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Hofacker, Wilhelm - Epiphanias

Hofacker, Wilhelm - Epiphanias

Text: Matth. 2, 1-23.
Da Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande, zur Zeit des Königs Herodis: siehe, da kamen die Weisen vom Morgenlande gen Jerusalem und sprachen: wo ist der neugeborne König der Juden? wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlande und sind kommen, ihn anzubeten. Da das der König Herodes hörte, erschrack er, und mit ihm das ganze Jerusalem, und ließ versammeln alle Hohepriester und Schriftgelehrten unter dem Volk und erforschete von ihnen, wo Christus sollte geboren werden. Und sie sagten ihm: zu Bethlehem im jüdischen Lande. Denn also steht geschrieben durch den Propheten: Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist mit Nichten die kleinste unter den Fürsten Juda; denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel ein Herr sei. Da berief Herodes die Weisen heimlich und erlernete mit Fleiß von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und wies sie gen Bethlehem und sprach: ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein, und wenn ihr's findet, so saget mir's wieder, daß ich auch komme und es anbete. Als sie nun den König gehöret hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenlande gesehen hatten, gieng vor ihnen hin, bis daß er kam und stund oben über, da das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreuet und giengen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und thaten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen. Und Gott befahl ihnen im Traum, daß sie sich nicht sollten wieder zu Herodes lenken; und zogen durch einen andern Weg wieder in ihr Land. Da sie aber hinweg gezogen waren, siehe, da erschien der Engel des HErrn dem Joseph im Traum und sprach: Stehe auf und nimm das Kindlein und seine Mutter zu dir und fleuch in Egyptenland und bleibe allda, bis ich dir sage; denn es ist vorhanden, daß Herodes das Kindlein suche, dasselbe umzubringen. Und er stund auf und nahm das Kindlein und seine Mutter zu sich bei der Nacht und entwich in Egyptenland und blieb allda bis nach dem Tode Herodis; auf daß erfüllet würde, das der HErr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: aus Egypten habe ich meinen Sohn gerufen. Da Herodes nun sahe, daß er von den Weisen betrogen war, ward er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Kinder zu Bethlehem tödten und an ihren ganzen Grenzen, die da zweijährig und drunter waren, nach dir Zeit, die er mit Fleiß von den Weisen erlernet hatte. Da ist erfüllet, das gesagt ist von dem Propheten Jeremia, der da spricht: Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehöret, viel Klagens, Weinens und Heulens; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen. Da aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des HErrn dem Joseph im Traum in Egyptenland und sprach: stehe auf und nimm das 'Kindlein und seine Mutter zu dir und zeuch hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kinde nach dem Leben stunden. Und er stund auf und nahm das Kindlein und seine Mutter zu sich und kam in das Land Israel. Da er aber hörte, daß Archelaus im jüdischen Lande König war anstatt seines Vaters Herodis; fürchtete er sich dahin zu kommen. Und im Traum empfieng er Befehl von Gott und zog in die Oerter des Galiläischen Landes und kam und wohnete in der Stadt, die da heißet Nazareth; auf daß erfüllet würde, das da gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazarenus heißen.

Noch einmal führt uns unser heutiger Text zurück nach Bethlehem zur Krippe des neugebornen Kindleins, wohin uns schon das verflossene Christfest gerufen hat. Noch hat sich auf diesem Schauplatz der Niedrigkeit und Erhabenheit Gottes, auf dieser Stätte der Unscheinbarkeit und der Wunder seiner Wege nichts wesentlich geändert; aber bereits beginnt eine Umgestaltung sich anzubahnen, die unsre Aufmerksamkeit auf sich zieht. Nicht mehr bloß arme und niedrige Hirten stellen sich ein, um den Neugebornen zu begrüßen und als HErrn und Messias zu verehren; heute kommen Weise und Begüterte und Gelehrte nach dem Fleisch, aus der Ferne angezogen vom Lichtglanz der Herrlichkeit, der über Bethlehem aufgegangen, und auch sie sind voll Anbetung und Beugung und Dank und Preis. Nicht mehr niedrige Armuth und schreiender Mangel an Allem, was ein Menschenleben erträglich machen kann, stellt sich unfern Blicken dar; heute wird der Mangel in Besitz, heute die Armuth sogar in Wohlstand verwandelt durch die Gaben, die aus der milden Hand der edlen Fremdlinge und Wanderer der heiligen Familie zuflossen. Ja auch der Gesichtskreis, auf den unser heutiger Festtag uns hinausblicken läßt, hat sich wunderbar erweitert. Nun heißt es nicht mehr bloß: siehe, ich verkündige euch große Freude, die euch und allem Volke, das heißt: dem Volke Israel, widerfahren ist; das heutige Fest läßt einen noch volleren Glockenton an uns ergehen und spricht: es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen; nicht bloß Israel, sondern auch den Heiden ist das Heil jetzt erschienen, auch sie sollen Theil haben an den Testamenten der Verheißung und an dem Blut der Versöhnung, und an den Gütern des Hauses Gottes und an der Bürgerschaft des geistlichen Israels. Deßhalb sah denn auch die christliche Kirche von Anfang an die weisen Morgenländer, die heute zum Heiland nahen, um ihre Huldigung und ihre Opfer Ihm darzubringen, stets als die ersten Abgeordneten an, welche die heidnischen Provinzen der Welt dem König der Herrlichkeit zugesendet haben, um in Aller Namen Ihm sich zu Füßen zu legen und ihre Unterwürfigkeit und ihr Sehnen nach Ihm zu offenbaren. O sie seien uns willkommen, diese Weisen, die an einem geheimnißvollen Bande von Gott herzugeführt nach Bethlehem kamen und zuerst unter den Heiden vom hellen Gnadenglanz Christi beschienen wurden. Sind sie ja doch in unserm eigenen und in unserer heidnischen Ahnen Namen dort in Bethlehem geknieet, um Ihm zu sagen, wie das Auge der ganzen heidnischen Welt und auch unsere damals noch in Dunkelheit und heidnischem Aberglauben begrabenen deutschen Gaue nach Ihm sich umsehen, damit Er erscheine denen, die in Finsterniß sitzen und in Todesschatten, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Aber auf der andern Seite ist auch der Vorgang unseres heutigen Textes gleichsam eine heilige Prophezeiung, die das Licht einer großartigen Hoffnung in das Gebiet der Zukunft wirft. Wie für den Gebirgsbewohner der hohen Alpenländer, wenn die Sonne in der Frühe die Schneegipfel und die zackigen Spitzen der höchsten Berge zu vergolden beginnt, während unten in den Thälern noch Schatten und Dunkelheit liegen, in diesem herrlichen Schauspiel eine untrügliche Zusicherung liegt, daß innerhalb ein paar Stunden das Licht auch tiefer hinabdringen und auch die kluftigsten Abgründe durchscheinen werde, so liegt im Vorgang unseres heutigen Evangeliums, da der HErr gleich beim Sonnenaufgang Seiner Herrlichkeit diese ehrwürdigen weisen Häupter der Morgenländer mit dem Lichtglanz Seiner Gnade bestrahlte, die felsenfeste Zusicherung, daß auch über den Heidenländern, die noch Nacht und Dunkel deckt, einmal der völlige Tag Christi anbrechen, alle Finsterniß vertreiben und alle Schatten des Todes zerstreuen werde, damit das Wort der Verheißung wahr werde: Hebe deine Augen auf und siehe umher, alle diese kommen versammelt zu Dir; die Heiden werden in Deinem Lichte wandeln, und die Könige im Glanze, der über Dir aufgeht.

Je mehr aber unser Herz sich freuen muß über diese edlen Forscher, die heute vor unsern Augen zum Ziel ihrer Wünsche und ihres heißesten Verlangens gelangen, so sehr muß unser Herz trauern, wenn wir in das Nachtgebiet derjenigen einen Blick werfen, welche,' obgleich die Nächsten an der Offenbarungspforte Gottes, so sehr mit Blindheit geschlagen sind, daß sie nicht sehen das helle Licht von der Klarheit Gottes im Angesicht Jesu Christi. Hier sehen wir in allen Stücken das gerade Gegentheil von dem, was wir an den Weisen aus Morgenland bewundern, lieben und ehren müssen. Und dieß gibt uns Veranlassung zu reden:

Von dem durchgreifenden Unterschied, welcher zwischen den folgsamen Zöglingen göttlicher Führung und zwischen den eigenwilligen Kindern dieser Welt statt findet.

I.

Wie durchgreifend der Unterschied zwischen Zöglingen göttlicher Führung und verblendeten Kindern dieser Welt sei, zeigt sich schon bei einem flüchtigen Blick auf die Ankunft der Weisen aus Morgenland in Jerusalem und auf die allen Bewohnern dieser Stadt so befremdende Erscheinung jener pilgernden Fremdlinge. Sie kamen aus der Ferne, von einer tiefen, aber noch unklaren Sehnsucht nach Licht und nach Aufklärung über so viele Fragen ihres Herzens und Geistes getrieben. Sie standen zwar noch auf der niedrigsten Stufe der Erkenntniß Gottes. Denn Er konnte sie nur lesen lassen im Buche der sichtbaren Schöpfung, in der Hieroglyphenschrift der Sterne des Himmels. Aber doch hatten sie in dieser Schule Aufmerksamkeit und Treue bewiesen und Kraft für den innern Menschen gewonnen, und so konnte Er sie an dem geheimnißvollen Band des Glaubens weiter und zum Ziel ihrer Wünsche und ihres tiefsten Sehnens führen. Heilige' Erwartungen durchbebten gewiß ihre Seele, als sie die heilige Stadt vor sich sahen, wo, wie sie hofften, die Räthsel vor ihnen sich lösen, der gewünschte Aufschluß ihnen zu Theil werden und das Licht ihnen anbrechen sollte in der Dunkelheit. Wie viele Arbeit des Geistes lag schon hinter ihnen; wie vieles hatten sie wohl schon über den Zweck ihrer Reise innerlich gedacht und in sich bewegt, wie vieles darüber gesprochen und gegen einander ausgetauscht, wie viel vielleicht darüber auch geseufzt und gebetet, wie vieles im heiligen Drang ihrer Seele dafür geopfert und daran gegeben, und nun standen sie am Ziele, und, wie sie dachten, an der Schwelle einer neuen besondern Offenbarung. So stehen sie vor uns da als die sprechendsten Vorbilder eines edlen Glaubens, der frühe sich aufmacht, der treulich arbeitet, der bei schwachem Kerzenschimmer emsiglich sucht, der kräftig ringt und unaufhaltsam dem Lichte sich entgegendrängt.

Wie ganz anders aber erscheint Jerusalem, in das sie mit so erwartungsvoller Sehnsucht einzogen! Da lag Alles noch im tiefen Schlaf; der Morgen einer neuen Zeit war zwar bereits im Anbruch; aber die Langschläfer hatten das Faulbett der Sicherheit und Sorglosigkeit noch nicht verlassen; die edle Frühstunde war ihnen gleichsam nutzlos vorübergeschwunden. Die Weisen fragen und man antwortet ihnen nicht; sie suchen und man versteht sie nicht; sie erzählen und man schüttelt den Kopf; kurz statt, wiegle glaubten, in eine Stadt einzuziehen, wo der Frühling geistiger Freude blühe, wo ein Reichthum regen geistigen Lebens sich entfalte und ein ganz neuer Aufschwung sich der Geister bemächtigt habe, - statt dessen wandelten sie in einer Gräberstadt umher, wo nur Moder und Leichengeruch ihnen entgegenkam, wo der Tod der Unwissenheit und der Sicherheit sein Leichenpanier entfaltet hatte, und wo sie als sonderlingsartige und Aufsehen erregende Erscheinungen betrachtet wurden, deren Reisezweck man nicht begreifen könne und deren Hoffnungen unter die Hirngespinnste und Träumereien unverständiger Thoren gerechnet werden müssen. So wurde ihnen zu Jerusalem wahrscheinlich die größte Freude dadurch zu Theil, daß sie wieder hinausgewiesen wurden, und es mag ihnen erst wieder wohl zu Muthe gewesen sein, als sie diesen unheimlichen Ort wieder auf dem Rücken hatten. Da erst wurde ihnen ja auch der Stern wieder offenbar, und das Herz durch einen neuen Hoffnungsstrahl wieder aufgerichtet.

Meine Lieben! ist dieser grelle Unterschied, der in unserem Evangelium zwischen den Weisen und Jerusalems Einwohnern sich kund gibt, jetzt aufgehoben und ausgeglichen, seitdem die Welt eine christliche geworden ist? Gewiß nicht! Wer heut' zu Tage den Schlaf der Sorglosigkeit sich aus den Wimpern wischt, und sich aufmacht, um Jesum zu suchen und Ihn zu gewinnen, kann noch stets die nämliche Erfahrung machen. Die Welt im Großen hat keinen Begriff von dem, was seine Seele bewegt, kein Ohr für das Ziel, das er im Stillen verfolgt, kein Auge für die Thränen der Buße und der Sehnsucht nach Christo, die er im Verborgenen weint, keinen Maßstab für die Verläugnungen und Opfer, die er dem Heiland bringt und leicht erscheint ihr als eitle Träumerei oder als engherzige Uebertriebenheit oder als thörichte Selbstgefälligkeit, was nur Gehorsam gegen das Wort der Wahrheit, nur Folgsamkeit gegen die Stimme des Gewissens bei ihm ist. Wie die Weisen aus Morgenland in Jerusalem, so wandeln auch jetzt noch häufig die Zöglinge der göttlichen Führung fremd und unverstanden in der Welt umher. Was half es jene, wenn sie auch dort die ganze Herrlichkeit einer königlichen Hauptstadt vor sich ausgebreitet sahen? Was half es sie, wenn Herodes ihnen auch allen Glanz feines Hofes, alle seine Pracht und seine Reichthümer, alle seine Genüsse und seine Feste, alle seine Zerstreuungen und Vergnügungen zeigen ließ? Ja was half es sie, wenn sie auch all' den herrlichen Gottesdiensten anwohnten, die so viel Erhebendes und Anziehendes für jeden Pilger, der Jerusalem besuchte, haben mußten? All' das war es doch nicht, was ihr Herz suchte; all' das war doch das Licht nicht, nach dem ihre Seele schmachtete; überall vermißten sie den Einen, der der Kern und Stern ihrer Hoffnung und ihrer Sehnsucht geworden war. So ist's bei den Zöglingen der göttlichen Führung noch jetzt. Die Welt entfaltet vielleicht all' ihre Herrlichkeit vor ihrem Blick; was sie Großes, Wünschenswerthes, Anziehendes hat, legt sie ihnen dar im Schimmergewand der Versuchung; sie will ihnen das Geständniß abnöthigen, daß ihr Dienst doch süße und ihre Herrlichkeit doch groß sei. Aber, was ist die Folge? Vielleicht gelingt es ihr für Stunden und Augenblicke, weltliche Bilder und Wünsche in das Herz zu zaubern; ja vielleicht wird auch noch einem Kinde Gottes, je nachdem es von einer Seite angefaßt wird, ein vermissender Rückblick auf die Fleischtöpfe Aegyptens, ein Rückblick auf Sodom, von dem man ausgegangen ist, abgedrungen: aber befriedigt kann das Herz, gestillt kann der Hunger und Durst nimmermehr werden, wenn man einmal das Himmelsmanna der unvergänglichen Gaben gekostet hat. Die Scheidewand bleibt aufgezogen und alsobald schämt man sich wieder, daß man gewankt und gestrauchelt und auch nur einen Augenblick es vergessen hat, daß die Welt vergeht mit ihrer Lust und daß nur der in Ewigkeit bleibt, der den Willen Gottes thut. Nur um so froher ergreift man den Wanderstab wieder, um einer Welt, die im Argen liegt, abermals den Rücken zu kehren und durch schleunige Flucht das himmlische Kleinod nicht zu versäumen und am Erbe der Herrlichkeit sich nicht zu verkürzen. Man athmet leichter nach einem jeden siegreich bestandenen Kampf, und der Lichtstrahl einer besseren Welt fällt nach jeder solcher Verdunkelung nur um so tröstlicher wieder in das reumüthige Herz.

II.

Wir gehen in unserer Texterzählung einen Schritt weiter und begleiten die Weisen von Jerusalem nach Bethlehem. Sie waren froh, in Jerusalem wenigstens auf eine sichere Spur gebracht worden zu sein, die sie nun nur verfolgen durften, um das Ziel ihrer Reise zu erreichen. Mit hoher himmlischer Freude wurden sie erfüllt, nicht nur als sie den Stern wieder sahen, den sie im Morgenlande gesehen hatten; sondern als sie nun wirklich dem neugebornen Kinde in's Antlitz schauen durften, in dem sie ihr und der ganzen Welt Heil durch die Leitung des Geistes zu lesen bekamen. Da knieeten sie nun in Anbetung und Freude und waren unaussprechlich belohnt für Alles, was sie sich bisher hatten gefallen lassen, für alle Unbilden und Gefahren, für alle sauren Tritte und Schritte ihrer Pilgrimschaft. Die Niedrigkeit, die sie umgab, machte sie nicht irre; sie feierten einen seligen Augenblick, wo ihr Glaube in Schauen, ihre Sehnsucht in Genuß, ihre Hoffnung in Besitz verwandelt wurde.

Indessen aber saßen zu Jerusalem Leute, die ihnen den Weg hieher ganz richtig gewiesen, Leute, die aus der Schrift und den Propheten treffliche Auskunft hatten geben können, Leute, die bewandert in wissenschaftlicher Bildung ihnen auf die rechte Spur geholfen hatten, und doch von aller ihrer Schriftkenntniß und Gelehrsamkeit, von aller ihrer tieferen Einsicht und Weisheit nichts hatten, und bei allem ihrem vermeintlichen Geistesreichthum darben und schmachten mußten. So viel, meine Lieben, hieng von der an sich unbedeutenden Strecke Weges von Jerusalem nach Bethlehem ab, welche die Pharisäer und Schriftgelehrten aus Bequemlichkeitsliebe oder im Hochmuthsdünkel nicht zurücklegen mochten. So viel hieng davon ab, daß sie sich den Weisen wahrscheinlich aus allerhand nichtigen Vorwänden nicht anschließen, mit ihnen den Zug nach Bethlehem nicht antreten wollten; sie machten sich eines Ewigkeitssegens verlustig, der ihr Herz erleuchtet und ihren Geist mit Friede und Freude erfüllt haben würde.

Meine Lieben, ist es nicht ebenso noch zu unserer Zeit? Wer sich aufmacht, den HErrn Jesum zu suchen und Ihm zu huldigen, wer den schmalen Weg seiner Nachfolge einschlägt, der darf schon hienieden am schmalen Wege manch' edle Blume geistigen Genusses und edler Freude pflücken, manches kosten und erfahren, was die Welt nicht ahnt und nicht begreift, und während jene in der Ferne steht, wandelt sein Fuß in den Vorhöfen des HErrn und sein Geist vernimmt unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann.

Wenn z. B. einer Seele nach langem und bangem Harren endlich ein Licht aufgeht in der Finsterniß und das verwundete Herz kommt zum Frieden und zur seligen Ruhe und kann sich zu den Füßen seines Heilandes seiner ewigen Erwählung und seiner Kindschaft freuen; oder wenn eine Seele in irgend einem überraschenden und gnadenreichen Lebensereigniß die Hand des Treuen und Wahrhaftigen erblickt und seinen Finger, und es zieht sie auf die Kniee nieder und das ganze Gemüth ist nur Ein Dank und Ein Lobgesang für das, was der HErr an ihr gethan hat: o wie wird man dann für alle vorhergegangene Mühe und Arbeit, für alles vorhergegangene Dulden und Harren so reichlich entschädigt. Man spricht mit Jacob: Wie heilig ist diese Stätte; hier ist wahrhaftig Gottes Haus, hier ist die Pforte des Himmels; und setzt hinzu: Ich will dem HErrn danken, daß Er so freundlich ist, ich will seinen Namen preisen, daß Er so gerne hilft. Die Welt aber weiß von allen diesen Erfahrungen nichts; Alles, was sie hat, ist vielleicht bloß der todte, kalte, leere Buchstabe äusserlicher Erkenntniß vom Hörensagen, aber die Kraft der Erfahrung mangelt ihr. Und o wie wenig würde oft noch fehlen, daß sie vom Buchstaben zum Geist, vom Vorhof zum Heiligthum gelangte; nur noch ein paar Schritte, und sie wäre am Ziel, nur noch ein kräftiger Entschluß, und Alles wäre gewonnen. Aber zu diesem letzten Schritt können sich eben Manche nicht entschließen; sie besinnen sich, sie straucheln, sie schwanken und endlich bleiben sie bei aller bessern Bildung, bei allem gründlicheren Wissen doch leer und unbefriedigt, Wolken ohne Wasser, Spreu ohne Kern; haben vielleicht den Namen, daß sie leben, und siehe, sie sind todt und gleichen zweimal erstorbenen Bäumen. O meine Lieben, zwischen Wissen und Haben, zwischen Billigen und Erleben, zwischen Schwatzen und Erfahren ist ein großer Unterschied; und darin eben thut sich die durchgreifende Verschiedenheit zwischen Zöglingen des göttlichen Geistes und Kindern der verblendeten Welt kund.

III.

Ein weiteres Merkmal jenes Unterschieds zeigt sich aber auch dann, wenn wir auf die Huldigung hinblicken, die die Weisen aus Morgenland in Bethlehem dem Heiland darbrachten. Es blieb bei ihnen nicht bloß bei einer müßigen Freude, die keinen Nachdruck hatte; auch begnügten sie sich nicht mit frommen Redensarten, die zwar schön klingen, aber keinen innern Gehalt und keine göttliche Währung haben; nein, sie thaten ihre Schätze auf und, schenkten dem Kinde Gold, Weihrauch und Myrrhen. Diesen Gaben nach zu urtheilen, waren sie wohlhabende Leute, aber nicht wie so Viele, die ihren Mammon zusammenhalten und die Güter der Erde aufspeichern, um ihr Auge daran zu weiden und ihres Herzens Lust daran zu erblicken. O nein! sie machten den edelsten und schönsten Gebrauch von den irdischen Gütern, die Gottes Vaterhand in ihre Hände niedergelegt hatte; sie kamen mit ihrem Reichthum der Armuth Christi zu Hülfe, und es mag ihnen wohl noch in ihrem spätern Leben eine freudenreiche Erinnerung gewesen sein, daß sie gewürdigt worden waren, der Noth des Weltheilandes entgegenzukommen und für einige Zeit ihr abzuhelfen. In Jerusalem dagegen waren viele reiche Leute, wie gewöhnlich in allen Hauptstädten, wo der Handel blüht und das Gewerbe sich hebt und Mancher oft rasch zum Wohlstand emporsteigt. Von Jerusalem aber hat uns die Geschichte der Art nichts überliefert, ja auch später hören wir nichts davon, daß die Reichen und Begüterten daselbst der Armuth des HErrn, der nicht hatte, wo Er sein Haupt hinlegen konnte, zu Hülfe gekommen seien. Im Gegentheil, unser Text erzählt, als die Weisen nach Jerusalem kamen, sei Herodes erschrocken und ganz Jerusalem mit ihm; und warum das? Sie Alle zitterten für ihren Besitz; sie Alle befürchteten, bei einer andern Ordnung der Dinge werden sie eher verlieren, als gewinnen; Herodes zitterte für seine Krone, seine Hofbeamten für ihre Aemter, die Gewerbetreibenden für den Absatz ihrer Waare; deßwegen kam ihnen die erfreulichste Kunde, die Kunde von der Geburt des Messias, sehr ungeschickt; sie verlangten keine andere Wendung der Dinge; ihnen war die Welt, wie sie war, eben recht, und darum fiel es ihnen nicht von weitem ein, durch ihre thätige Hülfe den Anbruch der messianischen Zeit zu beschleunigen und herbeizuführen; im Gegentheil, sie hätten lieber diese Zeit aufgehalten und gehemmt, so viel es in ihrer Kraft gestanden wäre.

Sehet da wieder ein Merkmal von dem durchgreifenden Unterschied zwischen Kindern Gottes und den Kindern dieser Welt. Jene wünschen den Anbruch des Reiches Christi herbei; ja es gehört zu dem Gebiet der Hoffnung, das sie nicht aufgeben können und in das sie mit verlangendem Herzen hinausblicken, daß bald alle Reiche Gottes und seines Christus werden sollen. Deßwegen bringen sie gerne ihr Scherflein und Opfer dar, um das Kommen jener großen Zeit auch in ihrem Theile zu beschleunigen. Haben sie kein Gold und Silber, so haben sie wenigstens Weihrauch des Gebets, das als Opfergabe emporsteigt und als Gnadenregen auf das dürre Erdreich der Heidenländer herniederträufelt. Ja es ist Allen, die den HErrn Jesum lieb haben, eine Freude, Ihm etwas geben und seiner Armuth, die sich noch fort und fort in seinen Gliedern darstellt, mit ihrem Besitz freundlich und freigebig entgegenkommen zu dürfen. Dafür aber hat die Welt gewöhnlich keinen Sinn; sie hat Geld für alles, was den Sinnen schmeichelt oder die Bequemlichkeit befördert oder was die vermeintliche Standesehre erfordert; nur keinen Kreuzer für den Heiland und seine Sache. Sie wirft oft das Geld mit vollen Händen hinaus, wenn es dem Götzen der Putzsucht und Kleiderpracht oder dem leckern Gaumen gilt, oder um sich einen vergnügten Abend, eine ergötzliche Nacht zu machen: aber jeder Pfennig ist ihr zu viel, wenn sie ihn ohne Selbstsucht und ohne Gewinn für sich auf den Altar des Höchsten niederlegen soll. Sie leiht lieber ihre Kapitalien auf die schwächsten Zinse und auf die unzuverläßigste Versicherung hin, nur nicht in die große Bank des Königs aller Könige, des HErrn aller HErren, die noch immer offen steht und in der Alles, was wir ihr anvertrauen, für die edelsten Zwecke verwendet zu werden pflegt.

O Schande über uns, wenn wir dem HErrn gegenüber markten, der um unsertwillen arm geworden ist, auf daß Er uns durch seine Armuth reich mache! Schande über uns, wenn unsre Hand an der Scherbe des Goldes oder des Silbers klebt, während Er gekommen ist, um die ewigen Güter seines Hauses uns in den Schooß zu schütten! Daran, meine Lieben, hauptsächlich kann es sich bethätigen, ob wir zu den Zöglingen der göttlichen Gnade oder noch zu der Welt gehören, an dem Verhältniß, in welchem wir zu unserm irdischen Besitz stehen. Mancher hat oft viele Sünden abgelegt und manche Unart des alten Menschen abgestreift; manche rauschende Vergnügungen der Welt hat er mit dem Rücken angesehen und nach seinem äussern Wesen ganz und gar die Form und den Zuschnitt der Kinder Gottes sich angeeignet: aber im Stillen beherbergt er den Götzen des irdischen Sinnes bei sich, dem man ja dienen kann, ohne darüber beschrieen zu werden. Hiedurch aber ist er dann innerlich gehemmt und gelähmt, sein Glaube nimmt nicht den rechten Aufschwung, sein geistliches Leben kommt nicht zum rechten Wachsthum, seine Heiligung gewinnt keinen rechten Vorsprung; der Lauf der Christen geht in dieser Welt ohnehin schon bergan: wenn nun vollends der Hemmschuh des irdischen Sinnes eingelegt ist, wie schwer hält dann der gleichmäßige Fortschritt, wie bald kommt's zum Stillstand, wie rasch geht's dann abwärts, bis der jähe Sturz endlich im Abgrund endigt.

Denn ob dich die Welt an einem Halme,
Ob sie dich an der Kette hält,
Ist alles Eins in Seinen Augen,
Da nur ein ganz befreiter Geist,
Der alles Andere Schaden heißt,
Und nur die lautere Liebe taugen.

Darum thut die goldnen Armspangen des irdischen Sinnes und den silbernen Gürtel des Geizes von euch, so wird die Welt erkennen, daß ihr wahrhaftig aus Gott geboren seyd und daß ein wahrer und durchgreifender Unterschied ist zwischen den folgsamen Zöglingen des Geistes und den dem Mammon dienstbaren Kindern dieser Welt.

IV.

Um uns von dieser Wahrheit zu überzeugen, wollen wir endlich aber auch noch einen Blick auf den Heimzug der Weisen werfen. Gottes Weisheit wußte Mittel und Wege zu schaffen, daß sie ungefährdet von dannen zogen, und ohne in die Netze Herodis verflochten zu werden, ihre Heimath wieder erreichten. Der HErr behütet die Einfältigen. Das zeigt sich recht augenscheinlich beim Blick auf ihre Führung; während das andere Wort: aber der Gottlosen Weg vergehet - an Herodes und seinen Helfern in das vollste und klarste Licht gesetzt wird. Sein Plan, die ihm drohende Gefahr im Keime zu ersticken, ist doch gänzlich mißlungen und vereitelt worden, wenn gleich klug und besonnen ausgesponnen, und rasch und kräftig ausgeführt. Jesus wurde seiner Arglist auf wunderbare Weise entzogen, selbst das Geld zur Reise wußte die ewige Weisheit und Liebe noch zur rechten Zeit, da er es brauchte, herbeizuschaffen, und Herodes hatte vom ganzen blutigen Anschlag des grausamen Kindermords nichts, als daß sein Schuldregister mit neuen Sünden angeschwellt wurde, und das Maaß des Zorns, das er sich häufte auf den Tag des Gerichts, bis zum Rande sich füllte, und er gar bald nach diesem Blutbade hinweggerafft wurde aus dem Lande der Lebendigen an den Ort der Vergeltung und des Gerichts.

Meine Lieben! die Welt hat ihre Zeit. Ihr Schalten und Walten, ihr Dräuen und Schnauben, ihr Morden und Schlachten hat sein festgesetztes Ziel. Der Weg der Gottlosen vergeht; er verliert sich, es findet sich kein Geleise mehr, die Fußtritte verschwinden wie in einer Wüste, und am Ende steht die Seele einsam auf der weiten Todesebene, hinter ihr liegt es bahnlos und vor ihr bahnlos; sie muß hinaus und hinüber in eine ernste und richterliche Ewigkeit, und es hilft kein Sträuben und kein Murren, fort muß sie, die Gnadenzeit ist abgelaufen, der Gerichtstag beginnt, an welchem Trübsal und Angst, Ungnade und Zorn hereinbricht über Alle, die da Böses gethan und die Wahrheit aufgehalten haben in Ungerechtigkeit. Die Zöglinge der göttlichen Gnade aber leitet der HErr auf ewigem Wege. Mitten durch's Gewirre und Gewühl der Welt hindurch hat sie der an der Hand, der ihren ganzen Gang pünktlich überdacht hat und sie sicher zur ewigen Heimath zu bringen weiß.

Der Weg ist oftmals krumm und doch gerad,
Darauf Er lasset seine Kinder gehen,
Da pflegt es wunderseltsam auszusehen,
Doch triumphirt zuletzt sein hoher Rath.

Am Ende gibt man dem die Ehre, der als Anfänger und Vollender unsers Glaubens sich erwiesen, der trotz unsers Wankens und Sträubens die Hand doch nicht von uns abgezogen, sondern uns hinaus, hindurch und hineingeführt hat,

Hinaus aus dieser Erde Lüsten,
Hindurch durch die Versuchungswüsten,
Hinein in's schöne Kanaan;
Da wir auf jenen Lebensauen
Einst Jesum Christum selber schauen,
Der große Ding' an uns gethan.

Amen.

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