Hofacker, Ludwig - Predigt am dritten Weihnachts-Feiertage
Text: Jes. 9,6.
Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, welches Herrschaft ist auf Seiner Schulter, und Er heißt Wunderbar, Rath, Kraft, Held, ewig Vater, Friedefürst.
Man kann am besten ermessen, was wir an dem Heiland haben, dessen Geburt wir gefeiert haben, wenn man die Namen in Betrachtung zieht, die Ihm in der Heiligen Schrift beygelegt werden; denn jeder Seiner Namen drückt ja das aus, was Er wirklich ist, und was ein gläubiges Herz in Ihm findet. Wir wollen deßhalb von den Namen, die ihm Prophet Jesaias in unserem Texte beygelegt, einen nach dem andern vornehmen und zu unserer Erbauung betrachten.
Das erste Merkmal, das der Prophet Jesaias an dem großen König und HErrn bemerkt, welchen ihn der Geist der Weissagung schauen läßt, ist: Wunderbar.
„Wunderbar“ heißt JEsus. Wie pünktlich diese Weissagung an Ihm in Erfüllung gegangen sey, und an Ihm in Erfüllung gehe: das wissen Alle, die nur einigermaßen Seine Geschichte kennen, die nur einigermaßen auf ihr Herz und Leben achten.
Wunderbar war schon in Ihm die Menschwerdung Gottes, daß das Wort Fleisch ward, daß Gott geoffenbaret ist im Fleisch. Dieß ist ja noch bis auf diese Stunde der Stein des Anstoßes für die ungeheiligte Vernunft, über den sie mit aller menschlichen Weisheit nicht hinüberkommen kann, an der sie anstößt und sich ärgert.
Dieß ist das wundervolle Ding.
Erst dünkt's für Kinder zu gering,
Und darum zerglaubt ein Mann sich d'ran,
Und stirbt wohl, eh' er's glauben kann.
Wunderbar war Sein Eintritt in die Welt. Es schien durch lauter wunderbare Widerstände hindurch zu gehen; Er, der Schöpfer aller Dinge, wurde ein schwaches Kindlein, Er, die Quelle alles geistlichen und äußerlichen Reichthums, wurde arm, auf daß wir reich würden; Er hatte bey Seinem Eintritt in die Welt, in einem Winkel der Erde, und in einem Winkel eines Stalles, nichts als eine Krippe zu Seinem Lager, und zu gleicher Zeit verkündigen die himmlischen Heerschaaren der Erde den Frieden in diesem Kinde, an das die Welt gar nicht denkt, um das sie sich gar nicht bekümmert. Ist das nicht wunderbar? Ja wunderbar war Sein ganzer mühseliger Lauf durch diese Zeit; wunderbar war Seine Verborgenheit und Seine Handwerks-Treue bis in's dreißigste Jahr; wunderbar war Sein dreijähriges Lehramt, wo Er sich als einen Propheten erwies, mächtig in Worten und Thaten vor Gott und allem Volk; wunderbar war, daß Er, der Fürst des Lebens, durch die Knechts-Gestalt, durch die tiefste Erniedrigung, durch den Gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tod am Kreuze hindurch gieng; wunderbar war es, daß Seine tiefste Erniedrigung der Weg zu Seiner Erhöhung und zu unserer Seligkeit war: daß Er durch die Leidens-, Todes- und Grabes-Nacht hindurch der Herzog der Seelen, der Erzhirte der Schafe, der Hohepriester Seiner Gläubigen, der König aller Könige werden, und zu der Herrlichkeit gelangen sollte, die Er bey dem Vater hatte, ehe der Welt Grund gelegt war. O ungebahnter Steg, o wunderbarer Weg!
Und wie Seine Geschichte eine Reihe von wunderbaren Dingen ist, so bezeugt Er sich auch wunderbar in den Führungen der Seinigen. Bezeuget es Alle, die ihr Ihn kennet; bezeuget es, daß euer himmlischer Führer wunderbar ist in Seinen Wegen. Da geht es nicht nach den Gesetzen, welche die Vernunft und gute Meinung stellt, nicht nach menschlicher Weisheit und Klugheit, nicht nach der sichtbaren Ordnung der Dinge, nicht nach dem Laufe dieser Welt; da geht es wunderbar, durch Gefangenschaft zur Freiheit, durch Leiden zur Herrlichkeit, oft krumm und doch gerade, oft dunkel und doch hell, oft verborgen und doch offenbar; da, wo die Finsterniß am dichtesten scheint, da bricht oft das Licht hervor; da, wo Alles mit tausend Riegeln verschlossen scheint, da öffnet sich auf Sein Geheiß oft unerwartet eine weite herrliche Thüre; da, wo wir am schwächsten sind, da ist Er oft am mächtigsten, und wirkt mit Kraft durch unsere Schwachheit. Ein wunderbarer Gott, wer kann Ihn ergründen, wer muß nicht, wenn er Seine Wege im Lichte der Wahrheit betrachtet, wer muß nicht Ihm die Ehre geben, wer muß nicht mit jenem Liede sagen:
So führst Du doch recht selig, HErr! die Deinen,
Ja selig, und doch meistens wunderlich.
Wie könntest Du es böse mit uns meinen,
Da Deine Treu' nicht kann verläugnen sich?
Die Wege sind oft krumm und doch gerad',
Darauf Du lässest Deine Kinder gehen,
Da pflegt's oft wunderseltsam auszusehen,
Doch triumphirt zuletzt Dein hoher Rath.
Liebe Zuhörer! es wird wohl keine Seele unter uns seyn, die Ihn nicht als den Wunderbaren erfahren hätte: denn auch Diejenigen, sie sich Ihm noch nicht so ganz ergeben haben, ja auch Die, die Ihn noch gar nicht kennen, und noch ganz ferne von Ihm sind, stehen unter Seiner wunderbaren Leitung: was ihnen oft erst nachher, wenn sie zu besserer Erkenntniß Seines Heils gekommen sind, klar und deutlich wird, so daß sie sich wundern müssen, wie sie Ihr Hirte, den sie noch nicht kannten, noch liebten, ja dem sie auswischen, da oder dort, bey dieser oder jener Gelegenheit so wunderbar, so herrlich, mit so viel Absicht auf ihrer Seelen Seligkeit geführet habe. Darum wird wohl keine Seele unter uns seyn, die, wenn sie so viel Licht hat, sich und ihren Gang im Lichte Gottes zu erforschen, nicht sagen müßte: Sein Rath mit mir war wunderbar bis auf diese Stunde, über all' mein Denken und Empfinden, über all' mein Bitten und Verstehen wunderbar und herrlich. Ist Er aber bis jetzt wunderbar gewesen, so wird Er es auch fernerhin seyn und bleiben. Ach, wo eine Seele ist, die keinen Ausgang in ihren Wegen mehr sieht, die da ängstlich fragt, wie wird's doch fernerhin gehen und werden, vor meinen Augen ist's verborgen; wo eine Seele ist, die da erkennet, daß ihr nur durch die wunderbare Führung des HErrn kann geholfen werden, o sie möge sich nur Ihm ergeben; Er heißet Wunderbar, und wird sich, wie in der ganzen Welt-Geschichte, so auch in der Führung einer jeden einzelnen Seele als den Wunderbaren beurkunden und bewähren. Wenn auch nichts Besonderes auf uns in der Zukunft wartet: so wind wir doch Seiner wunderbaren Führung hoch benöthigt, wenn wir glücklich durch diese Welt voll Sünde, voll Aergerniß und voll Versuchung hindurch und hineingebracht seyn wollen in das himmlische Vaterland, welches Er, der ewig Treue, auch einer jeglichen Seele thun wird, die treu und ohne Falsch es mit Ihm meint. So ergib dich denn Ihm, meine Seele, Ihm, der Immanuel heißet, und du wirst finden, wenn du dich ergebungsvoll in Seine Arme wirfst, wie Er dich so wunderbar leiten, und dich hinaus-, hindurch- und hineinbringen, und Alles, was dir begegnet, dir zum Besten dienen lassen wird.
Wunderbar heißt Jesus; aber Er heißt auch Rath. Wer seine Schwachheit und seine Kurzsichtigkeit kennt, dem thut es wohl, wenn er vernimmt, daß es einen Mann gebe, bey welchem man sich in allen Fällen eines guten und weisen Rathes erholen kann, der Weisheit und Verstand genug besitzt, um in den vorkommenden Verlegenheiten zu rathen und zu helfen. Nun aber ist es ja klar, und ich darf es euch wohl nicht beweisen, in wie viele Umstände und Verlegenheiten wir in diesem Erdenleben hineingerathen, aus welchen wir uns nicht heraushelfen können, die oft wie lastende Berge auf einem Herzen liegen, daß es ängstlich fragt: was muß ich doch thun, was soll ich doch wählen, was ist das Beste, was ist das Nützlichste für mich und Andere? Namentlich ist dieß der Fall bei dem Werke der Seligkeit, bey dem Werke der Wiedergeburt, das hienieden in unsern Seelen anfangen und zur Reife gedeihen muß, wenn wir anders Erben des ewigen Lebens werden wollen; ach da fühlt man erst seine völlige Blindheit und Rathlosigkeit, seine geistliche Untüchtigkeit und sein natürliches Unvermögen zu dem, was himmlisch ist und göttlich; da kommt man erst oft in Lagen hinein, daß man nimmer weiß, wo aus und wo ein, daß man nicht weiß, wie man es doch anzugreifen habe, um aus dieser oder jener drückenden Gemüths-Lage herauszukommen; da wird man oft wie verwirrt; man kann sich selbst nicht mehr heraushelfen; alle Ausgänge sind wie verriegelt; da steht man und weiß nicht, was man thun oder denken soll. Von der einen Seite kommt die Welt, von der andern unser eigenes Herz oder das verdammte Gewissen, von der dritten der Satan, und diese drey Feinde stürmen auf die arme Seele ein; und es ist auf nichts anderes abgesehen, als die Seele zur Verzweiflung zu bringen, ihr den Glauben zu nehmen, und so den letzten Faden zu zerschneiden, an dem ihr Vertrauen auf Gott hängt. Wer solche Gemüths-Verfassungen schon erfahren hat, der wird mir Beifall geben, er wird mir darin beystimmen, daß es in solchen Stimmungen wohl thut, einen Heiland zu haben, der nicht nur Wunderbar, sondern auch Rath heißt.
Nun, liebe Zuhörer, wer weiß von uns, in was für mißliche innere und äußere Lagen eines oder das Andere hineinkommen wird; ist es ja doch das große Gesetz in der Welt, daß ein Jeglicher seinen Theil Verlegenheit und Plage dahin nehmen muß, daß namentlich die, welche nach dem Himmlischen trachten, nur durch viel Trübsale können in's Reich Gottes eingehen. An wen wollen wir uns in dergleichen Verlegenheiten wenden? An Menschen? O es ist sehr erquicklich, wenn ein Mitpilger seinen Mitpilger in solchen Fällen Muth und Trost zuspricht, und der verlegenen Seele guten Rath ertheilt. Aber wir wissen ja, daß Menschen nicht für alle Fälle rathen können, weil sie nicht Weisheit, nicht Erfahrung, nicht Umsicht, oft auch nicht Liebe genug haben, ja daß sie oft sogar einen falschen, einen verkehrten Rath geben. Darum ist es mir sehr erfreulich, daß der Heiland es mir und einem Jeden von euch zurufen und zusprechen läßt: Fürchte dich nicht, liebe Seele; ich kann dir Rath geben; ich bin im Stande, Deiner Schwachheit mit meiner Weisheit zu Hülfe zu kommen: denn siehe da, mein Name ist Rath.
Rath heißet unser HErr JEsus. Schon Jesaias hat von Ihm geweissagt, daß auf Ihm ruhen werde der Geist des HErrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Raths und der Stärke, der Geist der Erkenntniß und der Furcht des HErrn (Jesaias 11,2.). Ja Er ist die selbstständige Weisheit; alle Schätze der Erkenntniß und Weisheit sind in Ihm verborgen; wo Weisheit ist, da ist sie von ihm. Darum scheint sie Vielen so wunderbar, ja ist sogar oft thöricht vor den Augen der Menschen, weil sie Seine Weisheit nicht fassen, weil sie die Tiefen Seiner Gottes-Erkenntniß nicht ergründen, die Niemand ergründet als nur Er Selbst. Siehe, ER hat aus Seiner Weisheit die ganze Schöpfung herausgeboren; ER hat den ewigen Rathschluß zu unserer Erlösung erfunden, und nach Seiner Weisheit in der Zeit ausgeführt; wie weise hat Er, so lange Er auf Erden lebte, den Rathlosen geraten: wo Er hinkam, da erfuhr man es alsobald, daß der rechte Rathgeber erschienen sey, der den rechten Fleck der Verlegenheit sogleich zu erkennen und zu heben wisse, und nun dürfen wir uns an Ihn in allen unsern innern und äußern Verlegenheiten wenden: denn auch dazu ist Er erschienen; auch dazu hat Er ein Leben, wie wir, durchlebt, auf daß Er in allen Stücken ein wohlversuchter Hohepriester würde, der da Mitleiden haben könnte mit unserer Schwachheit, von dem man nicht, wie von so manchem Menschen, rathlos und trostlos entlassen würde, sondern der alle unsere Verhältnisse durchblicken, und weil Er selbst in allen Stücken erprobt ist, unserer Schwachheit zu Hülfe kommen, uns trösten und erquicken, uns heben und tragen und durchbringen könnte.
Liebe Seele, die du vielleicht gegenwärtig in irgend einer Verlegenheit dich befindest, oder auch vielleicht in manche noch versetzt dich sehen wirst, bedenke es, ein Kind ist Dir geboren, ein Sohn ist Dir gegeben, und Sein Name heißet „Rath.“ Es gibt einen Hohenpriester, es gibt einen Freund, der sich deiner in allen Fällen annehmen, der dich aus allen Sorgen herausreißen, der mit Seiner Weisheit deine Schwachheit unterstützen kann, dem es gar lieb ist, wenn du so oft als möglich Ihn um Rath angehst, der nicht müde wird, Dich anzuhören, der auch in den verwickeltsten Fällen zu rathen weiß, der auch in den dunkelsten Nächten ein neues Licht des Trostes und der Kraft dir aufgehen lassen kann. O wenn Du der Maria nachahmen würdest, die sich zu JEsu Füßen niederließ; wenn du dir von Ihm rathen ließest, und von der Sichtbarkeit hinweg auf die Unsichtbarkeit dein Augenmerk richtetest: wie würde da der Nebel der innern und äußern Sorgen vor deinen Augen verschwinden, da würdest du mit David sprechen: „in Deinem Lichte sehe ich das Licht.“
Doch wenn JEsus nur rathen und nicht auch helfen könnte; so wäre uns wenig geholfen; aber Er kann auch helfen; Er ist beydes, Rath und That, Rath und Kraft. „Ich heule, aber meine Hülfe ist ferne von mir“, so hat einst David geschrieen, und ihm nach haben so manche Menschen nach Hülfe geseufzt, und es schien ihnen, als ob sie ferne sey. So lange freilich ein Mensch sich selbst noch nicht kennt; so lange er noch durch Gottes Gnade vor peinlichen Nöthen verwahrt geblieben ist; so lange ihm seine Hülf- und Kraftlosigkeit noch nicht klar geworden ist: o da ist der Mensch groß; da weiß er für Alles Rath: da weiß er sich, wie er sagt: aus allen Nöthen herauszureißen; da fehlt es nicht an Einem bei ihm; was er sagt, das muß, wie Assaph sich ausdrückt, wie vom Himmel herabgeredet seyn; was er spricht, das muß gelten auf Erden. Leider hat ja unsere Zeit Ueberfluß an solchen unsinnigen Kraft-Menschen, die in ihrer eingebildeten Stärke Dessen nicht zu bedürfen meinen, der da Kraft heißet; die da lieber selbst starke Geister sich benennen; die in ihrem Hochmuthe und in ihrer Losgerissenheit von Gott keines Heilandes, keines Beistandes von Oben bedürfen, und darum weder Gott noch Menschen fürchten oder scheuen; aber wenn die Tage über sie hereinbrechen, die ihnen nicht gefallen, siehe! da geschieht es, daß sie durch ihre Verzagtheit, durch ihr Trauen und Bauen auf das Sichtbare, ihre Schwäche nur zu deutlich verrathen. Sie halten sich für stark, und meinen, sie haben gar satt, also daß sie sich über sich selbst erheben; ihre Augen sind verblendet durch des Teufels List, so daß sie nicht erkennen, daß sie arm sind und elend, jämmerlich, blind und bloß. O lasset uns doch nicht mit solchen hohen Gedanken von uns selbst, vom alten in das neue Jahr hinüber gehen, lasset uns vielmehr demüthig erkennen und bekennen, daß wir arme, hilflose und rathlose Geschöpfe sind, die es hoch von Nöthen haben, daß ihnen ein Sohn gegeben ist, der da „Kraft“ heißet.
Jesus heißet Kraft. Als solche hat Er sich bewiesen bey der Schöpfung der Welt, die Er hervorgerufen hat aus dem nichts durch Sein allmächtiges Kraftwort; als Kraft hat Er sich bewiesen während Seines Wandels auf Erden: dann durch Sein Kraftwort sahen die Blinden, hörten die Tauben, wandelten die Lahmen, und der Tod gab seinen Raub wieder heraus auf Sein Geheiß; als Kraft hat Er sich bewiesen, so lange Er zur Rechten des Vaters sitzt; denn allmächtig hat Er den Gang Seiner Gemeinde durch so viele Jahrhunderte hindurch, trotz aller Hindernisse, geordnet und geleitet, gegen alle Pforten der Hölle geschützt und geschirmet; ja Er hat den Gang jeder einzelnen Seele, die sich Ihm ergeben hat, trotz aller Versuchungen und Lockungen durch Seine Kraft zu einem herrlichen und seligen Ziele geleitet; denn Er ist stärker als der, der in der Welt ist. Darum, wer seine Kraft und seine Stärke anderswo herholen will als von Ich, der sich so unwidersprechlich als den allein starken und unvergänglichen König erwiesen hat, der ist ein Abgötter, und traut auf das Geschöpf mehr denn auf den Schöpfer, und verflucht ist, wer Fleisch für seinen Arm hält; denn Sein allein ist die Kraft. O liebe mühselige, beladene Seele, die du unter der Last des Lebens seufzest, der es um Kraft und um Hülfe bange ist, siehe hier ist Jesus; Er heißet Kraft, und diesen Namen hat Er Sich nicht umsonst beylegen lassen, sondern er sollte ein wahrhaftiger Zeuge seyn von Dem, was Er ist und verheißt, und auch gewißlich hält.
Was trauerst du, wenn dir des Lebens Pfad
Nur Dornen beut, der Prüfung Stunde naht,
Kein Freund dir mehr im Kampf zur Seite steht,
Dein Tag sich neigt, die Sonne untergeht?
Vertraue Dem, der alles Gute schafft,
Sein ist die Kraft.
Jesus heißet aber auch der Held; ja wohl der Held, der Held aus dem Stamme Davids. Lasset Andere von andern Helden rühmen; wir rühmen uns dieses Helden, dieses, der nicht mit fleischlichen Waffen gesiegt hat wie menschliche Helden, der nicht über Schlachtfeldern und Leichen-Gefilden, nicht über Blut-Strömen und menschlichem Jammer und Elend Seine Siegs-Paniere aufgerichtet hat, der nicht groß geworden ist durch die Unterdrückung seiner Brüder: dieß waren nicht Seine Waffen; dieß nicht Sein Ruhm; so hat Er Sein Heldenamt nicht geführt. O unser Held ist ein ganz Anderer; durch Leiden und Stilleseyn, durch Gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuze, durch die tiefste Erniedrigung, durch seine große Sanftmuth und Geduld, durch die Lammes-Art, die Er dem höllischen Drachen entgegengesetzt hat, durch Seine Schmach, durch Seine Entäußerung aller Kraft, hat Er überwunden; ja so hat überwunden der Löwe aus dem Geschlechte Juda; darum wurde Er gekrönt mit Preis und Ehre; darum hat Ihm der Vater einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. Andere Helden schmücken sich herrlich; sie prangen mit äußerem Glanz und äußerer Herrlichkeit; sie werden bis an den Himmel erhoben um ihrer Siegesthaten willen: aber von dem Allem weiß unser Held, unser Jesus nichts. Seine Schöne ist Seine Marter- und Kreuzes-Gestalt; Sein Schmuck sind die Denkmale Seiner erlittenen Pein: Seine Beute ist die durch Ihn erworbene Gemeinde, ja jede einzelne Seele, die Ihm als der Lohn Seiner Schmerzen zufiel: denn auch die einzelne Seele ist hochgeachtet in Seinen Augen.
Und wie Er gesiegt und überwunden hat durch Leiden und Sterben als der große Dulder auf Golgatha: so hat Er Sich seit 1800 Jahren als den Helden erwiesen in der Beschützung und Leitung Seiner Gemeinde, die zwar unter der Gestalt des Kreuzes, unter Demüthigung und Schmach dahin gegangen ist, die Er aber doch stets als der Held berathen und besorgt, an der Er das Wort erfüllt hat: „die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“
Wir leben in einer großen, bedenklichen Zeit, und stehen an der Schwelle eines neuen Jahres, und wissen nicht, was die Zukunft für das Reich Gottes herbeyführt. Die Feinde Christi wüthen und toben, und legen es darauf an, auch jetzt noch Seine Kirche auszurotten und zu verderben. Wir haben zwar jetzt Frieden und Ruhe; ein Jeder kann sich ungestört und ungehindert bekehren zu dem lebendigen Gott; wir dürfen Seinen Namen preisen und die Menschen zu Seiner Gemeinschaft rufen. Aber auch, der Freund des Reiches Gottes muß ja bey allem Erfreulichen, das sich dem Blicke darbietet, doch mit jedem Jahre besorgt und besorgter in die Zukunft blicken; denn es läßt sich nicht läugnen, daß sich furchtbare Ungewitter in der Ferne zusammenziehen, und es wird jeder gläubigen Seele recht nahe gelegt, zum Herrn zu rufen:
Ach, bleib' bey uns, Herr Jesu Christ,
Weil es nun Abend worden ist;
Dein göttlich Wort, das helle Licht,
Laß ja bey uns auslöschen nicht!
Aber getrost, ihr Freunde des Lichts; Er, der Held, der im Himmel sitzt, lacht Seiner Feinde, und der Herr spottet ihrer; Er lebet noch; Er sitzt noch im Regiment; Er ist der Held, vor wem sollten wir uns fürchten? Er ist unsere Kraft und Stärke; vor wem sollte uns grauen? und wenn auch die ganze Welt, und die ganze Hölle sich wider Ihn empörte: so wird Er doch der Held bleiben; denn Er ist der Vater der Ewigkeit.
Vater der Ewigkeit, welch' großes majestätisches Wort! Er ist selbst ewig, und hat die Ewigkeit aus Sich herausgeboren; Er steht als der Vater der Ewigkeit hoch über den Abwechslungen der Zeit und wird alle Zeiten so hinausführen, daß es Seinen ewigen Zwecken und Absichten gemäß ist. Die Menschen vergehen, ein Geschlecht verdrängt das andere; auch die Empörer und Rebellen gegen Seine allerheiligste Majestät fahren dahin, und ihre Stätte kennet man nicht: Er aber bleibet in Ewigkeit, und zwar, wie Er ist, derselbe „Jesus Christus, gestern und heute, und derselbe in Ewigkeit!“ O großes Trostwort, große Hoffnung! Wie ich Ihn bisher und heute erfahren habe: so wird' ich Ihn auch in Ewigkeit erfahren als Rath, Kraft und Held. Wie Er Sich seit Grundlegung der Welt erwiesen hat; so wird Er Sich fernerhin erwiesen; wie Er von jeher der Seinigen und Seiner Kirche Schirmvogt war: so wird Er es auch bleiben, bis sie durch alle Schwierigkeiten und Hindernisse hindurchgebrochen sind zur Freiheit der ewigen Heimath. Ja, wenn auch Ewigkeiten abgelaufen sind, so wird Er noch Derselbe seyn, wie Er war von Anfang an. Da wird Er erst recht der Friedefürst heißen, als den Er sich jetzt schon erweist. In einer Welt, wo der Krieg und Zwiespalt, der Zank und Streit sein Unwesen treibt; wo es der Seele bange wird, unter denen zu wohnen, die den Frieden hassen; wo das Herz selbst von innerer Unruhe und allerhand unstäten Gedanken hin- und hergeworfen wird: da thut es wohl, von einem Manne zu wissen, der den Frieden schenken kann, welchen die Welt nicht zu geben vermag, der der König und Fürst des Friedens ist in Ewigkeit. Darum kommet heran, ihr, die ihr Frieden sucht und ihn nicht finden könnet; die ihr gerne Ruhe hättet für eure Seelen, und doch voll Unruhe seyd; heran zum Friedens-Fürsten, ihr, die ihr gerne im Frieden fahren möchtet eure Straße, wenn euer Stündlein vorhanden ist. Sehet, Er stehet vor der Thür, und bringt euch einen segensreichen Friedensgruß, und Sein Herz wallt euch entgegen mit großer, unendlicher Liebe. Wer nun Seine Stimme hören und die Thüre Ihm aufthun wird, zu dem will Er eingehen und das Abendmahl mit ihm halten, und er mit Ihm. Amen!