Herberger, Valerius - Am heiligen Christtage frühe zur fröhlichen Christnacht.

Herberger, Valerius - Am heiligen Christtage frühe zur fröhlichen Christnacht.

Jesus, des allerschönsten Wunderkindes, Gottes ewigen und der Jungfrau Mann einigen Sohnes trostreiche Geburt wird schon von dem Propheten Jesaia beschrieben.
Jesaia 9.

JESUS, Das neugeborne Christkindlein, hält ein tröstlich Weihnachtsgespräch mit unsern Herzen.

Jesaia 30. V. 27-29.

Siehe, des Herrn Name (Gott selber) kommt, da werdet ihr singen, wie zu Nacht eines heiligen Festes, und euch von Herzen freuen, als wenn man mit der Pfeife gehet zum Berge des Herrn, zum Hort Israel.

Liebes Herz! Hie ist Immanuel, wir haben den Messiam funden; habe deine höchste Lust an ihm, wie Hieronymus in seinem hohen Alter. Ich muß der Historie, dem Kripplein Christi zu Ehren, allhier gedenken. Die Kaiserin Helena hat zu Bethlehem eine schöne Kirche gebauet, an dem Orte, wo Christi Kripplein gestanden. Nicht weit davon hat Hieronymus auf sein hohes Alter gewohnet; er überkam einen ehrlichen Ruf, daß er sollte ein vornehmer Bischof werden; aber er gab zur Antwort: „Man bringet mich nicht vom Kripplein Christi, mir ist nirgend besser. Eben an dem Ort, da mir Gott seinen Sohn vom Himmel gegeben, da will ich ihm meine Seele hinauf in den Himmel schicken.“ Kurz aber vor seinem Ende schreibt er: So oft ich diesen Ort anschaue, so hat mein Herz sein süßes Gespräche mit dem Kindlein JEsu. Ich sage: Ach Herr JEsu, wie zitterst du, wie hart liegst du in der Krippe um meiner Seligkeit willen, wie soll ich dir's immermehr vergelten? Da dünket mich, wie mir das Kindlein antwortet: Nichts begehre ich, lieber Hieronyme, als singe: Ehre sei Gott in der Höhe! Laß dir's nur lieb sein, ich will noch viel geringer werden im Oelgarten und am heil. Kreuz. Ich spreche weiter: Liebes JEsulein, ich muß dir was geben, ich will dir all mein Geld geben. Das Kindlein antwortet: Ist doch zuvor Himmel und Erde mein; denn mein ist beides Silber und Gold, ich bedarf's nicht; gib es armen Leuten, das will ich annehmen, als wenn es mir selber wäre widerfahren. Ich rede weiter: Liebes JEsulein, ich wills gerne thun, aber ich muß auch dir für deine Person was geben, oder muß vor Leid sterben. Das Kindlein antwortet: Lieber Hieronyme, weil du ja so freigebig bist, so will ich dir sagen, was du mir sollst geben: gib her deine Sünde, dein böses Gewissen, und deine Verdammniß. Ich spreche: was willst du damit machen? das JEsulein saget: Ich will's auf meine Schulter nehmen, das soll meine Herrschaft und herrliche That sein, wie Jesaias vor Zeiten geredet hat, daß ich deine Sünde will tragen und wegtragen. Da fange ich an, spricht Hieronymus, bitterlich zu weinen, und sage: Ach Kindlein, liebes Kindlein, wie hast du mir das Herze gerühret; ich dachte, du wolltest was gutes haben, so willst du alles, was bei mir böse ist, haben. Nimm hin, was mein ist, gib mir, was dein ist, so bin ich der Sünden los, und des ewigen Lebens gewiß.

Liebes Herz, wie wir aber unsern neugebornen Ehrenkönig selbst anreden und annehmen sollen, und ihm Rede abgewinnen, das weisen uns unsere andächtigen Vorfahren aus der Historie St. Pauli und sprechen, wir sollen sagen: Herr, wer bist du? Herr, was willst du? Unser Herz soll ein Gespräch mit ihm halten, wie von St. Hieronymus ist gesagt worden. Im 18. Cap. des ersten Buchs Mosis redet Abraham mit dem Herrn JEsu sechs verschiedene Mal. Wir wollen deßgleichen thun. l. Lieber, neugeborner Freudenkönig, sage uns doch selber: Wer bist du? Höre, wie er uns selber Antwort gibt aus Mose: Ich bin dein Schild (mit mir kannst du versetzen in allen deinen Nöthen) und dein sehr großer Lohn; was dir die undankbare Welt nicht wird belohnen, das soll dir von mir reichlich im Himmel vergolten werden. Trotz sei geboten allen deinen Feinden, daß sie dir ohne mein Zulassen wollten ein Härlein krümmen; sey nur fromm, und laß dich um die Besoldung unbekümmert; die Schande sollst du mir nicht nachsagen, daß du mir umsonst gedienet. Ich bin der allmächtige Gott, ich will einen Bund mit dir machen, du sollst mein liebes Geschwister, ich will dein treuer Bruder sein, und wenn alle Macht auf Erden wider dich zusammenträte, so will ich dieselbe durch meine Allmacht verschlingen. Ich bin Gott und Mensch in Einer Person: daß ich wahrer Gott bin, das ist dein Trotz wider alle Pforten der Hölle: daß ich wahrer Mensch bin, das ist dein höchster Trost und deine größte Ehre vor allen andern Creaturen. Ich bin der Herr, dein Arzt, ich will die Schäden deines Gewissens von Grund aus heilen. 2. Liebes süßes Ehrenkindlein JEsu, habe Dank für deine süßen Reden, du hast lauter Worte des Lebens; ach stehe, ich habe mich unterwunden mit dir zu reden, wer bist du? Mein Herz ist deines Trostes noch nicht ersättiget. Höre Antwort aus dem Psalmbüchlein: Ich bin ein Wurm und kein Mensch, hie liege ich im Kripplein, als ein armes Würmlein. Was bedeuten die Würmlein, wenn sie aus der Erde kriechen? daß es wird Sommer werden. Wohlan der Sommer der ewigen Seligkeit ist dir forthin nahe, ich bin deines himmlischen Sommers Vorbote, du sollst in Kraft meiner Geburt in das schöne Sommerfeld der ewigen Seligkeit kommen; im Himmel sollst du ein lustiger Sommervogel werden; aber ich will zur Zeit meines Leidens noch viel elender werden, da will ich mich wie ein elendes Würmlein lassen stoßen, auskehren und zerquetschen, damit durch die rothe Dinte meines Bluts dein Name im Himmel angeschrieben werde. Ich bin deine Hülfe, du kannst dir selber nicht helfen, verlaß dich auf mich. Seid stille, erkennet, daß ich Gott bin, ich will Ehre einlegen unter den Heiden (unter den Feinden euerer Seligkeit); ich will Ehre einlegen auf Erden, du sollst es erfahren in deinem Herzen; ich will eine That thun, alle Welt soll wissen davon zu singen und zu sagen. 3. Habe Dank, frommes liebreiches JEsulein, ach drücke deine Worte in mein Gedächtniß, daß ich ihrer nimmermehr vergesse. Deine Worte sind so lieblich, ich kann's nicht lassen, ich muß weiter fortfahren, mit dir zu reden; ich frage dich zum drittenmal: Wer bist du? Höre Antwort aus dem Propheten Jesaia: Ich, ich tilge deine Missethat; ich bin's, der Gerechtigkeit lehret, sin meinem Munde ist kein Betrug erfunden worden); ich bin ein Meister zu helfen (wohl allen, die auf ihn trauen); ich trete die Kelter des Zorns Gottes allein (mir alleine hast du auch das große Werk der Seligkeit zu danken). Ich bin der Herr, der nicht lügt. Es ist unmöglich, daß ich soll trügen, alle meine Worte haben Eideskraft, und sind also gewiß, als Amen. 4. Zürne nicht, lieber Ehrenkönig, Herr JEsu, daß ich noch mehr mit deiner Majestät rede; ich muß weiter fragen: Wer bist du? Höre Antwort aus der evangelischen Historie S: Johannis: Ich bin das Brod des Lebens; hungert und dürstet dich nach der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, komme zu mir, deine Seele soll satt werden, du sollst das Leben und volle Genüge haben. Ich bin das Licht der Welt; will's finster werden in deinem Herzen, so hole bei mir Feuer und Licht, alle Traurigkeit soll verschwinden. Ich bin's, der vom Anfang mit den Erzvätern hat geredet, ich will meinen Trost dir auch nicht versagen. Ich bin ein guter Hirte, du bist mein Schäflein, Niemand soll dich aus meiner Hand reißen. Ich bin die Thür zum Leben; gehe ein durch mich zur ewigen Freude. Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubet, der wird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, wer an mich glaubet, der findet eine richtige Straße zur ewigen Wonne. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, von mir sollt ihr Saft und Kraft haben, daß ihr nicht als dürres Reisicht in's höllische Feuer werdet geworfen. Ich bin ein König; wo ich bin, da sollst du, mein Diener, auch sein. Ich will mich fürwahr auf königliche Weise gegen dich wissen zu verhalten. 5. Ach siehe, ich habe mich unterwunden mit dem Herrn zu reden; ich will's zum fünften Mal wagen. Gönne mir doch weiter deine holdseligen Lippen: Wer bist du? Höre Antwort aus der Apostelgeschichte und Offenbarung S. Johannis: Ich bin JEsus, dein Heiland und Seligmacher, ich will dir die Kraft meines Namens erfahren lassen, so oft dir's wird nöthig sein. Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende, und alles in allen in deiner Wohlfahrt, die Wurzel des Geschlechts David, der helle Morgenstern deines Herzens; wenn ich aufgehe, so folget alsbald der helle klare Tag deines Heils. 6. Ach zürne nicht, du freundliches liebes JEsulein, daß ich nur noch einmal rede; sage mir doch auch zur Zugabe: Was willst du? Was begehrest du von mir? Höre richtige Antwort: Thue Buße, das Himmelreich ist nahe herbei kommen. Unbußfertige Köpfe sind vor mir ein Gräuel, dagegen bußfertige, demüthige, wehmüthige Herzen sind mir ein Spiegel in den Augen. Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken; niemand verzage in seinen Sünden; denke an mein Wort: Sei getrost mein Kind, dir sind deine Sünden vergeben. Wachet und betet! Wenn ihr beten wollet, so sprecht: Vater unser, der du bist im Himmel. Wer da glaubet und getauft wird, soll selig werden. Thut das zu meinem Gedächtniß! Das ist mein Gebot, daß ihr euch unter einander liebet. Will mir Jemand folgen, der verleugne sich selbst, und nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir. Ich will, daß wo ich bin, auch die seien, die mir der Vater gegeben hat. Wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Ich will wiederkommen, und euch zu mir nehmen, auf daß ihr seid, wo ich bin. Dank sei dir, liebes JEsulein, gesaget, für deine holdseligen Reden, nun bin ich geschickt zu einem christlichen Leben und seligen Stündlein; komm, wenn du willst, es gehe nach deinem Willen. Ei, hilf, liebes JEsulein, daß dein Trost auch an meiner Seele gelte; ei, wie groß muß deine Liebe sein, die dich großen Herrn hat gezwungen, daß du bist unser lieber Bruder und Blutsfreund worden. Ei, liebes JEsulein, wie soll ich dir immer dafür genug dankbar sein? Auf große Gnade gehöret große Dankbarkeit; ei, was ich nicht kann verdanken, das will ich desto länger gedenken, ich will's ewig im Himmel preisen. Eia wären wir da, in Gottes Himmelssaal! Nun singe mit Lust: Merk auf mein Herz, und sieh dorthin, was liegt dort in dem Krippelein? Es ist das rechtschuldige JEsulein, welches uns aus allen Umständen seiner Geburt klar lässet merken, daß wir uns alles gutes zu ihm haben zu versehen. Es nehme vorlieb mit dem geringen Häderlein unserer Liebe, es lehre ein in das Krippelein unsers gläubigen Herzens; es wohne in der Herberge unsers Hauses und Mundes; es nehme ein alle Räumlein in unserem ganzen Leben, und sei ein beständiger Schutzherr unserer Wohlfahrt, und allzeit Mehrer unserer Seligkeit. Ja, der König der Ehren, der Herr stark und mächtig, der Herr mächtig im Streit, der Herr Zebaoth, unser neugeborner Herzog des Lebens, JEsus Christus, ziehe ein mit allen seinen Weihnachtsschätzen in das geringe Kripplein, und bewahre uns stark und mächtig zum ewigen Leben, da er uns recht königlich wird pflegen!

Liebes Herz, zum Beschluß deiner heiligen Christnachtfreude rede den lieben JEsus ferner an in deinem andächtigen Gebet aus der verlesenen Lection, von dem geistreichen Propheten und Evangelisten des alten Testaments Jesaia beschrieben: du wunderbares Kindlein, mein liebstes JEsulein, ach, sei doch jetzt auch wunderbar mit deiner Hülfe in meiner wunderbaren Noth, laß deine Wunder neu werden, thue Wunder an meiner Nahrung und wenigem Vorrathe, wie an der Witwe zu Zarpath, thue Wunder in meiner Krankheit, wie an dem 38jährigen Kranken, beweise deine wunderliche Güte, du Heiland derer, die dir vertrauen. Ach, mein trautes JEsulein, ich weiß mir in meiner Noth nicht zu rathen, du heißt aber Rath. Ach, sei doch auch mein Raths-Herr, du kannst mir am besten rathen, theile mir doch guten Rath mit, so wird alles gut werden. O du kräftiger Herr, sei du in meiner Schwachheit stark, ich will mir gerne an deiner Gnade genügen lassen, laß nur auch deine Kraft in mir Schwachen mächtig sein. Ich will mich am allermeisten meiner Schwachheit rühmen, auf daß die Kraft Christi bei mir wohne. Du edler Held, gib mir auch einen Heldenmuth, und nimm von mir weg den feigen Muth, beweise dich gegen mich, als ein Vater; ich gelobe dir kindliche Liebe und Treue, laß dein Vaterherz gegen mich brechen, daß sich mein Herz zufrieden gebe, und dir hinfort zu Ehren lebe mit kindlichem Gehorsam. Sei auch mein Fürst, führe mich zu dem ewigen Frieden. So kann ich mich zufrieden geben, und getrost sein in meinem Kreuze, denn da habe ich an dir eine treffliche Herzstärkung und ein vortrefflich edles und rechtes Labsal. JEsu, mein Herr und Gott allein, wie süß ist mir der Name dein! Es kann kein Trauren sein so schwer, dein süßer Name erfreut vielmehr; kein Elend mag so bitter sein, dein süßer Trost der lindert's sein. Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. Habe ich mancherlei Anfechtung: Ei, JEsus will ewig, nicht ein unbeständiger, sondern ewig Vater sein. Die Gnade Gottes allein steht fest und bleibt in Ewigkeit. Soll ich dem Tod herhalten, JEsus ist mein Friedefürst, er wird mich führen zum rechten Frieden, in's ewige Leben, da lauter Friedland sein wird. Darein helf uns allen JEsus. Amen!

Das Kind, das uns geboren, der Sohn, der uns gegeben, JEsus, unser Heiland, helfe uns wunderbar aus allen Aengsten, gebe uns Rath in allen Nöthen, sei unsere Kraft in aller Ohnmacht, nehme sich unser an, als ein Held seiner Unterthanen, beweise ewig sein Vaterherz gegen uns, und führe uns, als ein Friedefürst, in den ewigen Frieden des ewigen Lebens. Amen!

Nun, lieber JEsu, wir danken dir von Grund unsers Herzens für das große Angebinde des seligen Christtrostes, das du uns hast bescheeret. Ach, bewahre die selige Weihnachtfreude in unseren Herzen, daß wir's nimmermehr vergessen, und nicht allein in diesem, sondern auch im ewigen Leben deinen Namen dafür rühmen und preisen. Amen!

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