Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Neun Predigten - Ueber 2. Brief Petri, Capitel 1. Erste Predigt.

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Neun Predigten - Ueber 2. Brief Petri, Capitel 1. Erste Predigt.

„Simon Petrus, ein Knecht und Apostel Jesu Christi, denen, die mit uns eben denselben theuren Glauben überkommen haben in der Gerechtigkeit, die unser Gott gibt, und der Heiland Jesus Christus. Gott gebe euch viel Gnade und Frieden, durch die Erkenntniß Gottes, und Jesu Christi unsers Herrn. Nachdem allerlei seiner göttlichen Kraft (was zum Leben und göttlichen Wandel dienet) uns geschenkt ist, durch die Erkenntnis; deß, der uns berufen hat durch seine Herrlichkeit und Tugend; durch welche uns die theuren und allergrößesten Verheißungen geschenket sind, nämlich, daß ihr durch dasselbe theilhaftig werdet der göttlichen Natur, so ihr fliehet die vergängliche Lust der Welt; so wendet allen euern Fleiß daran, und reichet dar in euerm Glauben Tugend, und in der Tugend Bescheidenheit, und in der Bescheidenheit Mäßigkeit, und in der Mäßigkeit Geduld, und in der Geduld Gottseligkeit, und in der Gottseligkeit brüderliche Liebe, und in der brüderlichen Liebe gemeine Liebe. Denn wo solches reichlich bei euch ist, wird es euch nicht faul noch unfruchtbar sein lassen in der Erkenntniß unsers Herrn Jesu Christi. Welcher aber solches nicht hat, der ist blind und tappet mit der Hand, und vergißt der Reinigung seiner vorigen Sünden. Darum, liebe Brüder, thut desto mehr Fleiß, euren Beruf und Erwählung fest zu machen. Denn wo ihr solches thut, werdet ihr nicht straucheln. Und also wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang zu dem ewigen Reich unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi. Darum will ich es nicht lassen, euch allezeit solches zu erinnern, wiewohl ihr es wisset, und gestärkt seid in der gegenwärtigen Wahrheit. Denn ich achte es billig zu sein, so lange ich in dieser Hütte bin, euch zu erwecken und zu erinnern. Denn ich weiß, daß ich meine Hütte bald ablegen muß, wie mir denn auch unser Herr Jesus Christus eröffnet hat. Ich will aber Fleiß thun, daß ihr allenthalben habet nach meinem Abschied, solches im Gedächtniß zu halten. Denn wir haben nicht den klugen Fabeln gefolgt, da wir euch kundgethan haben die Kraft und Zukunft unsers Herrn Jesu Christi, sondern wir haben seine Herrlichkeit selbst gesehen, da er empfing von Gott dem Vater Ehre und Preis, durch eine Stimme, die zu ihm geschah, von der großen Herrlichkeit, dermaßen: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Und diese Stimme haben wir gehöret vom Himmel gebracht, da wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. Wir haben ein festes prophetisches Wort, und ihr thut wohl daß ihr darauf achtet, als auf ein Licht, das da scheinet in einem, dunkeln Ort.
(2. Petri, Cap. l.)

Wir vernehmen, meine Geliebten, aus diesem Capitel, daß unser Herr Jesus Christus seinem Knecht und Apostel Petrus sein Lebensende geoffenbart hat, und daß Petrus in seinem Gebete sich in fleißigem Umgange befand mit dem Herrn Jesu Christo. Petrus ist in diesem Capitel erfüllt von der Erkenntniß Gottes und Jesu Christi Vs. 2. Was das eigentlich ist: Erkenntniß Gottes und Jesu Christi, könnet ihr am Besten verstehen aus dem prophetischen Wort: „Es wird kein Bruder den andern lehren und sagen: erkenne den Herrn; sondern es werden mich alle kennen, von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten; denn ich werde ihren Sünden gnädig sein, und ihrer Missethaten, oder Gesetzlosigkeiten, nimmermehr gedenken.“ Es ist also eine lebendige Erkenntniß, welche auf Erfahrung beruht, eine Erkenntniß, wie barmherzig Gott ist und wie gnädig unser Herr Jesus Christus ist, wie er uns hilft, für uns eintritt, wie er all' unsere Sachen beschickt, wie er unsere Wege bahnt, unsere tiefsten Seufzer hört und unsere Thränen zählt, und fortwährend Kraft gibt und Stärke genug den Unvermögenden. Wo wir Gott und unsern Herrn Jesum Christum kennen und kennen lernen, da lernen wir ihn kennen an seinen Worten, welche er zu uns spricht, welche Worte wir entweder bekommen, wo wir die Schrift lesen, oder wo der Heilige Geist uns die geschriebenen Worte, die wir zuvor gelesen oder gelernt haben, wieder in das Gedächtniß zurückbringt. Da sind diese Worte allemal Antworten auf unsere Gebete, auch auf solche Gebete, da wir nicht mal wissen, daß wir gebetet haben, oder es sind augenblickliche Ermahnungen, Stärkungen, Tröstungen, womit wir versehen werden, um den Weg zu gehen, den alle, welche Gott kennen, zu gehen haben. Nichts also ohne Gottes Wort.

Petrus der Apostel sammt Johannes und Jacobus hatten mal eine Stimme vom Himmel gehört, welche zu ihnen gebracht worden war, als sie auf dem Berge waren, welcher damals der heilige Berg hieß, weil Jesus auf demselben verklärt wurde, da er mit Mose und Elias redete von dem Ausgang, den er nehmen würde in Jerusalem. Da hörten sie diese Stimme: Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe. Durch diese Stimme erkannten sie die große Herrlichkeit des Herrn Jesu Christi, daß er wäre Gottes Sohn, und daß Gott an ihm habe einen Wohlgefallen. Diesen Jesum Christum hatten sie bei sich, verkehrten mit ihm, hörten ihn und haben gesehen, wie er nach Jerusalem hinaufgegangen ist, wie er gefangen genommen und gekreuzigt wurde, wie er starb und wie er auferstand. Es sagt also der Apostel: Das haben wir selbst gesehen. (Vs. 16.) Wir haben nicht künstlich erdichteten Fabeln gefolgt, nicht den hochtrabenden Worten der Philosophie oder der Beredtsamkeit, wo Alles künstlich zusammengesetzt wird, um den Menschen zu überzeugen, zu überreden von dem, wovon man selbst eingenommen ist. Wir, sagt der Apostel, sind eingenommen von der Kraft und Zukunft unsers Herrn Jesu Christi, von welcher Kraft auch der Apostel Paulus so erfüllt war, daß er an die Epheser schrieb, Cap. 1, Vs. 19 u. 20: Und welche da sei die überschwängliche Größe seiner Kraft an uns, die wir glauben, nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke, welche er gewirket hat in Christo, da er ihn von den Tobten auferwecket hat und gesetzt zu seiner Rechten im Himmel“ Es ging dem Apostel darum, es den Menschen beizubringen: um lebendig gemacht und wiedergeboren zu werden, dazu gehöre Allmacht, und ebenso gehört Allmacht dazu, um die Kinder Gottes zu halten in der Berufung und Erwählung, .in den Wegen Gottes. Diese Allmacht liegt in Christo, nachdem Gott ihn von den Todten auferwecket hat, und darum ist auch das Evangelium von Jesu Christo, wo es gepredigt wird, eine Kraft Gottes zur Seligkeit.

Es ist dem Menschen, weil er untüchtig ist zu einigem Guten und geneigt zu allem Bösen, unmöglich an Gott dem lebendigen Gott festzuhalten und bei dem Herrn Jesu und in ihm zu bleiben; es hören auch unsere abgesagten Feinde, der Teufel, die Welt und unser eigen Fleisch und Blut nicht auf, uns den hartnäckigsten Unglauben in's Herz zu werfen. Es hat der Apostel Petrus gepredigt von der Kraft Jesu Christi und von seiner Zukunft, d. i. was für eine Bedeutung es hat, daß Jesus Christus im Fleische gekommen ist. Als ich und meine Mitapostel euch das vorgehalten haben, sagte er, da haben wir nicht künstlich erdichteten Fabeln gefolgt. Nun spricht er aber, daß der Herr Jesus es ihm eröffnet habe, daß seine Hütte, d. i. sein Leib, bald werde abgebrochen werden. Vs. 14. Er hat mir einst gesagt: weide meine Schafe, weide meine Lämmer. Indem ich das aber weiß, daß meine Hütte bald abgebrochen wird, möchte ich euch doch noch Etwas hinterlassen, auf daß ihr eine Ermahnung, eine Erinnerung von dem vor euch habet, was wir euch gepredigt haben. Darum sagt er, er habe diese Epistel geschrieben, auf daß sie nach seinem Tode noch Etwas von ihm hätten. Da möchte nun doch die Frage aufkommen: Aber wird denn Gott und der Herr Jesus Christus nicht selbst dafür Sorge tragen? O ja, das wird Er freilich; denn das haben wir gelernt, daß der Sohn Gottes von Anbeginn der Welt bis an's Ende derselben sich eine ausgewählte Gemeine zum ewigen Leben versammelt. Aber Petrus hat sehr gut gewußt, daß dies ohne Mittel doch nicht geschieht, wie ich vorher gesagt habe: Nichts ohne das Wort. Da könnt ihr nun darum Gott dem Herrn dankbar sein, daß wir diese zweite Epistel auch noch haben. Die morgenländische Kirche hat zwar in alter Zeit an der Echtheit dieses Briefes gezweifelt, die abendländische Kirche aber nicht, sondern diese hat immer dafür gehalten, daß es eine Epistel des Apostels Petri sei, und so haben wir sie denn noch.

Wenn wir in die Kirchengeschichte hineinblicken, dann sehen wir, es gibt so einzelne Perioden, wo das Evangelium also kommt, daß es wahrhaftig als eine Kraft Gottes erscheint zur Seligkeit, einzelne Perioden, wo von der Kraft und Zukunft Jesu Christi klar und deutlich gepredigt wird, und während dem das geschieht/ sammelt sich der Herr Jesus Christus, welche und wo und wann Er will. Aber im Grunde geht das so seinen stillen Gang, daß man sagen muß: sie sind als die Unbekannten und gottlob doch bekannt. Sehen wir in die Menschheit hinein, dann sind es nur Wenige, sehr Wenige, welche das Wort bekommen; wenn auch das Wort über die ganze Erde hingeht wie ein gewaltiger Strom, dennoch sind es nur Wenige, die es bekommen, es wird verachtet, verkannt, verworfen, und in der Gemeine sogar hat man Heuchler und Schweine, welche die Füße setzen in das, was sie essen sollten. Dann kommen auch wieder Zeiten, wo man von dieser Kraft und Zukunft Jesu Christi Nichts mehr vernimmt. Dann tappen die Menschen in Finsterniß. Weil das der Apostel Petrus wußte, und auch gewußt hat, daß es nicht mehr lange währen würde, so müßte er sterben, und dann würden in der Gemeine falsche Propheten aufkommen, im zweiten Capitel dieses Briefes werden sie uns beschrieben so klar und deutlich, daß man bis auf den heutigen Tag es als mit Händen greifen kann, weil er das also gewußt hat, so gibt der liebe Apostel denen, an welche er diesen Brief schreibt, eine Ermahnung, wie sie wandeln sollten, und so haben denn auch wir diese Ermahnung, daß wir wissen, wie wir zu wandeln haben. Sobald der Wandel vernachlässigt wird, wird auch die Erkenntniß unfest und schwach, so daß man am Ende nicht mehr weiß, was man glauben und für wahr halten soll. Dann kommen diese falschen Propheten und zaubern dem Menschen Etwas vor, zaubern ihm einen heiligen Schein vor, damit beginnen sie, so daß da nicht ist ein nüchternes verständiges Leben, sondern ein eigenwilliges, sogenanntes heiliges Leben, woraus dann am Ende entsteht, was das Fleisch gerne will: Geiz, Hurerei, Todtschlägerei, Haß, Neid, Hader, und es geht von dem Berge in den Abgrund hinunter. Nun hält der Apostel den Leuten hier vor, und die Epistel hält es uns vor, wie wir zu wandeln haben, auf daß wir unsere Berufung und Erwählung fest machen. Vs. 10, das ist: nicht unsere Berufung und Erwählung vor Gott fest machen, sondern für uns fest machen, für unser Herz, unsern Verstand, unser Gewissen. Welche Gott beruft, die beruft Er, die hat Er zuvor erwählt. Wer aber wahrhaftig auserwählt ist, der wird nicht immer feststehen können mit seinem Verstand und in seinen Gedanken und sagen: ich bin berufen, ich bin berufen, ich bin auserwählt! Trösten wird es ihn, wo der Herr Gott zu ihm sagt: Ich habe dich je und je geliebet, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Barmherzigkeit. Trösten wird es ihn, wenn der Herr mal zu ihm sagt: Es sollen wohl Berge weichen, und Hügel hinfallen, aber meine Gnade wird nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens wird nicht hinfallen. Trösten mag es ihn bisweilen zu vernehmen: Die er berufen hat, die hat er auch gerecht gesprochen. Aber es ist ganz was Anderes, wie ein Mensch für sich selbst lebt, und ganz was Anderes, wenn wir Menschen mit andern Menschen umgehen müssen. Wir können uns nicht einschließen. Gott hat uns nicht dem Teufel überliefert, um allein für unser Ich ZU sorgen, sondern sein Wille ist, daß wir Menschen unter Menschen leben und einander nützlich seien, und Gott hat uns hier in ein feindseliges Leben und in eine feindselige Welt hineingesetzt. Dazu kommt, daß wir, um mich so auszudrücken, in einer erbärmlichen Haut stecken, die wir von Adam und Eva her haben, so daß der wahrhaftig Berufene und Erwählte sich oft und oft umsteht, ob der Nagel auch wohl halten könne und werde in der Wand. Er hat es nicht in der Tasche, es ist ihm nicht ein Rechenexempel. Nun kommen die falschen Propheten mit ihrem Heiligenschein, wo Nichts als Gottlosigkeit dahinter steckt, und werfen dich um, so daß du zu Boden liegst, wenn du nicht das thust, was der Apostel dir vorhält in diesem Capitel. Er will also seine Lieben stärken, damit sie nach seinem Tode feststehen und fest bleiben.

Auf daß sie nun aber wissen, von wem sie diese Lehre und Ermahnung haben, theilt er ihnen erst mit, was er mit den andern Aposteln mit Augen gesehen, mit Ohren gehört und mit Händen betastet hat. Da können diese falschen Propheten nicht gegen an. Die sind nicht von Gott berufen und gesandt, sind nicht Knechte und Apostel Jesu Christi, sie kommen aus sich selbst gelaufen und sagen wohl: „Das Wort des Herrn! Das Wort des Herrn!“ haben aber kein Wort des Herrn, sondern klug erdichtete Fabeln. Petrus sagt: was wir auch verkündigen, das ist vom Himmel gebracht. Was denn? Merken wir gut darauf: eine Stimme, wobei nicht ein Mensch verherrlicht worden ist, nicht ein Papst, nicht eine Jungfrau Maria, nicht dieser oder jener falsche Christus oder Prophet, sondern diese Stimme nimmt allen Menschen den Ruhm und gibt allein dem Herrn Jesu Christo diese hochwürdige Herrlichkeit. Daß ihr es also wisset: Jesus Christus unser Heiland ist Gottes Sohn, an dem hat Gott sein Wohlgefallen. Wo nun der Herr Jesus Christus kommt, wo er mit seiner Kraft und Zukunft gepredigt wird, da ist die Wahrheit, das Leben, die wahrhaftige Gottseligkeit. Nun sagt der Apostel aber zu gleicher Zeit den Gläubigen: ihr möchtet vielleicht einwerfen: ja, ihr habt diese Stimme gehört von der hochwürdigen Herrlichkeit, aber wir Aermsten, wir sitzen im Dunkeln, wir haben sie nicht gehört! was haben wir denn? Da kommt denn die Antwort: wir haben das prophetische und apostolische Wort. Da aber der Apostel diesen Brief schrieb, existirten die apostolischen Briefe noch nicht so in den Gemeinen, daß ein Jeder sie lesen konnte, wohl aber das prophetische Wort, das Wort Alten Testamentes, welches zu gleicher Zeit ein Wort neuen Testamentes ist. Darum schreibt der Apostel also, Vers 19: „Wir haben ein festes prophetisches Wort, und ihr thut wohl, daß ihr darauf achtet, als auf ein Licht, das da scheinet an einem dunkeln Ort.“

Der Apostel gibt der Gemeine eine Ermahnung und Erinnerung, und ich hoffe dies heute Abend mehr auseinander zu setzen, eine Mahnung und Erinnerung, auf daß sie feststehen möchten in der Zeit der Versuchung. Um darin festzustehen, weist er sie hin auf das prophetische, und warum soll ich nicht hinzufügen: apostolische Wort, daß sie dahin ihre Zuflucht nehmen sollten. Der Apostel spricht von einem dunkeln Ort, da ist Alles Finsterniß, ein Ort etwa wie ein Kerker, wo es nicht allein dunkel, sondern gräßlich schmutzig ist; oder man befindet sich Nachts in einem Walde, wo heulende Wölfe sind, wo sich tiefe Abgründe befinden, und man weiß weder Weg noch Steg. Die Dunkelheit kommt von außen, aber die Dunkelheit ist auch in uns. Wenn das Licht nicht brennt, sitzen wir im Dunkeln, in uns ist das Licht nicht. So ist also der dunkle Ort außer uns und zugleich auch in uns. Wir können uns nicht helfen, nicht berathen, wir wissen nicht, was wir thun oder nicht thun sollen, wir verstehen rein Nichts und sind wie blind. Der ganze 119. Psalm bringt uns das bei, meine ich. Da haben wir einen Knecht Gottes, welcher klagt, daß er Nichts weiß: er will zu Gott in den Dienst kommen und sagt, daß er den Weg nicht weiß; er bittet: thue mir die Augen auf, daß ich sehe die Wunder an Deinem Gesetz! Ein fortwährendes Gebet ist da: leite mich, halte mich, laß mich nicht, laß meine Hoffnung nicht zu Schanden werden! Das kann man nicht so leicht gleichsam auf der Flöte spielen oder singen: „Hoffnung läßt nicht zu Schanden werden,“ sondern es ist ein flehentliches Gebet und Seufzen: laß mich nicht zu Schanden werden! Ein Mensch ist so leicht verführt! In einem Nu ist er vom guten Wege ab. Meine Lieben, ihr wollet das doch zu Herzen nehmen, was ich euch da sage. Es könnte Jemand hier auf die Kanzel kommen und predigen, so daß von Anfang bis Ende Alles falsch wäre, und es doch so nett und künstlich zusammensetzen, daß der Hundertste von euch es nicht merken würde. So leicht ist ein Mensch vom rechten Wege ab. Dazu kommt das Schreckliche, daß in uns so ein Wahn steckt, als wüßten wir's, als hätten wir es inne und seien so beschlagen, als könnten wir es von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde bestimmen, wie der Mensch seinen Gang richten soll. Das ist ein schrecklicher Wahn in uns. Hört: wir haben in uns und um uns einen dunkeln Ort, und da haben wir denn nur Ein Licht, auf das wir zu sehen und dem wir zu folgen haben, auf daß wir aus diesem dunkeln Ort, aus diesem Kerker und finstern Walde herauskommen. Ich sage nicht, daß man dadurch vollkommen wird, sondern ich sage: wo man sich hier im Dunkeln befindet, oder wo es dunkel im Herzen ist, daß man nicht weiß, wo heraus und hinein, so nehme man das prophetische Wort: Ihr thut wohl, sagt der Apostel, daß ihr darauf achtet. Er sagt nicht: Ei was, ihr habt ja den Heiligen Geist, ihr seid stark und kräftig, und der Heilige Geist wird euch wohl führen! Er sagt nicht: Nun ihr seid ja erwählt, so wird es mit euch wohl ein gutes Ende nehmen! Sondern er läßt das Alles stehen und sagt: Ihr thut wohl, daß ihr darauf achtet! Der lebendige Mensch ist doch bald todt wie ein Klotz, wenn er sich nicht tagtäglich ernährt mit dem prophetischen Wort, und er ist wie ein Blindgeborner, wo nicht dieses Licht des prophetischen Wortes gleichsam durch ihn angesteckt wird, so daß er dieses Licht vor sich habe, wo es nun dunkel wird, und auf der Stelle nach diesem Lichte frage, dann bleibt das Leben am Leben, und mitten in der Dunkelheit, wenn Einem angst und bange ist, ist Einem doch nicht angst und bange, weil man das Licht sieht, und dem Lichte, welches Gott angesteckt hat, folgt, bis daß noch etwas mehr geschieht; worüber denn heute Abend.

Dabei bleibt es: Nichts ohne das Wort. Das ist das Mittel. Bei dem Menschen ist der Wahn, er verstehe es, er sei Inhaber dieses Wortes, es habe mit ihm keine Gefahr. Der Apostel aber in seiner väterlichen Liebe sorgt dafür, daß die Gläubigen Etwas haben nach seinem Tode, auf daß sie einen guten Wandel führen, damit, wenn die falschen Propheten kommen, diese sie nicht umwerfen. Wie man nun zu diesem guten Wandel kommt, und was ein guter Wandel ist, davon heute Abend. Fortwährende Ermahnung und Erinnerung thut uns Noth. Dazu gab der Herr Jesus Christus das prophetische Wort und auch das Sacrament, bei welchem wir erinnert und versichert werden seiner göttlichen Kraft, der Allmacht seiner Gnade, und seiner ewigen Liebe.

Amen.

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