Hofacker, Wilhelm - Am Sonntag Oculi.

Hofacker, Wilhelm - Am Sonntag Oculi.

Text: Ephes. 5, 1 - 9.
So seid nun Gottes Nachfolger, als die lieben Kinder, und wandelt in der Liebe, gleichwie Christus uns hat geliebet, und sich selbst dargegeben für uns zur Gabe und Opfer, Gott zu einem süßen Geruch. Hurerei aber und alle Unreinigkeit, oder Geiz, lasset nicht von euch gesagt werden, wie den Heiligen zustehet. Auch schandbare Worte, und Narrentheidingen, oder Scherz, welche euch nicht ziemen, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, daß kein Hurer, oder Unreiner, oder Geiziger (welcher ist ein Götzendiener) Erbe hat an dem Reiche Christi und Gottes. Lasset euch Niemand verführen mit vergeblichen Worten, denn um dieser willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr waret weiland Finsterniß, nun aber seid ihr ein Licht in dem HErrn. Wandelt wie die Kinder des Lichts. Die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Im Gesetze des Alten Bundes finden sich oft einzelne Verordnungen und Vorschriften, die bis in das Einzelste und Kleinste hinaus ihre Bestimmung haben. So ist's z. B. mit den Geboten über das Verhalten und die Kleidung und die Amtsverrichtungen der Priester und Leviten, welche sich bisweilen bis auf die einzelsten, uns unbedeutend scheinenden Dinge und Geringfügigkeiten hinaus erstrecken. Da wird z. B. vorgeschrieben, welche Kleidung allein für den Hohepriester und die andern Priester sich zieme, von welcher Farbe und von welchem Stoffe ihre Gewänder sein müssen, wenn sie im Heiligthum erscheinen wollen; da wird ferner z. B. festgesetzt, welchen Kasteiungen, welchen Waschungen, welchen Vorbereitungen sie sich zu unterziehen haben, wenn sie tüchtig sein sollen, vor dem Angesicht des Heiligen in Israel zu stehen; da wird endlich mit großer Ausführlichkeit auseinandergesetzt, zu welchen Stunden und Zeiten, und mit welchen Obliegenheiten sie ihres Amtes zu warten und zu pflegen haben, so daß gleichsam alle ihre Tritte und Schritte ihnen vorgezeichnet, alle ihre Handlungen bis in's Einzelste hinaus festgesetzt waren.

Dieß gehörte mit zu den Ziemlichkeiten des Heiligthums; dieß war mit ein Theil der Anweisung zu der Behauptung des Anstandes und der Würde, welche die Priester bewahren sollten vor dem Hause Israel. Solche in's Einzelne gehende Anstands- und Ziemlichkeitsgebote sind dem Volke des Neuen Bundes nicht gegeben; frei und ungehindert soll es sich ergehen in der Freiheit damit Christus uns befreiet hat; ohne solchen äußeren Zwang und Vorschriften soll es dennoch ein priesterliches, ein heiliges Volk, ein Volk des Eigenthums sein, das ungehindert tritt vor das Angesicht seines Gottes und freudig verkündigt die Tugenden deß, der uns berufen hat aus der Finsterniß zu seinem wunderbaren Lichte (1 Petr. 2, 9.). Wir würden uns aber sehr täuschen, wenn wir glauben wollten, das Evangelium wisse gar nichts zu sagen von dem Anstand, von der Ziemlichkeit, die sich für einen Christen schicken. O nein, - selbst in unsrer Abendlektion spricht der Apostel von Dingen, welche, wie er sich ausdrückt, den Heiligen nicht ziemen, welche ihnen nicht zustehen; und so bittet er auch seine Philipper, doch ja vor Allem nachzudenken dem, das ehrbar, das lieblich sei und was wohllaute (Phil. 4, 8.); und seine Kolosser macht er darauf aufmerksam, daß ihre Rede stets sein soll lieblich und mit Salz gewürzet (Kol. 4, 6.), - lauter Dinge, welche deutlich au den Tag legen, daß der Geist Christi in den Gläubigen auch eine heilige Ziemlichkeit, auch einen würdevollen Anstand, auch ein zartes Schicklichkeitsgefühl zu pflanzen wisse, das von einem in der Schule des HErrn gebildeten Herzen, von einem durch die Zucht seiner Wahrheit geläuterten Geiste Kunde geben soll. Freilich dieser würdevolle Anstand des Christen ist nichts Anerlerntes, nichts Kunstmäßiges, nichts Mechanisches, nichts Stehendes, sondern eine Frucht des lebendig machenden und freien Geistes, der von innen schafft und bildet, und eine Feindschaft pflanzt gegen alle unfruchtbare Werke der Finsterniß, und uns wandeln heißt als Kinder des Lichts in dem Lichte, welches Christus unsren Herzen hat aufgehen lassen. Denn ist einmal hier die Sonne der Wahrheit hervorgetreten, sind wir erleuchtet durch den, der das Licht der Welt ist, o da verbreitet sich von innen heraus über Alles, was wir thun und reden, ein milder Schimmer des Lichts, und dieses Licht reinigt uns, heiligt uns, und verklärt unser ganzes Wesen mehr und mehr in die Natur und das Bild Jesu Christi. Und dieß ist's, was der Apostel meint, wenn er uns zuruft: ihr seid ein Licht in dem HErrn, darum wandelt auch wie die Kinder des Lichts.

Der Gegenstand unserer Betrachtung soll sein: Die Gläubigen ein Licht in dem HErrn.

I.

l) Ein ehrenvolleres herrlicheres Zeugniß hätte der Apostel seinen geliebten Ephesischen Christen nicht geben können, eine größere vielumfassendere Würde hätte er ihnen nicht beilegen können, als wenn er das große Wort ihnen nachrühmt: ihr seid ein Licht in dem HErrn! Damit stellt er sie hoch hinauf über alle Herrlichkeit, über alle Bildung und Wissenschaft der ganzen damaligen Welt; damit erklärt er sie für Kinder und Erben dessen, der ein Licht ist und ist keine Finsterniß in ihm (1 Joh. 1, 5.); damit rückt er sie hinan an die Seite dessen, der als der Erstgeborne vor Allen sagen konnte: ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolget, der wird nicht wandeln in Finsterniß, sondern das Licht des Lebens haben (Joh. 8,12.). Aber nicht stolz und hochmüthig wollte deßwegen Paulus durch diese ehrenvolle Auszeichnung seine Christen machen; nicht zu einem vornehmen Herabsehen auf ihre näheren heidnischen Umgebungen, die noch in allerlei Aberglauben und Unglauben befangen waren, wollte er sie dadurch veranlassen; nicht zu einem satten Sich-Brüsten mit der ihnen zuerkannten Würde wollte er sie verleiten; nein, mit demüthigem Dank gegen die göttliche Gnade wollte er sie erfüllen, zur beugungsvollen Anerkennung dessen, was der HErr an ihnen gethan hatte, wollte er sie verpflichten, und deßwegen setzt er hinzu: ihr waret weiland Finsterniß, nun aber seid ihr ein Licht in dem HErrn. Nicht vergessen sollten sie, was sie weiland gewesen waren in der Nacht und Finsterniß ihres früheren Wandels, es sollte sich immer wieder vor ihren Blicken aufrollen das düstre Gemälde ihrer früheren Verirrungen und Verkehrtheiten; es sollten immer wieder an ihrem Geistesauge vorübergehen die Tage der Blindheit und der Todesnacht, die auf ihnen lag; ja es sollten vor ihrer Erinnerung wieder auferstehen die Todtengebeine ihrer früheren Sünden und Uebertretungen und Frevel, die sie begangen hatten in ihres Herzens Härtigkeit; und verdammend und richtend, beschämend und demüthigend als unheimliche Schatten sollten sie durch ihre Seele ziehen; damit sie nun recht zu schätzen wüßten, was es heiße, daß sie nun erlöset seien vom alten Wandel nach väterlicher Weise (l Petr. 1, 18.), und errettet aus der Obrigkeit der Finsterniß (Kol. 1,13.); daß sie nun erleuchtet durch das Licht des heiligen Geistes, daß sie nun erfüllt mit Kräften des ewigen Lebens, versetzt seien in das Reich des Sohnes der Liebe. .

Und dachten sie so mit einem Paulus an jenen großen Wendepunkt in ihrem Leben zurück, da in ihnen durch die Predigt des Evangeliums, das er zwei Jahre lang in ihrer Mitte verkündigte, und durch die Wirkung dessen, der das Licht aus der Finsterniß hervorleuchten, Erleuchtung entstand von der Klarheit Gottes im Angesichte Jesu Christi, - erinnerten sie sich so der seligen und unbeschreiblich wichtigen Veränderung, da der helle Morgenstern auch in ihren Herzen aufging und die Sonne der Gerechtigkeit hervorbrach auch in ihren umnachteten und verdüsterten Gemüthern, - O da mußte sich ihr Innerstes zum Lob und Dank gegen die herrliche Gnade gestimmt fühlen, die auch sie ersehen und erwählt hatte; da mußte ihre Seele frohlocken und ihr Geist vor Freude jauchzen, wenn der Apostel jenes Wunder der göttlichen Barmherzigkeit in ihnen mit den Worten besiegelte: ihr waret weiland Finsterniß; nun seid ihr aber ein Licht in dem HErrn.

2) Ach, daß doch die Boten des Evangeliums in unsern Tagen auch zu ihren Gemeinden ebenso sprechen könnten und dürften: ihr waret weiland Finsterniß, nun aber seid ihr ein Licht in dem HErrn! Daß doch die Finsterniß ein vergangener, ein zurückgelegter, ein verschwundener Zustand ihres Herzens wäre, und das Licht von oben das Leben, das sie nun erfüllt! Aber wir müssen es häufig umkehren: ihr seid noch Finsterniß; ihr seid noch Knechte und Sklaven ihres Fürsten; ihr seid noch in der Nacht der Sünde und des Todes begraben; ihr seid noch von den Kräften der Lüge und der Welt umfangen; ihr seid noch vom Taumelkelch der Weltlust und Augenlust berauscht; ihr seid noch in euren Sünden und Uebertretungen; ihr seid noch ferne vom Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, ferne von dem Leben, das aus Gott ist; ihr seid noch gebunden mit den Ketten der Finsterniß und des Todes. Das Traurigste und das Bedenklichste ist aber, daß sich bei allem diesem eine unbegreifliche Ruhe und Sicherheit der Mehrzahl bemächtigt hat; sie gehen ohne Gott, ohne Christus, ohne Licht von oben dahin, und es fällt ihnen gar nicht ein, daß sie auf dem Irrwege sind; ja sie gehen oft sogar mit kecker Stirne dem Tode entgegen und fahren dahin in ihres ungebrochenen Herzens Sinn; ohne auch nur zu bangen und zu befürchten, ob sie auch auf der Straße seien, die da heißet die richtige. Aber freilich hiebei kommt ihnen die Welt zu Hülfe; und damit sie doch wenigstens einigen Ersatz haben für das helle Sonnenlicht, das in Christo uns angebrochen ist, damit sie die Finsterniß ihres Herzens doch einigermaßen und spärlich zu erleuchten vermögen, so stecken sie allerhand Lampen und Lichter der eigenen Weisheit auf, bei deren gedämpftem Scheine sie ruhig und getrost die breiten Wege der Finsterniß wandeln können. Eine Lampe dieser Art z. B. ist die Religion der Aufklärung und der Vernunft, die in unsern Tagen immer mehr Anhänger findet. Diese Religion hat natürlich den bequemsten Zuschnitt, sie ist berechnet auf den allerneuesten Geschmack; nach dieser Religion gibt es keinen Teufel Und keine Hölle, keine Verdammniß und kein Gericht; die Sünde ist pure Schwachheit, die Weltlust erlaubter Lebensgenuß, und Ausgelassenheit ein unschuldiges Vergnügen; natürlich bedarf es deßwegen auch keiner Versöhnung und keines Versöhners, keiner Bekehrung und keiner Wiedergeburt; einige Almosen, einige wohlthätige Handlungen, die uns keine Mühe machen, versöhnen uns mit dem Himmel, und dann kann man ruhig hinübergehen, um den Lohn seiner Thaten zu erndten. Das ist die Lampe, die Vielen leuchtet, und bei ihrem Schein sind sie fröhlich und begehren nicht zu schauen das helle Licht, das alle andren Lichter über sich verdunkelt und alles Andre neben sich siegreich überstrahlt, - Andre haben eine andre Lampe sich angezündet, die Lampe der sogenannten Bildung und Kunst, - die Aussprüche der Dichter und Philosophen sind ihre Orakelsprüche; die Schriften der Romanenschreiber, sie mögen auch unsittlich und schlüpfrig sein, die sind ihre Bibel und ihre Erbauungsbücher; das Theater ihre Kirche; die Oper ihre Predigt; die Kunst ihre Religion. Und beim Schein dieser Lampe sind sie munter und zufrieden, und können nicht begreifen, daß nicht jedermann dieser Religion der Kunst zu huldigen vermöge, daß Andere Anderes suchen, was ihnen nur Langeweile macht; sie können es nicht reimen, daß Andere nach etwas Anderem hungern und dürsten, was ihnen nur Ecket und Ueberdruß verursacht. Sie sind verblendet durch den matten Strahl ihres Lichts, und ihre Augen sind zu blöde, als daß sie ertragen könnten den hellen Glanz des Sonnenauges, das alle Finsterniß durchbricht.

O wann wird es tagen in diesen düstern und verkehrten Geistern? wann werden sie den Flitter erkennen, der ihre Augen blendet, daß sie nicht erkennen das helle Licht des Evangeliums? wann werden sie einmal aufstehen, auf daß Christus sie erleuchte und in sie seine Strahlen gieße? Licht soll es werden, helles Sonnenlicht in ihren und in allen Herzen, die die Finsterniß und das Dämmerlicht ihrer eigenen Weisheit mehr liebten, denn das wahrhaftige Licht, das vom Himmel gekommen ist; Licht soll es werden, helles Sonnenlicht in allen den Gemüthern, die bisher vor dem Götzen der feineren oder gröberen Weltlust knieten, statt vor dem lebendigen Gott; Licht soll es werden, helles Sonnenlicht in allen den Geistern, die bisher an das Joch der Sünde und der Eitelkeit gefesselt waren, statt an das Joch der Demuth und Sanftmuth des HErrn; Licht soll es werden in denen, die die Welt lieb hatten und das was von der Welt ist, und ihr Herz hingen auch an ihre feinen und bezaubernden Gebilde, und nicht kannten und nicht suchten die Liebe des Vaters. Ja, es soll Licht in ihnen werden, Jesus will sich ihnen offenbaren und in ihnen verklären; Jesus will ihre Uebertretungen niederschlagen und ihre Finsterniß hinwegtilgen; Jesus will die Nebel ihrer Sünde zertheilen und die Wolken ihres Unglaubens zergehen machen, und auch in ihnen soll sich spiegeln die Klarheit des HErrn mit aufgedecktem Angesicht (2. Kor. 3,18.). -

Ja mache dich auf, mein Geist, und werde Licht, denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des HErrn geht auf über dir (Jes. 60, 1.). Freue dich, du sollst sein und werden ein Licht in dem HErrn!

II.

1) Der Apostel schreibt an solche, die wirklich schon geworden waren ein Licht in dem HErrn, sie waren ja durch die Gnade und Gabe des heiligen Geistes erleuchtet, so daß cm Bruch entstanden war zwischen ihrer früheren Sünde und dem Leben aus Gott, das ihnen von dem, der das Leben selber ist, eingehaucht worden war. Demungeachtet findet es der Apostel dennoch für nöthig, ihnen allerhand Winke und Ermahnungen zu geben, die sie zur Wachsamkeit über sich selbst und zur Bewahrung vor allerhand Befleckung des Fleisches und Geistes antreiben und reizen sollten.

An einem jeden Lichte, das noch so hell und lieblich brennt, setzt sich ja stets und immer wieder die Unreinigkeit an, und wenn es nicht stets und immer wieder gereinigt wird, so wird es immer düsterer und matter, ja die Unreinigkeit kann endlich so überwiegen, daß es so schneller sich verzehrt und endlich gar erlöscht. Ebenso bedarf es bei allen denen, welche durch Gottes Gnade ein Licht geworden sind in dem HErrn und angeflammt wurden durch die niederzuckende Flamme des heiligen Geistes, einer täglichen Reinigung und Erneurung ihres Gemüths. O wie matt, o wie düster, o wie spärlich und kärglich leuchtet die Flamme so Mancher, die ein wahrhaftiges, ein segenspendendes Licht sein könnten in dem HErrn, ein Licht, das weit umher einen milden Schimmer der Gnade verbreitet. Und woher das? Es fehlt an der täglichen Reinigung, am täglichen Schmücken der Herzenslampe. Ach wenn man einmal anfangt, sich so gehen zu lassen, wenn man anfangt, die Unsauberkeit des Herzens ohne Erneurung, ohne Reue und Buße, anwachsen und täglich sich anhäufen zu lassen, wenn man sich vielleicht schellt und zu weichlich gegen sich selbst ist, durch die scharfe Lichtscheere des Wortes der Wahrheit Alles hinwegnehmen zu lassen, was nicht taugt und frommt, wenn man sich scheut vor der Zucht des Geistes von innen und flicht vor dem Alles offenbarenden Licht, statt willig sich in sein Gericht hineinzustellen, da wird man immer finsterer, immer trüber, und das innere Licht immer matter, und da kann es dann kommen, daß sogar die Welt mit ihren scharfen Augen solche Unlauterkeiten an Christen bemerkt, an denen sie nur Vollkommenes sehen möchte; da kann's kommen, daß man, statt ein Licht zu sein zur Ehre des HErrn, der uns mit seinem Gnadenschein erhellen und auf den Leuchter setzen will, Ihm zur Unehre und zur Schande gereicht. Will einer ein Licht sein in dem HErrn, so darf es nicht fehlen an der täglichen Reinigung in dem Blute Jesu Christi, und dem Bade der Wiedergeburt und Erneurung des heiligen Geistes, so darf es nicht fehlen an dem täglichen Zucht- und Straf-Amt des heiligen Geistes, sowie an der täglichen Erhebung und Ermannung in seiner Kraft; so darf es Nicht fehlen an dem täglichen Hinzunahen zu dem Born der Reinigung von aller Sünde, und dem täglichen Trinken aus der Quelle der Gnade und des Lebens; so darf es nicht fehlen an dem täglichen Ausziehen des alten und täglichen Anziehen des neuen Menschen. Dadurch allein wird das Licht brennend erhalten und die Lampe geschmückt.

2) Damit wir aber nicht lange in der Ungewißheit darüber bleiben möchten, wodurch hauptsächlich unser Licht verdunkelt werden und seinen Schein verlieren könnte, so finden wir bei Paulus in unsrer Abendlektion die treffendsten Winke, die uns zur Genüge warnen und belehren.

Der erste ist, daß wir wachen sollen gegen alle Unreinigkeit des Leibes und der Seele. Denn Unreinigkeit dürfe von den Heiligen nicht gesagt werden, dieweil Christus der Heilige und Reine uns heiligen wolle zu Tempeln des heiligen Geistes. Dieß gilt denen besonders, die nicht nur ihre Leiber begebenen Gefäßen der Unreinigkeit, sondern auch ihre Seele bevölkern durch allerhand schlüpfrige und unsittliche Bilder und nicht wachen, daß ihr Leib sammt Seele und Geist unsträflich behalten werde bis auf den Tag Jesu Christi.

Der zweite Wink ist, daß wir uns hüten sollen vor den Banden des Geizes und der Habsucht, weil der Geizige ein Götzendiener sei und keinen Theil habe an dem Reich Christi und Gottes. Das gilt euch besonders, die ihr nur immer sinnet und trachtet, wie ihr die Güter dieser Welt an euch raffet. Das gilt euch besonders, die man euch, wenn man euch heimlich belauschen könnte, hauptsächlich im Berechnen eurer Vortheile, im Zusammenzählen eurer Gewinnste, im Vergleichen eures Vermögensstandes ertappen würde. Das gilt euch besonders, die ihr nur Eine Freude kennet, wenn eure Zinse steigen, wenn eure Habe sich mehrt und eure Speicher sich füllen.

Der dritte Wink ist, daß wir uns hüten sollen vor Scherz und Narrentheidingen und schandbaren Worten, die sich nicht ziemen. Das gilt euch besonders, die ihr so leicht in leichtsinnigen Scherz und unziemlichen Witz euch fortreissen lasset, die ihr das entehrende Geschäft übernommen habt, die Gesellschaften zu belustigen und mit euren Possen zu beleben; die ihr Reines und Unreines, Zartes und Unzartes, Heiliges und Unheiliges unter einander mischet; o da wird die Zeit getödtet, der Nächste gebrandmarkt, oft das Heilige nicht geschont, nur um Beifall zu erndten und das Lob des Witzes und einer lebhaften Unterhaltungsgabe davonzutragen.

Der vierte Wink ist, daß wir uns nicht verführen lassen sollen mit vergeblichen Worten, um welcher willen der Zorn Gottes komme über die Kinder des Unglaubens. Das gilt euch besonders, die ihr so wetterwendisch seid und eure Fahne nach dem Wind drehet, bei den Verkehrten verkehrt, bei den Ehrbaren ehrbar, bei den Ungläubigen ungläubig, bei den Spöttern schweigsam seid und so leicht auch miteinstimmet, und euch drehen und wenden lasset von jeglichem Wind der Lehre, und aus Menschenfurcht und Menschengefälligkeit es nicht waget, den zu bekennen mit Entschiedenheit vor den Menschen, der euch einst verleugnen kann vor seinem himmlischen Vater. Sehet das sind etliche solcher Unreinigkeiten, die auch an denen, denen das bessere Licht der Erkenntniß aufgegangen, sich ansetzen können, und die mehr und mehr von uns hinweggetilgt werden müssen, damit das Licht Christi in uns und an uns leuchte, und wir die Träger seiner Wahrheit seien. O wähne doch Keiner, über solche Versuchungen sei er bereits hinaus, davon habe er nichts mehr zu fürchten. Viele, das sage ich, waren ein Licht in dem HErrn, und siehe jetzt sind sie Finsterniß geworden; Viele, das sage ich, waren entronnen dem Stricke des Teufels, und haben sich wieder in das knechtische Joch fangen lassen; Viele, das sage ich, haben Sodom verlassen, und haben dennoch rückwärts geschaut und sind jetzt zur Salzsäule versteinert. Darum:

Macht eure Lampen fertig
Und füllet sie mit Oel,
Und seid des Heils gewärtig,
Bereitet Leib und Seel,
Die Wächter Zions schreien:
Der Bräutigam ist da!
Begegnet ihm im Reihen,
Und singt Hallelujah!

III.

1) Wenn aber so das Herz in der Lichts- und Lebensgemeinschaft Jesu Christi bleibt, wenn es sich so reinigt von allem Unreinen, was sich ansetzen will, sollte es da nicht ein Licht sein in dem HErrn, das auch einen milden Strahl hinauswirft in die Finsterniß, die noch um uns her ist? Ja, so sah der Apostel alle seine Gemeinden an, die der HErr durch das Wort der Wahrheit gewonnen hatte, - er sah sie an als Lichter, die da schienen an einem dunkeln Ort, bis auch denen, die in Finsterniß saßen und Todesschatten, der Morgenstern aufging und der Tag anbrach mit dem Heil unter seinen Flügeln; er sah sie an als Sterne, welche der HErr an dem mitternächtlichen Himmel der Welt entzündet hatte, welche weithin die Strahlen seiner Wahrheit und Gnade hinaussenden sollten; er sah sie an als die Leuchtthürme, welche in das wüste und grause Meer des Heidenthums hinausleuchten und die Schiffenden in den Stürmen zur sicheren Bergung im sanften Friedenshafen einladen sollten. Und so ist's ja noch jetzt, wo Leben aus Gott ist, wo Christus das Licht der Welt einer Seele aufgegangen ist, da wird sie, so sie nur redlich und wahrhaftig ist, ein Licht in dem HErrn, das denen leuchtet, welche im Hause sind; die Arbeit im Glauben, das Werk in der Liebe, die Geduld in der Hoffnung wird offenbar. Ja und wenn sie auch verkannt, vielleicht verspottet und verhöhnt werden sollte, sie leuchtet dennoch und straft durch ihr Licht die unfruchtbaren Werke der Finsterniß, und früher oder später dringt sie durch in der Kraft dessen, der ihre Weisheit, ihre Stärke und ihr Friede ist, und der HErr feiert durch sie seine Siege und seine Triumphe.

2) Freilich, soll sie dessen sich erfreuen, o dann ist es nicht anders möglich, als wenn sie in Wahrheit ist ein Licht in dem HErrn. Nicht in ihrem eignen Lichte darf sie dann glänzen, sondern nur unbewußt in dem Glanze, den er ihr verliehen; nicht mit eigener Kraft darf sie dann den Kräften der Finsterniß entgegentreten, sondern nur in der Kraft Christi, mit dem sanften Licht seiner Wahrheit ihr entgegentreten; nicht in eigener Weisheit darf sie dem HErrn die Wege vorschreiben, wie er diese oder jene Seele zu sich ziehe, durch den Zug der Wahrheit, der Demuth und Liebe; sondern warten und harren muß sie, bis er Bahn und Mittel schafft, woran es ihm ja nicht gebricht; nicht mit eigener Vernunft darf sie dareinfahren, um schnell und plötzlich die Herzen umzuwandeln, sondern Freiheit lassen muß sie dem, der in der Stille seine Pfade wandelt und seine Früchte langsam zur Reife bringt.

Merk' Seele dir dieß große Wort,
Wenn Jesus winkt, so geh',
Wenn Er dich zieht, so eile fort,
Wenn Er dich hält, so steh'!

So ist und bleibt sie in dem HErrn, und wenn hienieden ihr Lebenslicht verglüht ist, ist sie auch drüben nichts Anderes als ein Licht in dem HErrn, in welchem sich die Strahlen seiner Herrlichkeit brechen, das in ewiger Seelenharmonie nur um Ihn, die große Geister-Sonne, kreist, in seinem Lichte schwebt, in seinem Gnadenglanz sich badet, in seinem Elemente sich bewegt. Da erst wird's dann in viel vollerem, in viel herrlicherem Sinn in Erfüllung gehen, das große Wort: ihr waret weiland Finsterniß, ihr waret weiland hingegeben dem Wechsel des Lichts und der Finsterniß, jetzt aber seid ihr ein helles, ein ungetrübtes, ein reines Licht in dem HErrn, eurem Gott. Hallelujah!

Amen.

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