Hofacker, Ludwig - Predigt am Tage der Reinigung Mariä.

Hofacker, Ludwig - Predigt am Tage der Reinigung Mariä.

1) Text: 2. Kor. 6,1-10.

Wir ermahnen aber euch, als Mithelfer, daß ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfahet. Denn Er spricht: Ich habe dich in der angenehmen Zeit erhöret, und hab dir am Tage des Heils geholfen. Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils. Lasset uns aber Niemand irgend ein Aergerniß geben, auf daß unser Amt nicht verlästert werde. Sondern in allen Dingen lasset uns beweisen als die Diener Gottes, in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöthen, in Aengsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhren, in Arbeit, in Wachen, in Fasten, in Keuschheit, in Erkenntniß, in Langmuth, in Freundlichkeit, in dem Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Worte der Wahrheit, in der Kraft Gottes, durch Waffen der Gerechtigkeit, zur Rechten und zur Linken; durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte; als die Verführer, und doch wahrhaftig; als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht ertödtet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch Viele reich machen; als die nichts inne haben, und doch Alles haben.

Seit Adam in die Sünde eingieng, hat der Feind der Wahrheit, der Lügner, von Anfang große Macht und Herrschaft in der Welt bekommen, und wer Augen hat zu sehen, der sieht, wie das Unkraut, das der Feind auf den Acker dieser Welt gesäet hat, wuchert und sich ausbreitet. Alles Göttliche, das sich erheben will, alle Pflanzen des himmlischen Vaters sind darum stets im Kampf und Streit begriffen gegen die Macht der Finsterniß und ihre geheimen Kräfte, welche Alles, was aus Gott geboren ist, zu unterdrücken und zu verschlingen drohen. Die apostolische Geschichte erzählt es uns, und unser Text gibt uns ein recht anschauliches Bild davon, wie Kampf und Streit das Loos der Apostel war, wie sie Trübsale und Aengsten, Schläge und Gefängniß, Noth und Tod über sich nehmen mußten, darum, weil sei nicht von dieser Welt waren und zeugten gegen die Welt. Das war der Lohn ihrer Arbeit, das der Sold für ihre Dienste am Evangelium JEsu Christi, welcher ihnen von der Welt zu Theil wurde. Und warum das? Nur darum, weil sie dem Reich der Finsterniß Abbruch thaten, und baueten am großen Bau des Reiches Gottes durch ihre Predigt von JEsu Christo. Dabey bleibt es aber doch immer merkwürdig, daß bey allem äußeren Druck, bey aller äußeren Unscheinbarkeit und Verächtlichkeit vor der Welt, die meistens auf Denen lastet, welche JEsu angehören, und Arbeiter in Seinem Weinberge, und in That und Wahrheit Seine redlichen Nachfolger sind, daß doch bey Allem dem eine göttliche Herrlichkeit, eine göttliche Größe und Majestät aus ihrem Thun und Leiden, aus ihrer Schmach und Verachtung hervorleuchtet, die Zeugniß gibt von dem herrlichen Königreich JEsu Christi, für das sie arbeiten und kämpfen. Es ist wohl der Mühe werth, daß wir bey diesen Gedanken länger stehen bleiben, und ich will deßhalb in dieser Stunde zu reden versuchen:

Von der verborgenen Herrlichkeit des Reiches Gottes.

Himmlischer Vater! wir rufen Dich an im Namen unsers HErrn JEsu Christi, und bitten Dich, Du wollest unsere Schwachheit mit Deiner Kraft unterstützen, da wir im Begriffe sind, heute zu reden von der verborgenen Herrlichkeit Deines Reiches. Ich bitte Dich, Du wollest mir einen Mund geben, zu reden, wie es Dein Wille ist, und diesen Allen Ohren, daß sie hören. Amen!

Wir reden von der verborgenen Herrlichkeit des Reiches Gottes. In der Welt gibt es auch Herrlichkeit; da gibt es Ansehen bey den Menschen, Macht und Gewalt; es gibt Dinge, die glänzen und schimmern, und in die Augen fallen; es gibt Reichthum, Güter und Ehre; es gibt Titel und Würden, Silber und Gold, und Edelgesteine und Perlen, und Seide und Purpur, und allerley Gefäße von Elfenbein und köstlichem Holz; da gibt es kostbare Kleider, in welche die Sünder ihre Sündenglieder verstecken, und sich schmücken, sich herrlich gefallen und geberden; da gibt es Weisheit der Menschen, die Alles erkennt und Alles erforscht, nur die wahre, die göttliche Weisheit nicht, welche für Thorheit und Narrheit geachtet wird; da gibt es Augen der Menschen, die hoch sind, weil sie solches besitzen, und Augen der Menschen, die niedrig sind, weil sie es nicht haben; in der Welt gibt es Herrlichkeit, aber es ist eine Herrlichkeit der Welt, die nur aus der Welt kommt, nur in der Welt gilt, aber auch mit der Welt vergeht, zerstiebt und verbrennt, denn die Welt vergeht mit aller ihrer Lust. „Es ist Alles ganz eitel“ – spricht der Prediger – „es ist Alles gar eitel.“ – „Ich sahe an alles Thun, das unter der Sonne geschiehet, und siehe, es war Alles eitel und Jammer; ich that große Dinge“ – spricht er – „ich bauete Häuser, pflanzte Weinberge, ich machte mir Gärten und Lustgärten, ich machte mir Teiche; ich hatte Knechte und Mägde und Gesinde, ich hatte eine größere Habe an Rindern und Schafen denn Alle, die vor mir zu Jerusalem gewesen waren, ich sammelte mir auch Silber und Gold, ich schaffte mir Sänger und Sängerinnen und Wollust der Menschen, allerley Saitenspiel, und Alles, was meine Augen wünschte, das ließ ich ihnen, und wehrete meinem Herzen keine Freude, daß es fröhlich war von aller meiner Arbeit. Da ich aber ansahe alle meine Werke, die meine Hand gethan hatte, und Mühe, die ich gehabt hatte, siehe, da war es Alles eitel und Jammer, und nichts mehr unter der Sonne“ (Pred. 2,4-11.). Ja eitel und Jammer, siehe, das ist die Herrlichkeit der Welt, eitel und Jammer. So bezeugt es der große und weise König Salomo aus eigener Erfahrung. Sie fällt in die Augen; sie glänzet und scheinet gar lieblich und groß zu seyn: aber sie ist eitel; sie hat keinen Bestand in sich selber; es ist nichts als Flitter ohne wahren Werth, ohne Gehalt, ein Zauber, um die Augen der Menschen auf eine Zeit lang zu blenden und sie zu verführen, damit sie ihren armen Geist damit beschäftigen und darin waiden, auf daß sie nicht zum Lichte und zur Wahrheit hindurchdringen, sondern wenn sie einmal, aber freilich zu spät, zur Besinnung kommen, und ihre Thorheit erkennen, nagender Selbst-Anklage und der Verzweiflung anheim fallen.

Liebe Zuhörer, die Welt hat eine Herrlichkeit; es ist nicht zu läugnen: aber sie ist keine innere, sondern nur eine äußere Herrlichkeit; sie hat kein Fundament, auf dem sie ruht, als den Tod, dem sie verfallen ist. Ja, so ist es, obgleich die Menschen dieser Welt so emsig darnach haschen und greifen, wie Kinder, die es nicht verstehen, nach Allem greifen, was da glänzt, es sey gut oder schlecht, es sey werthvoll oder werthlos, es sey verderblich oder unschädlich; obgleich der natürliche Mensch nach Allem greift, was seinen verblendeten ungöttlichen Augen gefällt, ohne Rücksicht darauf, ob es ihm wahren Nutzen, oder vielleicht ewigen Schaden bringt; der Tod und das Verderben ist der Lohn und Sold seiner Mühe und Arbeit, seines Haschens und Laufens. Das wußte ja schon der Speisemeister bey der Hochzeit zu Kana, was sich noch bis auf den heutigen Tag in der täglichen Erfahrung bestätigt. Die Welt bietet dir zwar zuerst guten Wein; ihre Herrlichkeit scheint dir fein und lieblich: aber der Wein wird immer schlechter und schlechter, immer bitterer, ja gallenbitter, bis er einen Wurm erzeugt, der nicht stirbt, und ein Feuer in dir lodert, das nicht verlöscht.

Ganz anders verhält es sich mit der Herrlichkeit des Reiches Gottes. Hier ist auch eine Herrlichkeit, aber eine wahre, eine beständige, eine bleibende, eine unverwelkliche Herrlichkeit, eine Herrlichkeit nicht dieser Welt, die da vergeht, sondern eine Herrlichkeit des ewigen unveränderlichen Gottes, Der da war, ehe die Berge waren, und ehe die Welt war, und Alles, was jetzt die Lust dieser Welt ist, an was sie sich anhängt und anklammert als an ihre Götzen, und der auch da seyn und bleiben wird, mit allen Denen, die Seinen Willen thun, wenn die Welt mit ihren Götzen schon längst wird verbrannt und nicht mehr seyn. Ja, es gibt eine Herrlichkeit des Gottes, der allein Macht, Majestät und Reichtum und unendliche Fülle besitzet, und vor welchem die Nationen sind wie ein Tropfen, der am Aimer hängt, und wie ein Scherflein, so in der Wage bleibet, ohne den Alles, was sich erhebet und groß seyn will unter den Menschen, nichts ist als elender, hinfälliger Staub. Denn Er allein ist groß, und tief im Staube müssen vor Ihm sich beugen die Kniee der Menschen.

Es gibt eine Herrlichkeit des Reiches Gottes.

Herrlich ist schon der König des Reiches Gottes, JEsus Christus. „HErr, mein Gott, Du bist sehr herrlich“, spricht der Psalmist, und an einer andern Stelle: „Der HErr ist König und herrlich geschmückt.“ JEsus Christus – man darf ja nur Seinen Namen nennen, so weiß das Herz, das Ihn kennet, sogleich, von welchem herrlichen und großen König die Rede ist; ein König, dem kein König gleichet, ein König aller Könige, und ein Herr aller Herren.

Er ist der Vater der Ewigkeit; Seine Herrlichkeit reichet hinauf in die unendliche Ewigkeit, da noch nichts von Allem dem da war, was da ist; sie ziehet sich hindurch durch alle Weltzeiten, die Er aus sich herausgeboren hat; sie reichet hinaus bis über die völlige Umgestaltung der Welt, bis in die neue Stadt, deren Licht und Sonne Er, das Lamm, ist, Er, das A und O, der Anfang und das Ende, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige. Was ist mit Ihm zu vergleichen? Er hat das Leben in Ihm selber; Er ist der Lebendige, der Fürst des Lebens: wo Leben da ist, da ist es nur von Ihm, da strömt und quillt es nur aus der Fülle Seiner Macht, Majestät und Herrlichkeit. Schaue hinein, mein Geist, in die Herrlichkeit des Sohnes Gottes, des Dulders auf Golgatha, des einst geschlachteten Lammes. Nun herrschet Er; nun sind Ihm alle Engel unterthan; nun wissen die Geister der vollendeten Gerechten nichts als Sein Lob und Seinen großen Namen; die tausend Mal Tausend, die vor Seinem Throne stehen, verkündigen Seinen Ruhm wie mit einem gewaltigen Donner: „Lamm, Du bist’s werth, zu nehmen Kraft und Reichthum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob; denn Du bist erwürget, und hast uns Gott erkauft mit Deinem Blut, aus allerley Geschlecht und Zungen und Völkern und Heiden.“

Sein’ göttlich’ Macht und Herrlichkeit
Geht über Himm’l und Erden weit,

von einer Ewigkeit zu der andern. Denn wenn auch Millionen und abermals Millionen Jahre auf der neuen Erde werden hinabgeströmt seyn in das Meer der Ewigkeit, so wird doch noch das Lamm, das erwürget ist, der Gegenstand der Lobgesänge und der ewigen Anbetung bleiben: so werden Ihm zu Ehren doch immer wieder auf’s Neue die Harfen der Harfenschläger zu Seiner Verherrlichung ertönen; ja wo es möglich wäre, werden sie immer lauter, immer herrlicher erschallen, die Stimmen Derer, die gebeugt und mit weggeworfenen Kronen vor Seinem Throne liegen, und Seine Gottesherrlichkeit anbeten und rufen: Lamm, nur Du, nur Du.

JEsus Christus ist herrlich. Wie aber Er, der König, herrlich ist, so ist es auch Sein Reich, so ist es auch Seine Gemeinde. Der Psalmist sagt von ihr: „Sie ist ganz herrlich inwendig, sie ist in güldene Stücke gekleidet (Ps. 45,14.), sie ist gereiniget von ihren Flecken, sie ist prächtig geschmücket, sie ist angethan mit dem Schmucke Seiner blutigen Gerechtigkeit.“ Darum wird sie auch genennet die Braut des Königs, die ER durch Sein eigenes Blut erworben, die Braut, für welche Er das Leben ließ; sie wird genennet Sein Leib, dessen Heiland Er ist, der Leib, den Er sich aus Sündern erbaut, und dessen endliche und ewige Vollendung Ihm vorbehalten ist.

Wenn Jehovah man genennet,
Wird nichts Höher’s mehr erkennet,
Als die Herrlichkeit der Braut;
Sie wird mit dem höchsten Wesen,
Das sie sich zur Lust erlesen,
Gar zu einem Geist vertraut.

Wenn die Seraphim sich decken
Und vor Seiner Macht erschrecken,
Wird Er doch von Seiner Braut
In der wundervollen Krone,
Auf dem hocherhab’nen Throne,
Ohne Decke angeschaut.

Es waltet eine große Herrlichkeit in der wahren, in der lebendigen Gemeinde JEsu Christi, nicht in der todten Christenheit, nicht unter Denen, die Ihn zwar kennen, aber täglich verläugnen durch Thaten, Worte und Gedanken, sondern in der wahren Gemeinde, in der unsichtbaren Kirche, die nur aus solchen Seelen besteht, welche JEsum Christum an ihrem Herzen erfahren; und als ihren Heiland und Versöhner kennen gelernt haben. In dieser auserwählten Gemeinde wohnt die Herrlichkeit des unsichtbaren Gottes. Höret den Apostel, was er von der Herrlichkeit der Christen rühmt in unserem heutigen Texte; Mithelfer und Diener Gottes nennt er sie. Sollte das ein solch’ armes, sündiges Geschöpf, wie der Mensch ist, nicht in den Staub beugen, daß er ein Mithelfer, ein Diener des großen, majestätischen, des herrlichen und heiligen Gottes seyn darf? Und was sagt Paulus weiter von ihnen? „als die nichts inne haben, und doch Alles haben“ – und warum Alles haben, weil sie Christum haben, den HErrn des Weltalls. Ein armer Mensch soll Alles, soll den Schöpfer der Natur, soll seinen Schöpfer haben. O wer das glaubt, wer Ihn besitzt, wie klein wird ihm die Welt werden mit allen ihren Lüsten, Freuden und Gütern, wie weit überwindet da der Glaube die alte Nichtigkeit.

Herrlich ist das Reich Gottes, denn der König JEsus Christus ist herrlich, und herrlich ist Seine Gemeine, und sie gehet auch lauter Herrlichkeiten entgegen; denn JEsus bleibt der Nämliche, heute wie gestern, und ebenso morgen und sofort in Ewigkeit, und so muß es, so lange Er der HErr bleibt, alle Tage herrlicher werden. Aber wer glaubt unserer Predigt, und wem ist der Arm des HErrn offenbar? Warum sind denn wohl auch so Viele unter uns, die diese Herrlichkeit nicht rührt, nicht bewegt, nicht antreibt, zu suchen, was droben ist, und zu eilen, ein Glied der wahrhaftigen und lebendigen Gemeinde zu werden? Woher kommt diese Verstocktheit, diese Blindheit, diese Ungeistlichkeit? Woher kommt sie? Antwort: Sie kommt theils von dem angebornen natürlichen Verderben des menschlichen Herzens her, das nicht versteht, was Gottes ist, und in seinem auf’s Sichtbare gerichteten Sinn das Unsichtbare und Seine Herrlichkeit gar nicht schätzen und würdigen kann, theils aber kommt sie auch her von dem verborgenen, stillen, und unter der Gestalt und Larve des Kreuzes versteckten Charakter der Herrlichkeit des Reiches Gottes. Denn Seine Herrlichkeit ist verborgen; es ist ein Kreuz-Reich, das in der Niedrigkeit erhaben, im Kleinen und Geringen herrlich und groß, in Schwachheit und Armuth stark und reich ist. Darum gefällt es den Augen Derer nicht, die am Aeußern hängen und kleben, die wohl verstehen, was des Fleisches, aber nicht, was des Geistes ist.

Verborgen war schon die Herrlichkeit des Königs JEsu Christi, und ist noch verborgen. Schaue an, o Seele, deinen König. Ach, wenn du Ihn mit fleischlichen Augen ansiehest, so wird Er dir nicht gefallen; denn ER hat keine Gestalt noch Schöne; es ist nichts, das einem an das Glänzende gewöhneten Auge gefallen könnte. Siehe, wie niedrig, wie gering, in welcher Knechts-Gestalt dein König auf Erden wandelte; Er hat nichts Prächtiges, nichts Glänzendes an Sich, nichts, das die Augen der Menschen auf Ihn ziehen konnte; Er gehet umher als ein gewöhnlicher Mensch; Er gehet umher als ein gewöhnlicher Lehrer; ein unerleuchtetes Auge siehet nichts Besonders an Ihm: nur wem es der Vater im Himmel offenbaret, nur der erkennt den Sohn Gottes in Ihm, voll herrlicher Gnade und Wahrheit. Und wo ist denn Sein Triumpf, wo ist Sein Sieg, wo ist das Gepränge, das die Könige dieser Welt zu umgeben pflegt? Es ist nirgends zu finden. Seine große Herrlichkeit ist Sein Leiden, Seine Todes- und Kreuzes-Gestalt. Gehe nach Gethsemane und siehe da den König der Ehren, wie Er zittert und zagt, und im Staube sich krümmt, und mit dem Tode ringt, also daß Sein Schweiß war wie Blutstropfen, der fiel auf die Erde. Gehe hin nach Gabbatha, und sieh’ Ihn unter den Händen Seiner Peiniger. Siehe, wie Ihm das Blut von Seinem gegeißelten Rücken herabströmt, wie Sein Schmuck eine Dornenkrone, Sein königlicher Anzug ein altes, aufgefundenes Purpurkleid ist. Ja wohl, Seine Herrlichkeit ist verborgen. Gehe hin auf Golgatha und siehe, da hängt dein König am Stamm des Kreuzes; Er ist der Allerverachtetste und Unwertheste; die Welt stößt Ihn aus als einen Auswurf der Menschheit, Ihn, dessen die Welt nicht werth war. O die Herrlichkeit des Königs JEsu Christi war verborgen und verhüllt; äußerlich nichts als Schande, nichts als Elend und Jammer, nichts als Mißhandlung und Verhöhnung, nichts als Spott und Schmach. Und doch von innen, welche Herrlichkeit, welche Sanftmuth, welche Liebe, welche Geduld, welch’ ein Herz, ja ein für das Heil der Sünder durchstoßenes Herz, ein Hirten-Herz, das Alles daran setzet, um Seine Schafe zu retten. O es ist kein Wunder, wenn ein armer Sünder im Geiste sich unter Sein Kreuz, zu Seinen Füßen niedersetzt und spricht: Hier will ich bleiben, mein Hirte, verachte und verstoße mich nicht, den Saum Deines Kleides will ich küssen, an Deinen Augen soll mein Blick hängen mein Leben lang.

Aber gerade das, was Christum entehrt vor den Augen der blinden Menschen, ist Sein Schmuck; der Schmuck des Auferstandenen und Erhöhten sind noch jetzt Seine Wunden, und sie werden es auch bleiben; und darauf freuet sich jedes Christen-Herz, Ihn einst in diesem Schmuck zu sehen von Angesicht zu Angesicht; das ist eines Christen Hoffnung, das der Magnet seiner Sehnsucht, das seine Freude; im Blicke darauf ist der Glaube der Sieg, der die Welt überwindet.

Christus hat Seine Herrlichkeit verborgen unter der Gestalt des Kreuzes, so lange Er auf Erden lebte, und darum ist auch die Herrlichkeit Seiner Gemeine verborgen; sie trägt die Schmach des Namens JEsu. Denn es ist noch nicht erschienen, was wir seyn werden, das Reich Gottes ist noch ein Kreuz-Reich. Darum achtet auch die Welt nicht darauf, was in einer begnadigten Seele ist; sie kennt eine solche nicht, denn sie kennet Ihn nicht. Höret den Apostel in unserem Texte, wie es den Gliedern Christi ergeht. „Sie müssen gehen durch Ehre und durch Schande;“ Beydes aber verdienen sie nicht, denn die Ehre gehöret allein dem HErrn, die Schande aber ist das Loos Derer, deren Sünde einst offenbar werden wird am Tage des Gerichts. „Sie müssen gehen durch böse Gerüchte und gute Gerüchte“, wie der Heiland selber durch böse und gute Gerüchte gegangen ist: „sie erscheinen als Verführer und doch wahrhaftig“, als die Verführer vor der Welt, die selbst verführt ist von des Teufels Trug, wahrhaftig aber vor Gott, Der Herzen und Nieren erforscht; „als die Unbekannten und doch bekannt“, unbekannt bey der Welt nach ihrem wahren innern Werth, nach dem Werth, den ihnen Gott gibt, den sie in dem Sohne haben vor Gottes Augen, unbekannt nach ihrer Gemeinschaft mit JEsu, nach ihrem Wandel in der neuen Kreatur, nach ihrem Gebet und Flehen, nach ihrer Liebe und Hoffnung, nach ihrem Glauben und ihrem ganzen JEsus-Sinn; „aber doch bekannt vor dem HErrn, denn der HErr kennet die Seinen“, und ihre Namen sind geschrieben im Buche des Lebens; „als die Sterbenden, und siehe, wir leben“, denn sie tragen ja um – das Sterben des HErrn JEsu an ihrem Leibe, auf daß auch das Leben JEsu an ihrem Leibe offenbar werde; „als die Gezüchtigten und doch nicht ertödtet“, sie fühlen zwar die Zuchtruthe des Vaters, denn welche der HErr lieb hat, die züchtiget Er, aber Er übergibt sie dem Tode nicht, sondern sie leben mit Christo in Gott ein verborgenes Leben; „als die Traurigen, aber allezeit fröhlich“, traurig vor der Welt, die Alles, was nicht auf der breiten Straße wandelt, für melancholisch und trübsinnig hält, aber allezeit fröhlich im Geiste, im Genusse des Heils und des Friedens, der von Christo stammt; „als die Armen, aber die doch Viele reich machen“, arm an Besitzthum von glänzenden Gütern, aber reich und gesegnet mit allerley geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum; „als die Nichts inne haben, und doch Alles haben.“ So ist die Herrlichkeit, die sie besitzen, zwar noch versteckt unter der Schwachheit des Fleisches, versteckt unter dem Kreuze, das sie Christo nachtragen, versteckt unter der Schmach des Namens JEsu: aber dennoch leuchtet Etwas von der verborgenen Herrlichkeit des Reiches Gottes aus ihnen hervor, die erst dann in ihrem vollen Glanze hervorbrechen wird, wenn Christus, mit dem ihr Leben verborgen ist in Gott, Sich offenbaret.

Sie scheinen von Außen die schlechtesten Leute,
Ein Schauspiel der Engel und Ekel der Welt,
Und innerlich sind sie die lieblichsten Bräute,
Die Zierrath, die Krone, die JEsu gefällt,
Das Wunder der Zeiten,
Die hier sich bereiten,
Den König, der unter den Lilien waidet,
Zu küssen in güldenen Stücken gekleidet.

Wird aber wohl diese Herrlichkeit immerdar so verborgen bleiben? wird die Kirche Christi immer ein Kreuz-Reich seyn? Ach nein, bald sind vorüber die dunkeln Kampfes-Stunden, die dunkeln Prüfungs-Tage, bald, bald wird erfüllt das Seufzen der Kirche, die schon so lange ruft: „Komm, HErr JEsu!“ O wenn Er kommen wird, wenn die Stadt Gottes erscheinen wird, wenn die Herrlichkeit offenbar werden wird, wenn das Seufzen der Kreatur wird gestillt seyn, wenn Der erscheinen wird, der da spricht: „ich mache Alles neu“, was wird da für ein Tag anbrechen, was für ein Tag der Herrlichkeit und ewiger Seligkeit. O was wird das für eine Wonne seyn, wenn die Gemeine des HErrn als eine geschmückte Braut zu den Thoren des neuen Jerusalems eingehen darf, in welche kein Unreiner hinkommt, sondern nur Diejenigen, die gewaschen und gereiniget sind im Blute des Lammes.

Ja, ich grüße dich, du gold’ne Stadt,
Die lauter Thor’ von Perlen hat;
Führ’ deine Mauern hoch hervor,
Sie heben deine Pracht empor.
Im Blut’ des Lammes erwerb’ ich Alles mit;
Das ist der Sieg, darum ich sehnlich bitt’.

Nun was dünket euch, liebe Zuhörer! wer hat den Muth, sich einschreiben zu lassen unter die Zahl der Lebendigen, unter die Glieder der Braut des Lammes, und sich einreihen zu lassen in den Orden der Kämpfer und Streiter JEsu Christi? Wer unter uns hat den Muth, die Seligkeit zu suchen, die zwar hier in dieser Zeit verdeckt und verborgen ist, ja sogar für Narrheit ausgerufen wird in dieser Welt, die aber bey Gott köstlich geachtet ist, und sich am Tage der Offenbarung im Glanze der Ewigkeit hervorstellen wird? Euch aber, die ihr Ihn schon kennt, die ihr wißt, an wen ihr glaubt, euch rufe ich zu: bleibet bey Ihm, lasset euch durch nichts scheiden von Ihm, weder durch Ehre noch Schande, weder durch gute Gerüchte noch böse Gerüchte, weder durch Freuden noch Leiden. Ja, beweiset euch als die Diener Gottes in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöthen, in Aengsten, in Demuth und Keuschheit und Sanftmuth, in Freundlichkeit und ungefärbter Liebe, auf daß eure Lampen brennen unter einem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, und ihr durch Kampf und Sieg zum Leben dringet.

Es ist noch eine Ruh’ vorhanden,
Auf, müdes Herz, und werde Licht.
Du seufzest hier in deinen Banden,
Und deine Sonne scheinet nicht.
Sieh’ auf das Lamm, das dich mit Freuden
Dort wird vor Seinem Stuhle waiden,
Wirf hin die Last und eil’ herzu,
Bald ist der schöne Kampf geendet,
Bald, bald der saure Lauf vollendet,
So gehst du ein zu deiner Ruh’.

Wer aber Christum noch nicht kennt, dem kann ich nichts weiter sagen, als was in unserem Texte steht: „Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils.“ O schämen müssen wir uns vor den Vätern des Alten Bundes; sie hatten nur die Morgenröthe dieses Tages; sie hatten die Verheißung noch nicht empfangen: aber sie haben geduldig geharrt auf das, was ihres Herzens Wunsch und Sehnen war, und sind fest geblieben im Glauben. Nun aber ist die Sonne schon über 1800 Jahre über unsern Häuptern aufgegangen; JEsus Christus, die angenehme Zeit ist da; das große Versöhnungs-Jahr wird ausgerufen; das Blut der Versöhnung ist vergossen, und will sich beweisen an den Herzen der Sünder, um sie zu bekehren von der Finsterniß zu einem wunderbaren Lichte; und doch gibt es noch so viele Schlafende und Träumende unter uns. Wohlauf denn, ihr Schläfer und ihr Träumer, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils! Wachet auf und schüttelt von euch die Werke der Finsterniß, stehet auf von den Todten, so wird euch Christus erleuchten! Sehet zu, daß ihr eure Gnadenzeit, euer ewiges Heil nicht verträumet, der nächste Augenblick ist nicht mehr unser; wer weiß, wann der Leuchter des göttlichen Lichtes bey uns umgestürzt wird?

Dich aber, großer Heiland, rufen wir an, und bitten Dich, Du wollest nach Deiner großen Barmherzigkeit, welche Du uns in den Tagen Deines Fleisches oft geoffenbaret und kund gethan hast, fernerhin unsere Seelen suchen, damit wir unsere so kostbare Gnadenzeit nicht versäumen, und einzukommen zu der Ruhe Deines Volkes nicht vergessen. Ja, führe alle die hier Versammelten zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes; erlöse uns von allen unsern Banden, damit wir, wann Du offenbar werden wirst, nicht zu Schanden werden vor Dir in Deiner Zukunft. Amen!

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40. Tag nach Weihnachten, 2. Februar - Darstellung Mariä
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