Koch, Friedrich - Über den Dienst der Ältesten und Diakonen an der Gemeinde, nach der Heiligen Schrift.

Koch, Friedrich - Über den Dienst der Ältesten und Diakonen an der Gemeinde, nach der Heiligen Schrift.

Liebe Brüder! - Wir lesen in 2 Timoth. 3,16 und 17: „Alle Schrift von Gott eingegeben ist nütze usw.“ - Wenn es uns nun als solchen, die den Herrn kennen, darum zu tun ist, dem Herrn brauchbar zu werden in seinem Dienst, so ist uns ja in dem angeführten Wort der Weg von dem heiligen Geist klar bezeichnet, wie dieser Wunsch erfüllt werden kann. Der Weg heißt: Anerkennung der Heiligen Schrift in allen ihren Teilen als Gottes Wort und willige Unterwerfung unter dasselbe auf allen unseren Wegen. Auf diesem Weg werden wir auch die göttliche Einrichtung des Ältesten- und Diakonenamtes, auf welche hin unserem Thema gemäß in diesen Stunden speziell unsre Blicke gelenkt werden sollen, anerkennen und schätzen lernen als einen reichen Segen, für den die Gemeinden ihrem treuen Erzhirten von Herzen dankbar sein sollen.

Der Ältestendienst ist eine alte Einrichtung. Wir begegnen derselben bei dem alttestamentlichen Bundesvolk Israel schon in frühester Zeit. Älteste waren die Repräsentanten der Gemeinde (2 Mose 3,16). Dass hierzu Männer ausersehen wurden, die durch Alter und vielfache Lebenserfahrungen sich auszeichneten und dadurch im Stande waren, einen hervorragenden Einfluss auf das Gemeindewesen auszuüben, liegt auf der Hand.

Als dem Mose die Last des Volkes Israel zu schwer werden wollte, ordnete der Herr demselben 70 Männer, Älteste aus Israel, bei, die ihm die Last des Volkes sollten tragen helfen, zu welchem Dienst sie nun auch in besonderer Weise mit demselben Geist, der den Mose tüchtig machte zu diesem Dienst, ausgerüstet wurden (4 Mose 11,16 und 25. Vergl. 4 Mose 16,25).

Diese Einrichtung traf Gott nun auch bei dem neutestamentlichen Israel der Gemeinde Gottes. Er gab ihr Älteste, die sie weiden und leiten sollten, wie der Apostel Paulus den Ältesten in Ephesus sagt: „So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, über welche euch der Heilige Geist gesetzt hat zu Aufsehern, zu weiden die Gemeinde Gottes, welche er durch sein eigenes Blut erworben hat“ (Apostelg. 20,28). Also der Heilige Geist ist es, der zu diesem Dienst die betreffenden Personen bestimmt, nachdem er sie zuvor hierzu tüchtig gemacht und ausgerüstet hat. Doch nicht unmittelbar besorgt er diese Anstellung, sondern mittelbar, durch Menschen. Zunächst waren es die Apostel selbst, welche in den Gemeinden hin und her Älteste bestellten und mit ihnen zugleich auch deren Schüler Timotheus und Titus. So lesen wir in Apostelg. 14,23: „Nachdem sie ihnen aber Älteste erwählt hatten in jeder Gemeinde usw.“ und dem Titus wird gesagt, dass er deshalb in Kreta zurück gelassen sei, damit er in jeglicher Stadt Älteste bestellen solle. Gewiss ist aber auch, dass die Apostel und deren Helfer nicht ohne die betreffenden Gemeinden bei Besetzung dieser Ämter gehandelt haben. Sie konnten dieses schon deshalb nicht wohl, weil die Eigenschaften nach denen bei den betreffenden Personen gesehen werden sollte, zumeist solche waren, die erst bei längerem Zusammenleben mit jemand offenbar werden, so dass der verhältnismäßige kurze Aufenthalt der Apostel und deren Schüler nicht allein hinreichend war, dieselben zu erkennen, jedenfalls werden sie nicht als vorhanden konstatiert worden sein ohne Mitwirkung der Gemeinde, in der die betreffenden Personen sich befanden. So ist denn auch in Apostelg. 6,3-6 bei der Wahl von Diakonen von einem Umsehen und Auswählen die Rede, welches von der Gemeinde geschehen sollte, und dass es bei der Wahl der Ältesten ähnlich gehalten wurde, lehrt uns Apostelg. 14,23. Das Wort, welches dort mit Wählen übersetzt ist, heißt eigentlich „durch Handaufheben abstimmen“. Dies hätte keinen Sinn, wenn Paulus und Barnabas dieses allein getan haben sollten. Nein, das Vertrauen der Gemeindeglieder (ja auch die öffentliche Meinung, wurde nicht außer Acht gelassen, 1 Timoth. 3,7) wurde als mitentscheidendes Gewicht mit in die Waagschale gelegt. Überhaupt handelte die Gemeinde bei allen wichtigen, sie betreffenden Beschlüssen mit (vgl. auch Apostelg. 15,22-28 das Apostelkonzil). Es gefällt dem heiligen Geist und uns, so schrieb man, und man überschrieb: Wir, die Apostel, Ältesten und Brüder.

Wenden wir uns nach diesen einleitenden Bemerkungen nun zu der Frage:

Was gehört zu den Obliegenheiten eines Ältesten nach der Heiligen Schrift?

Die erste neutestamentliche Stelle heiliger Schrift, wo Älteste unter diesem Namen vorkommen (es sei hier bemerkt, dass dieselben Personen das eine Mal Älteste und das andere Mal [Bischöfe), Aufseher, Vorsteher, Führer 1 Thess. 5, 12, Hebr. 13, 7 [griechische Benennung] genannt werden, vgl. Titus 1,5-7; 1 Petri 5,1 und 2; Apostelg. 20,28) ist in dieser Beziehung merkwürdig, denn sie sagt uns, dass sie auch an dem sich beteiligten, was ursprünglich in den Händen der Apostel lag und später den sieben Almosenpflegern speziell übertragen wurde, nämlich die Besorgung und Verwaltung der Liebesgaben für bedürftige Glieder der Gemeinde. Nach Apostelg. 11,30 überbringen Paulus und Barnabas den Ertrag einer Sammlung der antiochischen Gemeinde an die Christen in Judäa und zwar übergeben sie dieselbe den Ältesten. Also die Annahme und Verwaltung von Liebesgaben für die Armen der Gemeinde ist die erste Tätigkeit der Ältesten, die in der Geschichte hervortritt. Diese Stelle ist übrigens, so viel mir bekannt ist, die einzige, die direkt auf eine Beteiligung der Ältesten an diesen äußeren Geschäften hinweist.

Eine ganze Anzahl Stellen der Heiligen Schrift hingegen zeigt uns ein Eingreifen der Ältesten in die inneren Angelegenheiten der Gemeinden. Apostelg. 15,2 wird uns erzählt, dass die Abgesandten von Antiochia zu den Aposteln und Ältesten zu Jerusalem abgesandt wurden. Die Sache aber, über die dort verhandelt wurde, betraf das christliche Leben, den Wandel der Christen. Es war eine inhaltsschwere Prinzipienfrage, die von Einigen aus Judäa in die antiochische Gemeinde hineingeworfen wurde; es handelte sich um die Frage: „Evangelische Freiheit oder gesetzliche Gebundenheit.“ Wer hier entschied, waren nicht nur die Apostel, sondern es waren mit ihnen die Ältesten, welche die Bestimmung trafen, dass den Christen aus den Heiden keinerlei weitere Last auferlegt werden solle, heiße sie nun Beschneidung oder betreffe sie andere jüdische Gebräuche, außer den unumgänglichen Dingen: sich zu enthalten von Götzenopfern, und Blut und Ersticktem und Hurerei. Und die Gemeinde in Jerusalem, als solche, war bei Fassung dieses Beschlusses mittätig.

In Apostelg. 21,18 werden ebenfalls wieder Fragen, das Gesetz betreffend, in Jerusalem verhandelt, und auch hier sind die Entscheidenden wiederum neben den Aposteln alle Ältesten. Wir sehen hieraus, dass der Ältestendienst Fragen, die christliche Lehre betreffend, auch in den Bereich seiner Wirksamkeit zu ziehen hatte, wie denn auch der Apostel Paulus in den Briefen an Timotheus und Titus von einem Ältesten fordert, dass er lehrhaftig sei und im Stande sei, die Gegner zu widerlegen. Wie nötig war doch damals in Anbetracht der mannigfachen schädlichen Einflüsse, von denen die jungen Christengemeinden in Betreff der Lehre und nicht weniger des Lebens, ausgesetzt waren, ein solcher Aufseher- und Wächterdienst! Und wie nötig ist derselbe auch in unseren Tagen, in denen es für jeden, der Augen hat zu sehen, an der Stirn geschrieben steht, dass sie den Abend einleiten und schon bilden, auf den die Nacht kommt, da Niemand wirken kann. Weiß der Feind der Seelen, dass er wenig Zeit mehr hat, so wird er die ihm noch bleibende Zeit gewiss treu benutzen zur Verführung der Seelen, die seinen Einflüssen zugänglich sind, jungen und alten, und Lüge und Irrtum, besonders wenn sie in christlichem Gewand erscheinen, finden viel leichter Eingang in die Herzen, wie die Wahrheit, die auf der Bahn der Einfalt in Christo erhalten und zum Glaubenskampf stärker und tüchtiger machen will. Wie nötig haben wir erfahrene, nüchterne Männer in Christo, die den unbefestigten, noch leicht von jedem Wind der Lehre zu bewegenden Seelen mit Rat und Tat zur Seite stehen, wie nötig ist es, dass diese ihren Dienst mit Ernst und Treue im Aufblick auf den Herrn verrichten und wie nötig ist es, solche zu erkennen, die in dieser Weise an den Seelen arbeiten und sie um ihres Werkes willen zu schätzen, wie der Apostel Paulus den Thessalonichern zuruft: Wir bitten euch aber, liebe Brüder, dass ihr erkennt, die an euch arbeiten und euch vorstehen in dem Herrn und euch ermahnen; habt sie desto lieber um ihres Werks willen und seid friedsam mit ihnen (1 Thess. 5,12 und 13).

Dass es auch solche Älteste gab, welche vorzugsweise sich dem Dienst am Wort widmeten, ist gestützt auf die Stelle 1 Timoth. 5,17 klar; dort heißt es: „Die Ältesten, welche wohl vorstehen, halte man zwiefacher Ehre wert, sonderlich die, welche arbeiten im Wort und in der Lehre.“ - Dass der Ältestendienst somit das sittliche Leiten und Führen der Gemeinde in sich begreift, ja vorzugsweise die Pflege und Versorgung der Seelen zum Gegenstand hat, kann nach dem Gesagten nicht zweifelhaft sein. Die bekannte Stelle Jakobus 5,14, wie auch die Rede des Apostels Paulus an die Ältesten in Ephesus, Apostelg. 20,17-36, zeigen dasselbe. Hieraus erklären sich denn auch die hohen Anforderungen, die die Apostel an die Ältesten stellen in Betreff ihrer sittlichen Charakterzüge (siehe 1 Timoth. 3,1-12; Titus 1,5-10 u. A).

Das Ältestenamt war also in der apostolischen Zeit wohl vorzugsweise Hirtenamt, nicht Lehramt. Dies änderte sich aber schon im Verlauf der ersten Jahrhunderte. Das Amt wurde zu einem Stand; der Grundsatz der wesentlichen Gleichheit aller Gemeindemitglieder wurde mehr und mehr verlassen, die Lehre vom allgemeinen Priestertum in den Hintergrund gedrängt, das Ältestenamt als priesterliches Amt verstanden, aus „Presbytern“ wurden Priester im Unterschied und nicht selten im Gegensatz zu den Laien.

In späterer Zeit, namentlich in der Reformationszeit, hat man dann wieder Versuche gemacht, den Ältestendienst auf seine biblische Grundlage wieder zurückzuführen, respektive einzuführen. Dr. Luther sprach es ganz entschieden aus, dass alle Christen geistlichen Standes seien, wenngleich nicht einerlei Werkes, und hofft, „ob Gott wolle durch den Laienstand seiner Kirche helfen“. Er betont, dass die christliche Gemeinde die Macht habe zu predigen, predigen zu lassen und zu berufen, brachte es jedoch in seiner reformatorischen Tätigkeit nicht dahin, dass er aus dem Laienstand einen Ältestendienst neben dem Predigerdienst eingerichtet hätte. Der Reformator Calvin tat in Genf einen bedeutenden Schritt in dieser Beziehung vorwärts, indem er wirklich einen Ältestendienst neben den speziellen Dienst am Wort stellte. Die Seitens der Obrigkeit bestellten Ältesten hatten den Auftrag, in Verbindung mit den Predigern ihrer Bezirke den sittlichen Wandel der Gemeindeglieder zu überwachen, Hausbesuche zu machen und in Ausübung der Kirchenzucht mitbeschließend tätig zu sein. - In Paris ging man noch einen Schritt weiter, indem eine im Jahre 1555 dort sich bildende Gemeinde ihren Prediger selbst wählte und mit ihm mehrere Älteste und Diakonen zur Überwachung und Besorgung der Gemeinde, und diesem Vorgang schlossen sich noch eine Anzahl anderer Gemeinden an innerhalb der reformirten Kirche Frankreichs und Schottlands. Auch in Deutschland machten sich Stimmen geltend, die einer Wiederherstellung des Ältestendienstes neben dem Predigerdienst das Wort redeten. So hören wir z. B. einen Spener sagen: „auch glaube ich festiglich, die Ersetzung dieses Kirchenamtes, nämlich der Ältesten, die nicht Prediger sind, sollte wohl eines der wichtigsten Besserungsmittel sein und die übrigen alle so fazilitieren, als dero Nutzen vermehren.“ Doch ist man hier nicht einhellig vorgegangen, sondern nach und nach hat man bald in diesem, bald in jenem Staat in der Kirchenverfassung einem Gemeindepresbyterium eine Stätte eingeräumt, das zur Verwaltung des Kirchenvermögens und zur Führung der äußeren Kirchenaufsicht berechtigt ist und verpflichtet wird, zu eigentlicher Hilfeleistung in Bezug auf das sittlich religiöse Leben aber nicht herangezogen wird und auch sehr oft gemäß seiner inneren Qualifikation nicht herangezogen werden könnte.

Wir wenden uns nun zu der Frage wie, also in welchem Sinn und Geist der Älteste seinen Dienst nach der Heiligen Schrift zu versehen hat. (Es war diese Frage mit Hauptanlass zur Wahl des uns zur Behandlung vorliegenden Themas.) Ich möchte diese Frage zu beantworten suchen an der Hand der Anweisungen, die der Apostel Petrus 1 Petri 5,1-4 den Ältesten der Gemeinde Gottes gibt.

„Weidet die Herde Christi!“ ruft der Apostel den Ältesten zu. Welch ein Auftrag für ein schwaches Menschenkind! Welche Gefahren schließt er in sich zunächst für den zu solchem Dienst Berufenen! Man versteht Angesichts dieser hohen Aufgabe die Mahnung, welche der treue Knecht Gottes, Paulus, den Ältesten in Ephesus zuerst zuruft: „Habet Acht auf euch selbst!“ - Die Herde Christi als die Gemeinde Gottes ist ein so kostbares Gut; durch sein eigenes Blut hat sie der Herr erworben. Wer ihr in dieser Weise zu dienen begehrt, begehrt ein köstliches Werk. 1 Timoth. 3,1. Wie könnte Jemand diesen Dienst in gottgefälliger Weise ausüben, der nicht selbst an der Hand des treuen Erz- und Oberhirten geleitet wird zu den grünen Auen und stillen Wassern des Wortes und Geistes Gottes? Wie könnte Jemand es wagen, zu teilen das Wort der Wahrheit, das Brot des Lebens, dem Starken wie dem Schwachen, der nicht selbst in voller Abhängigkeit steht von dem Herrn, der gekommen ist, das Verlorene zu suchen, das Verwundete zu verbinden und des Schwachen zu warten und zu pflegen! Nur der, welcher von der Gnade Gottes selbst bezwungen, sein Leben verloren hat, ist im Stande, die Quelle des Lebens aus Gott Anderen zu zeigen in freiwilliger Weise, getrieben von dem sanften Zwang der Gnade Gottes, die es liebt, mit zerbrochenen Stäben ihre Wunder zu tun. „Wenn ich schwach bin, so bin ich stark!“ - lautet das Losungswort des Mannes, der sein Leben im Dienst des höchsten Hirten dahingegeben hat, und der Auftrag, zu weiden die Schafe und die Lämmer Christi, wurde dem Apostel Petrus, der sich „Mitältester“ an der uns vorliegenden Stelle heiliger Schrift nennt, erst da wieder erteilt, als er zu der Einsicht gekommen war, dass seine Liebe zu dem Herrn, mit dem er zu sterben vermeinte, ein Ausfluss des ewigen Erbarmens Gottes sei, das sich zu armen, in sich verlorenen Sündern neigt. Das ist das erste Erfordernis zu einem gesegneten Ältestendienst, dass Jemand gelernt hat und noch täglich zu lernen willig ist, seinen eigenen Willen in den Tod zu geben, seine eigene Kraft für Schwäche anzusehen, sein eigenes Leben zu verlieren, sich von einem anderen gürten zu lassen und hinführen zu lassen, wohin das eigene Leben nicht will.

Weiden soll der Hirt die Herde und nicht schändlichen Gewinn für sich selbst aus derselben zu ziehen suchen. Dies ist die zweite Forderung, die die Heilige Schrift an einen Ältesten stellt. Nicht wahr, meine Brüder, wer unter uns sein Herz in etwa kennen gelernt hat, wird einsehen, wie so sehr am Platz eine solche Mahnung für Jeden unter uns ist, allermeist aber gewiss für die Vorsteher der Gemeinden. Wo sind die Herzen, die sich einem Mose ähnlich in den Riss zu stellen begehren für die Herzen, denen man dienen soll? Wo ist die Liebe, die einen Paulus beseelte, der da wünschte, ein Anathema zu sein von Christo für seine Brüder nach dem Fleisch? Wo sind die Gehilfen in Christo Jesu, die da bereit sind, mit jenem Aquila und Priscilla ihre Hälse hinzugeben für den Bruder in Christo, oder wie der Apostel Johannes es ausdrückt, ihr Leben für die Brüder zu lassen? - Ach, nicht wahr, diese Art selbsthingebender Liebe eignet uns nicht von Hause aus; die muss uns von Dem ins Herz ausgegossen werden, der sein Leben hingab für die Feinde, von dem guten Hirten, der sein Leben ließ für die Schafe! - Nur wer es in der Schule des Heiligen Geistes gelernt hat und immer mehr zu lernen begehrt, Christum als seinen höchsten Gewinn zu erstreben, wird Ältestendienst tun können nicht um schändlichen Gewinns willen. Und ach, Viele gibt es, die ein Handwerk machen aus diesem hohen Beruf, die denselben nicht anders treiben, wie sie auch jeden anderen Beruf treiben würden! Die armen Schafe, die mit solchen Leitern und Führern bedacht sind! - Wie gut ist es doch, dass der treue Erzhirte gesagt hat: „Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen.“ Solche Mietlinge, denen es um die Wolle der Schafe geht, statt der Schafe Bestes zu suchen - welche Verantwortung tragen sie doch! Hast du mich lieb, sprach der Heiland zu Petro, so weide meine Schafe! - Aus der Liebe zu dem Heiland quillt die Liebe zu den Seelen und nur in dieser Liebe ist es möglich, sich zu beweisen als ein guter Streiter Jesu Christi. Ach, wie umstricken die Händel der Nahrung oft das Herz! wie lähmt die Sucht nach Besitz, - ich denke jetzt nicht an das Trachten nach großen Reichtümern, nein, ich denke an das Bestreben nach Bequemlichkeit des Zeitlebens in seinen mannigfaltigen Gestaltungen - wie lähmt dieses oft den Arm des Streiters, dass ihm schier das Schwert des Geistes zu entfallen droht und leider auch oft entfällt. Wenn dieses dem Hirten passiert und dann der Wolf kommt, die Schafe zu erhaschen und zu zerstreuen, womit will er demselben Widerstand tun, wie will er das Feld behalten? - Ach die Liebe zum Irdischen ist eine Wurzel alles Übels und wie nötig ist es, dem Knechte Gottes zu wachen, Acht zu haben auf sich selbst, damit er nicht zum Demas wird, der Paulum im Stich ließ, weil er die Welt wieder lieb gewann.

Meine Brüder! Unsre Zeit scheint mir in besonderem Sinn dazu angetan zu sein, in dieser Hinsicht die Herzen zu bezaubern. Der Genuss des Lebens tritt in den mannigfaltigsten Gestaltungen, ja oft in scheinbar frommem Gewand an uns heran und begehrt auch die treuesten Knechte Gottes abzubringen von der Bahn, die der Herr den Seinigen vorgezeichnet hat, von der Bahn der Selbstverleugnung. Wie schwer will oft das Wort des Herrn dem Herzen erscheinen: „Wer nicht absagt Allem, was er hat, ja, wer nicht sein eigenes Leben hasst, der kann nicht mein Jünger sein.“ Wohl der Gemeinde, welcher der Herr da seine Verheißung erfüllt, die er durch den Propheten Jeremias seiner Herde gegeben hat: Ich will euch Hirten geben nach meinem Herzen, die euch leiten sollen mit Lehre und Weisheit. Jerem. 3,15.

Und noch eine andere Anweisung zum gesegneten Ältestendienst gibt der Apostel Petrus in dem uns vorliegenden Wort. Sie sollen nicht sein solche, die über das Volk herrschen, sondern Vorbilder der Herde sein.

Der Ältestendienst ist eben ein Dienst, keine Herrschaft. O, wie wenig behagt dem stolzen Menschenherzen der Weg, der durchs Tal der Demut geht, der verpflichtet, die Füße dem Nächsten zu waschen, wo man am liebsten den Kopf waschen möchte! Und doch, wer unter uns würde es wagen, dem Ausspruch des Herrn in Mark. 10,43 zu widersprechen: „Wer der Größte unter euch sein will, der sei euer Aller Diener.“

Wer würde es wagen, dieses Wort zu bestreiten Angesichts der Tatsache, dass der Herr unbestreitbar durch seinen Liebesdienst die Herzen von Tausenden und Millionen gezwungen hat, ihm nachzufolgen auf solchem Weg und ihm ihre Herzen hinzugeben zur vollen Zubereitung zu ähnlichem Dienst! - Der Ehrgeiz hat im Dienst des Herrn keine Stätte, es sei denn der Ehrgeiz, der auf die Ehre bei den Menschen, die am Glauben hindert, Verzicht leistet, um die Ehre bei Gott zu suchen. „Exempla trahunt“ lautet ein lateinischer Ausspruch, d. h. „Beispiele ziehen nach“. Ja, das gilt in der Nachfolge Christi und besonders bei den Hirten, denen die Herde nachfolgen soll. Werdet meine Mitnachahmer, wie ich Christi, schreibt der Apostel Paulus den Korinthern Kap. 11,1. Allenthalben stelle dich selbst zum Vorbild guter Werke, mit unverfälschter Lehre, mit Ehrbarkeit, sagt er dem Titus Kap. 2,7. Die Augen der Gemeindeglieder sind naturgemäß insbesondere gerichtet auf diejenigen, welche ihnen Führer sein sollen auf ihrem Pilgerpfad. Wie nun, wenn der Vorsteher einer Gemeinschaft die Glieder derselben zum Glauben ermahnt und sein eigenes Leben zeigt von der Natur dieses Glaubens selbst kaum etwas? Wie, wenn er redet von der Liebe, die Alles trägt, glaubt, hofft, duldet, und für seine Person erträgt er kaum den geringsten Widerspruch? Wie, wenn er spricht von der herrlichen Hoffnung des Berufs der Kinder Gottes und sein eigenes Leben lässt es überall durchblicken, dass ihm selbst diese Hoffnung gar wenig wertvoll erscheint? Werden die Ermahnungen eines solchen, auch wenn sie in die denkbar schönsten oder auch denkbar schärfsten Worte gekleidet wären, dem Irrenden imponieren? Werden junge, unbefestigte Seelen an einem solchen einen Halt finden können? Werden die Schwachen im Glauben hier den tragenden Arm finden, der sie trägt oder linde führt in die Arme Dessen, der ihren Mangel erfüllen kann? - Ach, es gibt kein stärkeres Ermahnen, Trösten, Ermuntern der Brüder, als durch einen treuen Wandel vor dem Herrn. Deswegen auch, wie schon bemerkt, die hohen Anforderungen an die Ältesten in Betreff ihres christlichen Lebens. Der Bischof soll sein unsträflich, Eines Weibes Mann, nüchtern, mäßig, sittig, gastfrei, lehrhaftig, kein Weinsäufer, nicht unehrlich im Handel, nicht haderhaftig, sondern gelinde, nicht geizig, kein Neuling, er soll treu sein in der Kindererziehung, als einer, der seinem eigenen Haus wohl vorzustehen wisse, und soll ein gutes Zeugnis haben bei denen, die draußen sind. 1 Timoth. 3,1-7. Dies sind durchweg sittliche Züge, die auf die Handlungen der Ältesten im Leben gehen.

Meine Brüder! Angesichts solch hoher Forderungen könnte einem der Mut entsinken, solch Amt anzunehmen, oder falls man in demselben steht, es weiter zu bekleiden. Man könnte fragen: Wer ist hierzu tüchtig? Man könnte zu der Ansicht gedrängt werden, wie es denn in der Tat auch solche gibt, unsere Zeit habe solche Männer nicht mehr aufzuweisen, die tüchtig seien, ein solches Amt innezuhaben. Auch fehlten ja die Apostel, welche seinerzeit die Ältesten ausgewählt und eingesetzt hätten. Hinsichtlich der letzten Bemerkung glaube ich bereits bewiesen zu haben, dass die Apostel keineswegs in dieser Frage ohne Mitwirkung der betreffenden Gemeinden gehandelt haben, und deren Schüler, die noch selber jung an Lebenserfahrung waren, gewiss ebenfalls nicht. - Was aber die Tüchtigkeit zu diesem Dienst anbetrifft, sollte da die Hand des Herrn zu kurz sein? Freilich, der Herr nur kann dazu ausrüsten, und wo dieses Amt besteht - ohne diese innere Ausrüstung durch den heiligen Geist, da ist es bloße und geradezu verderbliche Form. Haben wir aber nicht einen Zugang zum oberen Heiligtum, dürfen wir nicht nahen zu dem Haupt seiner Gemeinde (Christus), um von ihm zu erbitten Gaben zur Förderung und Auferbauung seines Leibes? Wie viele von denen, die wohl den Ältestendienst als nötig erachten, aber an der Befähigung der Menschen zu diesem Dienst in der Jetztzeit zweifeln, mögen wohl von dem Herrn ernstlich gebeten haben, ihnen doch Aufseher und Führer zu geben, die sie weiden und führen nach Gottes Willen?

Ob aber dies Amt noch nötig ist zur Jetztzeit?

Meine Brüder! Ich denke, gerade in den Zeiten des Abfalls hat die Herde den Hirten am nötigsten. Der Apostel Paulus redet deshalb auch zu den Ältesten in Ephesus von den Zeiten nach seinem Abscheiden, in welchem gräuliche Wölfe kommen würden. Sollte also das überhandnehmende Verderben und der Abfall diese Aufseher der Gemeinden unnötig erscheinen lassen? - Ich denke, der gesunde Verstand sagt uns schon das gerade Gegenteil. In diesen Zeiten hat man sie erst recht nötig und der Herr, der sich seine Gemeinde auferbaut zu einer Behausung Gottes im Geist, wird nicht aufhören wollen, ihr zu schenken die Gaben des Heiligen Geistes zum gemeinen Nutzen, die stets durch menschliche Kanäle der Gemeinde nutzbringend zugewandt worden sind, und er wird auch dafür sorgen, dass man auch heute noch und weiterhin die Träger dieses Geistes zu erkennen vermag.

Mögen die verbundenen Gemeinschaften auch anhalten bei dem Herrn, dass er die rechten Leiter an ihre Spitze stellen wolle und mögen sie dessen eingedenk sein, dass es gilt in treuer Fürbitte einzutreten für die, welche an ihren Seelen arbeiten. Die Vorsteher werden davon einen Segen haben und dieser Segen wird als ein befruchtender Tau wieder als Erhörung ihrer Gebete ihren Herzen zu Gute kommen. Das Wachen über den Seelen ist neben dem köstlichen ein ernstes, verantwortungsvolles Werk; wohl denen, die es nicht tun müssen mit Seufzen. Darunter leiden die Vorsteher und nicht zum wenigsten die Gemeinden selbst. Möge uns der treue Herr vor Solchem bewahren.

So viel über den Ältestendienst. Es erübrigt nur noch ein Wort über den Dienst eines Diakonen. - Ich will mich hier mit einigen summarischen Bemerkungen begnügen, und ich kann dieses umso mehr, da nach der Heiligen Schrift das Diakonenamt sozusagen ganz dieselben Anforderungen an seinen Inhaber stellt und in demselben Sinn und Geist geführt werden soll, wie es bei dem Ältestendienst der Fall ist, vgl. 1 Timoth. 3,8-13. Ihre Wirksamkeit liegt freilich vorzugsweise auf anderem Gebiet, auf dem der äußeren Handreichung; es ist vorzugsweise ein Dienst an den Armen, Witwen und Waisen der Gemeinden. Wie versuchungsreich ist doch auch dieser Beruf! Wie so hohen Gehaltes deshalb auch die Eigenschaften, die zu demselben erforderlich sind! In Apostelg. 6,3 wird von den sieben zu wählenden Diakonen verlangt, dass dieselben ein gutes Gerücht hätten, dass sie voll Heiligen Geistes und Weisheit seien. Welche Forderung! Kann man dieselben noch höher stellen? - Wie versuchungsreich mit fremdem Geld zu hantieren? Wie nahe lag die Gefahr, parteiisch zu handeln, dass z. B. die Diakonen aus den Heiden die jüdischen Bedürftigen und umgekehrt die jüdischen Diakonen die heidenchristlichen Armen vernachlässigten (vgl. das Vorkommnis in Apostelg. 6, welches Anlass wurde zur Wahl von speziellen Armenpflegern). Aus diesen Gründen befiehlt wohl auch der Apostel Paulus dem Timotheus Kap. 3,10 die Diakonen erst probeweise zu versuchen und zu sehen, ob sie unsträflich seien, d. h. ob sie ihren Dienst ausrichteten mit einem Herzen, das in der Wahrheit stand und für den Herrn und vor demselben seine Wege ging. O, wie nottut es auch da, den Herrn anzulaufen, zu solchem Dienst die rechten Personen zu geben. Wie wenig nützt auch da eine bloße Form, aber wie gesegnet hingegen, wenn einem Gemeinschaftsleben Männer geschenkt werden vom Herrn, die an den Armen, Witwen und Waisen die Schätze erkennen, an denen zu arbeiten und die zu hüten ein köstliches Werk ist vor Gott, wenngleich wenig begehrt und erstrebt von den Menschen.

O möge uns der Herr immer mehr geschickt machen, zu erkennen seine Gnadenabsichten mit seinen Heiligen; möge er uns willig machen zu hingebendem, selbstverleugnendem Dienen innerhalb des Kreises, in welchen er uns unsern Platz angewiesen hat; von solchem Herd gegenseitiger dienender Liebe wird dann auch ohne Zweifel ein Segen ausgehen zum Heile derer, die dem Leben aus Gott noch ferne stehen, zum Lobe der herrlichen Gnade des Herrn. Das walte seine Gnade!

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/k/koch_friedrich/koch_friedrich_aelteste_und_diakone.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain