei nicht all zu gerecht und nicht all zu weise, daß du dich nicht verderbest; und nicht allzu gottlos, daß du Gottes Gnade solltest wegwerfen und den Herrn Jesum Christum solltest drangeben, auf daß du nicht sterbest. Da habt ihr die Mäßigkeit. Nicht allzu viel und nicht allzu wenig, sondern Maß halten in allen Dingen, das thut den Menschen Noth. In diese Mäßigkeit stecke dann die Blume der Geduld, d. i. der Beharrung, daß man nicht aus sich selbst ein Glaubensheld werden und die Märthyrerkrone verdienen wolle, nicht alsbald auf die Welt und die Menschen losschlage, sondern auf Gott vertraue, auf ihn hoffe und harre; denn wir können nicht alles Krumme recht machen. Die Mäßigkeit hatte der Apostel Paulus, da er in Philippi in den Kerker geworfen war und die Obersten der Stadt ihn heimlich entlassen wollten, er aber sagte: nein, sie sollen selbst öffentlich uns holen. Diese Mäßigkeit bewies er, als er den Einen beschnitt, den Andern nicht beschnitt. Man muß wissen Maß zu halten und auch Geduld zu üben und die Gottlosen zu tragen; auch, wo man bei sich selbst Nichts findet als Elend, daß man da Geduld habe mit seiner eigenen Schwachheit, wo ja Gott selbst auch Geduld mit ihr hat. Solche Geduld hatte auch David, da er zu Abimelech floh und die Philister sagten: das ist der David, von welchem die Weiber sangen: Saul hat Tausend erschlagen, David aber Zehntausend! David wußte nicht wohin. Was thut er nun? Er spielt den Narren, stellt sich unsinnig und läßt den Geifer aus dem Mund in den Bart fließen. Das thut er in Geduld und steckt nun in diese Geduld: Gottseligkeit. Welche Gottseligkeit? Nun, die Gottseligkeit, die wir lesen können im 34. Psalm, daß, während er unter diesen schrecklichen Leuten ist, er im Gebete ringt mit Gott um Errettung und Gott preist und von sich selbst sagt: „Der Gerechte muß viel leiden, aber der Herr hilft ihm aus diesem Allem.“ Und zu solcher Gottseligkeit, zu solchem Harren auf den Herrn, dazu stecke weiter hinein die brüderliche Liebe, daß du die Brüder lieb habest um Christi willen. Und zu dieser brüderlichen oder christlichen Liebe stecke die gemeine Liebe, daß du gegen alle Menschen hold und freundlich seiest, es sei Freund oder Feind, daß du allerwärts und in allen Dingen die Liebe bewahrest, auch als Bürger der Stadt, z. B. gegen die Waisen, gegen die Gefangenen, gegen die Blessirten, wie ihr das so schön voriges Jahr gethan habt. Dazu ist die gemeine Liebe. Seht Mit allen diesen Dingen stopft man den Widersachern den Mund. Petrus sagt: wir sollen einen Kranz daraus machen. Die Verheißung ist da, die göttliche Kraft ist da. Thut ihr nun danach, so wird das die Frucht davon sein, daß die Welt wird bekennen müssen, selbst die Feinde, wo sie unsere Richter sind: Gott ist mit ihnen. Der Gott aber aller Gnade, der uns berufen hat zu seiner Herrlichkeit in Christo Jesu, derselbige wolle es alles in uns wirken, was vor ihm wohlgefällig ist, auf daß wir stehen bleiben und nicht straucheln auf dem Wege der Trübsal und Anfechtung und wolle uns so reichlich darreichen den Eingang zu dem ewigen Reich unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi. Ihm sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Amen.

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