Hofacker, Ludwig - Predigt am Feiertage des Apostels Bartholomäus.
Nachdem wir bisher mit einander den Brief betrachtet haben, den der HErr der Gemeinde zu Ephesus durch die Hand Seines Knechtes Johannis ergehen ließ, so wollen wir nun auch den Brief zum Gegenstand unserer gemeinschaftlichen Andacht machen, der an den Bischof zu Smyrna gerichtet ist. Er stehet aufgezeichnet in der Offenbarung Johannes, und deren 2. Kap. vom 8. – 11. Vers. Die Worte desselben, die wir unserer heutigen Betrachtung zu Grunde legen wollen, sind enthalten im 8. Vers, und lauten also:
„Dem Engel der Gemeinde zu Smyrnen schreibe: das saget der Erste und der Letzte, der todt war und ist lebendig geworden.“
Smyrna war schon ehemals eine große Handelsstadt in Kleinasien, und ist jetzt eine der größten Städte des türkischen Reichs. In dieser großen Stadt aber hatte Sich der Heiland nur ein kleines Häuflein gläubiger Seelen erwählt, welche an Ihm und Seinem Evangelium hiengen: die Andern waren theils Juden, theils Heiden. Der Bischof jenes Häufleins scheint vom HErrn zum Märtyrer ausersehen gewesen zu seyn; denn die ganze Anlage des Briefs und namentlich die Worte: „sey getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“, scheinen darauf hinzudeuten, daß dem Bischof ein gewaltsames Ende um des Namens JEsu willen bevorstand. Auch erzählt uns die Geschichte von einem Bischof in Smyrna, Polykarpus, der ein Schüler des Apostels Johannes gewesen sey, und sein Bekenntniß von Christo mit dem Märtyrertode besiegelt habe. Dieser wurde nämlich bey einer Christenverfolgung in seinem sechs und achtzigsten Jahre aufgegriffen, vor den römischen Statthalter geführt, und als er auf die Frage: „ob er den Namen des HErrn JEsu verläugnen wolle“, bey’m Bekenntniß seines HErrn standhaft verharrte, zum Scheiterhaufen verurtheilt. Seine Seele hauchte er in den Flammen aus. Dieß war ohne Zweifel der Mann, dem unser Brief gilt; es sollte ein Trostbrief, ein himmlischer Zuspruch seines Königs seyn zur Ausdauer und zur Treue bis an’s Ende.
„Das saget der Erste und der Letzte – der da todt war und ist lebendig geworden.“ – Wie köstlich, wie passend für die Umstände ist hier sogleich der Titel, den Sich der Heiland gibt! Er nennet Sich den Ersten und den Letzten. Liebe Zuhörer! der Bischof zu Smyrna sollte sein Erbtheil unter den Märtyrern empfahen, d.h. der großen Ehre gewürdiget werden, mit seinem Blute das Zeugniß von JEsu zu versiegeln, und um des Namens JEsu willen sein zeitliches Leben dahin zu geben; er sollte in dieser Hinsicht seinem großen meister und Vorgänger selbst ähnlich werden, der sich auch von der bösen Rotte dahinführen ließ, so wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scheerer. Seinem HErrn und Erlöser sollte er gleich werden auch im Sterben, wie er es im Leben war, damit er auch in der Auferstehung Ihm ähnlich seyn möchte an Herrlichkeit. Er sollte in die Fußstapfen der Apostel, in die Fußstapfen des ersten Blutzeugen, Stephanus, und so vieler anderer Zeugen treten, die ihr Leben nicht lieb gehabt haben bis in den Tod, die überwunden haben durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses. Dieß war eine große Ehre für den Bischof. Oder gibt es eine größere Ehre für einen Menschen, für einen armen Sünder, als wenn er Dem, von dem und zu dem Alles ist, Dem, der uns erkauft hat nicht mit Silber oder Gold, sondern mit Seinem heiligen, theuren Blute, wenn er für den HErrn, den zwar die thörichte, die vom Teufel verblendete Welt nicht kennt, den sie verachtet, den sie schmähet, den sie lästert, den sie verfolgt, den sie gekreuzigt hat und noch kreuzigt, der aber doch der HErr der Herrlichkeit, der HErr des Himmels und der Erde, der wahrhaftige Gott und das ewige Leben ist, hochgelobet in Ewigkeit, Der allein werth ist, daß Ihn jeder Blutstropf’ ehre, daß jeder Pulsschlag Sein begehre, und das Herz stets nach Ihm glüh’, - gibt es eine größere Ehre, als wenn ein armer Mensch dem Lamme, das geschlachtet ist, seinem Gott und Heilande das Beste, das Edelste, was er von Ihm empfangen hat, sein irdisches Leben, als Gabe und Opfer dahingeben darf? Es haben schon Manche ihr Leben an eine geringfügige, an eine ungerechte, ja an eine verwerfliche Sache gesetzt; man hat es ihnen nachgerühmt und nachgepriesen: „sie seyen auf dem Bette der Ehren gestorben.“ Ihre Ehre ist aber eine Ehre bey Menschen und nicht die Ehre bey Gott. Mit dem Zeugentode für Christi Namen ist es eine andere Sache. Ihn haben mit Recht von jeher alle Menschen Gottes für die größte Ehre gehalten; ja eine jede Schmach, eine jede Beschimpfung, die sie um des Heilandes willen erlitten haben, haben sie für Freude, und wenn der alte Mensch darunter seufzte und schmachtete, dennoch für ein seliges Dürfen, nicht für ein leidiges Müssen geachtet. Als die Apostel vor den hohen Rath geführet, dort geschmähet und gestäupet wurden, da giengen sie fröhlich vor des Rathes Angesicht, daß sie würdig gewesen waren, um des Namens des HErrn JEsu willen Schmach zu leiden. Und so rühmt sich auch der Apostel Paulus dessen, daß er Schläge erlitten, daß er öfters gefangen, oft in Todesnöthen gewesen sey, daß er fünf Mal empfangen habe vierzig Streiche weniger einen, drey Mal gestäupet und ein Mal gesteiniget worden sey. Und als Luther auf dem Reichstage zu Worms vor Kaiser und Reich erscheinen sollte, da befahl er in brünstigem Flehen seine Seele zuvor Gott, mit den Worten: „Komm, komm, ich bin bereit, auch mein Leben zu lassen, geduldig wie ein Lämmlein. Denn gerecht ist die Sache und Dein, so will ich mich von Dir nicht absondern ewiglich!“ Ja, er bedauerte es, daß er von Gott nicht auch des Märtyrertodes gewürdiget worden sey; „hätte ich tausend Hälse, sie müßten alle daran“, sagte er. Der Heiland hat aber auch eine besondere Verheißung darauf gesetzt. „Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren, und wer sein Leben verlieret um meinetwillen, der wird’s finden.“ Ja, in der Offenbarung ist das Erbtheil der Märtyrer also beschrieben: „die Seelen der Enthaupteten um des Zeugnisses JEsu und um des Wortes Gottes willen lebten und regierten mit Christo tausend Jahre. Selig ist der und heilig, der Theil hat an der ersten Auferstehung“ (Offenb. Joh. 20,4.6.).
Aber so groß die Ehre war, so groß war auch der Kampf, den ein solcher Märtyrer zu bestehen hatte. nicht sage ich das bloß von dem äußerst schmerzhaften und qualvollen Tode, dem sie unterworfen wurden, sondern was dem Tode vorhergieng, war oft noch viel fürchterlicher. Man rechnet im Allgemeinen zehn Verfolgungen in der ersten christlichen Zeit; und wenn wir alle die Seelen zählen wollten, die nicht nur in der ersten Zeit, sondern durch alle Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung hindurch um des Namens JEsu willen theils von Heiden und Juden, theils von den Christen selber, namentlich von der katholischen Kirche, verfolgt, geängstet, geplagt, getödtet wurden, so wäre es eine große Schaar, die Niemand zählen kann. Wie ergieng es aber bey den Verfolgungen der ersten Zeit den Märtyrern, unter welche Polykarpus gehörte? Die höchste Gewalt lag damals in den Händen der römischen Kaiser. So konnte nun von diesen ein Gebot ausgehen in die ganze damalige römische Welt: man solle die Sekte der Christen mit Feuer und Schwert ausrotten, man solle ihnen in des Kaisers Namen befehlen, daß sie ihren Aberglauben (so nannte man das Evangelium) abschwören; im Verweigerungsfalle aber sollen sie ihren frechen Starrsinn (so hieß man ihre Anhänglichkeit an’s Evangelium) mit dem Tode büßen. Fragte man: Warum dieß Alles? so bekam man zur Antwort: man könne ihnen weiter nichts anhaben, als daß sie Christen seyen; - das Christenthum aber sey eine Pest der menschlichen Gesellschaft; wenn diese Leute noch weiter um sich greifen, so gehe Alles, das Wohl des Staats und alle Religion zu Schanden. Dem Befehle des Kaisers gemäß forschten nun die Statthalter nach, wer ein Christ sey, und wurden in ihren Nachforschungen unterstützt durch Viele, die sich eine Freude daraus machten, die Angeber zu seyn. Es mußte ja das Wort des Heilandes erfüllt werden: „Wundert euch nicht, wenn euch die Welt hasset, sondern wisset, daß sie mich vor euch gehasset hat. Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb; dieweil ihr aber nicht von der Welt seyd, sondern ich habe euch von der Welt erwählet, darum hasset euch die Welt.“ Die als Christen Verdächtigen nun wurden gefänglich eingezogen, oft in finstere, kalte, feuchte Löcher geworfen, und durch Folter und Schläge und andere Zwangsmittel wollte man ein Geständniß ihrer Verbrechen aus ihnen erpressen. Weil nämlich die ersten Christen häufig nur in der Stille der Nacht und an verborgenen, entlegenen Orten sich versammeln konnten zur Erbauung aus Gottes Wort, so wurde durch Satans List der Verdacht erregt, ihre Versammlungen haben nur den Zweck, ungestört die größten Verbrechen zu begehen. Namentlich wurde ihnen das Hauptverbrechen Schuld gegeben, daß sie Menschenfleisch essen und Menschenblut trinken; so legte man ihnen nämlich den Genuß des heil. Abendmahls aus, durch das sie sich in ihren Trübsalen und Aengsten häufig stärkten und erquickten. Bleiben sie in ihrem Bekenntnisse standhaft, ließen sie Schläge und Folter über sich ergehen, ohne sich verrücken zu lassen von dem Grunde ihres Glaubens, so wurden sie noch einmal vor den Statthalter geführt, und Alles versucht, um sie zum Abfall zu bringen. In die eine Wagschale legte man Freiheit, Leben, Ehre, Reichthum und guten Namen; in die andere aber nichts als Verachtung, Armuth, Schande, Marter, Tod. Man verlangte weiter nichts von ihnen, als daß sie eine Hand voll Rauchwerk in die Opferpfanne streuen sollten, die vor einem Götzenbilde oder der Bildsäule des Kaisers aufgestellt war. Diese Wahl wurde ihnen vorgelegt; wahrlich ein harter Stand“ Auf der einen Seite das, was den Menschen am meisten an’s Leben fesselt: Vater, Mutter, Weib, Kind, Gut, Haus und Hof; auf der andern schmachvoller, schrecklicher Tod. O da haben Manche, bald durch gute Worte, bald durch die Schrecken des Todes wankend gemacht, Christum verläugnet und dem Kaiser geopfert; Viele haben aber auch treu im Glauben verharrt und Alles daran gewagt, den Heiland zu bekennen vor den Menschen, und gedacht wie Luther dachte:
Nehmen sie uns den Leib,
Gut, Ehr’, Kind und Weib,
Laß fahren dahin – sie haben’s keinen Gewinn,
Das Reich muß uns doch bleiben.
Weil es aber einen solchen Kampf kostete, weil der, der überwinden wollte, seinen Blick ganz himmelwärts gerichtet haben mußte, weil es eine himmlische Ehre, aber die größte irdische Schande war, Märtyrer zu werden: deßwegen bereitete der Heiland Seinen Knecht so treulich auf das, was ihm bevorstand, vor, und suchte seinen Muth zu beleben, und seinen Blick auf die Krone der Ueberwinder zu lenken, damit er am bösen Tage Widerstand thue und den Sieg behalten möchte. Darauf zielen denn auch die ersten Worte des Briefes hin.
„Ich bin der Erste und der Letzte.“ Liebe Zuhörer! wenn man in Menschenhände fällt, so muß es ein besonders wohlthuendes Gefühl seyn, zu wissen: mein Heiland, dem ich diene, ist doch noch größer als die Menschen, und noch mächtiger als sie. Was sind Menschen gegen Ihn? siehe, alle Heiden sind vor Ihm geachtet wie ein Tropfen, der am Eimer bleibet, und wie ein Stäublein in der Wage. Ein ähnliches wohlthuendes Gefühl muß der Verfasser des 91. Psalmen empfunden haben, wenn er singt: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzet und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibet, der spricht zu dem HErrn: meine Zuversicht und meine Burg, mein Erretter, mein Gott, auf den ich hoffe. Denn ER errettet mich vom Strick des Jägers und von der schädlichen Pestilenz. Ob Tausend fallen zu deiner Seite und Zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen. Denn der HErr ist deine Zuversicht, der Höchste ist deine Zuflucht.“ Jene römischen Statthalter, vor welche die Jünger Christi gestellet wurden als zur Schlachtbank auserlesene Schafe, waren Heiden, die den wahren Gott nicht kannten, sie wußten nicht, daß es einen Gott gibt, der Bogen zerbricht, Pfeile zerschlägt und Wagen mit Feuer verbrennt, daß alles Fleisch vor Ihm nichts ist; sie wußten von nichts als von ihrer weltlichen macht, darauf trotzten sie; auf das Recht des Stärkeren, auf die Kriegsleute, die sie zu ihren Diensten hatten, verließen sie sich, es waren stolze Römer wie auch Pilatus, der den Heiland in gebieterischem Tone fragte: „weißest Du nicht, daß ich Macht habe, Dich loszulassen, und Macht habe, Dich zu kreuzigen?“ Das war die Sprache der stolzen Römer, die sich brüsteten in ihrer Kraft, und meinten, Wunder was sie seyen, und trotzig und zornig den armen Schafen Christi gegenüber traten, welche zur Schlachtbank geführt wurden. Sie stellten sich dar, wie wenn sie allein zu befehlen hätten, wie wenn ihr Kaiser der Allmächtige und Allgebietende, und sie selbst der Abglanz seiner Macht und Herrschaft wären, vor deren Befehl alles Menschliche in den Staub sich schmiegen müsse. Darum läßt der Heiland dem Bischof sagen: „Ich bin der Erste!“ Das lasse dir in dem, was du zu dulden haben wirst, bey’m Trotz und Grimm und Stolz der Menschen wohl in’s Herz gedrückt seyn, bey allem Dräuen der Menschen sey getrost, denn Ich bin der Erste, Ich habe allein zu befehlen, und die Menschen alle sind in meiner Hand; so grimmig sie seyn mögen, laß dich durch ihr Schnauben und ihren Trotz auf keine Weise zum Abfall bewegen; denn so grimmig sie aussehen, so sind sie doch nichts gegen Mir; so hoch sie herfahren, so bin Ich’s doch allein, dem die Ehre gebühret; und es wird sich einst zeigen, daß Ich der Erste bin, denn es kommt die Zeit, wo sich Mir alle Kniee beugen und alle Zungen bekennen werden, daß Ich der HErr bin. Diese Wahrheit muß auch der Bischof Polykarpus – an welchen wahrscheinlich dieses Sendschreiben gerichtet ist – tief zu Herzen gefaßt haben. Als der Statthalter furchtbar gegen ihn wüthete: „du mußt Christo entsagen!“ – da sprach er: „schon 86 Jahre diene ich meinem HErrn, und Er hat mir noch immer Gutes gethan, wie sollte ich meinem Könige fluchen? wie sollte ich meinen König verläugnen?“ Der Statthalter sprach: „ich lasse Thiere kommen, und dich zerreißen!“ – „Laß sie nur kommen, ich fürchte mich nicht“, war seine gläubige Antwort. Er wußte ja wohl, daß sein Heiland der HErr aller Herren, der König aller Könige, der Kaiser aller Kaiser ist, und deßwegen dachte er auch:
Ohne Furcht und Grauen
Soll ein Christ, wo er ist,
Stets sich lassen schauen.
Liebe Zuhörer! wenn Menschen, arme verblendete Menschen, sich gegen das Evangelium etwas herausnehmen, gegen dasselbe wüthen und sich geberden, wie wenn sie die Gemeinde JEsu Christi, die kleine Heerde vernichten wollten, wenn sie auf ihren menschlichen Witz und auf ihre irdische Kraft vertrauend ihre ganze Wolfsnatur herauslassen und hochherfahren, so sollen wir auf keine Weise vor solchen armen Menschen erschrecken, die etwas aus sich machen, sondern sogleich zu Herzen fassen: der Heiland ist doch der Erste. Er ist gewesen, ehe diese armen Feinde waren, und gegen Ihn sind sie nichts. Es ist ja schon in den Psalmen geweissagt: „Es toben die Heiden, und die Leute reden vergeblich. Die Könige im Lande lehnen sich auf und die Herren rathschlagen mit einander wider den HErrn und Seinen Gesalbten.“ Und was ist der Inhalt ihrer Berathschlagung? „Lasset uns zerreißen ihre Bande, und von uns werfen ihre Seile. Aber der im Himmel wohnet, lachet ihrer, und der HErr spottet ihrer.“ O wie oft ist schon in Erfüllung gegangen, was geschrieben stehet: „der Gottlose drohet dem Gerechten, und beißet seine Zähne zusammen über ihn; aber der HErr lachet seiner, denn er siehet, daß sein Tag kommt.“
„Ich bin der Erste und der Letzte“ – o dieses Wort ist besonders wichtig zur Ausrüstung auf die letzte Zeit. Die Schrift weissagt ja deutlich, daß in der letzten Zeit eine große Noth auf die Kirche Christi hereinbrechen, und die wahren Gläubigen in schwere Verfolgungen hineingerathen werden. Denn es wird der Abfall kommen, und der Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens, wird offenbar werden, der da ist ein Widerwärtiger, und sich erhebt über Alles, das Gott oder Gottesdienst heißt, also daß er sich setzt in den Tempel Gottes als ein Gott, und gibt vor, er sey Gott; und er wird herrschen und regieren, und die Menschen zum Unglauben und zum Abfall verführen und zwingen. Da gilt es denn, daran zu denken, daß der Heiland der Erste ist, und sich des Posaunenrufs zu erinnern: „Fürchtet Gott, gebet Ihm die Ehre, denn die Zeit seiner Gerichte ist gekommen.“ Ja, wer da die Menschen mehr fürchten wird als Gott, wer sich vom HErrn nicht einen Heldenmuth wird schenken lassen, nicht einen festen Blick auf das Unsichtbare und auf das ewige Königreich Gottes, wem es nicht recht klar und lebendig im Herzen stehen wird, daß Er der Erste ist, der wird die Versuchung nicht aushalten, sondern abfallen, und ewige Schande und ewige Pein einernten. Dazu wolle Er uns selbst ausrüsten, denn
Mit uns’rer Macht ist nichts gethan,
Wir sind gar bald verloren:
Es streit’t für uns der rechte Mann,
Den Gott selbst hat erkoren;
Fragst du, wer Der ist?
Er heißt JEsus Christ,
Der Herr Zebaoth,
Und ist kein and’rer Gott,
Das Feld muß Er behalten.
„Ich bin der Erste“ – sagte der Heiland. Das ist im Ganzen dasselbe, was der Apostel Johannes sagt im Anfang seines Evangeliums: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bey Gott, und Gott war das Wort. Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht und ohne dasselbige ist Nichts gemacht, was gemacht ist.“ Ehe noch irgend etwas war, ehe noch die Welt geschaffen war, vor Allem bin Ich, Ich, der Ich allein mit völligem Recht Ich heiße, denn Ich bin, der Ich bin, JEsus Jehovah.
O liebe Zuhörer! was haben wir für einen HErrn. Er ist der Erste. Denket zurück an die Zeit der Schöpfung, es sind nun fast 6000 Jahre, da war Er schon; denket noch weiter zurück an die Millionen mal Millionen Ewigkeiten, sehet auf die hundert mal hundert und tausend mal tausend Jahre zurück über die Schöpfung hinaus, siehe, Er ist auch da schon gewesen, rechte Jahre zu Jahren, Jahrhunderte zu Jahrhunderten, Jahrtausende zu Jahrtausenden, siehe, Er ist auch da derselbe, JEsus Jehovah, der da ist und der da war, und der da kommt, der Allmächtige. Einen solchen Heiland hast du, liebe Seele! und siehe, vor Ihm werden sich einst alle Kniee beugen müssen, auch alle diejenigen, die Ihn in dieser Welt nicht geachtet haben, denen Er ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Aergernisses war, denn Er wird erscheinen auch als ihr HErr und Richter. Und dieser große, majestätische HErr ist der nämliche, der für mich und für euch am Stamm des Kreuzes geblutet hat, das ist Derselbe, vor dem sei ihre Köpfe geschüttelt, den sie mit Hohnlachen begrüßt haben, das ist Derselbe, der bis zur tiefsten Erniedrigung, in Schmach und Todesleiden dem Vater gehorsam war, gehorsam bis zur Todesqual, ja bis zum Tod am Kreuzespfahl, das ist Derselbe, der nun der Anbetungswürdigste ist, dem Ehre und Ruhm gesungen wird von allen Engeln, von allen Cherubinen und Seraphinen. O was haben wir für einen König, so reich und doch so arm, so groß und doch so klein, so heilig und doch so Zutrauen erweckend! Ja, wer Ihn hat, der ist wohl geborgen: wer den Ersten zum Freunde hat, der steht auf einem guten Grunde, dieser Grund wird bleiben, und wenn auch die Wogen der Trübsal gegen ihn aufbrausen, wenn die Wellen gegen ihn anprallen, so spricht er zu seinem Freunde: „Du bist der Erste, und die Nacht muß in Licht und der Kampf in Sieg verwandelt werden.“ Ja, Er ist der gute Hirte, der selbst für die Seinen das Leben gelassen hat, und vorangegangen ist in Noth und Tod; - auf Ihn sollen alle diejenigen sehen, die um Seines Namens willen Schmach, Verachtung oder Verfolgung leiden; denn Er ist der Erste.
„Er ist der Erste, aber auch der Letzte.“ Himmel und Erde werden vergehen, sie werden sich verwandeln wie ein Kleid, die Sterne werden vom Himmel fallen wie die Blätter vom Baume; ja selbst der Himmel, die Sonne und der Mond werden entfliehen, und für sie wird keine Stätte mehr gefunden werden; Er aber bleibet, Er ist der Letzte. O was sind die Menschen? Von gestern her, und die in der Zeit vergehen, Werke des Augenblicks, Gebilde des Staubs, die wieder in Staub zerfallen, wie des Grases Blume, die da schnell blühet und doch bald welk wird. Wo sind die Feinde Christi, die sich gegen Ihn empört und gegen Sein Evangelium gestritten, und gegen Seine Gemeinde gewüthet haben? Wo sind die Herodes, die dem Heilande nach dem Leben getrachtet, Ihn verspottet und verhöhnt haben? Siehe! der Engel des HErrn hat sie geschlagen. Wo ist Pilatus? Wo sind die Pharisäer und Schriftgelehrten, die als grimmige Wölfe den Heiland umgaben, und ihren Rachen aufsperrten gegen Ihn? wo ist das Volk, das so laut seine Stimme erschallen ließ: „kreuzige, kreuzige Ihn?“ wo sind die Kaiser und die Leute, die eine Verfolgung nach der andern ausgeschrieben haben, denen ein Christenleben so viel galt als das Leben einer Mücke? Wo sind die Kriegsleute und die Starken, die zu Helfershelfern der Ungerechtigkeit sich brauchen ließen, welche die Mordwerkzeuge gehandhabt, und die Scheiterhaufen zu prasselnden Flammen angeschürt haben, weil sei den Menschen mehr gehorchten als Gott? Wo sind die Wütheriche alle, wo sind die Päpste, die sich mit Christenblut befleckt haben? Wo sind die aufgeblasenen Menschen alle, die sich gegen Christum gesetzt haben? Ihre Stätte findet man nicht; ihre Gebeine modern längst der Vergessenheit entgegen, ihre blutigen Hände sind längst verfault, und ihre Seelen sind hingegangen an den Ort, wo sie hingehörten, und werden aufbehalten bis auf den Tag des Gerichts, wo aller Zorn Satans und alle Weisheit der Menschen, und alle ihre Wuth gegen den HErrn und Seinen Gesalbten, und all’ ihr Trotz und all’ ihr Vertrauen auf Fleisch und ihren Arm seinen gerechten Lohn finden, wo das Wort des Apostels in Erfüllung gehen wird: „der HErr JEsus wird erscheinen mit Feuerflammen, Rache zu geben über die, so Gott nicht erkennen, und über die, so nicht gehorsam sind dem Evangelium unsers HErrn JEsu Christi.“ Sie alle sind dahin; unser HErr und einiger Heiland aber ist geblieben, und mit Ihm sind Alle geblieben, die Seinem Worte geglaubt haben, und Sein Wort ist geblieben und wird auch bleiben in Ewigkeit. „JEsus Christus, gestern und heute und derselbe in alle Ewigkeit.“
„Er ist der Letzte“ – dieß ist jedoch nicht so zu verstehen, als ob einmal Alles aufhören, und nur Er allein bleiben werde. Vieles wird freilich vergehen; diese Erde, der Schauplatz der Wuth Satans, diese Erde, welche verderbt ist durch den Greuel der Menschen, wo so viel unschuldiges Blut hingeflossen, wo so viel Böses geschehen ist, so viele Greuel im Finstern und Offenbaren, wird freilich einst vergehen; das Sichtbare hat keinen Bestand, das Unsichtbare muß an seine Stele treten, ja, die Erde wird einst fliehen, gescheucht von dem Strahl des Mundes Jehovah’s, und es wird für sie keine Stätte erfunden werden, und auch der Himmel wird sich verwandeln; die ganze sichtbare Welt wird in’s Unsichtbare und Unverwesliche verändert werden. Ja, „wir warten eines neuen Himmels und einer neuen Erde, auf der Gerechtigkeit wohnet.“ Es wird Manches vergehen, wenn die Stimme erschallen wird, welche gewiß und wahrhaftig einst erschallet: „siehe, ich mache Alles neu, das Alte ist vergangen, siehe, es ist Alles neu geworden.“ Aber dennoch wird auch Manches bleiben; die Seelen der Menschen werden bleiben, und ihr Lohn mit ihnen. Die Gerechten werden eingehen in die ewige Freude, und die Gottlosen in die ewige Pein. „Ich bin – der Letzte“ – heißt also so viel: Ich bin über alle Zeiten erhaben, der Ewige, Der, von dem Alles ausfließt und auf den Alles zurückfließt, der ewige Gegenstand der Sehnsucht, des Lobes und der Anbetung aller Kreatur. Wäre Er nicht ewig, so hätten die Seinigen keine Hoffnung, daß auch sie berufen sind zu Seiner ewigen Herrlichkeit; nun aber ist Er das A und das O, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte, mit Einem Worte Jehovah, und darum werden auch sie leben von Ewigkeit zu Ewigkeit.
„Er ist der Erste und der Letzte“ – o, welch’ großer, herrlicher Name! O was mag dieses Wort für einen großen Trost enthalten haben für den Bischof zu Smyrna, der auch im Blicke auf die bevorstehenden Trübsale sich selber zurufen konnte: ich gehöre Dem an, der Jehovah ist. Ja, wahrlich – diese Ueberzeugung: JEsus ist Jehovah! kann ein gläubiges Herz mit der größten Freude erfüllen, mit Freude auch unter den größten Drangsalen, mit Freuden auch unter Leiden um das Namens JEsu willen. Denn dieser Glaube: mein HErr ist ein HErr, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, ist eine Gotteskraft, welche die Welt überwindet.
Wie bin ich doch so herzlich froh,
Daß mein Schatz ist das A und O,
Der Anfang und das Ende!
Er wird mich noch zu Seinem Preis
Aufnehmen in das Paradeis,
Deß klopf’ ich in die Hände;
Eja. Eja! himmlisch Leben wird Er geben
Mir dort oben.
Ewig soll mein Herz Ihn loben.
Doch der Heiland setzt zu dem großen und herrlichen Namen, den Er sich gibt, noch etwas hinzu. Er sagt: „Siehe, Ich war todt und bin lebendig geworden.“ Darin liegt abermals ein großer Trost; o wie fein weiß Er Seine Knechte zu trösten! Denn warum war Er todt? warum hat sich sein Haupt voll Blut und Wunden im Tode geneigt? Ach, aus purer lauterer Liebe! Und warum ist Er wieder lebendig geworden? Darum weil Er der Lebensfürst war, weil Ihn die Bande des Todes nicht halten konnten. Er hat dem Tode die Macht genommen, und Leben und unvergängliches Wesen an’s Licht gebracht, und durch Seine Auferstehung werden auch Alle, die an Ihn glauben, in das unvergängliche, unverwesliche und unverwelkliche Leben versetzt werden. So wollte der Heiland durch jenen Beisatz dem Bischof Seine unaussprechliche Liebe, aber auch Seine herrliche Gottesmacht in’s Gedächtniß zurückrufen. Er wollte ihm zurufen: Siehe, du wirst sterben um Meines Namens willen; fürchte dich nicht. Ich war auch todt, darum achte es eitel Freude, denselben Kelch mit Mir zu trinken, und dich taufen zu lassen mit der Taufe, damit Ich getauft wurde; leide mit Mir, so wirst du auch mit Mir herrschen, stirb mit Mir, so wirst du auch mit Mir leben, kämpfe mit Mir, so wirst du auch mit Mir triumphiren. Ich war todt und bin wieder lebendig geworden; darum werde Ich, das Haupt, dich, das Glied, nicht im Tode lassen, sondern mit Mir in die Unvergänglichkeit versetzen. Denn „wo Ich bin, da soll Mein Diener auch seyn; Ich lebe und du sollst auch leben.“ O meine Lieben! gehören wir zu denen, zu welchen der Bischof gehörte, nämlich zu den Knechten Christi, zu den Kindern des lebendigen Gottes, die Ihm zu lieb auch ihr Leben in den Tod opfern können? Wenn uns unser Gewissen ein gutes Zeugniß auf diese Frage gibt, so können wir unserem Ende, mag es ein natürliches oder gewaltsames seyn, mit Freuden entgegen gehen. Denn der Heiland spricht: „Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an Mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebet und glaubet an Mich, der wird nimmermehr sterben.“ Glaubest du das? Ja, wer an Ihn glaubet, der wird nimmermehr sterben!
O herrlicher Hoffnungsblick! wir werden zwar entschlafen und ruhen in unsern Kammern; aber der Heiland hat auch diese geheiligt durch Sein Ruhen im Grabe, und ist auferstanden; und so werden auch wir zu seiner Zeit in unserem Frühlingsschmucke hervorbrechen, wo wir Ihn preisen und ewig preisen werden in einem neuen Leben. Der große Gott und Vater unsers HErrn JEsu Christi schenke uns Allen diesen frohen Hoffnungsblick; ja, Er wirke es selbst durch Seines Geistes Kraft, daß wir, so lange wir noch in dieser Hütte wallen, geistlich mit dem Heiland auferstehen, auf daß, wenn der Bau dieser Hütte zerbrechen wird, Er uns Seinem Bilde ähnlich machen könne, und wir schon hier mit Paulus sprechen: „Unser Wandel ist im Himmel, von dannen wir auch warten unsers Heilandes JEsu Christi, welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, daß er ähnlich werde Seinem verklärten Leibe nach der Wirkung, damit Er kann auch alle Dinge Ihm unterthänig machen.“
„Ihr Lieben! sehet, welch’ eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Kinder Gottes heißen sollen. Wir sind Kinder Gottes, und ist noch nicht erschienen, was wir seyn werden; wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir Ihm gleich seyn werden, daß wir Ihn sehen werden, so wie Er ist. Ein Jeglicher aber, der solche Hoffnung hat, der reinigt sich, gleich wie auch Er rein ist“, damit Er nicht beschämt werde vor dem Angesicht unsers großen Erzhirten und Bischofs, wenn Er erscheinen wird in Seiner großen Macht, mit allen Seinen heiligen Engeln. Denn wahrlich, es werden dann nur diejenigen Ihm ähnlich seyn, die sich in Seinem Blute gewaschen und Vergebung der Sünden erlangt, und in Geduld durch Fleiß in guten Werken getrachtet haben nach dem ewigen Leben. Amen!