Zuletzt angesehen: Heliand - 33 - Die Kanaanitin

Heliand - 33 - Die Kanaanitin

Heliand - 33 - Die Kanaanitin

Da gedachte der waltende Christ
Von dem See zu scheiden, der Sohn des Herrn,
Gottes Eingeborner. Da kamen Ausländische
Ihm entgegen gegangen, die von seinen guten Werken
Erfahren in der Ferne, und Vieles, das er sprach
Von weisen Worten. Sein Wunsch wohl war es
Auch fremde Völker dahin zu fördern,
Daß sie Gott dem Geber gerne dienten,
Den Gehorsam hielten dem Himmelskönig,
Alle Menschen zumal. Ueber der Mark der Juden
Sucht' er Sidon auf, und die Gesellen mit ihm,
Die guten Jünger. Da gieng ihm entgegen
Ein ausländisch Weib von edelm Geschlecht
Gebürtig aus Kanaan. Sie bat den Gewaltigen,
Den Heiligen, um Hülfe: ihr wär Harm erstanden,
Um die Tochter Sorge, die eine Sucht befienge
Durch tückischer Geister Trug. „Der Tod ist ihr nah,
Ihr Bewusstsein bannten die Bösen. Nun bitt ich dich, Waltender,
Der du Davids Sohn bist, daß du von der Sucht sie befreist
Und bald die arme erbarmungsvoll
Vor dem Wütherich bewahrst.“ Noch weigerte der waltende Christ
Ihr alle Antwort; doch unabläßig
Folgte sie ihm fürder, bis sie ihm zu Füßen fiel
Und ihn jammernd begrüßte. Die Jünger Christs
Baten ihren Herrn, daß sein Herz doch milde
Würde dem Weibe.

Da hielt sein Wort bereit
Der Sohn des Herrn und sprach zu den Gesellen:
„Erst soll ich Israels Abkömmlinge
Fördern, unser Volk, daß sie frommen Sinn
Zu dem Herren haben. Ihnen ist Hülfe Noth:
Verloren sind die Leute, da sie verließen
Des Waltenden Wort. Sie wanken und zweifeln
Unerleuchteten Herzens, wollen dem Herrn nicht gehorchen.
Israels Abkommen sind ungläubig geworden
Ihrem holden Herrn. Doch Hülfe von da kommt dann
Auch dem Außenvölkern.“ Unabläßig bat
Das Weib doch weiter, daß der waltende Christ
Ihr mild werden möchte in seinem Gemüthe
Und sie ferner der Tochter sich erfreuen dürfte,
Sie heil erhalten sehn.

Der Herr entgegnete,
Der mächtige Mittler: „Keinem Manne geziemt,
Und wahrlich wär es auch übel bewandt,
Wenn er das Brot den eignen Gebornen
Versagen sollte, sie verschmachten ließe
In heißgrimmen Hunger, und würf es den Hunden vor.“
„Das ist wahr,“ sprach sie, „Waltender, was du mit weisen Worten
Sinnig sagst. Doch geschiehts, daß im Saal
Sich auch die Hündlein unter des Herren Tisch
Von den Brosamen sättigen, die unter die Bank
Beim Festmal fielen.“ Das Friedenskind Gottes
Sah des Weibes Gesinnung und sagte zu ihr:
„Wohl dir, o Weib, du bist guten Willens
Und groß ist dein Glaube an Gottes Macht,
Den Herrn der Heerscharen. Drum soll es gehalten sein
Um deines Kindes Gebrechen wie du batest von mir.“
Und geheilt ward sie gleich, wie es der Heilige sprach
Mit wahrhaften Worten. Das Weib ward froh,
Daß sie der Tochter ferner sich erfreuen durfte.
Geholfen hatt ihr der heilende Christ,
Hatte sie, die verfallen schon an des Feindes Macht,
Vor dem Wütherich bewahrt.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/heliand/heliand_-_33.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain