Hofacker, Ludwig - Predigt am vierten Sonntage nach Trinitatis.
Reformationsfest
Text: 1. Kön. 18,21.
Da trat Elia zu allem Volk, und sprach: wie lange hinket ihr auf beyden Seiten? Ist der HErr Gott, so wandelt Ihm nach; ist es aber Baal, so wandelt ihm nach! – Und das Volk antwortete ihm Nichts.
Liebe Zuhörer! Vor allen Dingen will ich euch sagen, warum ich heute diesen Text gewählt habe. Wir feyern heute das Reformationsfest. Wie sollen wir es nun feyern? Etwa als ein mattherziges Andenken an das, was vor dreyhundert Jahren durch den HErrn, unsern Gott, und durch Seine Werkzeuge an der evangelischen Kirche geschehen ist? – Vielmehr, glaube ich, sollten wir es also feyern, daß auch wir reformirt, d.h. umgewandelt, und andere Menschen in unserem Inwendigen werden. Wenn man die heutige Christenheit in ihrem lauen, trägen Gange ansieht, in ihrem Hin- und Herschwanken, wie sie auf ihren vielerlei Wegen zwischen dem Gottes- und Baals-Dienste hinkt: so muß sich ja das Herz eines Dieners JEsu Christi heftig bewegen, daß er wünscht: ach, daß solches Hinken ein Ende nähme, da uns doch Gott Sein klares, herrliches Licht des Evangeliums geschenkt hat, in welchem man feste Tritte thun kann! – Damit wir nun die Veranlassung jener Rede des Propheten Elia an da Volk erfahren, will ich die Geschichte kurz erzählen.
Zur Zeit Elia, des Propheten, herrschte über Israel der König Ahab, ein gottloser Mensch. Dieser nahm zum Weibe Jesabel, eine heidnische Königstochter, eine Götzendienerin von ihren Vätern her, welche mit seiner Zustimmung den Baalsdienst, eine mit Unzucht verbundene Abgötterey, auch unter dem Volk Israel einführte, und die Propheten des HErrn verfolgte, auch deren viele tödten ließ. Das Volk, dem wohl anfänglich die Baalsversammlung zuwider war, willigte endlich darein, bis auf 7000 Mann, die ihre Kniee nicht vor Baal beugten, und so sank Israel in’s Heidenthum. Da erweckte der HErr den Propheten Elia aus den Bürgern von Gilead, der trat vor Ahab und sprach: „So wahr der HErr, der Gott Israels, lebet, es soll diese Jahre weder Thau noch Regen fallen, ich sage es denn.“ Dann verbarg er sich nach dem Worte des HErrn an den Bach Krith, wo ihn Gott durch Raben mit Speise versorgen ließ; von hier gieng er nach Sarepta, einer sidonischen Stadt, zu einer Wittwe, wo ihn der Oelkrug ernährte, dem nichts mangelte, und das Mehl im Cad, das nicht verzehrt wurde. Nach drey Jahren und sechs Monaten bekam er nun den Befehl des HErrn: „gehe hin, und zeige sich dem Ahab, daß ich regnen lasse auf Erden.“ Denn es war im ganzen Lande eine schreckliche Dürre, so daß das Volk murrte und beynahe verschmachtete. Der Prophet that nach dem Worte des HErrn, gieng zum König und sprach zu ihm: versammle mir das ganze Volk auf dem Berge Karmel; ich will mit ihnen reden. Und als sie nun versammelt waren, war sein erstes Wort an das Wort: „wie lange hinket ihr auf beyden Seiten? Ist Jehovah Gott, so wandelt Ihm nach; ist’s aber Baal, so wandelt ihm nach!“ – Und das Volk, von Scham bewegt, antwortete ihm nichts.
Ich nehme keinen Anstand, aus diesem Text etwas für uns herauszuziehen. Darum will ich
I. den Beweis führen, daß Jehovah Gott ist;
II. zeigen, daß es nicht Zeit sey, auf beyden Seiten, zwischen Gott und Baal, zu hinken.
HErr, allmächtiger Gott! wir feyern heute das Reformationsfest. Du hast uns Dein Wort gegeben, und es aus der Finsterniß wieder hervorleuchten lassen. Wir sollten Dir ewig dankbar seyn für Deine unermeßlichen Wohlthaten, aber wir sind so lau, so gleichgültig gegen Dich! – Ach, wir bitten Dich um Deiner Liebe willen, richte einen Brandaltar in unsern Herzen auf, zünde ein Feuer an, ein Feuer der Liebe und des Danks, das hineinbrennt bis in die tiefen ewigen Ewigkeiten! Amen.
I.
„Wie lange hinket ihr auf beyden Seiten? Ist Jehovah Gott, so wandelt Ihm nach; ist’s aber Baal, so wandelt ihm nach“ – sagt der Prophet, und wendet sich damit an das verständige Urtheil des Volks. Er will nicht vorgreifen, er will nicht durch ein voreiliges Urtheil Jemanden bestimmen, sondern er rückt ihnen nur ihre Thorheit auf, die sich in ihrem bisherigen unsichern Hin- und Herschwanken zwischen Jehovah und Baal ausgesprochen habe. Wie viel wollet ihr denn Götter haben? es kann ja nur Einer der wahrhaftige Gott seyn; wen ihr aber als den wahrhaftigen Gott erkennet, dem hanget an, dem wandelt nach, dem ergebet euch von ganzem Herzen, und theilet nicht mehr zwischen ihm und einem andern. Wer Gott ist, den verehret als Gott mit ganzem Herzen, es sey Jehovah oder Baal! – Er zeigt ihnen damit, daß man einmal nicht zween Göttern dienen könne. „Denn“ – spricht der HErr – „Niemand kann zween Herren dienen; entweder wird er den Einen hassen und den andern lieben, oder den Einen verachten und dem Andern anhangen.“ Das Volk Israel aber wollte jetzt zween Herren dienen, und darum ruft sie Elia auf einen bestimmten Weg zurück, weil der unbestimmte, neutrale Weg ein Greuel sey vor dem HErrn.
Liebe Zuhörer! Unter allen Dingen, die dem HErrn ein Greuel sind in Seinen Augen, ist Ihm nichts verhaßter, nichts zum größeren Abscheu, nichts, das mehr Seinen Eifer, ich darf wohl sagen, Seinen Eckel erregt, als das unsichere Schwanken zwischen Jehovah und Baal, zwischen Christus und Belial, zwischen dem Anhangen an dem HErrn und zwischen dem Anhangen an dem Gotte dieser Welt, wo man dem HErrn nicht in’s Angesicht hinein den Dienst aufkündigen, und doch auch nicht von ganzem Herzen Ihm dienen will. Nichts ist Ihm verhaßter als der laue Zustand der Seelen, die bequeme Mittelstraße, wie man es jetzt nennt. „Ach, daß du kalt oder warm wärest!“ – spricht Er zu dem Bischof von Laodicäa – „weil du aber lau bist, und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.“ Woher kommt dieß? Warum ist solches dem Heilande so eckelhaft? Sehet, ein offenbarer Teufelsdiener mag denken, treiben, reden, was er will, - er kennt Jehovah nicht; aber die Christen, welche angefangen haben, dem HErrn zu dienen, die sich aber doch wünschen, bey ihren ägyptischen Fleischtöpfen, in den Lüsten und falschen Ehren dieser Welt zu bleiben, und es mit dem Gotte dieser Welt nicht zu verderben, - diese machen dem HErrn Schande. ist’s da nicht, als ob Baal das ergänzen und ausführen sollte, was Jehovah nicht zu genießen gibt? – O, es ist mitten in der Christenheit viel mehr Baalsdienst, als man glaubt; es sind auch unter uns solche getheilte Herzen und Geister, die weder dem HErrn noch dem Baal ganz zu- oder absagen, sondern in einem elenden halbirten Wahn und Lauf bleiben wollen; es ist auch unsere Zeit, so reich sie auch ist an großen Begebenheiten, so sehr sie auch zum Ernste und zur Entscheidung auffordert, und alle Neutralität fast unmöglich zu machen scheint, doch so voll von solchen neutralen Seelen, die sich sogar in ihrer Neutralität bey aller heimlichen Unruhe gefallen und spiegeln, daß ich keinen Augenblick Bedenken trage, mir und euch das Wort des Propheten vorzuhalten, und in diese hier versammelte Menge am heutigen Reformationsfeste hinein zu rufen: „Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten? Ist Jehovah Gott, so wandelt Ihm nach! ist’s aber Baal (ist’s der Fürst dieser Welt), so wandelt ihm nach!“ –
„Und das Volk“ – heißt es – „antwortete ihm Nichts.“ Es herrschte auf dieses Wort des Propheten an das Volk Israel eine tiefe Stille. Da nahm er wieder das Wort, und sprach zum Volke: „Ich bin allein übrig geblieben, ein Prophet des HErrn, aber der Propheten Baals sind vierhundert und fünfzig Mann. Lasset uns nun sehen, welches der wahre Gott ist. Ich nehme einen Farren, schlachte ihn und lege ihn auf den Altar, und will kein Feuer daran thun; nehmet auch ihr einen Farren, und thut gleich also. Welcher Gott nun mit Feuer antworten wird, der sey Gott, der wahre Gott.“ Und das ganze Volk antwortete und sprach: „Das ist recht.“ Da nahmen die Propheten Baal’s einen Farren, legten ihn ohne Feuer auf den Altar, und riefen aus aller Macht zu ihrem Götzen, und hinkten um den Altar; aber, da war keine Rede noch Antwort. Und da es Mittag war, sprach Elia: „Rufet laut, denn er ist ja ein Gott; vielleicht dichtet er, oder hat zu schaffen, oder er ist verreist, oder er schläft, daß er aufwache.“ Nun riefen sie laut, und ritzten sich mit Messern und Pfriemen nach ihrer Weise, bis das Blut floß; aber da war keine Rede noch Antwort. Da sprach Elia zu dem ganzen Volk: „tretet her zu mir, alles Volk!“ Und da alles Volk zu ihm trat, richtete er den zerfallenen Altar des HErrn von Neuem auf aus zwölf Steinen, nach der Zahl der Stämme Israels, schlachtete den Farren, legte ihn auf das Holz des Altars, ließ Alles reichlich mit Wasser begießen, und trat endlich hervor, und sprach: „Jehovah, Du Gott Abrahams, Isaaks und Israels, laß heute kund werden, daß Du Gott in Israel bist, und ich Dein Knecht, und daß ich solches Alles nach Deinem Wort gethan habe! Erhöre mich, HErr, erhöre mich, damit dieß Volk wisse, daß Du, HErr, Gott bist, daß Du ihr Herz darnach bekehrest! – Da fiel das Feuer des HErrn herab, und verzehrte das Brandopfer, das Holz, die Steine und die Erde, und leckte das Wasser auf in dem Graben um den Altar her. Und das ganze Volk, das zusah, fiel auf sein Angesicht und rief: „Jehovah ist Gott! Jehovah ist Gott!“ –
Liebe Zuhörer! Wenn ich der Prophet Elia wäre, so wollte ich euch Allen, so wollte ich allen Denjenigen, welche zwischen Glauben und Unglauben schwanken, es auf eine eben so augenscheinliche, handgreifliche Weise zu Tage legen, daß Jehovah Gott ist; aber sagt selbst, brauchen wir einen solchen Beweis durch ein Wunder? Sind nicht bereits Wunder genug geschehen, um unser ungläubiges Herz zu überzeugen? Geschehen nicht noch täglich Wunder genug, aus welchen erhellet, daß Jehovah Gott ist, und kein Anderer? Wird uns nicht das Walten des HErrn in unserer Zeit besonders fühlbar, so fühlbar, daß wir die Augen muthwillig zuschließen, und die Ohren verstopfen müßten, wenn wir nicht sehen wollten, welche große Dinge der HErr thut, und hören, was uns verkündigt wird von allen Seinen Wundern? Und wenn jetzt vor unsern Augen Feuer vom Himmel fiele, wäre denn zu hoffen, daß die Welt eher glaubete? – „Sie haben Moses und die Propheten“ – sprach Abraham – „hören sie diese nicht, so werden sie auch nicht glauben, so Jemand von den Todten auferstände.“ – Sie haben aber nicht nur Moses und die Propheten; es ist Einer von den Todten auferstanden; sie haben JEsum Christum, welcher gestorben ist, ja vielmehr, Der auch auferstanden ist; sie haben so viele Thaten, die der HErr in der Vorzeit gethan hat, sie haben die Reformation, sie haben das Licht unserer Tage, die Ausbreitung der Friedensbotschaft in aller Welt, und hören, wie die Heiden ihrem Heilande zugeführt werden; es ist ja nicht verborgen, nicht im Winkel, es ist laut und öffentlich! Wer hören will, der kann ja hören; die Kraft des Wortes Gottes dringt in so manches todte Herz, und in so mancher Seele zeigt sich Leben aus Gott. Was wollen wir weiter? Bedarf es noch eines weitern Beweises? Was könnte man mehr thun an den Menschen, um ihren Glauben zu erwecken, daß sie Gott sollen die Ehre geben? – Ihr Menschenkinder, fürchtet Gott, und gebet Ihm die Ehre, denn die Zeit Seiner Gerichte ist nahe herbeygekommen! –
„Ich gedenke der vorigen Tage, ich rede von allen Deinen Wundern.“ Wer die Geschichte des Menschengeschlechts betrachtet und einiger Aufmerksamkeit würdiget, der muß zuletzt auf die unumstößliche Wahrheit kommen: ja, wahrhaftig! der Jehovah Zebaoth des Alten Testaments, der Christus des Neuen Testaments ist Gott, und kein Anderer! Was soll ich von den Tagen des Alten Bundes sagen, von einem Abraham, von einem Moses, von Josua, von David, von Elia und den übrigen Propheten? Was soll ich sagen von dem Volke Israel, wie es 1600 Jahre lang mitten unter die Abgötter hineingepflanzt, zum Theil und oft davon angesteckt, aber jedes Mal wieder von denselben errettet ward; wie es bisweilen ganz ausgerottet schien, aber jedes Mal wieder neu emporblühte? – Wahrlich, wer die Geschichte des Alten Testaments mit Einfalt und Demuth ansiehet, der kann nicht anders, er muß darauf kommen und sagen: hier ist Gottes Finger! Amen, Jehovah ist Gott! – Aber man liest das nicht mehr; man würdigt es keiner Aufmerksamkeit mehr; die gelehrten und klugen Leute dieses Zeitlaufs sind mit so viel Witz in diese Welt hereingeboren worden, daß sie es von ferne schon riechen, wie das Alte Testament voll Fabeln und Märchen sey. Denn so urtheilen sie darüber, oft ohne daß sie es gelesen, geschweige recht überdacht haben. – Aber ach, lies doch einmal; ließ doch nur die Geschichte des Elia, die ich so eben erzählt habe! Wenn ja keine andere Geschichte in der Bibel stände, und nur diese wäre wahr, so hätten wir ja genug zum Glauben und zum Bekenntniß: „Jehovah ist Gott!“ Aber es sind noch ganz andere Dinge da, um unsern Glauben zu stärken; es ist die ganze Haushaltung des Gesetzes da, eine große Haushaltung, die nur durch Gott getroffen werden konnte, eine Anstalt, die auf das Wohl des ganzen Menschengeschlechts abzweckte, eine liebevolle Anstalt, so gesetzlich sie aussah, doch lauter Liebe, zur wahren Heilung des Schadens der ganzen Menschheit; ach, das kann Niemand so eingerichtet haben als Gott, und Gott ist die Liebe, und Jehovah hat sie eingerichtet, und Jehovah ist Gott! –
Und was soll ich sagen von den Tagen des Neuen Bundes? – Nachdem Gott vor Zeiten manchmal und auf mancherley Weise zu den Vätern geredet hat durch die Propheten, hat Er in den letzten Zeiten zu uns geredet durch den Sohn. – Das ist eine Anstalt, die den Charakter und das Gepräge der Göttlichkeit schon in sich trägt. Süßes Evangelium! wie bist du schon heruntergesetzt, und von den Schweinen als eine Perle, die sie nicht kannten, in den Koth getreten worden! Gekreuzigte Liebe! wie bist du schon verkannt, wie oft bist du schon aufs Neue verspieen und gekreuzigt worden! Ewige Weisheit! wie oft hast du dich schon meistern lassen müssen von deinen eigenen Kindern, ja von den Thoren und Spöttern! Aber deßwegen ist und bleibt doch, was uns vom Sohne gegeben ist, das Göttlichste, was die Menschheit hat, deßwegen ist doch der an’s Kreuz erhöhete Jesus der wahrhaftige Gott und das ewige Leben, und das durch den Geist geöffnete Auge siehet Ihn als Solchen und kennet Ihn als Solchen; deßwegen ist doch das Wort vom Kreuz Gotteskraft und Gottesweisheit; deßwegen ist doch noch Keiner, der das Evangelium betrachtet, und nach Wahrheit wirklich geforschet hat, im ungewissen geblieben, sondern er ist auf die ewige, felsenfeste Wahrheit, auf das Ja und Amen in seinem Herzen gekommen: Ja, Amen! Der Jehovah des Neuen Bundes, JEsus Christus, ist Gott! Er ist’s allein werth, daß man Ihn liebe von ganzem Herzen; er ist’s allein werth, daß Ihm alle Kniee sich beugen, und alle, alle Zungen bekennen, daß Er der HErr sey zur Ehre Gottes des Vaters! –
Und was meinet ihr? Wenn es nicht von Gott wäre, würde es bis jetzt stehen geblieben seyn? würde denn dieses Werk noch fortdauern? würde es nicht in seinem ersten Keime erstickt worden seyn? Ja, das Fortbestehen der christlichen Kirche durch alle Zeitläufe hindurch bis in unsere letzte betrübte Zeit hinein, ist Zeugniß genug, daß der HErr Gott ist, daß Er der wahrhaftige Gott ist und das ewige Leben. Schauet an den kleinen Anfang, von welchem dieses Werk ausgegangen ist! Ein unbekannter, armer Zimmermann aus Nazareth fängt an zu predigen im Namen des HErrn, und sammelt zwölf arme Männer um sich, unwissende, ungelehrte Leute; Er geht umher in Niedrigkeit und Knechtsgestalt; Er wird an’s Kreuz wie ein Missethäter gehängt, und stirbt, und steht, verborgen vor den Augen der Welt, vom Tode auf, und sendet Seine zwölf Jünger hinaus in die Welt mit dem Befehl: „prediget das Evangelium aller Kreatur!“ – und was geschieht? Aus diesem kleinen Senfkorn entwickelt sich ein mächtiger Baum, unter dessen Zweigen die Vögel des Himmels sitzen, ein Reich Gottes, darin die entferntesten Völker und Nationen im Frieden wohnen, und von den ewigen Früchten des Lebens genießen. Wer muß nicht mit Staunen und Anbetung sagen: das ist vom HErrn geschehen, und ist ein Wunder vor unsern Augen! Denn dieser Baum ist nicht aufgewachsen durch der Apostel Kraft und Weisheit, sondern durch die Hülfe des HErrn und durch das Wort Seines Mundes. – Dazu rechnet den Grimm der Finsterniß, die Wuth Satans und seiner Knechte, die nun seit 1800 Jahren gegen die Kirche Christi rasen und toben. Sie haben den HErrn selbst verfolgt und getödtet, sie haben Seine Apostel verfolgt und getödtet, sie haben mit Feuer und Schwert die Gemeinde zu zerstören gesucht, sie haben nach dem Blute der Zeugen JEsu gedürstet, und sich voll davon getrunken, daß sie trunken wurden, sie haben List und Macht angewendet, um Christum auszurotten; auf ihrer Seite war die Macht, bey den Kindern Gottes die Schwäche; sie waren stark in Weltklugheit, die Gläubigen blieben in der Einfalt; sie waren Schlangen, die Kinder Gottes waren Tauben; sie waren Wölfe, die Kinder Gottes waren Lämmer; sie haben Tag und Nacht darauf gesonnen, wie sie das Wort und den Glauben vertilgen möchten, und sinnen noch darauf, denn Satan hat noch Knechte genug, die mit offenem oder verbissenem Grimm dem Blühen und Wachsen der Kirche Christi zusehen; aber sie haben nichts vermocht bis auf diese Stunde; die Wölfe konnten die Lämmer nicht verschlingen, noch die Schlangen mit ihrem Gifte die Tauben tödten; es ist erfüllet worden das Wort: „ich will meine Gemeinde auf einen Felsen gründen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ Das ist des HErrn Geschäft, daß Er Sein Werk beschützt; nicht durch List oder Macht, oder Gewalt, oder durch den Arm von Menschen ist die Kirche Christi bis jetzt erhalten worden, und die kleine Heerde unversehrt geblieben, - denn dieß Alles hatte sie nicht, - sondern durch den Arm Gottes, durch den Namen und Willen des HErrn Zebaoth, „Der da thut, was Er will, der das Herz der Könige lenkt wie Wasserbäche, und Fürsten ab- und einsetzt. Alles Fleisch ist vor Ihm wie Heu, und alle Nationen wie ein Tropfen am Eimer, und wie ein Scherf, der in der Wage bleibt; Er ist der Gott, der Bogen zerbricht, Spieße zerbricht, und Wagen mit Feuer verbrennet!“ – Wahrlich, wenn wir bedenken, was seit achtzehn Jahrhunderten geschehen ist, wie das Evangelium und die Gemeinde des HErrn bis heute unter allen Stürmen aufrecht geblieben und beschirmt worden ist, so müssen wir sagen: das ist mehr, als wenn Feuer vom Himmel fiele! Fallet nieder auf euer Angesicht, und rühmet: „der HErr ist Gott!“ –
Und zu wessen Ehren feyern wir das heutige Reformationsfest? Zur Ehre Luther’s, Melanchthon’s oder anderer Männer dieser Art? Nein, diese Alle waren nur schwache, zerbrechliche Werkzeuge in der Hand Dessen, der alles Gute allein und selber schafft; - zur Ehre Gottes feyern wir das heutige Fest, zur Ehre Dessen, der das Licht gleich Anfangs ließ aus der Finsterniß hervorleuchten, und der Sein Wort aus der Verdunkelung der Menschensatzungen in voller Klarheit wieder den Menschenkindern gegeben hat; zur Ehre der ewigen Liebe, die nicht will, daß Jemand verloren werde, sondern daß sich Jedermann zur Buße kehre, die unsern Vätern und uns Unwürdigen ein neues „Mache dich auf, und werde Licht!“ zugerufen hat; zur Ehre Dessen, der aus Seinem ewigen Liebes-Erbarmen heraus der Macht, der List und dem Trotz des Argen gesteuert, und uns den Weg des Lebens und das Verdienst Christi wieder auf’s Neue geoffenbaret hat. Gebt unserm Gott die Ehre! Was hätte ein Mönchlein vermocht, ein armes Mönchlein gegen Kaiser, Papst und Reich, gegen die ganze Macht der Finsterniß? was vermag ein armer Mensch gegen den Teufel?
Der alte, böse Feind,
Mit Ernst er’s jetzt meint;
Groß’ Macht und viel List
Sein’ grausam’ Rüstung ist,
Auf Erd’ ist nicht sein’s Gleichen.
O, wenn der HErr nicht durch wunderbare Fügungen Weg und Bahn gemacht, wenn Er nicht die Herzen mancher Fürsten gelenkt, und in das Herz eines Luthers Weisheit, Rath, Verstand und Zucht, und vornehmlich einen unbezwinglichen Glauben gepflanzt hätte: was wäre herausgekommen? – Nichts! – Wir, liebe Brüder und Schwestern, schmachteten noch in den Banden der Finsterniß; Christus würde noch zu Boden getreten bis auf die heutige Stunde; der Name Gottes würde noch entheiligt und verunehrt bis auf die heutige Stunde; Satan herrschte noch durch des Papstes Gewalt und durch jämmerliche Menschensatzungen auch unter uns bis auf die heutige Stunde, und Luther hätte nicht singen können:
Und wenn die Welt voll Teufel wär’,
Und wollt’ uns gar verschlingen,
So fürchten wir uns nicht so sehr,
Es muß uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
Wie sauer er sich stellt,
Thut er uns doch nichts;
Das macht, er ist gericht’t;
Ein Wörtlein kann ihn fällen.
Daß er aber durch sich selbst nichts vermochte, und daß Menschenhülfe nichts nütze sey, das hat Luther wohl gefühlt, und darum aus wahrer Inbrunst des Geistes heraus gesungen:
Mit uns’rer Macht ist nichts gethan,
Wir sind gar bald verloren!
Es streit’t für uns der rechte Mann,
Den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist?
Er heißet JEsus Christi,
Der HErr Zebaoth,
Und ist kein and’rer Gott!
Das Feld muß Er behalten.
O, ein großer Glaubensmuth! Wer da weiß, was Satan ist, der kennt auch diesen Glaubensmuth. Hier steht ein schwacher Mönch, Fleisch vom Fleisch, aber auch Geist aus Geist geboren, die Welt voll Feinde und Schreckens um ihn her, und spricht: Ich fürchte mich nicht, JEsus ist mein Gott! das Feld muß Er behalten! – Das heißt glauben, und darum hat Er auch das Feld behalten. Zwar gieng es durch ein schweres Gedräng’, und kam oft so weit, daß man die Sache des HErrn verloren gab; aber der HErr hat gesiegt, und es ist immer die Sache Seines Reichs also gewesen, daß sie im Erliegen, im scheinbaren Unterliegen, den Sieg gewann. Liebe Brüder und Schwestern, lasset uns freuen und frohlocken, daß der HErr gesiegt, und uns auf’s Neue errettet hat von der Obrigkeit der Finsterniß, und ihr Alle gestehet es doch wenigstens heute: Jehovah ist Gott, JEsus Christus ist Gott, und sonst kein Anderer! –
Vor siebenzig oder achtzig Jahren hat das Unwesen in unserer Kirche angefangen. Wo vorher Aberglaube war, da ist jetzt der Unglaube. Die stolzen Weisen dieser Welt, die vor lauter Klugheit immer tiefer in die Narrheit fallen, haben in eigener Weisheit, im Hochmuth und unerträglicher Selbstüberhebung dem Vernunftgott, den sie aufgerichtet haben, dem Baal unserer Tage, Altäre genug gebaut, und ihm, - ich darf es ja wohl sagen, weil es ein alttestamentlicher Ausdruck ist, - nachgehuret. An einem Pfeiler der Wahrheit um den andern haben sie gerüttelt, und gedacht: gelingt es uns, die Pfeiler und Säulen umzustürzen, so wird schon das ganze Gebäude nachfallen: und das haben sie auch frey ausgesprochen und in manches Buch geschrieben; es wird, hieß es, bald die Zeit kommen, wo das alte Gebäude, der alte Wahn zusammenstürzt (sie meinten aber den alten Glauben, daß Christus, Gottes Sohn, uns mit Seinem Blut erkauft habe); das Licht der Vernunft ist nun aufgegangen, der Aberglaube muß fort, denn bey den neueren Fortschritten kann das alte Gemäuer nicht mehr bestehen. – Die Thoren! Sie wußten nicht, daß dieses scheinbar alte Gebäude aus Felsen gehauen, und auf einen ewigen Felsen gegründet ist. Darum war es ihr Losungswort: „Lasset uns zerreißen seine Bande, und von uns werfen seine Seile! Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche!“ – Und diese neuen Baalspriester haben es auch weit gebracht; sie haben nicht nur unter den höhern Ständen, die sich von jeher zum Unglauben mehr neigten, sondern auch unter dem Volke manchen Grundstein der Wahrheit umgeworfen, so daß Viele unschlüssig wurden, und nicht mehr wußten, ob Baal oder Jehovah Gott sey; denn sie wußten ihrer schlechten, faulen Sache ein feines Gewand anzuziehen, daß Jedermann meinen sollte, das sey recht und wahr, das seyen die Leute, welche unserer Zeit die Fackel wieder auf’s Neue aufgesteckt haben. Ja, es kam so weit, und ist noch vielfach der Fall, daß man sich schämt, den hohen Namen JEsu auszusprechen, daß eher Alles als dieser Name in den sogenannten gebildeten Gesellschaften gehört wird, und daß die Kinder Gottes seufzen mußten und sich zerstreuen unter dem Drucke des Zeitgeistes. Ihr wisset, liebe Zuhörer, wie unter solchen Grundsätzen die sittliche Finsterniß, das weltliche, wollüstige, freche und eigennützige Wesen dieser Zeit gewachsen ist. – Ach, sie glaubten schon triumphiren zu dürfen, diese Feinde des Sohnes Gottes! Da brach der HErr Seinem Reiche wieder weitere Bahn, da gieng wieder ein Geist aus von dem HErrn weitere Bahn, da gieng wieder ein Geist aus von dem HErrn Zebaoth in alle Lande, da wurde wieder manches Herz zum Glauben an den Heiland erweckt, dem Teufel zum größten Verdruß, - da gewann die Sache des HErrn JEsu wieder eine neue Gestalt, und schwang sich wieder an manchen Orten lebendig empor; - und das ist vom HErrn geschehen, das ist Gottes Finger.
O geliebte Zuhörer! ich komme nun auf unsere Tage. Wer jetzt, in dieser Zeit, nicht aufmerkt, wer jetzt nicht siehet, was soll diesen sehend machen? Wer in unsrer großen, herrlichen Zeit nicht die Hand des HErrn erkennt, was soll diesen zur Besinnung bringen? Bekennet es doch, die ihr in diesen Gnadentagen zum Leben gekommen seyd, die ihr den Heiland gefunden habt; bekennet es doch, rufet es aus durch Wort und Wandel, daß es in die Ohren der Baalsdiener hineintönt, daß sie diese Eindrucks nicht mehr los werden, und auch kommen, anzubeten vor dem HErrn Zebaoth! rufet es doch aus: „der HErr ist Gott!“ bekennet es auf euern Angesichtern im Staube: „der HErr ist Gott.“ Wir haben es erfahren durch Seine Gnadenzüge an unser Herz, an Seiner Liebe, an dem angenehmen Jahr, das uns aufgegangen ist, an der Macht Seiner Gnade, an Seinen herrlichen Wirkungen, wodurch wir vom Tode zum Leben gedrungen sind. Ja, „der HErr ist Gott!“ unsre Zeit liefert den augenscheinlichsten Beweis für diese ewige Wahrheit. Soll ich das erst beweisen? – Sehet doch auf das, was Er vor unsern Augen thut; sehet auf das, was in der Ferne geschieht! Wann sind die Feinde der Wahrheit grimmiger gewesen als jetzt, sowohl die den Aberglauben als die, welche den Unglauben pflanzen wollen? Und siehe, es ist, wie wenn ihr Mund gestopfet wäre! sie dürfen, sie können’s nicht wehren, sie müssen zusehen, wie das Kreuz Christi, das sie hassen, den armen, geringen, traurigen Seelen gepredigt wird, wie das Evangelium hinausgetragen wird zu Denen, die in Finsterniß und Schatten des Todes sitzen, und wie Völker und Nationen ihre Kniee zu beugen anfangen vor dem, den Klugen dieser Welt verhaßten Namen! Was soll ich davon sagen, daß das Wort der Wahrheit in vielen Millionen Exemplaren und in hundert Sprachen auf dem Webboden verbreitet, und die Erde bedeckt wird wie mit Wasserwogen? was davon, daß die Boten des Heils zu den entferntesten Völkern gedrungen sind, und haben ihnen die ewige Friedensbotschaft, das Evangelium, gebracht, und die Nationen nehmen es an, und dürsten sogar nach dem Worte des Lebens, und bitten, flehen um Lehrer und Zeugen, so daß an ihnen das Wort des HErrn sich erfüllt: „ich will einen Durst und Hunger schicken, nicht nach Wasser und Brod, sondern nach dem Worte des HErrn!“ – Ach, leset doch die Berichte, und freuet euch, und fallet nieder auf euer Antlitz und sprechet: „der HErr ist Gott! der HErr ist Gott!“ Sehet, die Könige der Heiden fangen an, das Lamm anzubeten in großer Anzahl; es beginnt zu tagen auf dem finstern Erdkreis, ja, an manchen Orten ist schon der helle Tag angebrochen, ein Tag, der heller ist als bey uns. Ganze Völkerschaften werfen ihre Götzen hinweg, vor welchen sie bisher geknieet hatten, und erkennen, preisen den lebendigen Gott! – Große unerhörte Dinge geschehen in unserer Zeit; gehe hin, du toll und thöricht Volk, das nichts glauben, nichts erkennen will, gehe hin und gedenke der vorigen Zeiten bis hieher, und siehe, ob der HErr Solches gethan zu den Zeiten der Väter; frage deine Väter: ob sie auch Solches gesehen und gehört haben? und sie werden dir antworten mit Nein! – Und dennoch werden wir nicht weise, erkennen noch nicht die Zeit unserer Heimsuchung, und nicht, was in dieser Zeit zu unserem Frieden dienet, und geben Gott die Ehre noch nicht, da es doch eingetroffen ist, was der 84ste Psalm sagt: „die Lehrer werden mit viel Segen geschmückt; sie gehen hin und erhalten einen Sieg nach dem andern, daß man sehen muß: der rechte Gott sey zu Zion.“
Ihr, die ihr Christi Namen nennt,
Gebt unserm Gott die Ehre!
Ihr, die ihr Gottes Macht bekennt,
Gebt unserm Gott die Ehre!
Die falschen Götzen macht zu Spott!
Der HErr ist Gott, der HErr ist Gott!
Gebt unserm Gott die Ehre!
Liebe Zuhörer! Was soll der HErr mehr thun, um zu zeigen, daß Er Gott ist? Ist das Alles nicht viel, viel mehr, als wenn Er Feuer vom Himmel fallen ließe wie zu Elia Zeit? – Ich habe mich unterwunden, zu beweisen, daß Jehovah Gott sey, und der HErr wird mir verzeihen, wenn ich bey Vertheidigung Seiner ehre zu viel geredet habe. Aber man soll ja reden, und nicht schweigen von Seinen herrlichen Thaten, man soll Ihn ja loben an allen Orten Seiner Macht. So hoffe und wünsche ich denn, daß Alle möchten davon überzeugt seyn: Jehovah ist Gott! JEsus Christus ist Gott, und herrschet als König. – Oder sollte Baal, sollte der Gott dieser Welt der wahrhaftige Gott seyn? Nein, er ist es nicht. Wie sind seine Priester in alter Zeit beschämt worden von Elia! wie sind sie beschämt worden bis auf diese Stunde von der Macht der Wahrheit! Wie hat das Reich dieses Baals von jeher den Keim der Zerstörung in sich getragen! was haben sie vermocht, wenn der HErr Sich aufmachte von Seinem heiligen Berge, zu richten und zu streiten mit Gerechtigkeit? Der Vater der Lügen ist nicht Gott; er herrsche nun durch Unglauben oder durch Aberglauben, er herrsche durch Weltlust, durch Geld, Ehre, durch Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Leben, oder er verstelle sich in einen Engel des Lichts, und treibe seine Diener zur Verkündigung einer Gerechtigkeit außer dem Sohne Gottes, oder er bethöre das Herz der Menschen mit dem großen Wahne unserer Zeit, mit dem Geschrey nach äußerer Freiheit und Unabhängigkeit, oder er führe seine Knechte mitten in den Pfuhl des Lasters hinein; - der Vater der Lüge ist nicht Gott, sondern sein Reich, so sehr es gegen das Reich der Liebe und des Lichtes ankämpft, wird vergehen, und trägt den Keim des Verderbens in sich selbst. Der Geist dieser Zeit oder der Gott dieser Welt ist nicht der wahrhaftige Gott; die Zeit hat es bewiesen bis jetzt; die Zeit wird es fernerhin zeigen, und seine Knechte werden ein Ende nehmen mit Schrecken, wie die Priester Baals in ihrem Theil. Zwar werden sie sich noch einmal mit Macht erheben; es wird ihnen noch Raum gelassen eine Frist; dann aber fahren sie auf ewig hin, und das Reich der Wahrheit, das Reich JEsu Christi wird hervorbrechen in voller Herrlichkeit Seines Siegs. Da wird der HErr nur Einer seyn, und Sein Name nur Einer! Hallelujah! –
II.
Ist aber Jehovah Gott, ist es JEsus Christus: was hinket ihr und wie lange hinket ihr auf beyden Seiten, ihr armen, betrogenen Seelen? – Hat Er es doch wahrlich an nichts fehlen lassen, um uns zur Wahrheit zu führen. Er hat durch die Propheten zu uns geredet, und zuletzt durch den Sohn und durch die Apostel des Lammes; Er hat große Dinge gethan; Er hat uns Sein Wort gegeben, es uns erhalten bis auf diese Stunde; Er läßt es uns anbieten früh und spät; Er hat uns in eine Zeit gesetzt, wo Seine Gnade besonders mächtig ist, und wo wir die Augen muthwillig verschließen müssen, um nicht Sein Heil zu sehen, - und wir? – wir hinken auf beyden Seiten, wir kommen zu keinem festen Entschluß, ob wir Ihm dienen sollen, oder ob Baal unser Herz besitzen soll, und wollen unsre Herzen zwischen Ihm theilen, und zwischen dem Fürsten der Lüge und Finsterniß! – Ja, wenn es bloß Seine Allmacht wäre und die mächtige Wirkung Seiner Kraft, die Er uns aus alter Zeit her zeigen läßt, so wären wir noch eher zu entschuldigen; aber es ist nicht nur Seine Macht, - es ist Seine Liebe, Sein ewiges Erbarmen in dem Sohne, dem Gekreuzigten und Erhöhten, in Seinem Worte, in Seinen Sakramenten, in Seinen Geistestrieben, in der Versöhnung und Fürbitte des Heilandes, - o, durch die Beweisung solcher Liebe können wir so gut als durch Seine Allmacht erkennen, daß Er Gott ist; denn so, wie wir geliebet sind, kann nur Gott lieben; - dieß Alles hat Er an uns gewandt, die Wunden Seiner Hände und Füße, Seine ewige Liebe mit ihren zahllosen Beweisungen, - und du besinnest dich, ob du Ihm zufallen, ob du Sein werden wollest, ob du die vergängliche Lust der Welt, die Lockungen des Zeitgeistes, den ganzen Baalsdienst Ihm, deinem Gott und HErrn, nachsetzen solltest? Ist das nicht Sünde? Ja, wenn du es gut hättest bey Baal, dann wäre es etwas Anderes; aber gestehet es, ihr, seine Knechte, geht es euch gut in euren Sündenwegen, in eurem Weltdienste? Wahrlich, ihr habt es nicht gut; aus all’ eurer Augenlust, Fleischeslust und Hoffart erntet ihr ja nichts als Seelenpein, Jammer, Todesfurcht, und endlich werden die Träber, die ihr hineinschlinget, ein Feuer in euch werden, das nicht verlöschet, und ein Wurm, der nicht stirbt. Aber bey JEsu ist Leben und Genüge; ja, Amen! Bekennet es, die ihr Solches erfahren habt! bekennet es:
Wie herrlich ist’s, ein Schäflein Christi werden,
Und in der Huld des treusten Hirten steh’n!
Kein höh’rer Stand ist auf der ganzen Erden
Als unverrückt dem Lamme nachzugeh’n;
Was alle Welt nicht geben kann,
Das trifft ein solches Schaf bey seinem Hirten an.
Welch’ ein Schmerz muß die Seele des Elia durchdrungen haben, als er vor das Israel, das einst so hoch begnadigt war vom HErrn, dass Er aus der Knechtschaft errettet, durch das Schilfmeer geführt und auf Adlersflügeln getragen hatte, hintreten und sagen mußte: „wie lange hinket ihr auf beyden Seiten?“ als er ihnen sagen mußte, daß der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs auch ihr Gott sey, dem sie dienen sollten! Und das war kein menschlicher Schmerz, das war ein Schmerz aus dem Herzen Gottes, das einst sprach: „ich habe Kinder aufgezogen, und sie sind von mir abgefallen! ein Ochse kennt seinen Herrn, und ein Esel weiß die Krippe seines Herrn, aber mein Volk weiß nichts von mir!“ das einst sprach: „kehre wieder, du abtrünniges Israel, so will Ich mein Angesicht nicht mehr gegen dich verstellen!“ das einst sprach: „du sollst lieben Gott, deinen HErrn, von ganzem Herzen und von ganzer Seele, und sollst keine andern Götter neben mir haben!“ – Ja, das ist dem Herzen des großen Gottes das Betrübendste, wenn eine Seele zaudert, sich Ihm ohne Falsch zu ergeben, und zuzugreifen, wo sie schon etwas von Seiner Gnade erkannt hat; das ist Ihm das Schwerste, wenn man sich mit Fleisch und Blut bespricht, und zwischen dem Wege, der zum Leben, und zwischen dem Wege, der zur Verdammnis führt, halbherzig einherhinkt!
Aber du sprichst: ich hinke nicht auf beyden Seiten; ich erkenne JEsum Christum als meinen HErrn und Gott, und habe auch das redliche Bestreben, Ihm zu dienen. – Ja, wenn dieß wirklich wahr ist, dann wohl dir! Aber prüfe dich, o Mensch, ob du auch Wahrheit redest; denn du hinkest doch auf beyden Seiten, wenn du nicht Allem absagst, was du hast, und JEsu von ganzem Herzen nachfolgst. Höre Ihn selbst, wie Er spricht: „Wer nicht Allem absagt, wer Vater, Mutter, Weib, Kinder, Freunde mehr liebt als mich, der kann mein Jünger nicht seyn, der ist meiner nicht werth.“
Ich weiß, daß Der allein
Des Namens würdig ist,
Der seine liebste Lust
Durch Christi Kraft zerbricht,
Und lebt sich selber nicht.
Der Heiland fordert eine ganze Uebergabe, ein völliges, ungetheiltes Herz; das faule, halbirte Wesen aber ist Ihm ein Greuel; das laue Christenthum ist Ihm zum Ausspeyen eckelhaft. Wer Ihn nicht ganz und ungetheilt lieben will, der unterlasse es lieber ganz; wer seinem gekreuzigten HErrn, dem Sohne der Liebe, nicht von ganzem Herzen folgen will, der tanze lieber mit den Kindern des Verderbens um den Altar Baals; er gehe hin und lasse sich ehren von der Welt, und sättige und vergnüge sich mit ihr, und gehe dann verloren, nachdem er sein Gutes empfangen hat in diesem Leben; es ist noch besser, als daß er ein halbirtes, heuchlerisches Christenthum führe, und einst mit den thörichten Jungfrauen die Schreckens-Stimme hören müsse: „Weichet von mir, ich habe euch noch nie erkannt!“ – Beydes ist schrecklich; aber das Zweite ist noch schrecklicher als das Erste.
Oder ist denn das ein Christenthum, und nicht vielmehr ein elendes Hinken auf beyden Seiten, wenn man eine Ueberzeugung von der Wahrheit in seinem Herzen hat, und will doch nicht recht, und gehet doch seine gewohnten Wege hin, und will doch nicht der Welt absagen von ganzem Herzen? Ist das nicht ein halbirtes Christenthum, wenn man schon manche Gnadenzüge an seinem Herzen erfahren hat, und will es doch nicht zum ganzen Leben bey sich kommen lassen, und ringt und seufzt nicht darnach, daß Christus im Herzen geboren werde, - und weiß: „du stehest noch nicht recht“, und kann sich doch ruhig schlafen legen, und sucht doch nicht ganz durchzudringen? – Durch wie viele falschen Gedanken und Urtheile, durch wie viele Verdunkelungen des göttlichen Lichtes muß es da durchgehen! Ist es möglich, daß der Heiland eine Seele so lange in Ungewißheit lassen kann über ihren Stand gegen Ihn? daß sie so lange herumgehen kann, ohne ihrer ewigen Seligkeit gewiß zu seyn? Nein, das ist nicht möglich; das kommt allein von dem halbirten Wesen her, daß man den Baalsdienst nicht aufgeben will, sich’s keinen ganzen Ernst seyn läßt, und nicht um einen ganzen, göttlichen Ernst verlegen ist.
Und was soll ich von Denen sagen, die öffentlich und gröblich im Baalsdienste gefangen sind, die etwa in die Kirche gehen, Gnadenzüge erfahren, zu der Predigt des Wortes wohl Ja und Amen sagen, und einen Vortrag loben, - aber doch nicht Buße thun, doch im Herzen nichts ändern, bleiben wie zuvor, und gehen ihre alten Fleischeswege, und haben ihre Sorgen, ihr Geld, ihren Mammon, ihre Lüste und Gewohnheiten, ihre heillose Ehre bey den Weltkindern, und die bösen Buben, von welchen sie gelockt werden, lieber als Gott, so daß es nie mit ihnen zu einer Umkehr kommt? Ach, unsere Christenheit ist großen Theils in greuliche Lauheit versunken, so daß zu befürchten steht, das Christenthum werde von uns genommen und den Heiden gegeben werden. Man hat ein Mode-Christenthum aufgebracht, ein Gefühls-Christenthum, wobey man Gott mit einigen guten Gedanken abzufertigen meint, während das Herz an dem Eiteln und Nichtigen hängt, und den Abgöttern nachzieht. Lüge und Frechheit wird da gehäuft auf den Tag des Zorns.
Wie lange wollet ihr hinken auf beyden Seiten, meine Zuhörer? Ihr habt wohl eine Ueberzeugung in euch, daß Jehovah Gott ist, aber ihr wollet Ihm nicht dienen; das ist noch schlimmer als bey den Israeliten, die wegen des allgemeinen Zerfalls ihres Lehrstandes großen Theils in Unwissenheit gefangen waren. Ach, werfet doch die Götzen hinaus, verbrennet sie, und fallet nieder vor dem lebendigen Gott, damit in eurem herzen ein Altar gebaut werde dem Lamme, das erwürgt ist, und uns erkauft hat mit Seinem Blute! Hat es je eine Zeit gegeben, die uns dazu aufruft, so ist es die unsrige, da die Fülle der Heiden eingeht, da Licht und Finsterniß sich mit erneuerten Kräften bekämpfen, - ein Kampf, davon man wohl weiß, wie er endigen wird! Immer näher rückt das Ende dieses Kampfes, immer näher das Verderben der Feinde und der herrliche Lohn der Ueberwinder! Hier gilt kein Neutralseyn, wer nicht ganz mit JEsu ist, der ist wider Ihn; bey dem Siege, bey dem Austheilen der Beute wirst du nicht neutral seyn wollen; so sey es auch nicht im Kampfe! Ich bitte dich im Namen des HErrn: nimm dich zusammen, flehe Ihn an, daß Er dich nicht verloren gehen lasse, gib dich Ihm kindlich und lauter hin zum Eigenthum, und glaube, daß Er dem Aufrichtigen den Sieg gelingen lassen wird! So wollen wir denn unsere Herzen und Hände zu Gott erheben, und also beten:
Ach, großer, gewaltiger HErr und Gott; wir müssen uns beugen vor Dir, tief im Staube demüthigen, daß wir Deine großen Wohlthaten, Deine Liebe und Treue bisher so wenig geachtet, und den Götzen so vielfach gedient haben! O allgütiger Gott! nimm alle Götzen von uns hinweg, und tödte sie mit dem Geiste Deines Mundes!
Treib’ Alles aus, nimm Alles hin,
Was Dich und uns will trennen,
Und nicht gönnen,
Daß unser Herz und Sinn
In Deine Liebe brennen.
Nimm nicht weg von uns Dein theures Evangelium, sondern hilf es uns als eine Beilage zu bewahren bis auf jenen Tag. Sende Arbeiter in Deine Ernste; denn die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind Wenige. O thue Barmherzigkeit an uns, und sey und bleibe unser Heiland, unser Immanuel; hilf uns in dieser letzten betrübten zeit, daß wir von ganzem Herzen Dir anhangen und dienen, und also leben mögen in Deinem heiligen Königreiche vor Dir immer und ewiglich. Amen!