Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Gastpredigt über Römer 7, V. 14.

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Gastpredigt über Römer 7, V. 14.

Eingang

Neben dem Evangelio wird Gesetz gepredigt durch die ganze heilige Schrift hindurch. Im neuen Testament offenbart dasselbe sich aber um desto geistlicher, weil die Schatten verschwunden sind, und das Gegenbild und Wesen enthüllt daneben steht. Dass das Gesetz gerecht sei und heilig und gut, das wird nun erst recht offenbar, nachdem Er, der es auf Sinai gegeben hatte, es auch selbst erfüllte, und dadurch die Seinen vom Gesetz befreite. Indessen lässt Christus auch nun unter dem neuen Bunde das Gesetz predigen, und in seiner ganzen Geistlichkeit enthüllen:

„Damit, nachdem Er gekommen ist und gepredigt worden, nun Niemand am Tage des Gerichts etwas zu seiner selbst Entschuldigung beizubringen habe.“ Und mit Rücksicht hierauf heißt es: „wie wollen wir entfliehen, so wir eine solche Seligkeit nicht achten?1) und abermals: „Heute, so ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht!“2) und abermals: „Jerusalem! Jerusalem! wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, und ihr habt nicht gewollt!“3)

Damit einem jeglichen Maulchristen und frommen Heuchler mit seinem pharisäischen Stolz, als sei er etwas vor Anderen im Reich Gottes, oder als mache er sich durch seine Tugenden bei Christo verdienstlich, das Maul gestopft werde, und damit die stolzen Heiligen, die auf ihre Werke rühmen, zu Schanden gemacht werden. - Wider Solche heißt es: „Wahrlich, ich sage euch, was ihr nicht getan habt dem Geringsten unter meinen Brüdern, das habt ihr mir auch nicht getan; und sie werden in die ewige Pein eingehen.“ 4) „Ringet darnach, dass ihr durch die enge Pforte eingehet, denn viele werden, das sage ich euch, darnach trachten, wie sie hineinkommen, und werden es nicht tun können.“5) Und auf Solche vornehmlich bezieht sich der Brief des Apostels Jakobus.

Damit einem Jeden die Larve vom Gesicht heruntergerissen werde, welcher - indem er richtig behauptet, der Christ sei nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade, und habe eine ewige Freiheit vom Gesetz und vollkommene Gerechtigkeit und Heiligkeit in Christo - keck und frech dahertritt und nach dem Fleisch wandelt in seiner unreinen Lust; welcher, seiner ewigen Erwählung sich rühmend, Wiedergeburt, Inwohnung des Heiligen Geistes und Auferstehung des Fleisches leugnet; welcher das geschriebene Wort verachtet und sich stolz über dasselbe erhebt. - Darum heißt es: „ Was der Mensch säet, das wird er auch ernten; wer auf Fleisch säet, der wird vom Fleisch das ewige Verderben ernten.“6) „Hütet euch, dass nicht Jemand unter euch verstockt werde durch Betrug der Sünde“7), „dass nicht Jemand sei ein Hurer, oder ein Gottloser wie Esau, der um einer Speise willen seine Erstgeburt verkaufte, denn er fand nachher keinen Raum zur Buße, wiewohl er sie mit Tränen suchte.“8), Denn so die, welche entflohen sind dem Unflat der Welt durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesu Christi, wiederum in dieselbige verflochten und überwunden werden, - ist mit ihnen das letzte ärger denn das Erste.9)

Damit allen denen, die sich für Christen halten, weil sie getauft und konfirmiert worden, weil sie zum Abendmahl gehen, und das Ihrige darbringen, auf dass das Reich Gottes ausgebreitet werde, und die sich also auf Gottes Liebe verlassen, - gezeugt werde, dass sie nackt seien, und bei aller ihrer Wirksamkeit tot in Sünden und entfremdet von dem Leben des Geistes aus Gott.10) Damit diejenigen unter ihnen, welche erwählt sind, aus diesem ihrem Paradiese des christlichen Wesens und Treibens und vermeinten Wohlleins herausgetrieben, und von dem Sandgrunde ihrer eigenen Wirksamkeit nach dem Felsen Christo gejagt werden.11) - Darum heißt es: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“12) „Versuchet euch, ob ihr im Glauben seid, prüfet euch selbst.13) „Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.“14) Und hier ist das Gesetz ein Machtwort, welches tötet, indem der Geist lebendig macht.

Dass ein armer Sünder, der seine Sünden mit reuigem Gemüte anerkennt, seine Ohnmacht recht lebendig fühle,15) und dass er, - indem es zu ihm heißt: „bekehret euch und glaubet an's Evangelium, lasset euch mit Gott versöhnen“, - an's Beten komme: „bekehre du mich, so werde ich bekehrt! lehre du mich, was glauben ist, - sei du mir gnädig, gib du mir Hände, dass ich es annehme, - komme du in mich, so habe ich dich!“ und hier ist es ein Wort, das niederreißt und Gottes Gnade erhebt.

Auf dass eine gedemütigte Seele ihre Seligkeit lediglich stelle in die Hände des barmherzigen Gottes und Heilandes, - und hier wird sie, wenn es heißt: Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern“ - fein lieblich getröstet mit dem, was folgt: „denn Gott ist es, der in euch wirket Beide, das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen“; und dass eine angefochtene und mannigfach geplagte Seele zu Christo fliehe, um durch ihn und in seiner Macht bewahret zu werden zur Seligkeit, indem es zu ihr heißt: „Beharret im Guten. Wer beharret bis an's Ende, der wird selig.“

Endlich: Das Gesetz wird gepredigt, damit wir Alle, die da durch einen Geist „Abba“ schreien, ganz erfüllt werden mit Dank und Anbetung, wenn wir einsehen und erfahren, wie Christus, des Gesetzes Ende, das Gesetz selbst erfüllt hat, und auch also des Gesetzes Recht in uns erfüllt,16) dass indem wir in uns selbst je länger je mehr Sünde und Elende befinden, und uns anklagen müssen als Verderber von unserer Jugend ab - demungeachtet der Vater uns in Christo ansieht als seine lieben teuren Kinder, uns ansieht in ihm als ganz gerecht, heilig, rein und vollkommen, ohne Flecken oder Tadel, so als hätten wir nie keine Sünde begangen noch gehabt. So möge ein Jeder der Unsrigen freimütig, kraft der Wahrheit Gottes und des Zeugnisses seines Geistes in uns, sagen: „ich bin Heilig und gerecht“ - obschon uns unser Gewissen anklagt, dass wir noch immerdar zu allem Bösen geneigt sind.

Dieses letztere klingt Manchem fremd; denn er möchte gern heilig und fromm sein, und etwas von dieser Heiligkeit in sich gewahr werden, dann meint er, könne er wissen, ob er Teil an Christo habe. Weil er aber so viele Sünden in sich erblickt, so glaubt er, er sei dem Armen-Sünder-Heiland zu unrein und zu unwürdig, er sei zu fleischlich und unter die Sünde verkauft, als dass der heilige und gerechte Gott sich mit seiner großen Gnade zu einem solchen Elenden herablassen werde; oder er fürchtet, er möchte einmal wider der Hölle in den Rachen fallen. Es gibt Solche, die täglich meinen, sie müssten ihre Sandkörner zusammentragen, um ihren Heiligungsberg hoch aufzutürmen, - aber jeden Tag hat der Sündenwind diese Sandkörner wieder weggeblasen: und dann sitzen sie in der Ecke und weinen. Und es gibt Solcher unter uns noch Viele, denn die Eigengerechtigkeit steckt tief - sehr tief, und der alte Mönch weiß von keinem Sterben, so lange wir leben.

Darum haben wir uns vorgestellt, unter der Leitung des Geistes Gottes, der die Herzen und Nieren prüft, in aller Aufrichtigkeit zu beschauen:

„den durch Christi Blut gerechtfertigten und geheiligten, und von allen Sünden abgewaschenen Christen in sich selbst“.

Text: Römer 7, V. 14.

Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft.

Wenn wir auf den Zusammenhang dieses Verses mit den vorhergehenden achten, so erhellet daraus Folgendes: Wir müssen für immer, entweder durch Verdienst oder durch Gnade leben, durchs ganze Gesetz, oder ganz durch Christum; wir müssen ganz an unsere Frömmigkeit und Werke uns halten oder ganz an Christum; unter dem wir stehen, dessen Eigentum sind wir ganz; wir sollen entweder dem Einen oder dem Andern angehören, sonst steht's um uns nicht richtig. - Ist eine Ehefrau bei einem andern Manne, so lange ihr eigener Mann lebt, so ist sie eine Ehebrecherin; stirbt ihr Mann, so ist sie es nicht, wenn sie eines andern Mannes wird. So sind denn auch wir Ehebrecher, so wir meinen, wir könnten durch unsere Frömmigkeit einerseits, und andererseits durch Christum leben. Dafür sollen wir es aber halten, dass das Gesetz uns eine Leiche ist, die wir ehrlich bestattet haben, und dass wir ihm auch eine Leiche geworden sind, weil es uns zum Tode gereicht hat; dass wir nichts mehr mit demselben zu schaffen haben, nachdem wir Christi geworden sind, der, von den Toten auferwecket, uns mit sich ins ewige Leben hinaufgeführt, und von dem Gesetze auf ewig frei- und losgemacht hat.

Das Gesetz war wohl gut, wir konnten aber nicht lange mit ihm Haushalten, denn sobald wir es kennen lernten, untersagte es uns Alles, und drohte uns Fluch und Tod, wofern wir nicht vollständigen Gehorsam leisteten. Da erregte sich in uns allerlei Lust nach dem Allen, was uns untersagt war. Das Gesetz strafte dies als Sünde; da wurde die Sünde, dieses Strafen nicht duldend, überaus schlimm und sündig. Das Gesetz, wobei wir hätten leben können, hätte uns nicht gelüstet - hielt Wort, fluchte und verdammte uns; da fing auch die Sünde an, uns zu schelten, wütete heftig in uns, und gebrauchte demnach unsern ersten Mann, das Gesetz - das an und für sich selbst gut war - uns totzuschlagen. Da lagen wir denn tot vor der Haustüre des Gesetzes; - siehe! da kam ein anderer vorüber, der machte uns lebendig, reinigte uns von unserm Blute und nahm uns mit sich in Sein Haus, um ewig darin zu wohnen. So sind wir nun eines anderen Mannes geworden, der uns nichts untersagt, sondern Alles gibt; und was des vorigen Mannes war - es sei nun Frömmigkeit oder Heiligkeit oder was des Gesetzes ist - können wir nun so wenig gebrauchen, als Erwachsene ihre Kinderschuhe. Indessen, der vorige Mann bleibt an und für sich selbst gut, und dass er uns alle Lust untersagte, dazu hatte er Recht, weil unsere Ureltern uns mit dieser Bedingung, womit auch wir uns einverstanden gezeigt haben, ausgestattet hatten. Aber weder unsere Ureltern noch wir, hielten diese Bedingung. Die Sünde kam dazwischen, und - sagt nun Paulus - die Sünde, auf dass sie erschiene, wie sie Sünde ist, hat sie mir durch das Gute den Tod gewirkt, auf dass die Sünde überaus sündig würde durchs Gebot. Und hierauf lässt er folgen: Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft.

Diese drei Sätze:

  1. Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist.
  2. Ich aber bin fleischlich,
  3. Unter die Sünde verkauft.

bieten unserer Andacht von selbst drei Ruhepunkte dar.

I.

Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist… so der Apostel; und hiermit hebt er um so mehr hervor, wie die Sünde überaus sündig wird durchs Gebot. Denn das Gesetz treibt nicht allein den äußerlichen Buchstaben, sondern es hält über jedem Titel und Jota, wie es geistlich soll verstanden und gedeutet werden. Es will nicht allein äußerliche Werke, äußerliche Gerechtigkeit und Heiligkeit, wie es sich zu einem bürgerlichen Betragen schickt; - es will nicht allein, dass wir mit der Tat nicht ehebrechen, morden und stehlen; es will nicht allein, dass wir dieses oder jenes nicht tun oder lassen; - es will nicht allein Heiligkeit der Hände, der Füße, der Augen und des ganzen Menschen, ja, es verbietet nicht bloß die Lust: sondern es befiehlt, und führt das Kommando mit eisernem Stabe, und droht fürchterlich: du sollst - du sollst nicht. - Es will vor allem, dass wir aus eignem freien Willen und mit eignen Kräften es eilend und fertig ausrichten, wie Es dieses oder jenes heischt. Es will, dass wir ihm immer nach den Augen und auf die Hände sehen und nicht zögern, wo es seine gebietenden Winke hinwirft, dass wir von Herzensgrund, aus Lust, Freundlichkeit und liebe Alles, was es will, ausrichten. Es will, dass wir Gott als dem lebendigen Gott herzlich vertrauen, an ihn glauben, ihn lieben, hochschätzen und fürchten, und dass wir von ganzem Gemüt ihm gehorchen mit lauter Ehrfurcht und Dankbarkeit, dass wir ohne Murren und Widerspruch, ganz heilig und gerecht nach Verstand und Willen, vor seinem Angesicht wandeln, dass wir alles Böse von Herzen scheuen, unsern Nächsten - und wäre es auch unser Feind, innig lieben, keusch, ehrlich und fromm mit ihm leben, - kurz, wir sollen so heilig sein, wie es unsere Ureltern vor dem Fall nur gewesen sind, und vollkommen, wie unser Vater im Himmel vollkommen ist.17) Also sollen wir das Gesetz ansehen, und ganz vollkommen halten, bis zum letzten Titel und Jota, und dass unser ganzes Leben hindurch, ohne Aufhören, Tag und Nacht, davon nicht abweichen, weder zur Rechten noch zur Linken, und auf diese Weise dem Gesetz inwendig und auswendig also konform sein, dass es an uns nicht den mindesten Flecken, oder die geringste Unähnlichkeit mit seiner Lauterkeit und Geistlichkeit erblickt. So geistlich ist das Gesetz von dem heiligen, gerechten und ewigen Gott, der ein Geist ist, der alles geistlich getan haben will und ein bleibendes Werk fordert, - selbst gegeben worden, und in steinerne Tafeln eingegraben; und er hat dasselbe geschrieben in unsere Herzen und Gewissen. Und wer es nicht geistlich tut, und in allem bleibt, was es geistlich will, der liegt unter dem geistlichen Tode. Das wissen wir, sagt Paulus, das wissen alle, die das Gesetz wissen, und sollen darin leben, oder daran sterben.

Aber wozu hebt Paulus das hier hervor, nachdem er schon vorher gesagt hatte, die Gläubigen seien dem Gesetz gestorben? - Ei! damit es offenbar und immer deutlicher gemacht werde, dass zum Gesetz, dessen Werken, Heiligkeit und Frömmigkeit nichts taugen, und es dran geben müssen; - damit wir dadurch bewogen werden, unsere Hoffnung allein auf Christum zu stellen, weil wir notwendig verzagen müssen, wenn wir mit dem Gesetz und dessen Werken umgehen,18) da die Sünde, welche in uns steckt, dadurch überaus sündig wird, und uns ganz darniederwirft, je mehr wir sie durchs Gebot glauben töten zu können; - ja sie wird uns ersäufen, und zum Strick des Unglaubens und der Verzweiflung und an den Galgen jagen, wofern wir nicht alle unsere Heiligungs-Systeme hinaus und über Bord werfen, damit das Schiff allein auf freier Gnade treibe. - „Sollen wir denn nichts behalten?“ – Ihr habt ja nichts, und was ihr habt, ist Sünde, welche immerdar überaus sündig wird durchs Gebot. „Sollen wir denn nichts tun?“. Ihr könnt nichts als sündigen,19) und je mehr das „tun“ und wäre es auch nur ein „wenig tun“ noch bei euch gilt, desto schlimmer macht ihr's. „Wir müssen uns doch bestreben, dass wir nicht so unrein vor Gott erscheinen, die Sünde soll doch getötet werden, wir wollen doch dies und jenes vermeiden!“ Ihr könnt nichts wollen, die Sünde wird euch immer zu stark, und dann liegt ihr danieder in eurer Kraftlosigkeit. Heute nicht geschickt, morgen noch ungeschickter, die Sünde wird euch betrügen; heute nicht heilig über ein Jahr noch unheiliger; heute unwürdig über zehn und dreißig Jahre noch unwürdiger. Wie dann? werfet weg, weit von euch weg eure Heiligungskrücken! ihr kommt damit den Berg Zion nicht hinauf. Reißet ab die Lumpen, womit eure Wunden bedeckt sind, und zeiget euch dem, der heilig und gerecht ist, wie ihr seid; - lasset fahren alles Eurige, es ist selig, hier an sich selber zu verzweifeln. Gebt Gott recht, und verdammet euch selbst vor Gott! so tut ihr, was Gott haben will; - und harret auf seine Gnade, die euch dargeboten wird in Christo seinem Sohne. - Wird doch dem sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet, der nicht wirkt, glaubet aber an den, der die Gottlosen gerecht spricht.20) Höret ihr, was die Schrift sagt? - der nicht die, die in der Liebe stehen, nicht Heilige und Fromme und Gerechte - nein! der Gottlose gerecht macht.

O, betet, dass der Vater Jesu Christi euch gebe die Hand des Glaubens, so werdet ihr den Schatz erlangen, der auf ewig reich macht; ihr werdet die Sonne der Gerechtigkeit zum Durchbruch kommen sehen in euren Herzen; ihr werdet euch erfreuen unter ihrem Schatten, und jauchzen:

Jesu Blut und Gerechtigkeit,
Das ist mein Schmuck und Ehrenkleid,
Darin ich werd' vor Gott bestehn,
Wenn Erd' und Himmel untergehn.

Wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist, sagt Paulus, und damit treibt er gar hart und zieht doch fein lieblich; - treibt die Seele heraus aus dem Gesetze, aus dessen Werken, aus allen Frömmigkeits- und Heiligungsmitteln, aus allen Bestrebungen, um die Sünde aus sich selbst zu töten und loszuwerden, - damit sie so fein lieblich zu Christo gezogen werde, um bloß in Ihm, als einem andern Manne, erfunden zu werden, der es allein versteht sich mit Gesetz, Sünde, Teufel und Tod herumzuschlagen, in dessen Hause eine vollkommene Freiheit vom Gesetz, Sünde und Tod besteht und regiert, und worin lauter Gnade, Friede, Freude, Gerechtigkeit und ewiges Leben waltet. Und damit keiner mehr etwas einzuwenden habe, führt er sich selbst an. Ich, ich Paulus, der ich entzückt war bis in den dritten Himmel, und daselbst unaussprechliche Worte hörte, der ich mich rühme und jauchze in Christi Gerechtigkeit, und in die Hölle hinein schreien darf: „wer will verdammen!“ und der ich, trotz allen Teufeln, und allen Sünden, Gesetz und Gericht stolziere in Gott, und laut auf frohlocke: „nichts kann mich scheiden von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu“ - und der ich also der Sünde, dem Gesetz, der der Welt und mir selbst ganz abgestorben bin, - ich teile euch mit, nicht wie ich früher war, sondern wie ich bin in mir selbst: ich bin fleischlich.

II.

„Ich bin fleischlich!“ Das ist eben der Grund, weshalb ich beim Gesetz nicht im Hause bleiben und leben kann: - weil das Gesetz geistlich ist, ich aber fleischlich bin. Wenn ich auch halb fleischlich, halb geistlich wäre, so würden wir dennoch nicht in Ruhe mit einander leben können, weil ich immer das Werk des Gesetzes nur auf die Hälfte bringen würde, und hiermit wäre mir noch weniger geholfen, denn es wäre Mönchsarbeit, wofür ich dennoch keinen Dank haben würde, weil das Gesetz doch geistlich richten, und in Allem ein vollkommenes Werk fordern würde. Denn das Gesetz ist ganz geistlich, und will mit solchem geistlichen Herzen geliebt und mit Lust und der Tat gehorchet sein; und will sein Werk aus ganz freien Stücken und Willen, innerlich und äußerlich verrichtet haben, wie es geistlich ist und geistlich richtet. Ich dagegen bin ganz, mit meinem ganzen Menschen, mit Leib und Seele, mit Vernunft und Willen, mit allen Sinnen und Gliedern fleischlich, wie ich inwendig und auswendig lebe, ganz aus Fleisch geboren, aus ungerechtem Samen gezeugt und in Sünden empfangen: derohalben ist das Dichten und Trachten meines Herzens böse, von Jugend auf und immerdar, bin ich ein Unreiner aus den Unreinen, und ist des Herzens Grund eitel Sünde, ja alles, was in und an mir sich reget und beweget, zugleich mit allen meinen Kräften, Begierden, Lüsten, Neigungen; - meine ganze Beschaffenheit ist Sünde, und alle Eindrücke, die ich von außen her in mich aufnehme, werden zur Sünde oder mit Sünde behaftet. So sind auch alle meine vermeinten Gerechtigkeiten ein mit Blut besudeltes, verwerfliches Kleid, und es wohnt in mir nichts Gutes, sondern es regen sich in mir alle Werke des Fleisches, - und ich tue, was ich tue, ich lasse, was ich lasse: ich sündige und bin fleischlich, und wenn ich es auch nicht will, so sündige ich doch, und wenn ich es auch noch so sehr hasse, so sündige ich doch, so lebt und wohnt und regt und wirkt in mir die Sünde, und hängt mir das Böse überall an.

Ich bin fleischlich. - Merket auf, was wir lesen. Paulus sagt, da er diesen Brief schreibt, nicht: ich war früher - sondern ich bin fleischlich. Nun freilich, diese Wahrheit, dass die eine Sünde, welche wir von unsern Ureltern geerbt haben, nicht bloß bei denen, die dem Teufel angehörig bleiben, sondern auch bei den Kindern des Lichts, ein Pfuhl und Gifthütte und eine tiefe Quelle alles Ungeheuers sei: das sehen wir auch häufig an anderen Heiligen und Gläubigen. Da haben wir Mord und Ehebruch bei David21); Hurerei bei Juda und Thamar22); Unreinigkeit und Unzucht bei Simson23), und bei Lot, nachdem er aus Sodom errettet worden24); Abgötterei bei Salomo25); Hoffart bei Hiskia26); Trunkenheit bei Noah27); Zank und Zwietracht zwischen Paulo und Barnaba28); Heuchelei bei Petro29); unter den ersten Christen Hurerei, Unreinigkeit, schändliche Brunst, böse Lust und Geiz30), und bei den Aposteln Untreue an ihrem Heilande31); endlich aller fleischlichen Werke das fleischlichste und aller Sünden Sünde - Unglaube, bei Moses; - und bei Elias, Hiob und Jeremias Überdruss an Gottes Führungen! - Wo sollen wir anfangen, - wo endigen?

Ich bin fleischlich …. das haben alle Heiligen fühlen müssen, das sagt auch der Apostel Paulus. Wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist, ich aber bin fleischlich! Aber damit treibt sich der Apostel selbst in die Enge, - wie will er da herauskommen! Wieso? - Im folgenden Kapitel sagt er im 8. Verse: „Die aber fleischlich32) sind, mögen Gott nicht gefallen.“ Daraus machen wir also den Schluss: die Fleischlich sind, mögen Gott nicht gefallen; Paulus sagt, er sei fleischlich, - mithin kann Paulus Gott nicht gefallen. Allerdings, dieser Schluss ist richtig, und gerade so wie Paulus ihn gemacht haben wollte. Nein, Paulus als Paulus konnte Gott nicht gefallen, denn er war fleischlich, und was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch, - ist sündig und verdammlich vor Gott. Wie konnte denn Paulus Gott gefallen? Nur als armer Sünder, der Schächers-Gnade empfangen hatte, und an Gott glaubte, so wie er den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht hat, auf das wir würden Gerechtigkeit Gottes in Ihm. - So wirft Paulus mit diesem Spruch alle Heiligen über den Haufen, und macht sie Alle recht zu armen Sündern; besonders tröstet er damit sehr freundlich alle beladenen und angefochtenen Gemüter. Er lehrt uns, dass wir doch ein für allemal das Gesetz segnen und fahren lassen, da wir doch nicht mit ihm fertig werden, noch bei ihm haushalten könnten. Denn das Gesetz sei geistlich, äußerlich und innerlich, wir aber in- und auswendig fleischlich, und es stecke in uns zu böse Tücke, als dass wir nur einen Augenblick Frieden mit ihm haben könnten. Denn wir wollen es immer fleischlich verstanden haben, und fleischlich nachmachen, das Gesetz aber will ganz geistlich gefasst, und von Herzensgrund in Tat und Wahrheit getan und erfüllt sein, - und dazu sind wir nicht tüchtig.

Dieses haben auch alle Kinder Gottes erfahren, und erfahren es immer mehr. Und diese Wahrheit soll fest stehen: „dass der Mensch gerechtfertigt werde durch den Glauben Jesu Christi ohne des Gesetzes Werk; und dass wir, die da glauben, aus Gott sind in Christo Jesu, welcher uns von Gott gemacht ist zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung.“ - Und darum, weil das Gesetz geistlich ist, wir aber fleischlich sind, so sollten wir, insofern wir nur etwa der Gnade Gottes teilhaftig sind, alle Gerechtigkeits- und Heiligungs-Mittel dran geben, dagegen sollten wir mit aller Freudigkeit dreist diesen Schluss machen: der Sohn ist so heilig, als der Vater heilig ist, und ebenso gerecht wie der Vater, - und so liebevoll, barmherzig und gnädig der Sünder - Heiland Jesus Christus ist, - so liebevoll, barmherzig und gnädig für arme Sünder ist auch der Vater, welcher ja die Welt also lieb gehabt, dass er seinen Sohn gab. Kann ich nun nicht ableugnen, mein Herr und Heiland Jesus Christus hat meine Seele zuweilen getröstet er hätte es nicht tun können, wäre ich ihm nicht vorher von dem Vater gegeben, - und er kann mich nicht lieb haben, es sei denn, der Vater habe mich zuvor geliebt und mich seinem Sohn gegeben. Ich bin mit dem gerechten und Heiligen Gott versöhnt, oder nicht: bin ich es nicht, so hat er meiner nicht in Gnaden gedenken können; hat er meiner gedacht, so ist er versöhnt. Nun findet aber keine andere Befriedigung seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit statt, als dass derselben genug getan werde. Nun hat Christus derselben genug getan durch seine Gerechtigkeit und Heiligkeit, also kann ich dann nirgendwo Ruhe und Frieden finden, als allein durch und in der Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi, der mit Einem Opfer in Ewigkeit vollendet hat alle, die geheiligt sind.“

Vermag ich's aber noch nicht, so freudig weg im Glauben - trotz aller Zweifel, trotz Sünde, Gesetz und Gericht - zu sagen: „Ja, Herr! dass ich die Verdammnis verdient habe, erkenne ich; aber zwischen dich und mich stelle ich Jesum Christum, deinen lieben Sohn, seine Gerechtigkeit, und die Eingeweide deiner Barmherzigkeit für arme Sünder, in Ihm geoffenbart; - einen andern Grund habe ich nicht: Christus ist mein und ich bin sein“… dann bemühe ich mich allein damit, dass ich Christum suche, Christum habe und recht in seine Gerechtigkeit eingewickelt bin, und ich will nicht aufhören, und ihn nicht lassen, er segne mich denn. Habe ich ihn aber, dann bekümmere ich mich um meine Heiligung nicht, sondern ich jage Ihm nach,33) und achte Alles für Schaden gegen die überschwängliche Erkenntnis Jesu Christi; das wird meine Vollkommenheit sein, täglich mehr in Ihm erfunden zu werden, nicht habend meine Gerechtigkeit aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben Jesu Christi, nämlich die Gerechtigkeit Gottes aus dem Glauben. Ja, darnach jage ich, dass ich mehr und mehr begreifen möge mit allen Heiligen, welches da sei die Länge und die Breite, die Tiefe und die Höhe der Gnade und Liebe Gottes, und seiner Gerechtigkeit geoffenbart in dem Opfer seines Sohnes: und so werde ich erfüllt werden mit allerlei Gottesfülle.34) Und je mehr ich also gestellt werde in das Licht Seiner Heiligkeit und in die Nähe Seiner Gerechtigkeit, desto mehr muss ich an mir selbst Abscheu und Ekel haben; und je mehr ich die Fülle der Gerechtigkeit meines Bürgen einsehe, und in der Gemeinschaft mit ihm auch in seinem Leiden und Tode stehe, - desto abscheulicher wird und erscheint mir die Sünde, und ich weine vor Freuden, dass der Vater der Barmherzigkeit mich wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten. Denn durch dieselbe hat er feierlich erklärt, dass aller Sünden Sold vollständig bezahlt sei - wäre es anders, der Tod hätte meinen Bürgen im Grabe behalten, - und nun reinigt der Vater selbst seine Pflanzen, welche er gepflanzt hat.

So sollen wir denn den Spruch Pauli zu unserm Trost und Stärkung tief in unsere Herzen einprägen, und als einen süßen Wein zu uns nehmen. Der in Christo frohlockende Apostel sagt nicht: „ich habe in der Heiligung und im Guten nun schon ziemliche Fortschritte gemacht“ - nein, seinem Pharisäer zum Verdruss, und seinem beladenen Herzen zum Trost, schreibt er: „wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich.“ Und dieses sollten wir uns - und wäre es auch zum Überdruss - einander zurufen, und damit aller Eigengerechtigkeit, allen Bestrebungen des Selbstwirkens, und aller pharisäischen, pelagianischen und falsch mystischen Heiligkeit den Boden einschlagen. Aber ich; bin fleischlich, sagt Paulus. - Es gibt viele Christen, welche meinen, nachdem sie gerechtfertigt sind, sei die Heiligung ihr Werk; damit befleißigen sie sich nun. Aber anstatt weiter zu kommen, bemerken sie mehr und mehr, dass sie zurückgehen, werden dürre und matt, der Unglaube bricht Herein, der Satan bekommt hier freien Spielraum, - und nun, ehe sie sich's versehen, wird ihnen alles dunkel. Das Verderben, das im Herzen steckt, kommt mehr und mehr hervor, und jetzt besinnen sie sich, ob sie wohl jemals wahre Gnade empfangen haben, und fangen an, das ganze Werk Gottes in ihrer Seele - wenn auch nicht ganz mit dem Herzen, - doch mit dem Munde in Zweifel zu stellen und abzuleugnen. Das Haupt empor, und nicht länger gezweifelt! Ich bin fleischlich, sagt Paulus. Bemühe dich erst damit, dass du Christum wiederfindest, der kann so heilig machen, dass, wenn wir sagen: „ich bin fleischlich und schwarz“, Christus spricht: „du bist so lieblich und heilig, dass ich gar keinen Fleck an dir finde.“

Fasst es doch einmal: beten, singen, die Bibel und erbauliche Bücher lesen, die Einsamkeit suchen, zur Kirche, zum Abendmahl gehen, sich täglich zwei- oder dreimal absondern vor Gott, sich von diesem oder jenem enthalten, das Volk Gottes aufsuchen, nur darnach trachten, dass wir von Herzensgrund Gott lieben und fürchten, ihm glauben und vertrauen, die Sünde töten, wider Welt und Sünde streiten, und was dergleichen heilige Dinge mehr sind, so wie auch seinem Nächsten Liebe beweisen, nicht haderisch und zänkisch sein mit den Unsrigen, keusch, ehrlich, fromm und heilig im Verborgenen und offenbar vor Gott und Menschen leben, sich nichts gelüsten lassen, und Gott alles gläubig anheimstellen - dieses und Anderes ist alles an sich selbst Werk des Gesetzes, und diese Ding müssen geistlich getrieben und vollkommen dargebracht werden, und das von der Jugend auf, bis an's Ende des Lebens, ohne Unterlass, mit Lust, Fleiß und Freudigkeit. Denn das Gesetz ist geistlich. Nun macht die Probe. - Ihr seid fleischlich! … Ja, wir sind fleischlich. Und das Wörtlein Aber, das vorsteht, schneidet hier tief durch Herz und Nieren. Ja, was sind wir? - O, ihr Lieben, das weiß Gott, der ins Verborgene gesehen hat, und noch sieht; sollen wir es enthüllen, und das Herz, worin alle Gräuel stecken, aufdecken? sollen wir offenlegen, was in der Tiefe unseres Herzens verborgen sitzt, härter als Diamant und Eisen? - Da nimmt sich Einer vor, nun will er erst recht vor Gott leben und täglich zu ihm beten, und dann wird er zu diesem oder jenem geschickt sein: - und siehe! er bleibt Tage und Wochen lang ohne ein rechtes Gebet. Da will Einer Gott recht brünstig lieben, aber - die mindeste Lust! und er hat Gott aus den Augen verloren; die geringste Heimsuchung - und seine Feindschaft gegen Gott und sein Volk bricht heraus. Da will Einer sich selbst, seine ganze Sache und Alles, was er hat, Gott anheimstellen: aber die Hülfe dauert ihm was lange - da fängt er an sich selbst zu helfen, und arbeitet sich so noch tiefer hinein. Da denkt Einer, Gott hat dir so oft geholfen, jetzt willst du ihm unbedingt vertrauen; aber neue Not, neuer Unglaube, neuer Zweifel, ob Gott es tun werde. Da denkt Einer, wenn dir Gott erst aus dieser Not herausgeholfen hat, dann willst du Ihm aber recht dankbar sein; Gott hat geholfen wo bleibt der Dank?! Dieser will Gott allein fürchten; aber dieses und jenes, wovon er sich abhängig glaubt, droht ihm und Gottesfurcht ist der Menschenfurcht gewichen. Da will Einer die Bibel lesen; aber nein - er greift erst zu den Zeitungen. Da will Einer ein recht kräftiges Zeugnis ablegen von dem Wege des Heils, hier und da; er kommt hin - der Mut ist erloschen. Er will an Gott denken; es kommt was dazwischen - und seine Umgebung hat auf längere Zeit den lebendigen Gott aus seiner Andacht verdrängt. Einer will recht demütig vor Gott wandeln aber gerade unter den heiligsten Geschäften kriegt sein Hochmut Nahrung. Er will seine Augen vor der Eitelkeit verschließen - ein Spiegel in der Stube ruft ihm zu: „du eitler Mensch!“ - Er will sich zum Gebet vorbereiten, oder zum heiligen Abendmahl die geringste Verletzung seiner Eigenliebe wirft seine Andachtspläne übereinander. Er will keusch sein - aber gerade jetzt regt sich die Lust am meisten. Er will nicht zanken, sondern friedfertig sein - ein Strohhalm vor seine Füße geworfen, ein einziges Wort bringt ihn auf. Er hat seine Heiligkeit so hoch gemacht wie einen Berg - und auf einmal stürzt er ihn selbst wieder um.

Sollen wir noch ein Mehreres anführen? Dieses ist nur von der Oberfläche genommen, es steckt noch tiefer. Satan und Sünde, Augenlust, Fleischeslust und ein hoffärtiges Wesen hören nicht auf, und selbst in den besten und heiligsten Bemühungen wird sich immer diese Wahrheit laut hören lassen: „Das Gesetz ist geistlich; ich aber bin fleischlich!“ Darum höret auf mit allen Werken und Bestrebungen! - habt ihr Christum nicht ganz, so sind's alles Werke des Gesetzes; - und habt ihr ihn, so bleibt es dennoch Alles fleischlich, was aus euch, als aus euch hervorgeht. Suchet Christum und Seine Gerechtigkeit und lernet lediglich euch treiben lassen auf Gottes freier Gnade und Barmherzigkeit, und trachtet darnach, dass ihr immer mehr in Christo erfunden werdet. Habt ihr Ihn, den Hohenpriester, dann habt Ihr Alles; von ihm, dem Haupte, fließt dann auf euch, seine Glieder, Gnade um Gnade, so dass es euch an keiner Tugend mangelt, welche Gott an euch erblicken will. Was Gott nicht selbst durch Christum in uns tut und darstellt, und was nicht von ihm herrührt ist eitel Werk des Gesetzes, und was wir aus uns selbst je getan haben, tun, oder tun werden, ist und bleibt fleischlich, weil wir fleischlich sind, und als solche Gott nicht gefallen können; denn es ist sein Wohlgefallen, dass in Christo alle Fülle wohnen sollte35) - Noch deutlicher erhellt dies aus den letzten Worten unseres Textes.

III.

Unter die Sünde verkauft. In ähnlichem Sinne sagt der Apostel auch Vers 23: „Ich habe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt, und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern.“ Verfällt Paulus aber hier nicht abermals in Widerspruch mit sich selbst, wenn er im folgenden Kapitel sagt: „ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: „Abba, Vater!“? Durchaus nicht; wenn wir nur recht fassen, dass wir fleischlich und unter die Sünde verkauft sind. Dann geben wir sie dran, alle Heiligungs-Bemühungen, und ruhen nicht, bis wir in Christi Gerechtigkeit unsere Ruhe gefunden haben. Da lernen wir Gottes Gnade hochpreisen, dass er Gottlose und nicht Heilige gerecht macht, und da verstehen wir auch recht den letzten Spruch, und jauchzen und singen von Freiheit, und sind froh, dass wir den kindlichen Geist empfangen haben.

Damit wir nun dazu gelangen, öffnet der Apostel sein Herz noch mehr, und schüttet es ganz vor seinen Brüdern aus, auf dass sie doch recht verstehen, dass wir beim Gesetz nicht leben können, sondern demselben getötet sind durch den Leib Christi. spricht: ich bin unter die Sünde verkauft. Gleich wie ein Sklave, der seinem Herrn verkauft ist, dass er ihm täglich diene, ein- und ausgehe und doch bei seinem Herrn bleibe, und ihm alle Dienste leiste nach dessen Gefallen der Sklave sei auch noch so unwillig: also, sagt Paulus, sei er unter die Sünde verkauft, und der Sünde Sklave, wenn auch wider seinen Willen. Und also haben es auch alle Heiligen von jeher erfahren, und so erfahren wir, die da glauben, es auch. Das kann nicht helfen; dieser harte Herr sagt: du bist mein, in- und auswendig, mit Augen, Leib, Händen und Füßen, und Allem, was an dir ist. Und wenn wir nicht wollen, dann peitscht und stäupet er uns, dass einem Blut und Schweiß und Tränen entrinnen, und die Stücke Fleisch an der Peitsche hangen bleiben; oder dieser Herr schmeichelt uns, dass wir nicht wissen, was wir tun, und ihm gehorchen wider Licht und Pflicht, und wollen, indem wir doch nicht wollen. - Weil wir also nicht allein Fleischlich, sondern auch unter so einen harten Herrn verkauft sind, der seinen Tyrannen-Sitz in unserm Herzen hat, und von demselben aus alle unsere Glieder, und alles was sich an uns reget, nach Kaufrecht unter sich hat, und nun mit Gewalt regieren und treiben will: so gebe und der Geist Gottes gnädiglich die Klugheit, dass wir ein Einsehen bekommen, wie wir über diesen Tyrannen doch Herren bleiben, so wie über den Satan und über's Fleisch - auch indem die Sünde uns schleudert, wo wir wollen und doch nicht wollen.

Ist das Gesetz geistlich, und will Alles aus- und inwendig geistlich und von Herzensgrund getrieben haben, - und sind wir von Herzensgrund mit allem, was in und an uns ist, fleischlich; und vermögen wir also nichts als sündigen; und sind wir also unter die Sünde als Sklaven verkauft, dass wir auch wider unsern Willen ihr nach ihrem Willen dienen müssen; - können wir mithin beim Gesetz nicht einwohnen, ohne dass die Sünde, - worin wir kraft unserer Natur und Geburt aus dem Fleisch stecken, - und der Tyrann, der mit uns erzeugt wurde, und uns also von Jugend auf kennt, uns täglich im Hause des Gesetzes martere und würge: - so ist hier kein anderer Rat noch Trost, als allein bei einem andern Manne, Jesu Christo unserm Herrn, der das Gesetz für die Seinen erfüllt, und Alles vollbracht hat - der Sünde, Teufel, Tod und Hölle, Zorn, Gericht und Verdammnis von Seinem Volke weg, auf sich genommen hat, - der sich Selbst den Seinen zum ewigen Eigentum gegeben, auf dass sie ganz - mit Leib, Seele und Geist, und Sinnen, Willen und Gedanken, und allem, was in und an ihnen ist - in Ihm seien, und in Ihm haben möchten immerdar Gnade, Gerechtigkeit, Glauben, Friede, Freude, Heiligkeit, Trost und Stärke, Ehre, Herrschaft über Alles, Freiheit von Allem und das ewige Leben. Und nun lasst uns mit nach Hause nehmen und in unsern Herzen aufbewahren:

Der im Namen aller Seelen
Unsern Schuldbrief übernahm,
Wusste Alles herzuzählen,
Als es zum Bezahlen kam.
Was im Fleisch und Herz und Nieren
Lange als verborgen schlief,
Nächst dem, was wir wirklich spüren,
Stunde Alles in dem Brief.

„Das Christus gestorben ist, ist er der Sünde gestorben, zu Einem Mal; das er aber lebet, das lebet er Gott. Also auch ihr haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid, und lebet Gotte in Christo Jesu unserm Herrn.“ Und habt ihr wahrlich Vergebung eurer Sünden im Blute Christi, so sagt: „ich bin heilig!“ wenn ihr auch nichts als Unreinigkeit erblickt. Die Sache will geglaubt sein, und nicht gesehen. Amen.

1)
Hebr. 2, 3. u. Hebr. 12, 25.
2)
Hebr. 3, 7. 8.
3)
Matth. 23, 37. 38.
4)
Matth. 25, 45.
5)
Luk. 13, 24.
6)
Gal. 6, 7.
7)
Hebr. 3, 13.
8)
Hebr. 12, 15. 16.
9)
2 Petri 2, 20. u. vergl. Hebr. 3, 12. 1. Kor 10, 9. u. Hebr. 10, 26. 27.
10)
Vergl. 1 Kor. 13, 1-8.
11)
Gal. 3, 19. u. 24. Röm. 3, 20. 2. Kor. 3, 6.
12)
Eph. 5, 14.
13)
2. Kor. 13, 5.
14)
Röm. 8, 9.
15)
Röm. 7, 7.
16)
Röm. 8, 4.
17)
Matth. 5,48
18)
Gal. 3,10. 1. Kor. 16,22
19)
Röm. 7,18, Röm. 3,12.
20)
Röm. 4, 5.
21)
2 Sam. 11.
22)
1 Buch Mose 38.
23)
Buch der Richter 16.
24)
1 Buch Mose 19.
25)
1 Kön. 11.
26)
Jes. 39.
27)
1 B. Mose 9,21.
28)
Ap. Gesch. 15,39.
29)
Gal. 2,13.
30)
Kol. 3, 5.
31)
Matth. 26,56.
32)
Nach Luthers Übersetzung
33)
Phil. 3,8-14
34)
Eph. 3,19
35)
Kol. 1,19
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