Hofacker, Ludwig - Zweite Bußtags-Predigt

Hofacker, Ludwig - Zweite Bußtags-Predigt

Daß uns die Liebe und der Zorn Gottes zur Buße leiten soll.

Text: Ephes: 5,1–9.

So seyd nun Gottes Nachfolger als die lieben Kinder, und wandelt in der Liebe, gleichwie Christus uns hat geliebet, und Sich selbst dargegeben für uns, zur Gabe und Opfer, Gott zu einem süßen Geruch. Hurerey aber und alle Unreinigkeit, oder Geiz, lasset nicht von euch gesagt werden, wie den Heiligen zustehet; auch schandbare Worte und Narrentheidinge, oder Scherz, welche euch nicht ziemen; sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, daß kein Hurer, oder Unreiner, oder Geiziger (welcher ist ein Götzendiener), Erbe hat an dem Reich Christi und Gottes. Lasset euch Niemand verführen mit vergeblichen Worten; denn um dieser willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens. Darum seyd nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr waret weiland Finsterniß, nun aber seyd ihr ein Licht in dem HErrn. Wandelt wie die Kinder des Lichts. Die Frucht des Geistes ist allerley Gültigkeit, und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Durch die ganze heilige Schrift hindurch geht Gottes Liebe und Gerechtigkeit, Gottes Gnade und heiliger Ernst, Gottes Barmherzigkeit und das Gericht Seines Zorns Hand in Hand. Auch unser heutiger Text stellt uns beide Eigenschaften Seines Wesens und Seines Reiches in das hellste Licht. Gottes Vater-Liebe in Christo, unserem HErrn, leuchtet uns darin an, aber auch den Zorn Gottes, der da kommt über die Kinder des Unglaubens, erhebt der Apostel wie eine Zuchtruthe, um uns unter die Fittige Dessen zu locken, der uns vom zukünftigen Zorne erlöset hat. Laßt uns deßhalb unserer Betrachtung die große beachtungswürdige Wahrheit vorhalten:

Daß uns die Liebe und der Zorn Gottes zur Buße leiten soll.

Der Apostel gibt den Ephesern, an die er schreibt, gleich zu Anfang einen Namen, der ihr ganzes Herz in Anspruch nehmen, ihre ganze Dankbarkeit aufregen sollte, einen Namen über alle Namen; denn er heißt sie Kinder Gottes – Kinder Gottes, also aus Gott geboren, Seiner Natur theilhaftig, in der innigsten, seligsten Gemeinschaft mit dem großen Gotte stehend, mit Dem, welchen zu denken und zu begreifen, unser Verstand zu schwach, unser Herz zu eng ist, mit dem König der Ewigkeiten, mit dem Schöpfer aller Dinge, mit Dem, den es nur ein Wort kosten würde, die ganze Welt, wie sie aus Nichts durch Sein Wort hervorgerufen worden, auch wieder in ihr altes Nichts zusammensinken zu lassen, mit Dem, den die Engel-Fürsten, den die Cherubim und Seraphim anbeten, Dessen Lob die vier lebendigen Wesen, die vor Seinem Throne stehen, unaufhörlich verkündigen, dem sei ein Dreymal-Heilig rufen; dieses großen Gottes Kinder sollen Die seyn, an welche der Apostel schrieb, und sie waren es so gewiß, als wir es hier geschrieben lesen, so gewiß, daß Paulus es für eine ausgemachte Sache annehmen und sprechen konnte: „so seyd nun Gottes Nachfolger als die lieben Kinder; folget Ihm nach, weil ihr in dem seligen Kindschafts-Verhältniß zu Ihm stehet, und sehet zu, daß ihr nicht aus der Kindes-Art weichet.“ Kinder Gottes waren die Epheser, die vorher den blinden Götzen gedient, und in mancherley Lüsten sich umgetrieben hatten, sie, die vorher Finsterniß gewesen waren, und hatten dem Fürsten der Finsterniß gedient, in Augenlust, Fleischeslust und hoffärtigem Wesen, sie, die vorher den lebendigen Gott gar nicht gekannt hatten, und waren hingegangen, ein Jeglicher seinen Weg, in Uebertretung und Sünde, so daß man das Bild Gottes gar nicht mehr in ihnen erkannte; sie waren Gottes Kinder geworden, abgewaschen von ihren todten Werken, durch das Blut und den Geist JEsu; das war ihr Ruhm, daß sie als Sünder, die schnöde Zucht, als Kinder, die ihm geflucht, seine Auserwählten und Heiligen seyn sollten. Und dieß ist ja die höchste Würde, zu der wir je gelangen können. Denn

Alle Ehre ist zu wenig,
Wenn man das dagegen hält,
Daß der Ewigkeiten König
Uns für Seine Kinder hält.

Wie es aber bey den Ephesern war, so läßt sich dasselbe auch auf uns anwenden. Zwar sind wir nicht Alle Kinder Gottes; es gibt auch Kinder der Welt, Kinder des Teufels; es gibt auch verlorne Söhne, die sich hinausgewagt haben in die Fremde, von ihrem Vater hinweg, um ihre Lüste desto ungestörter ausüben zu können; es gibt Leute, die ohne Gott in der Welt leben, und sich mit den Träbern der Welt begnügen, und damit den Hunger stillen wollen; es gibt Leute, welche den Dienst Gottes und der Welt mit einander verbinden, und gleichsam dem Vater gute Worte geben, daß Er sie doch möchte in ihrem lauen, und trägen und getheilten Sinne dahin gehen lassen, und dennoch selig machen: diese Alle sind nicht Kinder, sondern Bastarde. Und dergleichen sind auch unter uns. Soll ich das erst beweisen? Ich werde es nicht thun. Ich frage nur: ist Niemand unter uns, der in irgend eines der Dinge verstrickt wäre, welche unser heutiger Text als Eigenschaften der Kinder des Unglaubens brandmarkt? Ist Niemand unter uns, der von dem Fürsten der Finsterniß an das eitle Wesen dieser Welt, an weltliche Liebhabereien hingebannt und hingefesselt wäre? Ist Niemand unter uns, der die Welt lieb hätte, Niemand, der den Dienst Gottes und der Welt mit einander zu vereinigen suchte, zwar selig werden möchte, aber von diesem und jenem sich nicht trennen kann, dieses und jenes als Schooßsünde noch nährt und pflegt, und von Dingen nicht ausgeht, die doch ein Greuel sind vor dem lebendigen Gott. O glaubet es doch, nicht Alle sind Kinder, die zur Kindschaft berufen, und schon in der Taufe dazu eingeweiht sind. Wer nicht zur Nachfolge Gottes sich versteht, der ist und bleibt ein Bastard, ein Kind des Zorns, auf den Tag des Zorns und des gerechten Gerichtes Gottes.

Aber obgleich nicht Alle Kinder sind, so sind doch, das weiß ich gewiß, wir Alle zur Kindschaft berufen; dazu sind wir getauft, dazu unterrichtet, dazu leben wir in der christlichen Kirche, das ist der Grund, warum auch heute euch wieder das Evangelium gepredigt wird, auf daß ihr Kinder werden möget, auf daß ein Jegliches umkehre, und sich finden lasse, und der in Christo erworbenen Kindesrechte theilhaftig werde. Ach, ihr Sünder und Knechte des Verderbens, ihr, die ihr in diesen und jenen Stricken der Finsterniß gefangen lieget, in Fluchen und Schwören, in unreinen Gedanken und Begierden, in Betrug und Eigenliebe, in Geiz, den ihr Sparsamkeit nennet, in Fressen und Saufen, was ihr erlaubten Lebensgenuß nennet, in schandbaren Worten und Narrentheidingen, die ihr Scherz und Zeitvertreib nennet, in langer Weile, die euch zu dieser und jener Sünde treibt, und euch immer wieder in eure vorigen Gesellschaften hineinreißt, ihr armen gefesselten Geister, die ihr euch damit begnügen müßt, was der Teufel, als elenden Zeitvertreib, seinen Knechten zuwirft, ihr Alle, die ihr blinden und todten Herzens seyd, und keine Reue und keine Buße über eure Sünden habet, höret doch, und merket doch das große Wort, das der HErr spricht: „meinest du, daß Ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, Ich habe keinen Gefallen am Tode, sondern, daß er sich bekehre und lebe. Warum wollet ihr sterben in euren Sünden, spricht der HErr, HErr? sterben eines ewigen und geistigen Todes? bekehret euch, so werdet ihr leben, denn ihr seyd berufen zur seligen Kindschaft der Auserwählten Gottes.“

Es ist für mich eine herzergreifende Wahrheit, daß keine Seele unter uns ist, welcher man nicht mit aller Zuversicht zurufen dürfte: arme, sündige Seele, warum willst du sterben? sterben ist ja nichts Gutes, warum sollt’s denn dem ewigen Tode entgegengehen? stehe auf und ermanne dich, du bist ja zur Kindschaft berufen, du bist nicht gesetzet zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen, und ob du gleich voll Uebertretung und Unflaths wärest, und ob auch deine Sünde blutroth wäre, es ist dennoch ein dürstend Herz nach dir vorhanden, es ist ein Gott vorhanden, der da will, daß dir geholfen werde, du sollst Sein Kind werden, Sein Erbe, ein Miterbe Christi; blicke nur auf die Fingerzeige Seiner erziehenden Hand, blicke auf deine täglichen Führungen und Erfahrungen, du wirst’s bestätigt finden, daß er dich zur Kindschaft berufen hat und noch täglich berufest, du wirst sagen müssen,

Bald mit Lieben, bald mit Leiden,
Kommst Du, HErr, mein Gott, zu mir,
Nur mein Herze zu bereiten,
Sich ganz zu ergeben Dir.

Ach, was muß das für eine Liebe seyn, die dem Sünder nachgeht, und sucht ihn mit so viel Fleiß, Eifer und Geduld, und sucht ihn herumzuholen aus dem Strick des Verderbens, und zur seligen Kindschaft zu führen; wo liegt wohl der Grund, daß so Großes an uns allen geschieht? Er bedarf ja meiner und deiner nicht; wir sind ja im großen Umkreis Seiner weiten Schöpfung gegen die Millionen Mal Millionen nichts als ein armseliges Stäublein und Pünktlein; wir sind ja Sünder in Sünden empfangen und geboren, und von Natur ja ganz untüchtig, ohne Seine Gnade auch nur einen guten Gedanken zu fassen und zu pflegen, und uns soll Er nachgehen, soll Er aufsuchen, um uns zur Kindschaft zu führen! Wo liegt der Grund davon? das ist die Macht Seiner Liebe und Sein ewiges Erbarmen; das ist’s, was Johannes schreibet: „sehet, welch’ eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir sollen Gottes Kinder heißen.“

Gottes Kinder! o wenn die Welt wüßte, was dieses Wort in sich schließt, sie würde ja ihre elenden Träber mit dem Rücken ansehen; denn die Kindschaft Gottes ist es ja, die Freudigkeit gibt bis in den Tod hinein, Freudigkeit unter allen Begegnissen und Leiden dieser Zeit. Denn ein Kind Gottes schauet nicht auf die Ruthe, sondern auf die Hand, die sie führt, und auf das Herz, das die Hand regiert, darum darf und kann es sprechen:

Schickt Er mir ein Kreuz zu tragen,
Dringt herein Angst und Pein,
Sollt’ ich d’rum verzagen?
Der es schickt, der wird’s auch wenden,
Er weiß wohl, wie Er soll
All’ mein Unglück enden.

Und wenn auch die Hülfe länger verziehen sollte, und wenn es dem Herzen auch bange werden wollte, dennoch kann es sprechen:

Hülfe, die Er aufgeschoben,
Hat Er d’rum nicht aufgehoben.

Ja, die Kindschaft gibt Freudigkeit, daß man mit Paulus triumphiren kann: „ich bin’s gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel, noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges, noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mich scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christo JEsu ist, meinem HErrn.“ Ja, diese Kindschaft gibt Freudigkeit im Tode selbst, sogar Freudigkeit im Gericht; denn der Vater kann ja die Kinder nicht lassen; Sein Herz steht gegen sie offen, und so wissen wir, daß, wann Er offenbart wird, auch die Herrlichkeit der Kinder Gottes in voller Klarheit aufgehen wird.

Jedoch freilich, dieses selige Kindschaftsrecht wäre für uns nicht zugänglich gewesen, wenn nicht Einer in das Mittel getreten wäre, um das zerrissene Band zwischen Gott und den Menschen wieder anzuknüpfen, und eine Versöhnung zu stiften zwischen Gott und den Menschen durch Sich selbst. „Wandelt in der Liebe“ – spricht der Apostel – „gleichwie Christus uns hat geliebet, und Sich selbst dargegeben für uns zur Gabe und Opfer, Gott zu einem süßen Geruch.“ Das ist ja der Mittelpunkt des ganzen Evangeliums; das ist’s ja, wovon in der Gemeinde, die Gott durch Sein Blut erworben, Tag und Nach kein Schweigen seyn soll, das ist’s ja, was die Liebe des großen Gottes so augenscheinlich und so eindringlich darstellt, daß man die Augen und die Ohren mit Gewalt zuhalten muß, wenn diese Liebe uns das Herz nicht rühren soll. O daß es mir gegeben würde, euch diese Liebe Gottes, die in Christo erschienen, auch nur einigermaßen und von ferne zu schildern.

Siehe, liebe Zuhörer, der große Gott hat Sich noch immer an dir als Liebe bewiesen, Er hat dir bis jetzt Speise gegeben, und Trank und Kleidung und Leben und Odem; mußt du es nicht bekennen: Er hat dir von Jugend auf viel Gutes gethan, ohne daß du es werth warest, Seine Barmherzigkeit war bisher alle Morgen über dir neu, ist’s nicht also? und das Alles so unverdient; ja, Er hätte dich strafen können, und Er that dir Gutes, auch wenn du Ihm nicht danktest, auch wenn du Ihn verachtetest; und wenn du auch in deinem weltlichen Sinne dahin giengest, unbekümmert um Ihn, deinen höchsten Wohlthäter, von welchem alle gute Gabe bis jetzt gekommen ist; Er hat dennoch nicht aufgehört, die Gutes zu thun, und hat an dir bis jetzt geübt, was der Heiland uns befohlen hat, an unsern Feinden zu thun; Er hat sich nicht unbezeugt gelassen an dir, ließ Seine Sonne über dir scheinen, und hat dein Herz erfüllet mit Speise und Freude. Ist das nicht Liebe? aber siehe, dieß Alles ist noch gering, so groß es ist, gegen die Liebe, die sich in Christo geoffenbaret hat. Christus hat uns geliebet, uns, die Sünder, mich und dich; in unserer Sünde, in unserer Abgekehrtheit von Gott, in unserer Feindschaft gegen Ihn hat Er uns dennoch geliebet. Als noch nichts da war von Allem, was da ist in den tiefen Gründen der Ewigkeit, da noch keine Kreatur ihr Daseyn hatte, da hat Er, der von Ewigkeit zu Ewigkeit ist, Er, der unserer nicht bedarf, Er, der von Ewigkeit alle unsere Sünden und Gebrechen sah, und unser ganzes Elend überschaute, uns also geliebet, daß Er beschloß, unsere Missethat zu tragen und auf Sich zu nehmen, um uns zu erkaufen, nicht mit Silber oder Gold, sondern mit Seinem theuren und kostbaren Blute, als eines unbefleckten Lammes. O des getreuen Heilandes, Seine Liebe ist nicht erst entstanden; sie ist von Ewigkeit in Seinem Herzen gewesen, von Ewigkeit her hat Er sich Seiner Menschen erbarmet, von Ewigkeit her hat Ihn die Liebe gedrungen, als der versöhnende Mittler ihnen wiederum den verschlossenen Zugang zum Vaterherzen Gottes zu öffnen; in Ihm ist eine ewige Liebe, ein ewiges Erbarmen offenbar geworden, ein Erbarmen, das von einer Ewigkeit zur andern reicht, und ein Füllhorn der Früchte des Paradieses über uns ausschüttet.

O vernehmet meine Stimme; es sind keine Mährchen, die ich predige; es sind nicht elende Menschen-Gedanken und Menschen-Fabeln; es sind ewige Gottes-Wahrheiten, die ich verkündige. Schaue an das Lamm Gottes, liebe Seele, schaue Ihn an, wie Er sich dargibt für uns zum Opfer, Gott zu einem süßen Geruch; siehe, die Liebe zu dir hat Ihn vom Himmelsthron herabgezogen, sie hat Ihn in Knechtsgestalt eingekleidet, sie hat Ihm die Mühseligkeiten und Leiden dieses Lebens auferlegt, sie hat Ihn in Noth und Tod getrieben. Aus Liebe zu dir hielt Er Seinen Rücken dar Denen, die Ihn schlugen, und Seine Wangen Denen, die Ihn rauften. Aus Liebe verbarg Er Sein Angesicht nicht vor Schmach und Speichel, aus Liebe zu dir bot Er Sein Angesicht dar wie einen Kieselstein.

O edles Angesichte,
Davor sich sonsten scheut
Das große Weltgewichte,
Wie bist Du so verspeyt.
Wie bist Du so erbleichet,
Wer hat Dein Augenlicht,
Dem sonst kein Licht nicht gleichet,
So schändlich zugericht’t?

O die Liebe ist stark gewesen in Christo; sie ist durch alle Hindernisse hindurchgebrochen; sie hat Ihn vermocht, Seiner Selbst zu vergessen; sie hat Ihn in die Hände der Kriegsknechte und unter die Reihe der Uebelthäter hineingetrieben; sie hat Ihn am Kreuze verschmachten geheißen; sie hat Ihn zu einem Opferlamme gemacht; sie hat Ihn, den starken Gott, in Tod und Grab dahingestreckt; sie ist mit Ihm durch Himmel und Hölle hindurch gedrungen, nur damit eine ewige Erlösung erfunden würde für dich und mich.

Es ist eine ewige Erlösung erfunden, das darf man nun jeder Seele sagen, das darf man dem ärgsten Sünder zurufen: es lebt Einer, der dich geliebet hat, es ist Einer, der Sein Blut für dich vergossen, Sein Leben für dich gelassen hat; es schlägt ein edles Herz für dich, dem kein Blutstopfen zu theuer war, um ihn um deinetwillen zu vergießen. Lasset euch versöhnen mit Gott, machet euch theilhaftig des Verdienstes JEsu Christi; dieß Wort darf man nun auch den Feinden Gottes, auch Denen zurufen, welche die Welt ausgestoßen hat.

Dem Lamm ist nichts zu schlecht,
Ihr seyd Ihm Alle recht.
Was Niemand sonst kann leiden,
Was alle Menschen meiden,
Das darf noch zu Ihm kommen,
Und da wird’s angenommen.

Ist das nicht eine Liebe, die uns zur Buße leiten, unser steinhartes Herz zerschmeißen, unsern eisigen Sinn zerschmelzen, und uns das Wesen dieser Welt so entleiden sollte, daß wir mit Paulus sprächen: „ich achte Alles für Schaden, ich achte Alles für Koth gegen der überschwänglichen Erkenntniß Christi JEsu, meines HErrn?“

Aber, wenn alle diese Liebe des Vaters, alle diese Hirtentreue des Sohnes nicht beachtet wird, wenn der Mensch dieß höret, und er bleibet auf seinem verkehrten Sinn, wie soll ihm dann geholfen werden? Oder wenn er es zwar höret, und glaubet es, und nimmt es an, will aber dabey in der Sünde beharren, wie soll dann geholfen werden? Was steht Anderes bevor als ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren wird? Vernehmet das große Wort des Apostels, das er in unserem Texte ausspricht: der Zorn Gottes kommt über die Kinder des Unglaubens. O welch’ ein gewaltiges, zentnerschweres Wort ist dieses; fürchtet man sich doch so sehr vor dem Zorn der Fürsten und Gewaltigen dieser Welt, wie sehr sollten wir uns fürchten vor dem Zorn Dessen, der ein König ist aller Könige, und ein HErr aller Herren, vor dem Zorn des Allmächtigen, der auf dem Stuhle sitzt, dem kein Mensch entfliehen kann, wenn er auch gen Himmel flöge und sich in die Hölle bettete, und mit Flügeln der Morgenröthe das äußerste Meer erreichen würde.

„Irret euch nicht, lieben Brüder, Gott läßt Seiner nicht spotten.“ Er hat Alles gethan, um die Sünder zu retten; Er hat den Sohn dahin gegeben, und der Sohn hat Sich geopfert zu einer Gabe als das Lamm Gottes. Die Liebe hat Alles gethan, um Sünder selig und zu Gottes Kindern zu machen: aber nur der Sünder hat Er sich erbarmet, die Sünde ist und bleibt ein Abscheu in Seinen heiligen Augen, denn das Licht hat keine Gemeinschaft mit der Finsterniß, und wer in der Sünde muthwillig und hartnäckig beharrt, wer mit der Sünde nicht aufrichtig bricht, und in der Kraft und Gemeinschaft Christi gegen sie kämpft, der ist und bleibt auch ein Eckel und Abscheu in den Augen des allerheiligsten Gottes; ja, wer nur mit Einer Sünde Gemeinschaft hegt und pfleget, von der ihn zu erlösen doch Christus in die Welt gekommen ist, und fähret fort, auch nur eines seiner Glieder zu entweihen zu einem Sündenglied, der ist und bleibet ein Kind des Zorns, welcher auf ihm ruhet ewiglich. „Denn das sollt ihr wissen, daß kein Hurer, oder Unreiner, oder Geiziger, welcher ist ein Götzendiener, Erbe hat an dem Reiche Christi und Gottes.“ O die Gerichte Gottes sind anders als der Menschen Gerichte; Er strafet die Ungerechtigkeit und wäget auf heiliger Wagschale; denn was die Liebe Gottes durch ihr heiligendes Walten im Herzen nicht wegnehmen kann, und was nicht um des Opfers JEsu Christi willen gern und willig in den Tod gegeben wird, das wird dem Feuer des Zornes anheim fallen, das nimmer verlöscht. Gerecht und wahrhaftig sind Seine Gerichte, wer sollte Ihn nicht fürchten?

Zwar weiß ich wohl, der Mensch, der sich von der Liebe Gottes nicht überwinden läßt, hat verschiedene Ausflüchte und Entschuldigungen. Das eine Mal ist er verführt worden, das andere Mal hat er es nicht so böse gemeint, der Grund seines Herzens ist dennoch gut geblieben, das dritte Mal meint er, man dürfe es nicht so genau nehmen, man müsse leben und leben lassen. Alle diese Entschuldigungen gehen darauf aus, ihn der Mühe zu überheben, sich zu demüthigen unter die gewaltige Hand Gottes, und sich von der Sünde zu scheiden, die er doch so fest umklammert. Da kann es denn so weit kommen, daß er um der Sünde willen eine eigene Religion sich zu rechte macht, eigene Grundsätze, eigene Schlüsse aufstellt, und ihnen bey sich selbst und Andern das Gewand und den Schein der Wahrheit anzuziehen sucht. Gott ist gütig, sagt er dann, Er wird es nicht gerade auf’s Strengste nehmen, Er wird doch auch einige Rücksicht auf die Schwachheiten der Menschen obwalten lassen, im Ganzen sind sie ja doch gute Kinder ihres guten Vaters, und wenn sie auch das Leben genießen, so handeln sie nach der weisen Anordnung der Natur, die dem Menschen so viele Mittel des Genusses dargeboten hat; was aber die Bibel vom Zorne Gottes, von einer Hölle, von einem Blute der Versöhnung spricht, das gehört zu den groben sinnlichen Begriffen der alten Welt, das widerspricht der Vernunft, ich kann es nicht glauben. O es ist weit gekommen, wenn man nicht nur ein Sünder ist, sondern auch seine Sünden noch also entschuldigt mit vergeblichen, eiteln, lügenhaften Worten und Grundsätzen; ja, wenn es einmal in einem Zeitalter Sitte geworden ist, solche Grundsätze aufzustellen, um sich die weltlichen Freuden und den weltlichen Zeitvertreib nicht vergällen zu lassen, eine eigen Religion zusammenzuschmieden, nur um so den Lüsten des Fleisches um so ungestörter dienen zu können, dann ist der Strom des Verderbens über sein gewöhnliches Bett herausgetreten, und die Gerichte Gottes sind nicht mehr fern. Wehe Denen, die aus weiß schwarz, und aus Licht Finsterniß machen um ihres verkehrten Herzens willen. Der HErr aber wird die Lüge der Lügner an’s Licht bringen, und ihre Schande offenbar machen. Ebenso war’s zu der Zeit der Sündfluth; da war es ihnen nicht genug, sich den Lüsten des Fleisches zu überlassen, und all’ ihren Weg zu verkehren und zu verderben, sondern sie haben ihren Unglauben mit falschen Grundsätzen wie mit einer Brustwehr versehen, und statt der Stimme der Wahrheit ihr Ohr zu öffnen, und sich strafen zu lassen durch den Geist des lebendigen Gottes, haben sie sich mit Lüge bewaffnet, also, daß der HErr über die Menschen klagen mußte, und sie reif erfand, um Seine Strafgerichte hereinbrechen zu lassen. Ebenso wird ein Tag des Zorns auch über uns hereinbrechen, ein Tag, an welchem die Gottlosen das Stroh seyn werden, und der Eifer des HErrn wie ein brennender Ofen. lasset uns eilen, unsere Seele zu erretten, lasset uns den Knechten gleichen, die auf ihren HErrn warten.

Denn endlich bricht ein Tag noch ein,
Der ein Tag des Zorns wird seyn.
Jetzt ist Gnade, dort nicht mehr,
Denn der Zorn entbrennt zu sehr.

Nunmehr geh’n wir zu dem Sohn,
Als zu unserm Gnadenthron,
Und der Glaube an Sein Blut
Macht erschrock’nen Herzen Muth.

JEsu, Du bist’s, der mich tröst’,
Der mich selbst vom Zorn erlöst;
Läßt Sein Tag des Zorns sich seh’n,
Laß mich noch in Gnaden steh’n.

Amen!

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