unbekannt - Züge aus dem Leben und Wirken des Missionars Samuel Hebich

unbekannt - Züge aus dem Leben und Wirken des Missionars Samuel Hebich

(aus dem Jahr 1864)

Samuel Hebich ist geboren den 29. April 1803 in Nellingen, einem Dorfe des Ulmer Gebiets, wo sein Vater vieljähriger Pfarrer war. Von dem alternden Manne wurde er in großer Stille ziemlich originell erzogen und notdürftig unterrichtet, nachdem seine älteren Brüder schon nach allen Winden zerstreut waren. Mit Freuden folgte er ihnen im 14. Jahr in die weite Welt, indem er zunächst in das Geschäft seines in Lübeck etablierten Bruders trat, welcher väterlich für ihn sorgte und durch Privatunterricht die Lücken seiner Erziehung auszufüllen bemüht war. Was im Innern des Jünglinge vorging, konnte Niemand entdecken; umsonst suchte er einen Freund, der ganz mit ihm fühlen könnte; es wollte sich keiner finden. Immer dichtere Wolken lagerten sich um sein Gemüt; „es war eine harte Zeit,“ schreibt er, „ich hatte durch Sünde den ewigen Tod verdient; das Gewissen ließ mir keine Ruhe mehr, und Gottes Gesetz bestätigte seine Verdammung.“ Er begann zu zittern und zu beben vor dem heiligen Gott und fühlte sich längere Zeit am Rande des Abgrunds, bis er - es war auf einem Volksfest im Sommer 1821 - durch die unerträgliche Last getrieben, sich in ein abseits liegendes Feld zurückzog und, auf die Kniee niedergeworfen, seine Augen zu dem Reinen und Heiligen aufzuheben wagte. Da fand er statt des irdischen einen ewigen Freund, der sich zu seiner Schwachheit herabließ und bei seiner großen Unbekanntschaft mit der Gnadenanstalt des Evangeliums ihm die Sündenlast abnahm, ehe er noch irgend welche Einsicht in das Opfer Christi erlangt hatte. Wiederkehrende Sündengefühle und allerhand Verstandeszweifel trieben ihn mehr und mehr in die heilige Schrift, zunächst alten Testamentes, wodurch er Strenge gegen sich selbst üben lernte. In den Predigten des sel. Geibel war auch jeden Sonntag etwas Neues zu lernen, namentlich frappierte den Jüngling, dass dieser Mann immer zu Christo betete. Es kam aber die Zeit, da die Hülle von den Augen fiel und die Herrlichkeit des Eingebornen vom Vater sich ihm offenbarte. Von da an löste sich alles Gesetz in das Eine Gebot auf, Den wieder zu lieben, der uns zuerst geliebt hat. Er lernte sich Andern mitteilen, und das Wort zündete. Da drang es ihn, zu den Heiden zu gehen und den Verlorensten die Botschaft vom vollkommenen Heil zu bringen. Der treue Pastor aber riet: damit solle er warten, bis er nicht mehr anders könne, einstweilen aber im erwählten Berufe Christo dienen und in allen Dingen dem Evangelio würdig wandeln. Das war im Jahr 1823. „Bei der tiefen Achtung für meinen väterlichen Freund war mir dieser Ausspruch bestimmend, obgleich ich darüber ein halb Jahr fast viel litt.“

Von Hebichs weiterer Laufbahn, als Handelsreisender in Russland und Schweden ist wenig zu berichten; ein Plan, als Agent auf einem Gut in Finnland „das tägliche Brod zu verdienen und dabei das selige Evangelium umsonst zu verkündigen,“ befriedigte ihn nicht auf die Länge. Er konnte keine Ruhe finden, bis er (Dezbr. 1830) dem sel. Inspektor Blumhardt in einem charakteristischen Brief sein Herz auftat, erzählte, wie er „zu dem festen Entschlusse“ gekommen sei, das Evangelium unter den Heiden zu verkündigen, und um Aufnahme in die Missionsschule bat. Zum Schluss heißt es: „Wünschen Sie aber vielleicht auch noch zu wissen, was ich für ein Landsmann bin, so bin ich ein ehrlicher Schwabe, geboren in Nellingen, unweit Ulm.“ Monate vergingen, ohne dass die Lübecker Freunde ihm eine befriedigende Antwort schicken konnten. Ein Missverständnis ließ ihn fürchten, die Verzögerung der Aufnahme rühre von seiner eingestandenen Mittellosigkeit her; da trat die Gutsherrin für ihren Agenten ein und bot die Mittel zu seiner Ausbildung im Missionsinstitut an. Auch Pastor Geibel verwandte sich für ihn1). Am meisten aber empfahl er sich selbst, indem er (Juli 1831) sein Herz noch weiter aussprach, und zeigte, wie er, Gottlob! wisse, „dass auf die bedeutungsvolle Frage: wie kann ein Sünder gerecht und selig werden vor Gott? die bestimmteste Antwort gegeben werden kann,“ wie er, der schon manche Trübsal um der Wahrheit willen erfahren habe, hoffe in der Kraft Christi als Sein Diener unter den Heiden zu wandeln und Seine Selbsterniedrigung nachzuahmen, wie er aber allerdings ein wirklich armer Sünder sei. „Gott hat mich nach Seiner unbegreiflichen Barmherzigkeit nur mit mittelmäßigen Gaben ausgerüstet, und meine Kenntnisse sind gering. Meine Meinung ist auch nicht, ein großer Gelehrter zu werden. Bin aber gewiss, dass mir mein Gott so viel Kraft geben wird, dass ich erlernen kann, was zu meinem oder vielmehr Seinem Amte nötig ist. Er hat das Christentum durch angelehrte Handwerker gegründet, die aber in Seiner Kraft mächtig waren. Mit einem Teile dieser Seiner Kraft wird Er auch noch in unserer Zeit Seine Heidenboten zu Seiner Ehre ausrüsten. Denn Er ist ein lebendiger Gott und steht zu Seiner Sache; das ist mein Glaube und mein Gebet.“

Der Inhalt dieser Briefe schien dem Komitee zu Basel eine solche Reife des Missionssinns kund zu tun, dass es einstimmig beschloss (31. August), den S. Hebich auf eine Jahresprobe einzuberufen.

Am Christabend 1831 trat er ins Missionshaus zu Basel ein und rechtfertigte bald das in ihn gesetzte Vertrauen. Es war nicht Sprachengabe, überhaupt nicht wissenschaftliches Talent, was ihn irgend ausgezeichnet hätte, sondern was ihn zum Evangelistenamt unter den Heiden so besonders tüchtig machte, das war die freudige Zuversicht seines eigenen Gnadenstandes bei Gott, die Innigkeit und Kraft seiner Liebe zu verlorenen Sündern, die Macht seines Zeugnisses von der in Christi Blut uns erworbenen Gerechtigkeit und die unwiderstehliche Auffassungsgabe, mit der er Alte und Junge, Vornehme und Geringe, Gelehrte und Ungelehrte, immer gleich an der rechten Stelle zu fassen verstand. Schon die ersten Jahre seines Aufenthalts im Missionshause gaben ihm reiche Gelegenheit zur Entfaltung und Übung dieser Gnadengaben. Es war die Zeit der Kämpfe der Stadt Basel mit der Landschaft und der darauf folgenden Besetzung der Stadt mit eidgenössischen Truppen. Von den letzteren besuchten Viele die Missionsanstalt, angezogen von den dort sich findenden Merkwürdigkeiten aus heidnischen Ländern. Hebich war es vorzüglich, der diese militärischen Besucher im Hause umherführte und mit den Dingen bekannt machte. Aber nicht die Götzenbilder im Kuriositätenkasten allein waren es, die er ihnen vorwies, sondern er deckte ihnen auch die Götzen und das Heidentum in ihren Herzen auf, und wenn er ein Gefühl der eigenen Schuld in ihnen geweckt hatte, so kam er auch mit der Predigt von dem Bürgen, der mit seinem Blut all unsre Schuld bezahlt hat. Diese ungewohnte Erscheinung machte auf viele der eidgenössischen Wehrmänner tiefen und unauslöschlichen Eindruck. Das Haus ward fast den ganzen Tag nicht leer. Zu ähnlichen Missionsarbeiten gaben besonders die Ferienreisen manche. Gelegenheit, die der teure Bruder behend zu nützen wusste. Sein Zeugnis lautete: Hebich hat wenig Talent für die Grammatik der Sprachen, wiewohl ihm vielleicht leicht würde, dieselben durch Umgang zu lernen. Er zeigt sehr viel Reife im leben, und im Halten von Vorträgen scheint er sehr gesegnet.“

Schon nach dritthalb Jahren wurde Hebich von dem Komitee ausgesandt. Er erhielt mit zwei andern Brüdern die Aufgabe, eine Mission auf der Westküste Indiens zu begründen. Die evangelische Missionsgesellschaft zu Basel war damals durch unverkennbare göttliche Winke auf dieses neue Arbeitsfeld hingewiesen worden; besonders wurde der Parlamentsbeschluss, der eben damals Indien für nicht englische Kolonisten öffnete, bestimmend für die Wahl des Landes. So waren es die Provinzen Canara und Malabar, auf welche die Wahl des Komitees fiel. Hier war noch nie ein protestantischer Missionsversuch gemacht worden. Man drängte sich in Niemandes Arbeitsgebiet und hatte Raum vor sich zu beliebiger Ausbreitung; man sah den Weg von Gott selbst vor sich gebahnt.

Hebich, Lehner und Greiner wurden am 21. März 1834 von dem Komitee feierlich verabschiedet und kamen nach kurzem Aufenthalt in England am 30. Oktober 1834 in Mangalur an, derselben Stadt, die seitdem der Mittelpunkt unserer Arbeit in Indien geworden ist. Hier erlernte Hebich mit seinen beiden Gefährten die canaresische Sprache, und sie ist die einzige der dortigen Sprachen, die er spricht, obschon er später in ein anderes Sprachgebiet, in das südlich von Mangalur sich ausbreitende Malajalan-Land (Malabar) sich übersiedelte. Es ist dies unzweifelhaft ein Mangel; aber seine staunenswerte Energie wusste diesen Mangel auf andere Weise zu ersetzen. Sein Hauptaugenmerk nämlich ging von Anfang an darauf, sich eine Schar tüchtiger Mitarbeiter aus den Eingeborenen zu erziehen, Katechisten oder Evangelisten, die seine rechte Hand sind. Aus ihnen wiederum bildet er sich immer Einen oder Zwei besonders heran, die unter den Malabaren sein Mund sind. Wein er nun in der Gemeinde oder auf den Straßen oder auf den Heidenfesten predigt, so steht sein ausgezeichnet geschulter Dolmetscher zu seiner Seite. Dann beginnt Hebich in canaresischer oder englischer Sprache; er redet mit dem ganzen Feuer, das ihm eigentümlich ist; aber statt dass die Feuerworte des Missionars auf dem Durchpass durch den Mund des Dolmetschers sich abfühlten, scheint vielmehr die Glut sich zu steigern, und die Funken sprühen nach rechts und links in die Herzen und Gewissen ebenso original und geisteskräftig, als wären sie direkt aus des Meisters Munde gekommen. Es wird das nicht leicht ein Anderer in ähnlicher Weise nachzuahmen im Stande sein, und wäre auch nicht ratsam. Es bedarf dazu die Eigentümlichkeit und Originalität samt der Selbstbeschränkung dieses Bruders. Letztere besteht darin, dass er sich in jeder Sprache mit einem geringen, freilich eigentümlich auserlesenen Wortvorrat behilft. Kein Wunder, wenn talentvolle treuergebene Schüler in kurzer Zeit diese Gedanken und Wendungen in der eigenen Sprache genau wiederzugeben lernen. Hat es doch einer durch lange Übung dahin gebracht, in fünf Sprachen für seinen „Papa“ fließend zu dolmetschen.

Hebich hat im Lauf seiner Missionsarbeit nach allen Seiten hin zündende Funken ausgestreut. Cannanur ist eine Militärstation des indobritischen Heeres. Das Missionsgehöfte stößt unmittelbar an den Paradeplatz und die Kaserne. Der Einfluss der britischen Beamten, Offiziere und Soldaten auf die eingeborene Bevölkerung Indiens war von jeher in vielfacher Beziehung verderblich. Das Sprichwort, dass der Engländer, der nach Ostindien gehe, am Cap der guten Hoffnung seine Religion zurücklasse, hat sich nur allzu oft in der Praxis bestätigt. Unverhohlener Unglaube, Spott über Christentum und Mission, Sonntagsentheiligung, Fluchen, Spielen, Trunksucht, Verführung der heidnischen Weiber und dergleichen, war und ist noch an vielen Orten die Tagesordnung. Die Wirkung davon musste sein, „dass der Name Christi um ihretwillen auch unter den Heiden verlästert ward.“ Der Missionar, der unter den Hindus zu arbeiten hat, darf auch der heidnisch gewordenen Namenchristen nicht vergessen, wenn seine Arbeit an jenen nicht tausendfach gestört und verhindert werden soll. Gewinnt er aber die Europäer und die von ihnen abstammenden, größtenteils namenchristlichen Mischklassen, und werden sie lebendige Zeugen der erneuernden Kraft des Evangeliums, so hat er an ihnen eben so viele Mitarbeiter in der Heidenmission durch Wort und Wandel. Hebich fasste dies von Anfang an fest ins Auge. Es ist kein britisches oder einheimisches Regiment in Cannanir gelegen, wenn auch noch so kurze Zeit, aus dem nicht Offiziere und Gemeine in größerer oder kleinerer Zahl durch Hebichs Dienst eine Beute des Herrn Jesu geworden wären. Hebichs „weiße Kinder,“ wie er sie nennt, sind über ganz Indien zerstreut, und wo sie sich befinden, sind sie ein Salz und Licht für ihre Umgebung. Einige von ihnen sind in den unmittelbaren Dienst der Mission getreten. Andere dienen dem Herrn Jesus unter ihren Standesgenossen auf eine Weise, die manchen Missionar zu beschämen geeignet ist.

Auch für unsere jungen Missionsbrüder, die als Neulinge auf dem Missionsboden Indiens anfangen, ist der reicherfahrene, ebenso ernste als kindlich muntere Hebich zu großem Segen gewesen. Öfters schon hat das Komitee die jungen Missionare erst nach Cannanur gesandt, um dort noch eine „hohe Schule“ eigentümlicher Art durchzumachen. „Wer über die Schwelle des Missionshauses zu Cannanur tritt,“ schreibt kürzlich ein junger Bruder, der eben in Indien gelandet war, „der muss es erfahren, dass das Wort Gottes ein Geruch des Lebens zum Leben, oder des Todes zum Tode ist. Glücklich ist der, der hier dem Zuge des Geistes nicht widersteht und sich auch nur für eine kleine Zeit dem teuren Bruder Hebich anvertraut. Mit ihm haben wir köstliche Stunden erlebt. Manchmal umringten wir den treuen Diener des Herrn, und er teilte uns aus dem Schatze seiner Erfahrungen mit; auch an Ermahnungen fehlte es nicht, und wenn Hebich manchmal tief einschneidet, darf man eben zu gleicher Zeit erfahren, dass bloß die Liebe diese Zucht ausübt. Erst hier habe ich recht erfahren, was mir fehlt; und gewiss wird es jedem selbstgerechten und hochmütigen Menschen, der noch viel mit seinem eigenen Herzen zu tun hat, gut tun, ein wenig mit diesem Knecht des Herrn in Berührung zu kommen. Durch Worte geweckt, wird er durch das Leben eines ganz und gar an seinen Heiland hingegebenen Mannes Gottes ermuntert, sich selbst aufzuopfern und zum Herrn zu flehen, damit er in seinem Herzen das Wollen und das Vollbringen schaffe, sich ganz in die Schule des Geistes zu begeben. Denn wo eine solche Hingabe an den Heiland ist, da ist auch Versicherung der Kindschaft durch den Geist und somit auch Friede und Freude im heiligen Geist. Ich habe Cannanur seitdem wieder verlassen; aber was ich dort gesehen und gehört, das wirkt noch an meinem eigenen Herzen fort. Ich war selig in Cannanur. Man ist von einem Lebensstrom mit fortgerissen; man kann Singen:

Es ist nicht schwer, ein Christ zu sein
Und nach dem Sinn des reinen Geistes leben;
Denn der Natur geht es zwar sauer ein,
Sich immerdar in Christi Tod zu geben;
Doch führt die Gnade selbst zu aller Zeit
Den schweren Streit.“

Als Inspektor Josenhans im Jahr 1851 bei seiner Visitationsreise nach Mangalur kam, war auch Hebich dort erwartet. „Es war Abends,“ schreibt Josenhans, „und wir saßen gerade beim Tee, als Hebich auf der Balmattha (dem Hügel über der Stadt, wo die Missionsgehöfte liegen) ankam. Ich war hocherfreut, diesen Senior unsrer Mission von Angesicht zu sehen, der überall, wo er erscheint, munteres Leben um sich verbreitet. Im Sturmschritt war er über den freien Platz vor dem Gehöfte weggeschritten, in der Jacke, mit dem langen Stock, wie ihn unsre schwäbischen Bauern, aber auch einige Missionare in Ostindien auf Reisen tragen, im weißen breitrandigen Hut mit einer großen wattierten Verlängerung nach hinten, die als Schirm gegen die Sonne über den Nacken hinabfällt, und einem mächtigen Hemdkragen, der über die Schultern herausgelegt ist. Im Nu stand er vor mir, eine wirklich ehrwürdige Gestalt, groß und stark, mit fast kahlem Haupt, aber langem, grauem Bart bis auf die Brust herab. Mit freundlichem Ernst, in sehr gehaltenem Ton, aber in der einfachsten kindlichsten Weise grüßte er mich mit einigen kräftigen Bibelworten als Abgesandten des Komitees. Kaum aber hatte er geendet und sich zu den Brüdern gewendet, so schlug, wenn ich so sagen darf, das Feuer aus ihm heraus, und es wurde laut und lebendig im Haus. Herr Hebich ist da, gings von Mund zu Mund; Alles lief herbei, ihn zu grüßen. Nun aber formierte sein Kommandowort die jungen (eingeborenen) Leute alsbald in einen Halbkreis, und mit kräftiger Stimme sang er an ihrer Spitze das Lied vor, das er wollte gesungen haben. Dann setzte er sich nieder, trank seine Tasse Tee und erging sich mit uns in heiterem Gespräch.“

Aber das eigentliche Element, darin sich Hebich heimisch fühlt, und wo die ganze Energie seiner Liebe und seines durchschneidenden Ernstes sich zu entfalten pflegt, ist die Predigt unter den Heiden. Er sucht die armen Götzendiener in allen Winkeln, auf allen Straßen und Märkten, in ihren einsamen Hütten und Dörfern wie auf ihren großen Götzenfesten auf. Den ehrwürdigen, kecken, durch nichts abzuhaltenden „Badre“ (Vater) kennt das ganze Malajalam-Land. Den stolzen, hochmütigen Brahmanen, diesen Erbengott Indiens, packt er eben so schonungslos und frisch an, als er mit suchender, herzgewinnender Liebe sich dem geringsten Paria naht. Es ist schwer, oft unmöglich, ihm auszuweichen. Selbst dem Fliehenden läuft er mit jugendlichem Eilschritt nach und wirft ihm den Haken eines göttlichen Wortes ins Herz und Gewissen. Auf Disputationen lässt er sich nicht ein. Das Wort von der Sünde und Gnade, von Tod und Leben, von ewiger Errettung und ewiger Verdammnis, das ist das Netz, das er mit unwiderstehlicher Gewalt einem Jeden um den Nacken wirft und ihn festhält. Den Stolzen schmettert er mit dem mächtigen Zeugnis von Gottes Heiligkeit und Gericht in den Staub, dem Selbstgerechten deckt er mit schonungsloser Hand den dunkeln Abgrund des eigenen Herzens auf, den Spötter bringt er mit der scharfen Geißel weniger Kernsprüche zum Schweigen, die suchende Seele umfasst er mit herzgewinnender Liebe und führt sie zu dem Trost und Nothelfer aller Heiden. Am wohlsten aber ist ihm, wenn er einen kleineren Kreis aufmerksamer Hindus im Zelt oder unter dem Schatten eines Baumes um sich hat. Da zieht er denn das „Herzbüchlein“ Heraus mit seinen plastischen Abbildungen des von der Sünde besessenen, des von der Gewalt des Teufels sich losringenden und des von der Gnade beseligten Menschenherzens, und schildert an der Handleitung dieser Bilder so lebendig, so einschneidend, so gewaltig die Seelenzustände seiner Hörer, wie sie sind und wie sie sein sollen, dass nicht leicht Einer, der ihm da zuhört, seine Worte wieder vergisst.

Doch wir müssen ihn auf den schwersten Kampfplatz, auf ein Götzenfest, begleiten. Wenn er sich zum Auszug rüstet zu diesen Sammelpunkten dämonischer Kräfte, wo die Finsternisse des Heidentums in ihrer äußersten Steigerung ihm entgegentreten, dann ist es nicht anders, als wie wenn ein Soldat zu einem großen Schlachttag sich bereitet. Es lagert sich über ihn und seine Begleiter ein tiefer, ungewöhnlicher Ernst. Man versammelt die Gemeinde zu brünstigem Gebet; man genießt gemeinschaftlich das Mahl des Herrn; man legt die ganze Waffenrüstung des Geistes an, mit allen Schutz- und Trutzwaffen, die das Zeugnis Gottes enthält. So ziehen die Streiter unter Gebet und Gesang von Cannanur aus ins Feld, Vater Hebich voran, die jungen Katechisten hinter ihm der.

Hören wir die Schilderung, welche Missionar Strobel von dem gibt, was er während des letzten Festes zu Taliparambu, das nun schon zum fünfzehnten Mal besucht ward, mit durchlebt hat. Es war das erste Mal, dass der junge Bruder diese Szenen mit erleben durfte. Er selbst nennt sich einen „jungen Rekruten,“ der die erste Schlacht mitmacht. Er konnte nur der zweiten Hälfte des Festes beiwohnen; aber die Frische, mit der er seine Eindrücke wiedergibt, die Liebe, mit der er an seinem väterlichen Freunde Hebich emporschaut, und der fröhliche Kampfesmut, der uns aus diesen Schilderungen anweht, ist wohl wert, dass wir seine Mitteilungen in ihrer ganzen Ausdehnung hier wiedergeben.

„Es war Freitag, den 12. März 1858,“ schreibt Missionar Strobel, „dass ich nach einer herzlichen Verabschiedung von unsern Christen (in Cannanur) nach Tschirakal fuhr, um dann am frühen Morgen nach Taliparambu aufzubrechen, wohin sich Bruder Hebich schon eine Woche vorher begeben hatte. Mein Herz verlangte sehr, diesen Ort zu sehen, dessen Fest schon im Baseler Missionshause mich so sehr angezogen und auch vor vier Jahren dort bei der Jahresfeier der Gegenstand einer besonders anschaulichen Beschreibung gewesen war. Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen; ich fürchtete, die Zeit des Aufbruchs zu verschlafen. Endlich war es 3 Uhr Morgens; ich machte mich marschfertig, und um 4 Uhr war ich auf dem Wege. Nachdem der große Fluss passiert war, gings erst durch den Sand, bis die Gegend sich zu Hügeln formte. Es war ein prächtiger indischer Morgen, und ich fühlte mich gleich einem Prinzen vergnügt, dass ich nun auch etwas vom Felddienste des Herrn zu sehen bekommen sollte. Ich marschierte wacker zu, um noch vor Sonnenaufgang dort anzukommen. Je näher ich dem letzten Hügel vor Taliparambu kam, desto mehr Männer und Weiber traf ich auf dem Wege, die bereits von dort zurückkamen. Endlich kam ich zum letzten Hügel; die Sonne war gerade aufgegangen, und ich verdoppelte meinen Schritt. Die Leute mehrten sich; mehrere aus Zweigen gebaute Kramläden waren am Wege errichtet. Plötzlich hörte ich in der Ferne eine mir wohlbekannte Stimme. Es war des alten Vater Hebichs Stimme. Mein Herz jauchzte vor Freude, und ich eilte, so schnell ich konnte, dem Orte zu, von wo die Stimme kam.

Nachdem ich von der Hauptstraße rechts eingelenkt, kam ich zu einem Lehmwall, auf welchem Br. Hebich sich mit den Katechisten Joseph, Abraham Mulil, Baul, Sebastian und Diego postiert hatte. Es folgte ein herzlicher Händedruck, dann noch einige Worte an die Versammlung, und nun forderte mich Br. Hebich auf, auch einige Worte zu sagen. Ich trat auf die Mauer; einen Augenblick pochte das Herz; dann wars vorüber: die Liebe hatte gesiegt, besonders als ich die stattlichen Brahmanen so aufmerksam da stehen sah. Ich sagte ihnen, warum ich gekommen sei, was ich in unserm Gottesworte und dem darin geoffenbarten Heilande gefunden, und forderte sie auf, doch unsern Weg zu prüfen.

Dies war mein Anfang. Ich war zu sehr im Schweiß, um bleiben zu können, und begab mich daher nach dem Reisehaus (Bangalo). Zwischen mächtigen Terrassen hindurch, die für den Götzenzug bestimmt sind, steigt der Weg zu dem sanften Hügel an, auf dem das Haus steht. Dort fand ich unsere Knechte, die mich mit großer Freude empfingen. Das Bangalo besteht aus zwei niedrigen Stuben, die eine für Br. Hebich, die andere für seine Kinder bestimmt. Nachdem ich ein wenig ausgeruht, sah ich mir die Gegend an.

So weit das Auge reichte, nichts als Hügel. im Tale zur Linken der Bazar, von dem Br. Hebichs Stimme bis zu mir herauf tönte. In nicht sehr weiter Entfernung der Tempel des Krischna, für den die armen Hindus einen Fanam (4 Sgr.) als Tempelsteuer zahlen müssen. Zu meiner Rechten, ein halbe Stunde entfernt, kann ein gutes Auge den Tempel des Schiwa sehen, für den die armen betrogenen Leute das Doppelte, nämlich zwei Fanam, zu zahlen haben.“

„Es war halb 11 Uhr Morgens; die Sonne brannte ungewöhnlich heiß, als Br. Hebich mit seinen Kindern ganz erschöpft anlangte. Ohne abzulegen, ward erst ein Danklied angestimmt; dann betete Br. Hebich um Segen für das gepredigte Wort, und jetzt erst ruhten Alle ein wenig aus, so weit es bei den ziemlich häufigen Besuchen der Heiden möglich war.

Da war ich nun als Rekrut dem alten Veteranen beigesellt und wartete mit Spannung auf den nächsten Ausmarsch. Um 3 Uhr erscholl das Kommandowort; wir machten uns bereit und begaben uns zur Musterung. Wir standen um Br. Hebich her, der den Segen sprach. Dann wurde ein Malajalam-Vers nach deutscher Melodie aus unserm indischen Gesangbuch vorgesagt; hierauf betete Br. Hebich für uns und sich um Bewahrung vor dem Teufel und seinem Reich, vor allen bösen Menschen und Tieren, und nun gings hinaus zur Rechten am Hügel hinab, gerade dem Mapla-Bazar zu, wo wir uns vor dem Laden und Hause eines reichen, alten Mapla aufstellten2). Wir legten unsere Hüte, und die Katechistenbrüder ihre Turbans, auf den Boden, behielten aber zum Schutze gegen die Sonne unsern Blätterschirm, und Br. Hebich auch seinen langen Stock (der größer ist als ich selber) in der Hand. Nachdem wir uns vor dem Herrn gesammelt, sprach er in Kanaresisch (was Joseph dolmetschte): Unser Anfang geschehe im Namen des Herrn usw. Wir sangen einige Verse kräftig, frisch, lebendig. Die Leute sammelten sich, und Br. Hebich begann zu beten, dass Jesus auch den Maplas als ihr Gott und Heiland sich offenbaren möge, und dann fing er an, in gewaltiger, Mark und Bein durchdringender Rede den Gott (Allah) der Muhamedaner alle ein Unding ohne Leben, ohne Heiligkeit, ohne Liebe, ohne Macht, ja als nicht existierend darzustellen und ihnen nach Röm. 1 alle ihre geheimen und offenbaren Sünden vorzuhalten, um derentwillen der Zorn Gottes über sie komme, wenn sie sich nicht an den Jesus von Nazareth wenden, der schon seit 15 Jahren hier verkündet werde.“

„Während dieser Rede waren meine Augen unverwandt auf die etwa 30-40 Zuhörer gerichtet, für die ich den Herrn mit um so wärmerem Herzen bat, je lauter sie durch Schimpfen oder Anpreisen ihrer Handelswaren dem gepredigten Wort entgegentraten. Keiner aber vergriff sich an uns; ja, mehrere alte Maplas hörten hier und an andern Orten 1 Stunde ruhig zu, setzten sich, wenn sie müde waren, sogar nieder und verwandten kein Auge vom Redner. Nachdem Br. Hebich geendet, forderte er auch mich auf, einige Worte zu sprechen. Da ich nun auch Kinder vor mir sah, so wandte ich mich an diese und erzählte ihnen von dem Leben des Heilandes gerade so viel, als ich mit meiner noch gebundenen Zunge vermochte. Nach mir redete Paul, der mit Innigkeit und einer nur für einen Eingebornen möglichen, gewandten Zunge einen Spruch nahm und ihnen denselben wie einen Widerhaken ins Herz trieb. Als er geendet, sprach Br. Hebich den Segen, und dann gings zum Hindu-Bazar, wo ich ihn am Morgen getroffen hatte. Ich erhielt meinen Platz zuerst auf der Mauer; zur Linken stand ein Baum, der mich schützte; zur Rechten neben mir stellte sich Br. Hebich, dann sein Mund Joseph und die übrigen Brüder der Reihe nach. Wir begannen wie auf dem Mapla-Bazar und hatten, da eben die Zubereitungen zum Naier3)-Tag getroffen wurden, mehr Maplas als Hindus zu Zuhörern. Br. Hebich begann und zählte ihnen wieder alle ihre furchtbaren Sünden auf, was nicht allein still angehört wurde, sondern auch jedes Mal neue Zuhörer herbeizog. Es war dies für mich eine ganz besonders merkwürdige Wahrnehmung und zeigte mir klar, wie mächtig die Stimme des Gewissens zu Br. Hebichs Worten ja sagte.“

„Hier hörte ich zum ersten Mal unsern Abraham Mulil (nach 16jährigem Suchen und Forschen vor vier Jahren zum Herrn bekehrt) und war gleich von der Macht seiner Rede überrascht; auch sah ich mit Freuden, wie Alles ihm mit Lust zuhörte.

Unterdessen war es Abend geworden. Br. Hebich brach ab; aber so oft er von der Mauer herunterstieg, hatte er zuvor seinen Mann ins Auge gefasst, den er anpackte, und so folgte denn jedes Mal noch eine Privatunterredung, die mit einer herzlichen Einladung zur Annahme des Heils in Christo endete. So müde Br. Hebich auch war, so tönte seine Stimme doch noch nach allen Seiten hin, um Alte und Junge, Männer, Weiber und Kinder in den Häusern und auf der Straße zum Glauben an Jesum aufzufordern. So erreichten wir endlich um 7 Uhr unser Bangalo. Niemand aber war glücklicher als ich über alle dem, was ich gehört und gesehen. Die stattlichen hoffnungsvollen Brahmanen des Morgens und die aufmerksamen alten Maplas des Abende konnte ich nicht vergessen. Ohne abzulegen, ward gesungen und gebetet; dann speisten wir mit herzlichem Appetit zu Nacht und fanden uns nach 8 Uhr wieder zusammen, lasen ein Kapitel mit einander, beteten, sangen und begaben uns gegen 9 Uhr im Herrn fröhlich zur Ruhe, um am folgenden Morgen um 3 Uhr uns wieder zu erheben.“

„Ich schlief zum ersten Male in dieser grausigen Finsternis des Heidentums und hörte nichts von dem Getümmel der Nacht, wo der Götze in Prozession herumgetragen wurde. Um nächsten Morgen, Sonntag den 14. März, weckte mich Br. Hebichs Stimme pünktlich um 3 Uhr. Ich kleidete mich rasch an, stärkte mich im Gebet und nahm eine Tasse Tee; dann vereinten wir uns zur Morgenandacht, wobei das nach der Losung der Brüdergemeinde gewählte Kapitel erklärt ward, welches ganz geeignet war, uns für den heutigen Tag als frische Munition zu dienen.“

„Nach 5 Uhr zogen wir aus, dem Hindu-Bazar zu; auf dem Wege dahin wurde wieder nach rechts und links das Netz ausgeworfen. Die Versammlung, ähnlich der am Samstag Morgen, hatte nicht nur Ein Mal, sondern, je nachdem neue Zuhörer kamen, zwei und drei Mal das furchtbare Sündenregister von Br. Hebich anzuhören, worauf er denn auch mit besonderer Macht von der Auferstehung des Herrn Zeugnis ablegte, der zufolge einst auch ihre Leiber vor Seinem Richterstuhle erscheinen müssten. Diese ärgerliche Lehre der Auferstehung schlug gewöhnlich wie ein Blitz zwei, drei bis zehn Personen hinweg, die mit Schmähungen davon liefen. Dies war auch bei Abrahams Ansprache der Fall. Das zukünftige Gericht war manchen anstößig und erregte ihren Zorn. Da konnte dann Br. Hebich, wo er solche Wirkung bemerkte, oder wo der Teufel einen Friedensstörer benutzte, gleich einem Löwen dazwischenfahren und ihnen den Mund stopfen. Wie ich dabei innerlich erfrischt und von der Nähe des Herrn erquickt wurde, das lässt sich nicht mit der Feder beschreiben.

Wir zogen gegen 9 Uhr nach Hause, weil wir den Tag des Herrn mit der Feier des Abendmahls begehen wollten. Nach 10 Uhr langten die Weiber und Kinder der beiden Taliparambut-Katechisten Baut und Diego an, sowie der frühere alte Vater Simon mit seiner Frau, und die Familie eines portugiesischen Schulmeisters, der erst seit zwei Monaten die römische Kirche verlassen hat und in Taliparambu die heidnischen Beamtenkinder englisch lehrt. Dies war die ganze Gemeinde. Es war aber an jenem Tage auch noch ein altes, einfältiges Weiblein mitgekommen, die als Bettlerin zu Paul kam, bei ihm Aufnahme fand und nun durch die Taufe in die Gemeinschaft des Herrn Jesus eintreten sollte.

So waren an jenem Morgen mit Weibern und Mindern 20 Seelen beisammen, die dem Heilande angehörten, während nun von allen Seiten Tausende von Naiern auf dem Wege waren, um dem Steingott ihr Geld und ihre Anbetung zu bringen. Zeit und Kraft reichen nicht hin, um jenen Sonntag und die nachfolgenden Tage auch nur einigermaßen zu schildern; ich muss mich daher auf die Hauptsache beschränken.

Br. Hebich hatte einen großen Gedanken uns Besonders ans Herz zu legen gesucht: Ich bin geliebt, weil Gott die Welt also liebte, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab. Und was wir hörten, das ließ sich an unser Aller Herz nicht unbezeugt. Der Herr war mächtiglich in unsrer Mitte. Es war wieder 3 Uhr Nachmittag, als wir auszogen, und wir fanden Alles, wie gewöhnlich. Als aber die Nacht angebrochen war, und wir vor dem Bangalo wie sonst unsere Mahlzeit einnahmen, da bot sich mir ein neuer Anblick dar. Soweit mein Auge reichte, blitzten ringsum Lichter aus den Büschen hervor, welche die umliegenden Hügel bedeckten, und ein eigentümlicher Ruf: Huh, Huh, vermischt mit Freudengeschrei, besonders von Seiten der Jugend, ließ von allen Seiten sich vernehmen. Da erklärte mir Br. Hebich, dass jenes Huh den Brahmanen gelte und Jedem anzeige, dass ein solcher Erdengott sich nahe, dem ein Jeder, der nicht seiner Kaste sei, aus dem Wege zu geben habe, um ihn nicht zu verunreinigen. Das Freudengeschrei aber sei zur Ehre des zur Anbetung ausgestellten Gottes. Wem müssen nicht solche Wahrnehmungen tief zu Herzen gehen und zur Fürbitte für jenes verblendete Volk auffordern? - Ich legte mich bekümmert zu Bette, nachdem ich noch mit Br. Hebich ausgemacht hatte, dass er mich wecke, um den Götzenzug zu sehen. Allein das war nicht nötig; ich wachte von selbst durch einen von ferne heranwogenden ungeheuern Lärm auf. Es war gerade 1 Uhr Nachts vorüber. Ich trat zur Türe hinaus. Welch ein Anblick! Zur Linken, nach dem Bazar zu, bewegte sich beim Scheine der Fackeln unter dumpfem, aufregendem Trommel- und Hörnerschall der Götzenzug. Noch war er eine gute Viertelstunde entfernt, als, gleich einem gewaltigen Brausen von Wasserwogen, das Naier-Volk, das auf den Terrassen sich gesammelt hatte, sich zu regen begann. Ich musste unwillkürlich zu mir sagen: Jetzt sind die Teufel in die Masse gefahren. Von Minute zu Minute wuchs das Brausen, bis endlich, als der Götze die Stufen der Terrasse bestieg, die ganze Masse in ein fürchterliches Gebrüll zu Ehren des Götzen ausbrach. Der Ort, wo ich mich befand, war mittlerweile von bengalischen Lichtern so hell geworden, dass ich mich eiligst zurückzog, seufzend und den Herrn um den Sturz des Teufels anflehend. Keine Feder vermag den Eindruck jener Nacht wiederzugeben. Ich musste mich fragen: Kann die Predigt von Jesu, dem Gekreuzigten, hier wirklich siegen? Dann aber, im Blicke auf Golgatha und das, was Er an mir und der ganzen Menschheit getan hat, konnte ich wieder fröhlich sagen: Ja, der Herr ist gekommen, die Werke des Teufels zu zerstören; Ein Wörtlein kann ihn auch heute noch fällen. Halleluja!“

Ich schlief noch eine Stunde; dann aber erhoben wir uns vom Lager. Ein Jeder sah ernster denn sonst aus; war ja doch nun der große Tag gekommen, an welchem Br. Hebich noch vor wenigen Jahren, trotz aller anwesenden Polizeidiener, gesteinigt worden war, und hatte doch auch das Volk nach Br. Hebichs Beobachtung in der vergangenen Nacht mehr Lärm als sonst gemacht.

„Nachdem uns Br. Hebich dem Herrn anempfohlen hatte, zogen wir aus. Wir hatten dies Mal nur bis zum Fuße des Hügels zu gehen; denn zu meinem Erstaunen fand ich die Hälfte unsres Hügels mit Männern, Weibern und Kindern belagert. Das waren also die Schreier der vergangenen Nacht, welche nach ihrem ganzen Aussehen aus der Ferne gekommen waren und auf mich ganz den Eindruck unsrer Landleute in die Heimat machten. Kaum hatte unser Gesang begonnen, als sie uns von allen Seiten umgaben; und selbst auf Baumstämmen standen alte Väter und Mütter, um zuzuhören. Br. Hebich begann wie gewöhnlich, ließ uns aber bald an seiner Rede merken, dass sein großer Tag gekommen sei. Gleich einem Propheten des Herrn stand er da und kündete der Menge den Zorn des lebendigen Gottes für das an, was sie in der vergangenen Nacht getan, und für alle ihre Sünden, deren altes Register er mit weithin schallender Stimme aufzuzählen begann, und lud sie darauf mit inniger Liebe zum Glauben an Jesum ein, den er nun seit 15 Jahren in ihrer Mitte verkündigt habe. Und da war es wunderbar zu sehen, wie sich vor der Macht des Geistes unwillkürlich einige Häupter beugten, und insbesondere beim Aufzählen der einzelnen Sünden hie und da ein Kopf sich senkte, anzudeuten, dass sie diese Leute seien.“

„Bei dieser Gelegenheit stand ich zum ersten Male vor dem eigentlichen Volk des Landes. Es waren schöne, kräftige Gestalten mit intelligenten Gesichtern, und das Herz ging mir auf und ward voll, so dass ich. von Herzen einige Worte zu ihnen sagen konnte und nur meine Armut in der Sprache bedauerte, dass ich nicht so recht nach innerstem Drang zu reden vermochte. Nachdem noch Paul und Abraham in ihrer herzgewinnenden Weise gesprochen, lud sie Br. Hebich zum Besuche in Bangalo ein, um nähere Unterweisung und Bücher zu erhalten, und dann zogen wir weiter dem Bazar zu.“

„Heute hatten wir insbesondere viel auf dem Wege zu tun, auf dem sich die Katechistenbrüder gleich einem Netze über die ganze Breite der Straße postierten. So rückten wir langsam vorwärts, bis wir endlich zu unserm Platze kamen, wo sich des Handels wegen eine Masse Menschen zusammendrängte. Das war ein Anblick für mich, der mir unvergesslich bleiben wird. Hier hatte ich die Vornehmen des Landes, reiche Naier und Brahmanen vor mir, und Naierfrauen zu beiden Seiten. Es war die Blüte des Landes, Männer und besonders auch Weiber, wie sie Europa nicht stattlicher aufweisen kann, alle Schattierungen von beinahe europäischer Weiße bis zu Braun und Schwarz. Br. Hebich begann mit dem Eingangsgebet; hierauf sagte Joseph ein Lied vor nach der Melodie: Ists auch eine Freude, Mensch geboren sein? Selten ward wohl in Basel ein Lied mit solcher Begeisterung, solcher Freudigkeit und solchem Gottesfrieden gesungen, als dort in Taliparambu an jenem Montag, den 15. März. Der Herr war mit seinen heiligen Engeln um uns her. Br. Hebich betete zu unserm dreieinigen Bundesgott, der in Jesu sich der Welt als der alleinige Retter und Gott geoffenbart, und bat, dass Er sich jetzt verherrlichen möge. Dann brach er gleich einem Sturmwinde, vom Geiste des Herrn getrieben, los. „Du armes, betörtes Volk“, konnte er der Masse zurufen, „heute Nacht hast du wieder den Zorn des lebendigen Gottes wider dich herabgerufen, weil du Seine Ehre einem Steine gegeben hast. Eure Götter sind nicht; Brahma ist nicht; Wischnu ist nicht; Schiwa ist nicht; Krishna ist nicht; Ischwara ist nicht; Steine sind es, weiter nichts. Geht ihr nach dem heiligen Benares, so seht ihr einen Stein; geht ihr nach Subramanja, so seht ihr einen Stein; geht ihr nach Bajawur, so seht ihr einen Stein; geht ihr nach Taliparambu, so seht ihr einen Stein; wo ihr hingeht, nichts als Stein! Du armes Volk! Die Brahmanen haben dich zu Narren gemacht; sie selbst beten die Sonne oder das Feuer an, euch aber geben sie einen Stein und treiben Handel damit. Höret auf! Bekehret euch von euern Sünden zum lebendigen Gott. Heute noch ist die angenehme Zeit! heute noch ist der Tag des Heils“.

Dann wendete er sich an die Brahmanen, alt und jung, die vor ihm standen, und rief mit durchdringender Stimme: „O Brahmanen, ihr Söhne des Teufels, wann wollt ihr aufhören, das Volk zu betören? Ihr Betrüger, ihr seid die ersten, die der Zorn des lebendigen Gottes verzehren wird. Wenn ihr jetzt sterbet, so wartet euer das höllische Feuer, da der Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlöscht. Eilet, eure Seelen zu retten; ihr könnt es, wenn ihr den Jesum von Nazareth annehmet, den ich euch nun seit 15 Jahren verkündige.“

„In solcher Weise konnte Br. Hebich fort machen. Nie in meinem Leben habe ich gewaltigere und lieblichere, tiefer einschneidende und doch auch wieder herzgewinnendere Worte in solcher Weise zusammengepaart gefunden. Während seiner Rede wurde ich gleichsam von der Erde aufgehoben und in die Nähe des Herrn versetzt, so dass ich (ich rede ohne Übertreibung) mit Freuden mein Leben hätte hingeben können. Dieser bewahrenden Macht des Herrn ist es auch zuzuschreiben, dass jene Hunderte von Menschen, die ab- und zugingen, weder lachten noch wüteten, und selbst alte Brahmanen mit gesenktem Haupte ruhig die Strafrede anhörten. Nachdem auch ich nach Kraft und Kenntnis der Sprache mit vollem, freudigem Herzen zu der Menge gesprochen, hörte ich den größten schwarzen Redner, der mir bis jetzt vorgekommen, unsern Abraham Mulil, wie er, mit einem Gottesworte beginnend, zuerst alle Hauptreligionsbücher der Hindus durchmusterte und den Brahmanen und Naiern einen Widerspruch um den andern in Sanskritversen mit einer Macht hinwarf, die alle Zuhörer fesselte, wobei mitunter die ganze Masse in große Heiterkeit ausbrach, wenn er die Torheiten und Sünden ihrer Götter im Lichte der Wahrheit schilderte. Dann wandte er sich zum Volke, wies ihnen nach, wie sie bisher gleich Israel ihren Gott und Herrn, Jehova, verleugnet, und zeigte unter dem schönen Bilde aus Hesekiel, wie auch sie die Gemeinschaft ihres rechtmäßigen Eheherrn verlassen, die heilige Ehe gebrochen und andern Göttern nachgehuret haben, wie aber Jehova-Jesus sich wieder nach ihnen sehne und deshalb Lehrer zu ihnen gesandt habe, die nicht ihr (der Eingeborenen) Gold und Gut, sondern das Heil ihrer Seele suchten. In dieser Weise sprach er eine Stunde lang im schönsten Malajalam mit gewaltiger Stimme, und bisweilen donnerte Br. Hebich dazwischen, wenn er einen Ruhestörer oder einen Mapla sah, der mitten in der aufmerksamen Menge Handel treiben wollte. Kamen neue Leute, so erhob Br. Hebich jedesmal seine Stimme und lud sie zum Verlassen ihrer Wege, ihrer Kaste und aller Sünden, sowie zum Kommen zu Jesu in alter Weise ein. Dann sprachen Sebastian und Paul; dann wieder ich über: Kommet her zu mir, Alle rc. oder: wer an den Sohn glaubt, der hat ewiges Leben; wer aber rc. …; und erst als 10 Uhr vorüber war und die Sonne sehr heiß zu werden und die Körperkräfte zu sinken begannen, zogen wir ab.

„Wie gewöhnlich, so hatte sich Br. Hebich auch heute insbesondere einige angesehene Männer zum Gegenstand des Privatgesprächs ausersehen. Es waren erst einige Brahmanen, dann der Guru (Lehrer) eines reichen Naiers, ein bejahrter Mann, der schon seit 15 Jahren das Evangelium gehört hatte, aber seinen Ruf als Gelehrter und sein Ansehen nicht aufgeben will. Er und alle diese Männer wurden ins Haus eingeladen, und wir setzten unsern Weg fort, auf dem wir viele alte Bekannte unsers Bruders antrafen, die er natürlich heute um so ernster ausschalt und um so dringender wieder einlud. Gegen 11 Uhr langten wir im Bangalo an, voll Lobes und Dankes und erfüllt mit Gotteskräften. Der Herr hatte sich unaussprechlich nahe gezeigt, und der sonst so gefürchtete Tag war ruhiger denn je vorübergegangen. Meinen Eindruck aber vermag ich nicht wiederzugeben. Tränen traten mir in die Augen, wenn ich der Güte des Herrn gegen mich gedachte, dass Er mich würdigte, unter einem so hoffnungsvollen Volke arbeiten zu dürfen.

„Der Haupttag der Naier war nun vorüber; aber noch hatten wir die Großen derselben, und besonders den reichen Naier und seinen Guru samt Gefolge, zum Besuche. Da war es zuerst Abraham, der mit seiner ausgezeichneten Kenntnis ihrer Religionsbücher alle Angriffe meisterhaft aus den Felde schlug. Interessant blieben mir ihre Antworten. Sie glauben, so sagten sie, an denselben großen, herrlichen, Heiligen Gott wie wir; ihr Ischwarb sei unser Jesus; und durch Gebet zu diesem guten Allvater, durch Übung der Tugend, namentlich durch Almosen, werden sie Vergebung erlangen und von Sünden frei werden. Ich hörte hier dieselbe Sprache, wie sie unsre Ungläubigen zu Hause führen; ganz dieselbe Logik wie zu Hause. Als sie ihre Weisheit ausgekramt hatten, nahm sie Br. Hebich auf seine Stube, und nun wurden sie vom Worte der Wahrheit erst zu Boden geworfen und dann durch die große Sünderliebe des Heilandes zum Brechen mit der Welt aufgefordert. Besonders ergreifend war es, wenn ihnen Br. Hebich von der Macht des Todes und der Schrecklichkeit der Höllenstrafen predigte. Oftmals versuchten sie wegzulaufen, oder es ersah sich der Eine oder der Andere seine Gelegenheit, sich wegzustehlen; aber Br. Hebich ließ seine Leute nicht eher los, bis die Stunde zum Auszug gekommen war.

„Da an jenem Abend die Naier fast alle weggegangen waren, so gingen wir zuerst zum Mapla-Bazar. Hier mussten wir uns aber nach ziemlichem Kampfe entfernen; weil wir, wie sie sagten, ihren Handel störten. Br. Hebich stellte sich daher in einiger Entfernung von ihnen auf; dort erhoben sie dieselbe Beschwerde und machten von allen Seiten Lärm. Ein Anderer wäre jetzt weggegangen; Br. Hebich aber wartete eine Viertelstunde ganz geduldig, bis es leidlich stille ward. Dann begann er und zwar unter viel Widerspruch. Er wies die Maplas besonders auf die Gestalt unsers Heilandes nach Offenb. 1 hin, wie ihn Johannes sah, als den, der da die Schlüssel der Hölle und des Todes habe (V. 18), und dass auch sie vor diesem Herrn einst erscheinen müssten. Einige Maplas wurden sehr böse; aber Br. Hebich konnte doch seine Botschaft ausrichten. Dann zogen wir zum Hindu-Bazar, wo wir aber wieder meistens Maplas hatten, die mit gewohnter Aufmerksamkeit zuhörten. Hie und da war auch ein Brahmane in der Ferne sichtbar. Wir redeten, bis die Dunkelheit anbrach, und zogen dann fröhlich nach Hause. So endete der große Naiertag, der mir nach Allem, was ich in der vergangenen Nacht und am Montag Morgen gesehen, unvergesslich bleiben wird. Jener Tag ließ einen Gottesfrieden, eine Freudigkeit in mir und uns Allen zurück, dass wir nur Eine, im Herrn vergnügte Familie bildeten. Da war nicht schwarz und weiß, da war kein Scythe oder Grieche; sondern wir waren Ein Herz und Eine Seele in Christo, den wir liebten, und den zu verherrlichen wir mit Leib und Seele ganz bereit waren. Unter Lob und Dank beschlossen wir den Tag, um am Dienstag nach einer andern Richtung hin in des Feindes Land zu rücken.

„Des andern Morgens um 5 Uhr waren wir, wie gewöhnlich, um unsern Führer versammelt. Wer uns auf dem Wege begegnete, wurde, wie immer, zum Glauben an Jesum aufgefordert. Auf halbem Wege begegneten uns ein alter und ein junger Brahmane und gingen desselben Weges mit uns. Br. Hebich brachte sie bald zum Stehen, und als er ihnen vorhielt, dass sie dem Volke einen Stein zum Gott gegeben, hörten sie ruhig zu, bis er sie aufforderte, den alten Lügenweg zu verlassen. Da brach des Alten Wut los. Er schimpfte und tobte fürchterlich und suchte zu entfliehen, was aber bei Br. Hebich nicht leicht möglich ist, da er eben so schnell hinter ihm drein lief und fortfuhr, ihm zuzusetzen. Zuletzt wusste sich der Alte nicht mehr anders zu helfen, als dass er querfeldein lief, zum großen Gelächter der Jugend. Wir kamen bald darauf zu unserm Platze und fanden meist Maplas mit der Zurüstung zum großen Tijer4) - Tag beschäftigt.

Wir blieben daher nicht lange, sondern machten uns nach einer Stunde auf den Weg links feldein, um zu den Webern (in einem Seitendörflein) zu kommen, in deren Mitte Br. Hebich alle Jahre das Wort von Jesus verkündigt hatte. Wir kamen zuerst an einzelnen Häusern vorbei, wo wir Alten und Jungen den teuren Jesusnamen als den einzigen verkündigten, in welchem Heil zu finden sei, und gelangten nach einer Viertelstunde zu dem Tempel der Durga oder Kali. Dann kamen zwei Reihen Häuser, etwa zwanzig; das war das erste Dorf. Br. Hebich grüßte die Leute als alte Bekannte; dann stellte er sich vor das Haus des Angesehensten unter ihnen, der 10,000 Rupies (circa 6700 Thlr.) besitzen soll, grüßte Mutter und Kinder herzlich und fing den Gottesdienst wie gewöhnlich an. Mein fremdes Gesicht zog hier besonders die Kinder herbei, deren wohl gegen 40 zusammengelaufen waren. Br. Hebich stellte mich ihnen Allen vor, und hierauf erzählte ich ihnen, so gut es mir der Herr gab, die Geschichte unsers Heilandes. Ich sagte ihnen dann, wie dieser Jesus mein Heiland geworden, wie Er sie mehr liebe als Vater und Mutter es zu tun vermögen, und wie Er sie so glücklich machen wolle. Jetzt seien sie nicht glücklich und seien es nie gewesen, was mir schon ihr Aussehen und ihre zerfallenen Hütten bezeugten; aber wenn Jesus in ihre Häuser einziehe, dann werden sie Segenshütten, und statt des Kallu (Palmwein), der so viel Unheil und Streit anrichte, werde der heilige Geist bei ihnen Wohnung machen und sie zu Seinem Lobe antreiben, bis Er sie in seinen schönen Himmel nehme. Zum Schlusse forderte ich alle Kinder auf, doch diesen lieben Heiland um ein neues Herz zu bitten; und gebe der Herr, dass, wenn ich sie wiedersehe, sie alle damit angefangen haben! Nachdem noch Abraham in seiner herzlichen, anfassenden Weise ihren furchtbaren Kalidienst und die entsetzlichen Wirkungen des Kallu geschildert hatte, wogegen nur schleunige Umkehr zu Jesu helfen könne, zogen wir weiter und gelangten nach etwa zehn Minuten zu einem andern Dörflein, wo wir unter einem schattigen Baume Halt machten. Hier sammelten sich großenteils Erwachsene um uns, und daher begann Br. Hebich damit, dass er sie auf ihre traurige Lage hinwies, wie sie schon seit 15 Jahren das Wort vom Kreuze gehört und doch nicht zum Glauben gekommen seien. Hierauf hielt er ihnen die herrschenden Sünden vor, die sie gewisslich zur Hölle brächten, wenn sie nicht den Jesus, welchen er ihnen verkündige, annähmen. Dann erzählte Sebastian die Geschichte des Heilandes, wobei ein Mann ganz ärgerlich in sein Haus ging, als er hörte, Gott sei ein Kind geworden. Ich sagte ihnen zum Schlusse, dass ich nicht um ihres Goldes oder dergleichen willen zu ihnen gekommen sei, sondern aus Liebe, weil der Herr Jesus mich, der ich früher nicht glücklich gewesen, nun so glücklich gemacht habe.

Sie sollten sich nicht mit dem Satze beruhigen: „unsre Vorfahren haben so gewandelt, und wir bleiben in ihren Wegen.“ Auch meine Vorfahren hätten früher den Götzen gedient, aber Jesus habe seine Boten zu ihnen gesandt, und nun sei Alles verändert; sie sollten doch unsern Weg ernstlich prüfen!

Die Leutlein hörten aufmerksam zu und machten mir viel Freude. Wir haben bis jetzt nur zwei Seelen von ihnen zur Beute davon getragen; aber wenn des Herrn Stunde gekommen ist, werden gewiss viele nachfolgen.

„Um 11 Uhr kamen wir, dem Leibe nach sehr erschöpft, aber innerlich erquickt und fröhlich, nach Hause, wo wir ausruhten, um am Abend wieder vor einer Mapla - Versammlung von 60-80 Leuten zu predigen. Als wir nach Hause gingen, erlaubten sich zum ersten Mal zwei vornehme Maplas uns auszuschreien; aber der Herr ließ es nicht zum Steinigen kommen.

„Am Mittwoch Morgen begaben wir uns, wie gewöhnlich, zur Lehmmauer. Hier hatte schon Alles eine veränderte Gestalt angenommen. Die Maplas hatten von Bambus und grünen Zweigen niedliche Hütten für ihren Kram erbaut, die mich lebhaft an das Laubhüttenfest der Israeliten erinnerten. Auf unserm Wege trafen wir schon einige neue Pilger an, die Br. Hebich in seiner Weise bewillkommte. Auf unserm Platz selbst befanden sich viele Maplas und nur wenige Hindus. Br. Hebich brach deshalb früher ab und begab sich auf die Hauptstraße, wo alle Pilger an ihm vorbeiziehen mussten. Da fanden wir schon mehrere große Gruppen von Tijern, Männer, Weiber und größere Kinder, welche große Wassermelonen mit unglaublicher Gier verschlangen. Jedes Herz musste sich beim Anblick dieser verschmachteten Schafe erweichen, die aus so weiter Ferne, selbst von Talatscheri und Kolikobu, also 40 Stunden weit in der größten Hitze daher pilgerten, um einen Stein zu sehen und gräuliche Dinge zu begehen. Seid ihr nicht verständige Leute?“ fragte sie Br. Hebich. „Seht, die Brahmanen, diese Betrüger, haben euch zu Narren gemacht. Sie selbst beten die Natur und sich selbst an; euch aber geben sie einen Stein, um euch das Geld abzulocken. Sie sagen, wenn sie ihre Gebete über den Stein sprechen, so komme der Gott in ihn und er werde lebendig. Ihr Toren, wenn sie den Stein lebendig machen können, warum werden denn alle Brahmanen krank und sterben? Würden sie nicht zuerst ihr eigenes Leben sichern? Wenn ferner die Naier als letzte aus den Füßen Brahmas entsprungen sind und es seitdem keine neuen Kasten mehr geben kann, wo seid denn ihr hergekommen? Könnt ihr daraus nicht erkennen, dass sie euch zum Besten haben? Wenn die Brahmanen kommen, dann schreien sie: Hinweg, ihr unreinen Tijer; aber mit euern Weibern scheuen sie sich nicht, sich zu verunreinigen, und euer Fanam (Geld) ist ihnen auch nicht unrein! Höret auf, diesen Verführern die Bäuche zu füllen, und ihr werdet sehen, dass ihr so verständig seid wie sie. Kommt zu uns; verlasst eure Sündenwege, und Jesus wird euch nach seiner Verheißung nicht verlassen. Er ist der Treue, der Herr aller Herren und König aller Könige, der euch den Reis gibt, den ihr esset, der euch den Atem gibt und Alles, was euer Dasein fristet. Kommt; jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils!“

„Dies war von nun an in der Hauptsache der Gedankengang Br. Hebichs bis zum Ende des Festes. Die Männer hörten teilnehmend zu, die Frauen liefen meist ärgerlich davon; sie konnten es nicht ertragen, dass ihre Götter nur Stein sein sollten, und manch altes Mütterchen schalt Br. Hebich wirklich aus. Abraham Mulil trat nun auf, dessen Haupttag jetzt gekommen war; gehörte er ja doch als früherer Tijer ihnen ganz besonders an, und konnte er sie ja auch am besten verstehen. In großer Liebe sprach er von seinem früheren trostlosen Zustande, und wie er nun durch den Jesus, den wir verkündigen, so selig geworden sei. Dann zeigte er ihnen, wie ihre Religionsbücher nichts seien, wie Brahma nach denselben seine eigenen Töchter entehrt, Wischnu und Schiwa Schande mit einander begangen hätten und dergleichen mehr. Dann lud er sie nach Verlesen eines Bibel-Worts zu dem Sünderfreund Jesus ein. So ging es auf dem Wege weiter fort; wer nicht stehen bleiben wollte, bekam heilige Wurfgeschosse aus dem Zeughaus des göttlichen Wortes nachgeschickt, die er gewiss nicht vergessen hat. Manche schöne Männer, die Br. Hebich nun schon seit 15 Jahren, erst als Jünglinge und dann als Männer, an dem gleichen Tage gesehen hatte, begrüßte er wie ein Vater seine Kinder, und Mancher sagte ihm: Ich gebe dem Götzen längst nichts mehr; aber um des Marktes willen komme ich noch immer.

Endlich nötigte uns die Sonne zur Umkehr, um dann am Abend zum letzten Male unsre Lehmkanzel zu besteigen, weil wir am andern Tage als am Hauptfesttage unser Standquartier verlassen mussten. Mir hatten sich besonders drei Gesichter von alten aufrichtigen Tijern eingeprägt, die mich so recht an einen ehrsamen, schlichten, einfältigen Handwerksmann zu Hause erinnerten, und ich freute mich von Herzen, diese Leute zu sehen. Mit großem Jubel zog ich am Mittag aus und bedauerte nur, dass wir zum letzten Mal in diesem Jahr unsre Straße zum Bazar pilgerten. Wir fanden gleich auf der Götzenterrasse am Fuße unsres Hügels Arbeit genug. Dort standen einige der schönsten Tijermänner, die ich, seit ich in Indien bin, gesehen, und besonders steht mir ein Jüngling vor der Seele, der, ohne eine Bewegung des Körpers zu zeigen, eine gute halbe Stunde dastand und mit der größten Aufmerksamkeit zuhörte. Es bildete sich eine Gruppe von 50-60 Leuten, zu denen Br. Hebich und Abraham sprachen. Selten erhob sich Einsprache, und wenn dies vorkam, so wurden die Sprecher ins Bangalo eingeladen. Nach dem wir kaum 15 Schritte weiter gegangen waren und das Ende der Terrasse erreicht hatten, bildete sich wieder eine solche Gruppe von gegen 60 Personen. So ging es fort. Immer wieder kamen neue Haufen von Pilgern daher, so dass wir auf dem Wege zu unserm Predigtplatze sieben solche Gruppen hatten. Das tat mir in der Seele wohl, besonders wenn ich sie so aufmerksam zuhören sah. Ich musste mir sagen: Hier wird Same für die Ewigkeit ausgestreut; sie können solche Predigten nicht vergessen; sie müssen es abfühlen, dass die Liebe zu ihnen redet.

So kamen wir zum letzten Male zu unserm Predigtplatz. Ein Haufe von 150-200 Tijer sammelte sich um uns her. Die Einladung von uns Allen war dringend, besonders ermahnte sie Br. Hebich, am folgenden Tage doch nicht einem Stein die Ehre. des lebendigen Gottes zu geben. Der, welcher ihnen Alles, das kleinste wie das Größte, gegeben, ihr Schöpfer und Herr, sei Jesus. Mit dem Schlussgesang eines Liedes, das ein neues Pfingsten auf diese Erde herabfleht, schloss Br. Hebich seine Predigt auf der Lehmmauer, und ich zog mit dankerfülltem Herzen von dieser ehrwürdigen Zeugenstelle, die nun seit 15 Jahren unter dem Brüllen des Teufels und seiner Scharen eine Stätte der Friedensboten gewesen war. Ist nicht jene Lehmmauer schon für manchen Götzendiener ein Eben-Ezer geworden? Der Tag der Ewigkeit wird es klar machen; ja, des Herrn Wort kann nicht leer zurückkommen.

Ich komme zum letzten Tage. Donnerstag, den 18. März, frühe waren wir auf dem Posten. Schon vor 5 Uhr standen wir auf dem Vorsprung der Terrasse, ehe noch die Leute auf den Beinen waren. Br. Hebich begann wie sonst; da kam der erste Trupp von etlichen zwanzig, um, wie es an jenem Tage der Brauch ist, zu dem Gott Schiwa zu gehen und ihm 2 Fanam (= 8 Sgr.) zu bringen. Alle mussten an uns vorbei; der Platz war trefflich gewählt. Die ersten Leute, besondere die Weiber, liefen der Predigt davon. Nachdem Br. Hebich geendet, nahmen wir unsern Posten mitten auf der Terrasse ein, die eine treffliche Kanzel bildete, und nun begann der eigentliche Kampf. Ein Trupp nach dem andern kam daher; immer gewaltiger wurde Br. Hebichs Ringen, um die Leute zum Stehen zu bringen; er war heute gleich einem Löwen, dem der Jäger seine Jungen rauben will. Es war ein wunderbarer Anblick, dieses Drängen und Schieben der Leute, die nach und nach einen geschlossenen Preis von 5-600 Zuhörern bildeten, und die nach jeder Viertelstunde neuen Scharen Platz machten. Ach, wem sollte nicht der Anblick solcher stattlichen Leute, die zu einem rohen Stein wallfahrteten, das Herz weit öffnen? Wer hätte dastehen können, ohne innerlich zum Herrn zu schreien, dass Er sich erbarme und das Reich des Teufels zerstöre? Wer musste nicht innerlich erbeben, wenn er sah, wie der Führer eines Haufen seine Leute von der Predigt mit Gewalt fortschleppte! Rein Feldherr kann dem Ausgang einer Schlacht begieriger entgegensehen, als wir sieben Leute auf unserer Terrasse. Br. Hebichs Stimme war bisweilen wahrhaft erschütternd, wenn er einen Feind aus dem Felde zu schlagen hatte. Jeder von uns sprach drei Mal zur Menge, und wo das Getümmel des Volkes die Stimme eines Bruders zu übertäuben drohte, da fuhr er dazwischen und brachte Alles zum Schweigen. Was ich hier schreibe, bleibt weit hinter der Wirklichkeit zurück. Wir alle glühten und bürsteten nach einigen Seelen. Immer neue Haufen und immer neue einschneidende Zurufe von Br. Hebich; unermüdet pries er seinen guten Hirten an, und hier sah ichs: wer am besten den Heiland anpreisen lernt, der ist auch der gesegnetste Prediger. Hierin gilt es einen seligen Wetteifer. Dies war bei uns der Fall. Rührend war es, als Abraham Mulil sich, wie einst Joseph seinen Brüdern, zu erkennen gab und mit aller Macht eines liebeerfüllten Herzens die Torheiten und Nichtigkeiten der Götzen schilderte. Ich sah, wie sie seiner Rede folgten und jedes Wort ihm abnahmen, wie aber auch oft ein einziger Mann einen ganzen Haufen mit sich fortriss. Dann brach Br. Hebich los und rief ihnen das: Heute, so ihr seine Stimme höret, so verstocket eure Herzen nicht! mit Posaunenstimme nach.

„Immer neue Haufen kamen; ja, auf den Terrassen selbst hatten sich große Gruppen gebildet, und so wurde das Netz nach Herzenslust ausgeworfen. Jetzt fingen auch Weiber an zuzuhören, und ich kann noch Etliche im Geiste vor mir sehen, die 1-1/2 Stunden aufmerksam vor uns standen und trotz alles Rufens ihrer eigenen Leute sich nicht zum Weggehen bewegen ließen. Dies kann nur gesehen, nicht beschrieben werden. An jenem Orte kam es mit Macht über mich, welche unverdiente Gnade mir der Herr erwiesen, dass Er mich würdigte, jenen Tag in Indien zu sehen. Dass aber der Teufel gern etwas ausgeheckt hätte, konnte ich ebenfalls bald gewahr werden. Ich bemerkte, dass Br. Hebich gegen 9 Uhr unruhig zu werden anfing, und konnte mir die Ursache nicht erklären. Endlich brach er zu meinem Erstaunen um 10 Uhr auf. Im Bangalo angekommen, erfuhr ich, dass der Tahsildar (Oberamtmann, ein Tijer) alle Polizeimänner und besonders die Anführer derselben, bis auf Einen weggenommen hatte, und dies war ein schlimmes Zeichen, besonders als uns verdächtige Äußerungen des Tahsildars hinterbracht wurden. Nur ein Trunkenbold, ein Signal mit Pfeifen, ein Stein – und wir wären verloren gewesen. Deshalb brach Br. Hebich so frühe auf und schickte nach dem Beamten. Der leugnete und wusch sich rein; Br. Hebichs Fragen aber erschreckten ihn so, dass jener ganze Tag mit des Herrn Gnade vollends ruhig verlief. Welche Gnade hatte uns der Herr erwiesen, wenn ich bedenke, dass 20-30.000 Menschen in und um Taliparambu versammelt waren, und dass nicht ein einziger Stein nach uns geschleudert werden durfte!

„So war denn um 10 Uhr unsere Arbeit für dieses Jahr zu Ende gegangen. Wir hatten dann noch zahlreichen Besuch, schöne, verständige Leute, die im Verhältnis den meisten unsrer Landleute daheim an Kenntnissen überlegen sind. Hier war unser Abraham wieder in seinem Element, von Br. Hebich unterstützt, der ihnen aus dem Herzbüchlein die Tücken und Schäden ihres Herzens nachwies, um ihrer eigenen Gerechtigkeit ein Ende zu machen. Viele verlangten Bücher, aber unentgeltlich, und da wir ihnen hierin nicht entsprechen konnten, so verkauften wir so wenig, dass der Absatz sich nur auf eine geringe Summe belief.

„Um 2 Uhr zog sich die Menge von den Terrassen hinweg dem Bazar zu, um zum letzten Male den Götzen Krischna und seinen Bruder zu sehen. Wir konnten von unserm Hügel aus die ganze Masse überschauen. Hier sah ich auch zum ersten Male auf einem uns gerade gegenüberliegenden Hügel die armen Puleier (Sklaven, die den Reisbau betreiben), welche nur aus weiter Ferne den Steingott sehen dürfen. Früher war der Götze um 2 Uhr erschienen; heute aber wurde es 3 ja 4 Uhr, und noch immer kein Krischna. Viele hatten schon den Rückweg angetreten. Die Ursache der Verzögerung waren Geldstreitigkeiten unter den Brahmanen. Endlich nach 4 Uhr kamen die Gebrüder (der Gott Krischna und sein Bruder Balarama) zum Vorschein. Nur die umstehenden Naier jauchzten; die Tijer zeigten auffallend wenig Enthusiasmus für die zwei Steine. Zwei Brahmanen, jeder einen Stein-Gott auf dem Rücken tragend, hüpften mit Musik daher, das war die ganze Herrlichkeit! Dann wurden die Steine wieder an ihren Ort gebracht, wo sie bis zum nächsten Jahre liegen bleiben und schlafen.

„Die Masse verlief sich rasch, und als die Nacht anbrach, ward er stiller und stiller, bis endlich am Freitag Morgen, als wir um 2 Uhr aufstanden, Alles öde war. Ich setzte mich dann vor unser Haus und ließ die Ereignisse der letzten hier verlebten Tage an meinem Geiste vorüber ziehen. Am liebsten, - das war das Resultat, - wäre ich in Taliparambu geblieben, um wenigstens ganz unter dem Volke zu sein und mich vollends schnell in die Sprache hineinzuleben. Doch des Herrn Weg führte mich nach Cannanur zurück. Nachdem wir mit Lob und Dank unser Reisebangalo verlassen hatten, zogen wir unter Gesang vorwärts und trafen erst am Flusse Walarpatnam noch einen Nachtrab der Menge, welche viele Zeit zum Übersetzen brauchte. Nachdem wir noch einige Seelen zum Reiche Gottes eingeladen hatten, gings rasch Tschirakal zu, wo wir Alles frisch und munter antrafen. Hier ließen wir unsern treuen Gefährten Sebastian zurück, während Br. Hebich, Joseph, Abraham Mulil und ich in einem Wagen nach Cannanur führen. Unterwegs aber ward noch mancher Seele ein Wort von Jesu zugerufen, bis wir endlich Freitags den 19. März, um 10 1/2 Uhr Morgens, nach Leib und Seele wohlbehalten im Kreise unsrer lieben schwarzen Brüder ankamen, die sich mit uns über alle dem freuten, was der Herr an uns getan hatte.

„Ich aber habe mit der Herrn Gnade ein weiteres, liebevolleres, barmherzigeres Herz zu meinen schwarzen Brüdern und eine noch lebendigere Erfahrung der Durchhülfe meines Heilandes mitgebracht, und mein ernstliches Flehen zum Herrn ist, dass er mir diese Gabe erhalten und mehren möge zum Preise Seiner herrlichen Gnade.“

Wir haben diese Festbeschreibung unverkürzt mitgeteilt, weil sie nicht bloß ein warmes Zeugnis ablegt von dem, was der Herr durch seinen Knecht unter den Heiden wirkt, sondern auch von dem Eindruck, welchen dessen Persönlichkeit auf jüngere Mitarbeiter macht. Dieser begeisterte Erzähler war nach seiner Ankunft in Cannanur so wenig für Hebich eingenommen, dass ihn vielmehr die „törichte Predigt“, sowie die ganze Art des alten Bruders abstieß. Es begab sich aber im Verlauf des Zusammenlebens, dass er den Hauptfehler bei sich selber fand und dann so reiche Segnungen durch den geprüften Mitarbeiter empfing, dass er sich mit Dank und Freude zu seinen Kindern rechnete. Kein Wunder, wenn er an seiner Eigentümlichkeit mit kindlicher Bewunderung hinaufsieht. Eben darum aber verlangen wir nicht, dass jeder christliche Leser die beschriebene Amtstätigkeit Hebichs nach allen Seiten so ansehen soll, wie sie dem Briefsteller sich präsentierte. Es will uns scheinen, dass es immer eine doppelte Art der Heidenpredigt geben wird, eine, die wir die schnurgerade „törichte Predigt“ nennen möchten, für welche Paulus in seiner Wirksamkeit zu Korinth uns als Muster vorschwebt, die andere, welche sich aller vorhandenen Anknüpfungspunkte und Vermittlungen bemächtigt und in ähnlicher Weise, wie Paulus mit den verschiedenen Denkweisen, auf die er in Athen stieß, sich auseinander zu setzen bemüht war, das Zeugnis von Christo den besondersten Bedürfnissen jedes Volkes anpasst. Es ist dieselbe Sünderliebe des Heilandes, welche seine Boten auf diesen oder jenen Weg führt und sie darauf begleitet und segnet. Und am Ende ists doch nur Gottes Geist, der der klugen oder törichten Verkündigung Frucht schafft, welche bleibt ins ewige Leben. Es tut sich nicht wohl, die eine Weise auf Kosten der andern zu erheben. Nur will uns bedünken, dass in unsern Tagen die vorsichtige, umsichtige, Brücken und Treppen bauende Methode in bedenklichem Maße vorherrscht, so dass die Gefahr nahe liegt, sie für die einzig zeitgemäße und Frucht bringende zu halten. Dem möchten wir entgegen halten, dass die andere Art zwar von der modernen Bildung hinausvotiert ist, aber unter der kleinen Herde ihre Geltung jederzeit hatte und noch behält. Doch wir wollen nicht vor der Zeit richten, sondern dem Herrn danken, dass Alles unser ist, auch die rücksichtsvolle, feine Beredsamkeit der Studierten, sowie der lärmschlagende Schlachtruf kampfbereiter Herolde.

Ein weiterer Grund, dieser Schilderung hier breiten Raum zu geben, liegt für uns in dem bedauerlichen Umstand, dass die Festpredigt in der beschriebenen Art schon der Vergangenheit anheimgefallen ist. Jenes Fest von 1858 war das letzte, das Hebich besucht hat. Im folgenden Jahr war schon die Einleitung getroffen, den Festbesuch in Taliparambu nach gewohnter Weise zu ermöglichen5). Durch eine offizielle Anzeige von der angeblich aufgeregten Volksstimmung gebunden, konnte jedoch der Oberbeamte nicht umhin, unserm Bruder die Weisung zu geben, dass er sich diesmal des Festbesuchs enthalte. Indessen haben die Katechisten der Außenstation in Taliparambu von besonderer Aufregung der Festpilgrime nichts bemerkt; viele kamen zu ihnen, fragten, wo denn der Padre bleibe, und hörten haufenweise im Missionsgehöfte die Predigt des Wortes an. Dagegen deutete eine zu gleicher Zeit eingetretene Krankheit Hebichs das erste bedeutendere Symptom einer vom Klima endlich angegriffenen Konstitution - wohl darauf hin, dass auch die oberste Regierung den Rücktritt von dieser heißen Arbeit genehmige und nun ihrem Sendboten eine Zeit der Ausspannung gönne. Der Herr segne den Jahre lang ausgestreuten guten Samen und lasse - wenn auch in anderer Weise - Sein Evangelium noch ferner über die Hügel von Taliparambu erschallen!

Um jene Zeit erschien im Bombay-Guardian, wahrscheinlich von der Feder eines amerikanischen Missionars, folgender Artikel (29. Jan. 1859):

„Es scheint, dass Herr Hebich, der wohlbekannte Missionar von Cannanur, Erlaubnis erhalten hat, weitere Reisen in Indien zu machen, und dass auch wir hoffen dürfen, ihn einmal in Bombay zu begrüßen. Herrn Hebichs Name hat weithin einen guten Klang bei den Jüngern Christi, welche ihn wegen seiner aufopfernden Treue im Amt eines Glaubensboten sehr hoch schätzen; daher sind ihm oft Einladungen aus den verschiedenen Präsidentschaften Indiens zugeschickt worden, in der Erwartung, ein Besuch von ihm dürfte nicht bloß den Wenigen, die ihn schon kennen, sondern Vielen, welche ihm noch nie begegnet sind, zu geistlicher Erfrischung und Förderung dienen. Diesen wird es erwünscht sein zu hören, dass das Missions-Komitee in Basel ihn bevollmächtigt hat, Malabar für eine Weile zu verlassen, um Madras und andere Städte zu besuchen. Hr. Hebich ist reichlich gesegnet in seiner Arbeit nicht bloß als Missionar für die Heiden, sondern als Prediger der Gerechtigkeit unter den Europäern, mit denen er zusammengeführt wird. Er beschränkt sich auf ein Buch, die Bibel; selten soll er sonst was lesen, und auch die Zeitereignisse nur aus zufälligen Unterredungen kennen lernen. Was sich nicht auf sein Werk bezieht, lässt er bei Seite liegen. Mit höchster Unerschrockenheit spricht er zu Menschen jedes Standes über ihr Seelenheil, und hat, wie es sich von selbst versteht, durch das Interesse, das er am geistlichen Wohle von Fremden nimmt, schon oft und viel Anstoß gegeben. Wir haben unzählige Anekdoten vernommen über das Erstaunen, die Verwirrung und Aufregung, welche seine bolzgeraden Fragen bei Personen hervorriefen, mit denen er das erste Mal zusammentraf; und in wie vielen Fällen haben sich jene Anwandlungen in die aufrichtigste Dankbarkeit und Liebe verwandelt, wenn dieselben Personen sich als seine Schuldner erkannten, welche die ersten Anfänge ihres Glaubenslebens - Gaben, die sich nicht nach Gold und Silber schätzen lassen - der schonungslosen Freundlichkeit dieses Knechtes Gottes verdankten. Wir haben von Europäern gehört, welche ihrer Dienerschaft aufs schärfste befahlen, Hrn. Hebich nicht einzulassen, und der Befehl wurde nicht befolgt, so fest stand sein Entschluss, ihnen wohlzutun; und dieselben Herrschaften haben es zuletzt für einen hohen Genuss gehalten, den Missionar in ihren Häusern zu haben und seinen Lehren zuzuhören. Wir Haben von Andern gehört, welche ihr Äußerstes taten, ihn durch Grobheiten zu entfernen, und haben sie später Gott preisen hören für die Gnade, die er seinem Knechte gegeben hat. Es ist unleugbar ein Sonderling; aber seine Sonderbarkeiten gehören zum ganzen Mann; sie folgen aus dem Umstand, dass er die Wahrheit, die in ihm ist, frisch herausgibt, unbekümmert um die konventionellen Lebensformen. Vielleicht ist das exzentrische Wesen mehr auf Seiten der Welt, als auf der seinigen; wir meinen, dass der Kreis, in dem er sich bewegt, zu der großen Zentralsonne der Wahrheit in einem viel richtigeren Verhältnis steht, als der Kreis, worin sich die Welt umtreibt. Wenn Hr. Hebich den Anforderungen der Welt auf feine Bildung mehr entspräche, würde er wahrscheinlich an seiner Kraft einbüßen. Unsere Überzeugung geht dahin, dass der Mensch die Wahrheit innehaben und dann harmonisch in sich wirken lassen soll; so wird sich dieselbe durch allerhand Eigentümlichkeiten bei verschiedenen Leuten verschieden äußern, ohne darum ihre wirkliche Einheit zu verlieren. Wir haben nicht die mindeste Bekanntschaft mit Hrn. Hebich, und schreiben einfach, was wir über ihn gehört haben; doch nicht bloß von einem oder zwei Zeugen, sondern von Vielen, die ihn kennen und mit Lust von ihm reden. Wir hoffen, dass, wohin er auch auf indischem Boden gelange, er mit dem vollen Segen des Evangeliums Christi kommen und vielen unsterblichen Seelen zum Heile dienen werde.“

Diese Hoffnung ist nicht in Erfüllung gegangen. Hebich hat weder Bombay besucht, noch die beabsichtigten weiteren Reisen ausgeführt. Nachdem ihn das erste Schwanken seiner Gesundheit auf die kühlen Nilagiriberge geführt hatte, fand er dort volle Beschäftigung in der täglichen Predigt des Worts; zur Fortsetzung der Reise ins Tiefland wollte sich aber die nötige Kraft lange nicht einfinden. Als er einmal mit dem Arzt auf bedenklichere Symptome, die sich einstellten, zu reden kam, wurde diesem klar, dass Hebich von einem Schlagfluss bedroht sei. Er riet augenblickliche Rückkehr nach Europa und konnte nur auf diesem Wege gründliche Genesung in Aussicht stellen. Sobald Hebich von der Notwendigkeit eines raschen Entschlusses überzeugt war, stand er von den früher gehegten Planen ab und eilte (Sept. 1859) über Bangalur und Madras der Heimat zu. Am 28. Oktbr. traf er in Marseille, 27. Dezbr. in Basel ein. Mit dem Eintritt in die gemäßigte Zone verloren sich die bedenklichen Symptome und machten einem verjüngenden Gesundheits- und Kraftgefühl Platz.

Der alte Streiter ist nun in unserer Mitte angekommen, aber ohne sich bis jetzt Erholung zu gönnen, es wäre denn Erholung, das Werk, welches er bisher in Englisch und Canaresisch betrieben hat, nun auch unter Deutschen zu versuchen. Eine solche Abwechslung in der Arbeit mag zunächst einer Ausspannung gleichkommen; länger fortgesetzt dürfte sie zu einer schweren Aufgabe werden. Einem bedenklichen Gemüte mögen sich dabei allerhand Besorgnisse aufdringen. Wird sich eine so stark ausgeprägte Persönlichkeit in die engen Geleise schicken können, in welchen unser kirchliches Leben umläuft? Wird unser Volk sich dieselbe freie Sprache gefallen lassen, wie die an Achtung vor Gottes Dienern gewohnten Engländer und Schotten? Welche unserer Parteien wird ihm als Rückhalt dienen, da er den Dissidenten durch seine lutherische Sakramentslehre, den Autoritätsmännern durch entschieden freikirchliche Ansichten, den stillen im Lande durch sein lautes, derbes Auftreten, Allen aber durch die ganze Ungebundenheit seines Wesens ferne gerückt scheint? Kein Wunder, wenn viele Bedenken sich an eine solche Wirksamkeit hängen. Und wie sehr werden dieselben manchem redlichen Jünger gerechtfertigt scheinen; Wenn er die Ausbrüche der bitteren Opposition vernimmt, welche Hebichs Auftreten in Basel schon hervorgerufen hat. Nicht nur haben feindselige Blätter ihr Äußerstes getan, die öffentliche Stimmung gegen den Eindringling aufzuregen; nicht nur hat in Basel eine trunkene Rotte den Gottesdienst durch rohen Lärm gestört (24. Jan.); auch konservative Männer haben sich beeilt, ihr Votum gegen den Vertreter des alten Glaubens abzugeben. Ist doch Hebichs ferneres Auftreten in den Basler Kirchen ein Gegenstand der Beratung für die oberste Behörde, den großen Rat, geworden (6. Febr.), und in der starken Minorität seiner Gegner (42 gegen 44) sind nicht bloß die Radikalen und Denkgläubigen zu finden, sondern auch Vertreter der Kirchentums. Ist das nicht bedenklich?

Es mag bedenklich sein. Hebich wird immer ein unbequemer Stein für die Bauleute bleiben. Dennoch gehört er einmal zum lebendigen geistlichen Tempel, und wir müssten fürchten, große Verantwortung auf uns zu laden, wenn wir über seine Verwendung und Brauchbarkeit auf eigene Faust hin richten wollten. Einstweilen lassen wir uns unsere Freude an Gottes Gabe nicht trüben. Der alte Missionar ist noch derselbe, der er als neubekehrter Kaufmann, als Basler Zögling war. Was er vor dreißig Jahren von Gottes Barmherzigkeit erwartet hat, ist eingetroffen. Er ist kein großer Gelehrter geworden; hat er allerhand Neues gelernt, so wird er wohl ebensoviel Älteres verlernt haben. Er ist sich aber gleichgeblieben im Dankgefühl des ewigen Gnadenrate, im Ernst der rettenden Sünderliebe, in der seligen Glaubensgewissheit, in der Zuversichtlichkeit der bestimmtesten Antwort auf die größte Frage des armen Menschenherzens. Je leichter der Mensch über der Arbeit an Andern seiner eigensten Bestimmung untreu wird und in neuen Bahnen sich versuchend das nächste Ziel verfehlt, desto mehr dürfen wir Gottes Gnade preisen, wenn sie eine vieljährige, wechselvolle Erfahrung doch nur das bewirken lässt, dass ein Mensch seiner ersten Berufung treu, mit seiner innersten Anlage im Einklang bleibt. - Hält man doch in unserer Zeit so viel auf Arbeitsverteilung! Warum von den Arbeitern am Reiche gleichmäßige Begabung, allseitige Ausbildung fordern? Man stelle eine entschiedene, einseitig gebildete Kraft an den rechten Fleck, und sie wird auch heute noch Wunder wirken: Wunder wenigstens für diejenigen, welche Alles gern erklären möchten und noch nicht erfahren haben, wie sich der Herr der Kirche zu einem im Kleinen treuen Knechte bekennt. Darum glauben wir, dass unser Herr den mutigen Streiter, wie draußen in der Heidenwelt, so auch in der christlichen und antichristlichen Heimat wird zu brauchen wissen, und überlassen es ihm, die rechte Arbeit für ihn zu finden. An wie vielen Orten wäre nicht Heidenpredigt am Platz! Haben wir nicht auch Seidenfeste, auf welche ein Bußprediger passen würde? Ist der Abstand so groß zwischen unsern Modesünden und den heidnischen Lastern? Wo fühlt man auch recht tief die ungeheure Sicherheit, den geistlichen Schlaf unseres Geschlechte, und demütigt sich vor den drohend aufsteigenden Gerichten? O gewiss, es ist noch Raum da für die Predigt von Buße und Glauben, komme sie auch in ungewohnter Form. Also bitten wir Gott, Seinen Knecht nach Belieben zu brauchen und ihn zu bewahren, dass er weder durch den Hass der Feinde, noch durch die Anhänglichkeit der Freunde irgend Schaden leide, sondern fröhlich ausharre im verordneten Kampfe, viele Frucht bringe und treu erfunden werde bis ans Ende!

1)
Hebich ist ein christlich ernster, durchaus redlicher Mensch. Sein Eifer, Missionar zu werden, glühte lange schon in ihm. Auch hat er manche Eigenschaften, die wohl zu diesem Berufe eine köstliche Zugabe sind, nämlich ein offenes heiteres freundliches Wesen, das ihm leicht die Herzen gewinnt und ihn selbst solchen nahe bringt, die seinen Überzeugungen entgegenstehen. Er ist gesund, verständig und unverwöhnt, und weiß sich in mannigfaltige Lagen zu schicken - hat in seinen früheren Verhältnissen mit großer Treue und Geschicklichkeit gearbeitet. (5. April 1831
2)
Die Maplas, oder Mapillas sind die Muhamedaner der indischen Westküste, ein betriebsames, aber stolzes und fanatisches Geschlecht, bestehend aus Nachkommen und Proselyten arabischer Kolonisten.
3)
Naier, so viel als „Anführer,“ ein Ehrenname der Gutsbesitzer- und Krieger-Kaste im Malabar-lande.
4)
Die Tijer sind die Palmwein-Bauern des Südens, welche aus der Palme den Saft gewinnen unter großer Mühseligkeit. In den Küstenstädten haben sie sich durch ihre Anstelligkeit bei den englischen Herren gesellschaftlich und geistig bedeutend gehoben.
5)
Wie nötig ein gewisser obrigkeitlicher Schutz dort war, erhellt aus folgenden Tatsachen: „Im Jahre 1850 wurde H., so oft er auf dem Predigtplatz erschien, mit Steinwürfen empfangen. Ein spitziges Holzstück fuhr aus der aufgeregten Masse mit heftiger Gewalt gerade gegen seine Augen; eine scheinbar zufällige Bewegung seiner Hand wandte die Gefahr ab, und das Holz prallte von seiner aufgehobenen flachen Hand auf die Köpfe der Zuhörer zurück. Ein Stein fuhr über seinem Haupte hin an den Stamm des Baumes, unter dem er stand. Bei seiner Heimkehr nach dem Zelt folgte ihm ein Haufe von etlichen hundert rohen, aufgeregten Bösewichtern, die einen wahren Regen von Steinen über ihn und seine Katechisten schleuderten. Zwei der letzteren blieben fast tot auf dem Platze. Im J. 1855 ist er abermals auf dem Götzenfest von Taliparambu. An einem der Tage will er zum Predigtplatz ausziehen; aber bereits kam ein Haufe mit Stöcken und Steinen in den Händen gegen ihn heran, während ein anderer Haufe ihn umging, um ihn im Rücken anzufallen. Hebich geht ihnen ruhig entgegen und bittet sie freundlich, von Gewalt und Unrecht abzustehen; aber in dem Augenblick fallen die schweren Stöcke auf ihn und seine Begleiter. Der Missionar zieht sich mit seinen Gefährten in das Reisehaus zurück. Die Menge dringt brüllend und tobend nach. Einer der Katechisten fällt zu Boden unter den Stockschlägen; die Knechte, welche zu Hilfe kommen wollen, werden verwundet und misshandelt. Das Haus wird erbrochen und Alles zertrümmert und zerschlagen. Hebich kann sich nur mit äußerster Not und unter augenscheinlicher Gefahr ins Amtshaus flüchten.“
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