Heermann, Johannes - Heptalogus Christi - Das dritte Wort.

Heermann, Johannes - Heptalogus Christi - Das dritte Wort.

Text: Luc. 23, 43.
Wahrlich ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein.

Wir lesen, meine Lieben, von einem frommen Probst zu Meissen, daß derselbe im Jahre 1263 Einen von seinen Kanonikern und Domherren zu sich gefordert und von ihm gebeten, wenn seine Todesstunde herbeikäme und er in den letzten Zügen liegen würde, so wolle er ihn ja mit Trost nicht verlassen, doch aber sonst Nichts als nur diese drei Stücke seiner Seele vorhalten: Für's Erste solle er ihm zu Gemüth führen die Blutstropfen, welche unser Heiland am Oelberg in Seiner höchsten Angst geschwitzt hat, damit er sich in seiner Todesnoth wider die Menge seiner Sünden trösten, aufrichten und der Verzweiflung erwehren möge. Darnach solle er ihm vorhalten die unaussprechlichen Schmerzen, welche unser hochgelobter Heiland am Stamm des Kreuzes für uns gelitten, auf daß er in Betrachtung derselben die schwere Strafe der Sünden in seiner höchsten Schwachheit und Leibesschmerzen nicht fühlen dürfe. Und zum Dritten solle er ihm vorsprechen die lieben, hochtröstlichen Worte, welche Christus am Holz des Kreuzes hangend geredet hat und unter denen insonderheit das mächtige Trostwort, welches Er zum bußfertigen Schächer gesprochen: Wahrlich ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein; auf daß er in seinem Ende und Abschied von dieser Welt nicht sehe auf seine eignen guten Werke, sondern blos auf das theure Verdienst Jesu Christi, durch welches allein der Mensch vor GOtt gerecht und selig werden könne. Dieser Bitte hat ihn der junge Kanonikus als sein vertrautester Freund gewährt, ihm mit Trost zugesprochen und solcher begehrten Stücke ihn höchsten Fleißes erinnert; worauf er denn auch sanft und selig entschlafen ist.

Weil nun nicht allein das bittre Leiden Christi, sondern auch seine tröstlichen Reden am Kreuz und unter diesen sonderlich das dritte Wort uns im Leben und Sterben solchen reichen Trost, kräftigen Nutzen, innere Herzensfreude und starken Schutz und Trutz wider die Furcht des Todes und Schrecken der Sünde bringt, so fahren wir billig in unsrer Passionsandacht fort und erwägen aus diesem dritten Worte:

wie jeder bußfertige Sünder hieraus schließen könne, daß er nicht verloren, sondern nach seinem Tode alsbald bei Christo im Paradiese sein solle.

Ach HErr JEsu, erhebe über uns das Licht Deines Antlitzes und laß es in aller betrübten Sünder Ohren und Herzen tröstlich klingen. Amen.

Daß du bekümmerter Sünder nun deiner Seligkeit bei CHristo gewiß sein sollst, das bezeugt genugsam die unaussprechliche Freundlichkeit und Leutseligkeit Christi, welche er diesem Schächer erwiesen hat. So spricht der HErr zu ihm: Wahrlich ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein, als wollte Er sagen: wohlauf du betrübter Sünder, laß all dein Trauern fahren, sei fröhlich und getrost; dir geschehe, wie du geglaubet hast. Was du bittest, das soll Ja und Amen sein. Ich der HErr rede es und thue es auch. Weil du dir deine Sünde lässest herzlich leid sein und versiehst dich alles Guten zu mir, erkennst nicht allein im Herzen, sondern bekennst auch mit dem Munde, daß ich der verheißene Messias, der ewige König und Hohepriester sei; siehe so verspreche ich dir bei meinem wahren Wort und schwöre dir einen theuren Eid: heute, ja alsbald diese Stunde, ja eben diesen Augenblick sind deine Sünden kassiert und durchstrichen. Ihrer soll in Ewigkeit nicht mehr gedacht werden. Jetzt ist nichts Verdammliches mehr an dir. Ich hänge hier vor deinen Augen am Kreuz voller Schmerzen und Krankheit, mein ganzer Leib rinnt von lauter Blut. Ich werde auch bald meinen Geist aufgeben und sterben. Dessen freue und tröste dich!

Dies Alles leid' ich dir zu gut,
Das halt mit festem Glauben!
Mein' Unschuld trägt die Sünde dein,
So bist du selig worden.

O du süßer und leutseliger HErr JEsu, wie lieblich wird ihm diese Deine gnadenreiche Troststimme in seinen Ohren erklungen sein! Wie wird sie ihm sein traurig Herz erfreut und seine abgemattete Seele in ihrer Angst wie ein kühles Lüftlein erquickt haben! Hat dir doch der HErr eine gelehrte Zunge gegeben, daß du wissest mit den Müden zu reden. - Der HErr hat Dich gesandt den Elenden zu predigen und die zerbrochnen Herzen zu verbinden. Ach daß ich hören sollte, daß Du HErr JEsu auch zu meiner betrübten Seele also redetest. Nun wohlan, gib dich zufrieden, meine Seele. Freilich redet noch heute der HErr in Seinem Wort eben so tröstlich mit dir, wenn du dich von Herzen zu Ihm bekehrst.

So erweist Er gegen alle bußfertigen Sünder Seine große Freundlichkeit, indem Er ihr Bußgebet und inbrünstigen Herzensseufzer alsbald erhört. CHristum nicht allein Seine Feinde unter dem Kreuz, sondern auch der Schächer zur linken Hand lästerte, war Er wie ein Stummer und Tauber; aber jetzt, da sich dieser große Sünder zu Ihm wendet und Ihn anruft, hört und redet Er halt. Kaum hatte der Schächer sein Gebet beschlossen, im Augenblick erfreut ihn der HErr mit einer sehr tröstlichen Antwort. Sobald Ephraim betete: Bekehre Du mich HErr, so werde ich bekehret, - so gibt ihm GOtt von Stund' an eine schöne herzlabende Antwort und spricht: Ist nicht Ephraim mein theurer Sohn und mein trautes Kind? Ich denke noch wohl daran, was ich ihm geredet habe. Darum bricht mir mein Herz gegen ihn, daß ich mich sein erbarmen muß.

Wer war Manasse, der König in Juda? Hatte er nicht Juda und die zu Jerusalem verführt, daß sie ärger thaten als die Heiden, die der HErr vor den Kindern Israel vertilgt hatte? Dennoch als er sich in seinem Gefängniß vor dem HErrn demüthigte und sprach: Ich bitte Dich HErr um Gnade. Ach HErr ich habe gesündigt und erkenne meine Missethat. Ich bitte und flehe, vergib mir o HErr, vergib mir. laß mich nicht in meinen Sünden verderben und die Strafe nicht ewig auf mir bleiben - siehe, da erhörte der fromme GOtt alsbald sein Flehen, vergab ihm seine Missethat und brachte ihn wieder gen Jerusalem in sein Königreich. - Gedenke an den Zöllner. Durfte er doch seiner Bosheit halben seine Augen nicht gen Himmel aufheben. Dennoch als er mit betrübtem Munde und Gemüthe betete: GOtt, sei mir Sünder gnädig! alsbald wurden seine Seufzer erhört und er ging hinab gerechtfertigt in sein Haus. - Wer war Maria Magdalena? Traun eine öffentliche Sünderin. Dennoch als sie vor GOtt mit ganz traurigem Herzen lag und vor großem Seelenschmerz kein Wort sagen konnte, sondern nur mit Thränen und Seufzern Gnade begehrte; alsbald erhörte sie der HErr, antwortete ihr und sprach: Sei getrost, deine Sünden sind dir vergeben. Gehe hin in Frieden. Wer war Paulus? Ein grausamer Verfolger der Christen. Als er aber in seiner Angst betete: ach HErr, was willst Du, daß ich tun soll? da gab ihm bald der HErr eine freundliche Antwort und sprach: Gehe hin in die Stadt, da wird man dir sagen, was du thun sollst; und ließ ihn von seinen Sünden durch Ananias loszählen. Also noch heute, du betrübte Seele, sobald du mit recht bußfertigem Herzen vor GOtt niederfällst und mit David rufst: GOtt, sei mir gnädig nach Deiner großen Güte; so stehen Seine Gnadenohren Deinem Gebet offen und Er antwortet dir: Ich vertilge deine Missethat wie eine Wolke, und deine Sünde wie den Nebel. Ja meine Seele, ist doch Freude über dich im Himmel, wenn du dich bekehrst; wie sollte denn dein Bußgebet nicht erhört werden?

CHristus erweist noch heute allen bußfertigen Herzen Seine große Leutseligkeit, indem Er ihnen Seine große Gnade mit Seinem wahrhaftigen Munde zusagt. Zum Schächer spricht Er: Ich sage dir; traue meiner Zusage; du sollst es in der That erfinden, daß du Vergebung deiner Sünden hast; denn ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ich bin die Thür, so Jemand durch mich eingeht, der wird selig. Also du hochbetrübter Sünder, warum wolltest du verzweifeln? Eben der HErr, welcher diesem Mörder Gnade und Seligkeit versprochen hat, der thut auch dir in Seinem Wort allerlei kräftige Trostverheißungen, daß du, sofern du dich nur von Herzen zu ihm bekehrst, gewiß ein Erbe des Himmels sein und bleiben sollst.

Höre doch mit Lust und Freuden an, was der Herr dein Gott sagt. So spricht dein himmlischer Vater: Ich will die müden Seelen erquicken und die bekümmerten Seelen sättigen. Ich will ihnen ihre Missethat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken. Ist das nicht eine sonnenklare Verheißung? Jedoch, damit dein zaghaftes Herz noch weiter versichert werde, so höre auch deinen treuen Heiland reden. So spricht Er: Ich will das Verlorne wieder suchen und das Verirrte wieder bringen. Ich will das Verwundete verbinden und des Schwachen warten. - Kommt her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Hast du noch nicht genug, du traurige Seele, so höre auch den heiligen Geist, wie er durch die theuren und treuen Gottesmänner so tröstlich redet. Des HErrn Zorn, spricht der König David, währet einen Augenblick und Er hat Lust zum Leben. - Gnädig und barmherzig ist der HErr, geduldig und von großer Güte. Der HErr ist allen gütig und erbarmt sich aller Seiner Werke. Der HErr erhält Alle die da fallen und richtet auf Alle die da niedergeschlagen sind. – Bessert euer Wesen und Wandel, spricht Jeremias, und gehorcht der Stimme des HErrn eures GOttes, so wird den HErrn auch gereuen das Uebel, das Er wider Euch geredet hat. Wie sagt der Apostel Paulus? GOtt will, daß allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntniß der Wahrheit kommen.

Wohlauf nun, du betrübter Sünder, erwäge und bewege alle Worte deines GOttes mit besonderm Fleiß; du wirst klar finden, daß dir deine Sünden sollen vergeben werden. Denn du hast die gewisse, richtige Zusage, nicht eines sterblichen Menschen, sondern GOttes, der allein wahrhaftig ist, und hält was Er redet. Es ist unmöglich, daß Er sollte lügen.

So erweist der HErr Seine Leutseligkeit auch heute gegen alle bekümmerten Sünder, wie gegen den Schächer, noch zum Ueberfluß mit einem theuren Eidschwur: Wahrlich ich sage dir, spricht Er. Was ich dir versprochen habe, das soll geschehen. Setze allen Zweifel bei Seite. Zum sichern und festen Anker hast du meinen Eid. Ach HErr JEsu, wie unaussprechlich ist Deine Barmherzigkeit, daß Du um eines solchen großen Sünders willen schwörest, da du vielmehr guten Fug hättest, ihn zeitlich und ewig zu strafen. Hier erweisest Du, daß das Deine Lust und Freude sei, wenn Du den Menschen Gutes erzeigen kannst. Ach sei gelobet und gepriesen in alle Ewigkeit!

Dies, liebe Seele, bedenke abermal, die du deiner Sünden halber trauerst. Willst du GOttes Zusage nicht trauen, die doch nimmermehr fehlen kann; ei so glaube doch Seinem. theuren Eide, damit Er dir ebensowohl als dem Schächer Seine Gnade bekräftigt hat. So spricht Er zum Propheten Ezechiel: Du Menschenkind, sage dem Hause Israel: Ihr sprecht also: Unsre Sünde und Missethat lieget auf uns, daß wir darunter vergehen; wie können wir denn leben? So sprich zu ihnen: So wahr als ich lebe, spricht der HErr HErr, ich habe keinen Gefallen an dem Tode des Gottlosen, sondern daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe.

Schaue an deinen Erlöser. Der recket auch gleichsam zween Finger auf, schwört dir doppelt und spricht: Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wer mein Wort höret und glaubet Dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist vom Tode zum Leben hindurch gedrungen. Und noch einmal: Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wer an mich glaubet, der hat das ewige Leben.

Wohlauf nun, meine traurige Seele, ists zu wenig, daß dir GOtt Seine Gnade verheißen hat? Siehe, Er hat dir noch dazu einen Eid gethan. Der HErr hat geschworen und wird Ihn nicht gereuen, sagt David. Als Eleasar Abraham seinem Herrn die Hand unter die Hüfte legte und ihm schwur, daß er die ihm aufgetragene Ehesache mit Isaak sich wollte aufs Beste angelegen sein lassen, da traute ihm Abraham und gab sich zufrieden, und Eleasar hielt auch getreulich seinen Eid. - Die Kundschafter, welche Josua ausgesandt hatte das Land zu erkunden, schwuren der Rahab, daß sie samt ihrem ganzen Geschlecht nach Eroberung der Stadt Jericho beim Leben gelassen werden sollte. Der Eid ward ihr getreulich gehalten. - Josua und die Obersten wollten auch den Eid nicht brechen, welchen sie den Gibeonitern geschworen hatten, unangesehen, daß sie mit List von ihnen hintergangen waren. Ei sollte denn der HErr dein GOtt Seinem Eide nicht treulich nachkommen, den Er dir geschworen hat? Das sei ferne! Seine Wahrheit will er nicht fehlen lassen. Er hält Glauben ewiglich. Und wer Ihm nicht glaubt, der macht ihn zum Lügner, spricht Johannes. Das ist schrecklich.

Aus dieser großen Freundlichkeit Jesu Christi kannst du nun freilich, du bußfertig Herz, schließen und wissen, daß dir deine Sünden gewiß vergeben sind. Wie wolltest du denn verzagen?

Zum Andern überzeugt dich genugsam, daß kein bußfertiger Sünder verloren sein soll, des Schächers Bosheit und seine vielfältigen, schweren Uebelthaten. Wer ists, dem der HErr hier eine so tröstliche Absolution zugesprochen hat? Ists Noah, der treue Prediger der Gerechtigkeit, der sich dem Trunk überließ und seinen jüngsten Sohn ärgerte? Ists Moses, der angenehme Freund GOttes, der sich aus Schwachheit mit Mißtrauen an dem HErrn versündigte? Nein, meine Seele, sondern dieser Mensch ist fürs Erste ein Räuber und Mörder. Sein Mund war frech, Böses zu reden, seine Füße geschwinde zum Argen, seine Hände geneigt zur Gewaltthat. Er verschonte nicht des Armen, noch der Witwe in ihrem Elend. Er nährte sich von Rauben und Morden. Er war in seiner Missethat ergriffen, hing allda am Kreuzesgalgen und empfing seine wohlverdiente Strafe. Fürs Andre war dieser Schächer ein solcher Sünder, der nicht einmal an seine Bekehrung oder an GOtt gedacht, noch seine Seligkeit bedacht. Sein ganzes Leben hatte er in eitel Bubenstücken zugebracht, seine Buße aber von Tag zu Tage, von Jahr zu Jahr bis zur letzten Stunde gespart. Er mußte alle Augenblicke gewärtig sein, daß ihm seine Seele ausführe. Wäre er vor seiner Bekehrung vom Tode überfallen, so hätte er ewig müssen verloren und im höllischen Feuer ein Gesell sein aller verdammten Mordgeister.

Ob er nun zwar solche überaus schrecklichen Sünden gethan und mit fremdem Gut und Blut sein Gewissen beschwert, ob er auch gleich seine Bekehrung bis aufs letzte Stündlein hingezogen hatte; dennoch als er seine Sünde herzlich und schmerzlich bereut, sich wahrhaftig zu GOtt bekehrt, des Verdienstes Christi tröstet, in wahrer Buße sich zu JEsu wendet und spricht: HErr, gedenke mein, wenn Du in Dein Reich kommst, da erlangt er Gnade, wird von seinen Sünden absolviert, dem Teufel aus dem Rachen gerissen und zur Erbschaft des ewigen Lebens auf- und angenommen. Ei wer wollte jetzt verzweifeln, sagt Augustin, weil auch der Schächer am Kreuz selig worden ist? Damit CHristus die Missethäter erlösete, ist Er unter die Missethäter gerechnet. Sich selbst hat Er der Schmach und Schande des Kreuzes überliefert, auf daß Er einen Mörder selig machte. Aber nicht ihm allein ist dies geschehen; denn indem Er einen solchen Uebelthäter gnädig losmacht und einem solchen Schuldner die Summe seiner ungeheuren Schuld erläßt, hat Er dem ganzen menschlichen Geschlecht gewisse Gnade verschrieben, auf daß eines Verzweifelten Absolution allem Volk zu Trost und Hoffnung gereiche und aus einem Privatgeschenk ein allgemeiner Vortheil erwachse.

Schreckt dich, du geängstete Seele, die Menge deiner Sünden, ei gedenke bald an diesen Schächer. Wie viel unzählige Schandthaten hatte er begangen von Jugend auf! Nimm vor dich den König David, wie klagt er: Es haben mich meine Sünden ergriffen, daß ich nicht sehen kann. Ihrer ist mehr denn Haare auf meinem Haupt und mein Herz hat mich verlassen. Wie spricht Manasse, der viel unschuldig Blut vergossen? Meiner Sünden sind mehr als des Sandes am Meer. Wie vielmal hatte Maria Magdalena gesündigt! Dennoch haben sie allzumal, da sie sich von Herzen bekehrten, Vergebung der Sünden und Gnade bei GOtt erlangt. Bekehre du dich auch mit dem Schächer, bekenne deine Sünden mit David, bereue sie mit Manasse, beweine sie mit Maria Magdalena, so sollen sie dir verziehen sein. So sagt der geistreiche Prophet Jesaias: Suchet den HErrn, weil Er zu finden ist. Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Uebelthäter seine Gedanken und bekehre sich zum HErrn, so wird Er sich sein erbarmen und zu unserm Gott, denn bei Ihm ist die Vergebung. Ja bei Ihm ist viel Vergebung und Er wird Israel erlösen aus all seinen Sünden. Denn nicht um der Werke willen, die wir gethan hatten, sondern nach Seiner Barmherzigkeit macht uns GOtt selig. Wir halten mit Paulus dafür, daß der Mensch gerecht werde ohne Verdienst aus lauter Gnaden durch die Erlösung, so durch Christum JEsum geschehen ist. – O HErr, dessen bin ich gewiß, daß ich mit meinen Sünden die ewige Verdammniß verdient habe. Noch gewisser bin ich dessen, daß ich mit meiner Buße nicht genug thun kann für meine Sünden. Am allergewissesten aber weiß ich, daß Deine Barmherzigkeit weit übertrifft all meine Bosheit, spricht Anselm.

Schreckt dich die Größe deiner Bosheit, daß du bei dir gedenkst: ja wenn ich nur eine geringe und kleine Sünde begangen, die nicht viel auf sich hätte, dann wollte ich noch hoffen, GOtt würde mir gnädig sein. Aber nun ist meine Uebertretung gar zu groß; schwerlich werde ich Gnade erlangen können. - Eben dieser Angst wirkende Schreckengeist quälte den Brudermörder Cain. Darum sprach er : Meine Sünde ist größer, denn daß sie mir könnte vergeben werden. In solcher Traurigkeit denke alsbald an diesen Schächer. Waren seine Uebelthaten nicht groß und schrecklich? Hatte er nicht seine Zeit mit Morden zugebracht und seine Hände mit Menschenblut besudelt? davon GOtt selbst sagt: Wer Menschenblut vergießt, deß Blut soll wieder durch Menschen vergossen werden. Hatte er nicht andern Leuten das Ihre mit Gewalt genommen und sich vom Raub genährt? Davon sagt Gott: Wehe dir, der du raubest! du wirst wieder beraubt werden.

Siehe an noch andre Exempel. Wer waren Adam und Eva? Traun die größten Sünder, die nicht allein für ihre Person einen greulichen Sprung gethan aus GOttes Reich in Satans Mordgrube, aus ewiger Freud' in ewiges Leid, aus dem Himmel in die Hölle, aus der Seligkeit in die Verdammniß; sondern sie hatten auch mit sich all' ihre Kinder und Nachkommen, das ganze Menschengeschlecht in Sünde und Tod gestürzt. Dennoch hat sie der Sohn Gottes absolviert und getröstet. Ist das nicht ein Großes, daß König David mit Bathseba in Ehebruch gerathen und hernach auch an ihrem Mann Uria zum Meuchelmörder worden ist, und gemacht hat, daß die Heiden GOtt greulich gelästert haben? Dennoch ließ ihn GOtt durch Nathan seiner Sünden loszählen. Ist das nicht ein Großes, daß jenes Weib im Ehebruch ergriffen ward? Dennoch spricht CHristus zu ihr: Hat dich Niemand verdammt, so verdamme ich dich auch nicht. Gehe hin und sündige fort nicht mehr. Ist das nicht ein Großes, daß Paulus die Gemeinde GOttes, an welche CHristus Seine Blutstropfen gewagt, aufs Greulichste verfolgt hat? Daher er sich selber den größten unter allen Sündern erkennt und nennt. Dennoch als er wahre Buße that, ist ihm Barmherzigkeit widerfahren. Ei so bekehre dich auch von Herzen, so wird dich GOtt zu Seinem Kinde annehmen. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, läßt Er Seine Gnade über uns walten. Wo die Sünde mächtig worden ist, da ist die Gnade GOttes viel mächtiger worden. Chrysostomus spricht: bist du ein Zöllner, du kannst ein Evangelist werden; bist du ein Räuber, du kannst ein Bürger des Paradieses werden. Es ist keine Bosheit so groß, sie kann durch wahre Buße abgelegt werden.

Schreckt dich endlich die Länge deiner Sünden d. h. die geraume Zeit, die du in eitel Sünden gelebet und gelegen hast, und meinest: ach ich sollte eher dazu gethan haben! — Ja freilich wohl! Aber doch, weil du noch lebest, ist Nichts versäumt. Sei getrost und fürchte dich nicht. Siehe dein GOtt kommt und wird dir helfen. Gedenke in solcher Anfechtung bald an diesen Schächer, der in seiner Bosheit bis zur letzten Stunde gewartet und gleichwohl da er sich von Herzen bekehrte, Gnade erlangt hat. Ei die Barmherzigkeit GOttes währt immer für und für bei denen so Ihn fürchten, singt Maria. Seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende. Sie ist alle Morgen neu und Seine Treue ist groß.

Wie trefflich schön redet Cyprian: Denselben Augenblick, da des Schächers Seele zum Abschied eilte aus ihrem Körper und ihm gleichsam schon auf der Zunge saß, da hat der barmherzige GOtt die Buße nicht verachtet, die keinmal zu spät kommt, wenn sie rechtschaffen ist. Und an einem andern Ort: Nicht die Größe der Sünde, noch die Kürze der übrigen Zeit; nicht die letzte Stunde, nicht die greuliche Bosheit des Lebens schließt dich von der Gnade GOttes aus, wenn deine Buße wahrhaftig ist und eine reine Aenderung deiner Sündenlüste schafft. Er hat Geduld mit uns und will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß sich Jedermann zur Buße kehre und lebe.

GOtt ist so jach (eifrig) nach uns, als wollte Ihm Sein göttlich Wesen zerrinnen, pflegt Tauler öfter zu sagen.

Doch aber, lieber Mensch, mißbrauche ja um Gottes willen diesen schönen Trost nicht zur Sicherheit. Sirach 5, 4. spricht: Denke nicht, o ich habe wohl mehr gesündigt und ist mir nichts Böses widerfahren. GOtt ist sehr barmherzig; er wird nicht strafen, ich sündige wieviel ich will. Ach, Er kann bald so zornig werden, als Er gnädig ist und Sein Zorn über die Gottlosen hat kein Aufhören. Der HErr, welcher dem Bußfertigen Seine Gnade versprochen, hat demjenigen, der in Sünden sicher fortfährt, den morgenden Tag nicht verheißen, sagt Prosper. Was ist dein Leben? Lies es rückwärts, so ists nichts als Nebel. Wie bald gehts dahin! Nun heißts aber: wie der Baum fällt, so wird er liegen. Ja gedenke auch an den andern Schächer, der in seinem Sinn und Wesen verharrte und darüber zum Teufel fuhr. Cyprian sagt: wenn du von dannen wirst geschieden sein, so wird es keinen Ort mehr geben zur Buße. Hier wird das Leben entweder verloren oder erhalten zum ewigen Leben.

Heute so du des Höchsten Stimme hörest, verstocke beine Ohren nicht; sonst möchte der gerechte GOtt an dir erfüllen Seine Drohworte: Ich habe geschworen in meinem Zorn, sie sollen zu meiner Ruhe nicht kommen.

Zum Dritten und Letzten tröstet und überzeugt dich auch von der Gnade GOttes die ewigwährende Paradiesesfreude, welche CHristus dem bußfertigen Schächer versprochen hat mit den Worten: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein. Der Sünden halber ist dir das Paradies versperrt gewesen; aber sei getrost, heute soll es dir offen stehen. Ich will nicht allein daselbst an dich gedenken, sondern du sollst auch mit mir darinnen sein; und zwar nicht etwa über lange Zeit, sondern heute. Eben den Augenblick, wann deine Seele wird vom Leibe abscheiden, soll sie von den Engeln hinein getragen werden. Du sollst in meinem Reich ewig mit mir leben und regieren in aller Freud' und Wonne. Augustin sagt: Das ist die Herrlichkeit des Paradieses, einen solchen HErrn zu haben, der auch einen Mörder würdig machen kann zu den Paradiesesfreuden. Eines solchen HErrn Himmelreich ist es, Huren und Zöllner so gerecht darzustellen, daß sie der Gnade und Herrlichkeit dort werth erscheinen. Denn wie ein Arzt, so ist auch CHristus mit Recht zu bewundern, wenn Er unheilbare Wunden an Leib und Seele kuriert.

Unter dem Paradies versteht der HErr hier nicht den irdischen Lustgarten gegen Morgen, darein GOtt unsre ersten Großeltern gesetzt hatte, wie Etliche meinen, dieser Garten sei noch vorhanden und werde auch bleiben bis an den letzten Gerichtstag; in demselben wären Henoch, Elias und der Schächer: auch wäre St. Paulus darein entzückt worden; ja in denselben würden auch alle Seelen der Gerechten geführt und müßten dort bleiben bis zum jüngsten Tage. Unterdeß hätten sie zwar Freude, würden aber nicht zum seligen Anschauen GOttes gelassen. Aber dies ist der Wahrheit wenig ähnlich. Da der Erdkreis durch die Sündfluth ganz verwüstet ist, so wird ohne Zweifel der herrliche Paradiesgarten mit verschwemmt sein. Und obschon einige schließen wollen, daß das Paradies in der Luft und nicht weit vom Mond gewesen sei, so läuft solche Meinung stracks wider Mosen.

Demnach redet hier CHristus nicht vom irdischen Lustgarten, sondern vom himmlischen Paradies und Freudenort, wo die Seelen der Auserwählten die Herrlichkeit GOttes genießen und im Frieden sind. Gleichwie die heilige Schrift das höllische Feuer wegen des Heulens und Schreiens Gehenna nennt, welches ein Ort bei Jerusalem war, wo die Eltern ihre Kinder dem Abgott Moloch opferten und durchs Feuer gehen ließen, wobei es ohne Geschrei und Geheul nicht abging; so nennt hier auch der Sohn GOttes das himmlische Leben ein Paradies und Lustgarten, wegen der großen Freud' und Wonne, deren die Seelen in jener Welt genießen, wo sie frei sind von der Sünde, sicher vor dem Tode, aller Trübsal entnommen und schauen GOtt von Angesicht zu Angesicht und haben Freude die Fülle. Ja CHristus will hierdurch anzeigen, Er sei der HErr, welcher die Thür des Paradieses, die um des kläglichen Sündenfalls willen unsrer ersten Eltern verschlossen und durch einen Cherub mit feurigem Schwert verwahrt worden, wieder durch Sein Blut und Tob aufgethan und uns einen sichern Eingang ins ewige Leben erworben habe. Dessen freue und tröste dich, du bußfertiger Sünder. Du sollst nicht allein hier einen gnädigen GOtt, sondern auch nach deinem Tode einen freien Eingang in den Himmel haben.

Das ist ein schöner Trost denen, so auf ihrem Todbettlein liegen und diese Welt gesegnen sollen. Darum bedenke, wohin du nach deinem Tode gelangest. Wenn du in wahrem Glauben an JEsum CHristum abscheidest, so kommt beine Seele ins Paradies, ins Haus GOttes, in den Himmel, in Abrahams Schoß, in das himmlische Jerusalem; denn nicht nur wegen des Schächers Seele hat CHristus das Paradies aufgethan, sondern um der Seelen willen aller Heiligen, sagt Athanasius. Und Bonaventura spricht: Die Leiter zum Paradies ist in Adam gebrochen, in CHristo wieder hergestellt.

Heut schleußt Er wieder auf die Thür
Zum schönen Paradeis;
Der Cherub steht nicht mehr dafür,
Gott sei Lob, Ehr und Preis.

Wer will diese Freude aussprechen? Der geistreiche Prophet Jesaias und nach ihm der hocherleuchtete Heidenapostel Paulus, da sie diese Herrlichkeit beschreiben wollen, müssen sie darüber gleichsam verstummen, denn die Sache ist ihnen zu hoch. Sie sagen nur: Es hats kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und ist in keines Menschen Herz gekommen die Freude, welche GOtt bereitet hat denen, die Ihn lieb haben.

Was hast du, o Mensch, in dieser Welt für Herrlichkeit? Müh' und Arbeit. Was ist dein Leben? Ein stets währender Kampf und Streit. Ja was ist die Welt, darin du wohnest? Ein Thränenthal. Mußt du nicht klagen mit David: Ich liege mit meiner Seele unter den Löwen. Die Menschenkinder sind Flammen, ihre Zähne sind Spieße, ihre Zungen scharfe Schwerter. Aber an deinem letzten Ende wird deine Seele ins schöne Paradies geführt. Da ist ewige Freude über deinem Haupt. Freud' und Wonne werden dich ergreifen, aber Schmerz und Seufzen wird weg müssen.

Sei getrost in deinem Sterbestündlein und fürchte den Tod nicht, sondern bedenke die Zeit, wann deine Seele an diesen himmlischen Freudenort gelangen soll. Heute, spricht CHristus zum Schächer, nicht erst über etliche Tage, Monden und Fahre; sondern alsbald wenn deine Seele vom Leibe ausfährt, kommt sie auch ins Paradies. Laß sich demnach die Papisten bei ihrem erdichteten Fegfeuer wärmen und reinigen, solange sie wollen. Du tröste dich der edlen Blutströpflein Jesu Christi, wodurch du von Deinem Sündenkoth gewaschen bist, und erinnere dich, was die Schrift sagt: Der Gerechten Seelen sind in GOttes Hand und keine Qual rühret sie an.- Selig sind die Todten, die in dem HErrn sterben von Nun an. Der Geist kommt wieder zu Gott, der ihn gegeben hat. Wo ward Lazari Seele hingetragen? Nicht in die Vorburg der Hölle, sondern in Abrahams Schoß. Hätte es irgend Jemand Noth gethan im Fegfeuer gefegt zu werden, so hätte es dieser Mörder bedurft. Aber der HErr sagt zu ihm: Heute, heute wirst du mit mir im Paradiese sein. Alsbald in einem Augenblick ist der Schächer vom Kreuz in den Himmel kommen, wie es Augustin auslegt.

Sei getrost in deinem letzten Stündlein, du bußfertiger Sünder, und bedenke, zu wem du nach deinem Tode gelangst. Deine Seele kommt zu CHristo. Mit mir sollst du im Paradiese sein, spricht der HErr. Ach, das ist ja über die Maßen tröstlich. Pries doch die Königin aus Arabien die Knechte des Königs Salomo selig, daß sie täglich vor ihm stehen und seine Herrlichkeit sehen könnten. Siehe hier ist mehr denn Salomo. Und du, meine Seele, wolltest dich nicht vielmehr glücklich schätzen, daß du bei deinem Heiland JEsu CHristo sein wirst? Traun, sagt Augustin, bei CHristo sein bedeutet die ganze Summa der höchsten Güter, alle Fülle der Freuden, alle Reichthümer des Himmels. Außer CHristo wird Nichts gesucht, denn in Ihm wird Alles gefunden, was man nur begehren kann.

Wie schön vertröstet sich darauf dein Heiland selbst! Ich will wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf daß ihr seid, wo ich bin. - Vater, ich will, daß wo ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast, daß sie meine Herrlichkeit sehen. Darauf freute sich David und sprach: Ich will wandeln vor dem HErrn im Lande der Lebendigen. Das wünschte sich auch das kluge Weib von Thekoa mit den Worten: die Seele meines Herrn sei eingebunden in das Bündlein der Lebendigen bei dem HErrn. O wie manch frommes himmelsehnendes Herz mag wohl unter uns oftmals seufzen: Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, GOtt, zu Dir. Nun, gib Dich zufrieden, meine Seele. Wie lange währt das Leben? Dann sollst du deines Wunsches theilhaftig werden. Du wirst deinen HErrn JEsum CHristum nicht allein sehen von Angesicht zu Angesicht, sondern auch bei Ihm bleiben allezeit und dich mit ihm in ewigen Freuden ergötzen. Eia, wären wir da!

Ach Du allersüßester, ach Du allerliebster HErr JEsu, an meinem letzten Ende rede auch meine Seele an wie den Schächer: wahrlich ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein.

O GOttes Lamm, HErr JEsu CHrist,
Der Du für uns geschlachtet bist
Und ein Sündopfer worden;
Dein Leiden, Kreuz und bittrer Tod
Sei unser Trost in aller Noth.
HErr CHrist, das hilf uns. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/heermann/heptalogus/das_dritte_wort.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain