Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Philipper in 25 Predigten - Nachwort.
Mit jener Hinweisung auf den Segen der brüderlichen Liebe und mit Dank gegen Gott für diese teure Gabe schließt der Apostel seinen Brief an die Philipper: wie könnte er ihn schöner beschließen! Die wenigen Worte, die er noch hinzufügt, enthalten Grüße aus Rom und zuletzt einen apostolischen Segenswunsch. Grüßt jeglichen Heiligen in Christo Jesu. Ein Gruß in Christo Jesu ist nicht der kalte, herzlose Gruß, wie man ihn gemeiniglich auf der Gasse hört. Die Gemeinschaft mit Christo knüpft ein Band brüderlicher Liebe, und wo diese Liebe wohnt, da fehlt auch nicht der Gruß, der beides, eine Kundgebung der Liebe und Freundschaft und eine Anwünschung alles Wohlergehens, ist. Darum trägt nun auch Paulus den Vorstehern der Philippischen Gemeinde, denen zunächst der Brief eingehändigt wurde, Grüße an alle Mitglieder der Gemeinde ohne Ausnahme und an jedes insbesondere auf. Mir ist fast, als trüge der verklärte Paulus jetzt, nachdem ich euch seinen Brief ausgelegt, auch mir an die Heiligen der Brügger Gemeinde Grüße auf. - Außer ihm grüßen auch die übrigen Christen in Rom: „Es grüßen euch die Brüder, die bei mir sind.“ Es sind hier die Kap. 1, V. 14 Genannten gemeint, die seine engere Umgebung bildeten, und auch die später (Kap. 2, V. 20) Bezeichneten mögen zugleich zu verstehen sein, obgleich er sich dort über sie beklagt, dass sie das Ihre suchten, nicht aber das Christi ist. So sehr fehlte es ihnen nicht an dem brüderlichen Sinn, dass sie ihre entfernten Brüder sogar hätten ungegrüßt lassen sollen; aber freilich war ihr Brudersinn gegen das helle Licht der aufopfernden Liebe des Apostels nur eine schwach brennende Kerze. - Da es bekannt war, dass Paulus an die Philipper schreiben wollte, so baten auch die übrigen Christen in Rom, dass er von ihnen grüßen möchte. Es grüßen euch alle Heiligen, besonders aber die aus des Kaisers Haus. Wir ersehen aus diesen Worten, dass sogar Etliche aus dem Palast des damaligen Kaisers Nero sich bekehrt hatten; doch sind es wahrscheinlich nicht Verwandte dieses Kaisers gewesen, und wäre namentlich der früher einmal genannte Clemens ein Blutsverwandter des Kaisers gewesen, so hätte der Apostel ohne Zweifel von ihm einen besonderen Gruß zu melden gehabt und auch diese Verwandtschaft zugleich angedeutet. Er meint denn wohl nur etliche Diener aus dem kaiserlichen Haus. Wie kann es auffallen, dass das Evangelium sogar in den kaiserlichen Palast gedrungen war? Häufig mussten ja Leute aus des Kaisers Dienerschaft in das Prätorium kommen, wo Paulus sich aufhielt und mit seiner Predigt bei den Soldaten Gehör und Eingang fand. An das Ohr des Kaisers selbst drang freilich die Stimme des Evangeliums nicht; er blieb unbekehrt und es brach unter seiner Regierung sogar eine grausame Verfolgung der Christen aus, in der vielleicht auch der Apostel seinen Tod gefunden hat. Aber aus seiner Dienerschaft bekehrten sich Etliche, und dass sie so besonders freundlich grüßten, weist auf ihre Liebe hin, die gegenüber einem gottlosen, grausamen Tyrannen, der über ihr Leben stündlich zu verfügen hatte, nur um so mehr sie durchdrang und wohl auch durch des Apostels Wort besonders gestärkt und gekräftigt war. Es musste ja die Liebe mächtig in ihnen sein, wenn sie es wagen mochten, mit ihrem Christentum in den Palast des Kaisers zu treten, und mehr als alle übrigen sich der Gefahr des Todes auszusetzen.
Das letzte Wort des Apostels ist der Segenswunsch, womit er seine Briefe zu schließen pflegt: Die Gnade des Herrn Jesu sei mit euch allen! Damit hat er begonnen, damit endet er. Die Gnade Gottes ist das A und O, der Anfang und das Ende. Sie ist die Morgensonne des Himmelreichs, womit unser Licht und Leben aufgeht; sie sei auch unsere Abendsonne, die, wenn wir hinuntersinken in's Grab, unser Herz mit Frieden erfüllt.
Und nun dank ich dir, mein Gott, dass du vom Anfang dieser Epistel Pauli mich bis an das Ende derselben geleitet hast. Lass die Früchte, die ich von den vielen Bäumen dieses apostolischen Gartens geschüttelt habe, eine Nahrung und Erquickung sein für Alle, die das gepredigte Wort gehört haben und die das geschriebene Wort lesen werden. Ich bekenne willig, dass ich nichts vermag ohne dich; und wenn ich dein Wort auch auslegen könnte wie ein Engel, so nützte es doch nichts, wo nicht dein Segen hinzukäme zu meinem Wort. Gib denn deinen Segen dazu und lass in meinem auslegenden Wort den Apostel umherziehen, wie er einst umherzog; und Vieler Herzen gewinnen und selig machen.
O Herr Gott, Vater, Sohn und Geist!
O Segensbrunn, der ewig fleußt!
Durchfließ' mein Werk in Gnaden wohl,
und mach' es deines Segens voll.