Hauser, Markus - Jesus als Beter
Eine besondere Anziehungskraft auf betende Jünger übt Jesus als Beter aus. Dass Er, in dessen Namen wir bitten, selbst der treuste und erfolgreichste Beter ist, das ist uns gross. Es ist überaus fruchtbar, den heiligsten und vollkommensten der Beter zu beobachten und Sein Beten zu erwägen. Denn Jesus betete nicht etwa nur zu Scheine, Er betete nicht etwa nur, um hierin den Jüngern ein Vorbild zu sein, Er betete in der Tat und in der Wahrheit, Er betete aus tief empfundenen Bedürfnis. Jesus betete zur Verherrlichung Gottes, Er betet um die Gemeinschaft mit dem Vater zu pflegen, Er betete, um Gottes Willen durch eine innige Fühlung und Verbindung mit Ihm erkennen und erfahren zu können. Jesus betete, um zu empfangen, um Kräfte und gaben Gottes für die Menschen flüssig zu machen. Jesu Beten ist ein wirkliches Beten, ein schöpfen aus der Fülle Gottes zur Verherrlichung Gottes. Dass er nicht nur als Vorbild, sondern dass Er aus tief empfundenem Bedürfnis betete, das sehen wir sehr klar aus Hebr. 5,7: „Er hat in den Tagen Seines Fleisches Gebete und Flehen dem, der Ihn vor dem Tode erretten konnte, mit starken Geschrei und Tränen dargebracht und ist aus Seiner Furcht erhört worden.“
Sehr beachtenswert ist auch das, das Jesus selbst um diejenigen Dinge bat, von denen er wusste, dass sie Ihn ganz gewiss zukommen werden. So flehte er angesichts Seines Kreuzestodes: „Und nun verherrliche mich Du, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei Dir hatte, ehe die Welt war.“ Für Seine Jünger flehte Er in demselben Gebete, (Joh 17) um Heiligung und um Bewahrung. Es lag aus ausser allem Zweifel, dass der Heilige Vater Seinen lieben Sohn, auf dem Sein Wohlgefallen ruhte, wieder einsetzen werde in die frühere, Ihm von Ewigkeit her zukommende Herrlichkeit und dass Er die Seinen in der Welt heiligen und bewahren werde. Warum trug denn Jesus diese Anliegen vor den himmlischen Vater? Er tat es offenbar eben deshalb, weil Ihm diese Dinge ein Anliegen waren. Es verstand sich dies alles nicht nur so von selbst, es musste erbeten sein. Das innige Verhältnis der Personen zueinander, das Aufwallen und Überströmen der Liebe, die gänzliche Zusammengehörigkeit erfordert ein Bitten, Nehmen, Danken, Loben und Preisen. Jesus sagt: „Der Vater lässt mich nicht allein,“ und gibt selbst als Grund hierfür an: „denn ich tue allezeit, was Ihm wohlgefällt.“ Der Sohn blickt auf den Vater, tut mit innigster Lust Seinen Willen und mit brünstiger Vaterliebe öffnet Ihm Gott Seine Fülle. Das Beten ist hier ein Nehmen zur Ehre Gottes, dessen Herrlichkeit sich eben hierdurch ausdehnen kann. Die klaren und bestimmten Verheissungen, die bereitliegenden Gnaden, können nur durch Gebet flüssig gemacht und als Gabe angeeignet werden. Wir sehen hieraus, welches Gewicht dem Gebetsleben Christi hienieden und welches Gewicht Seiner Stellvertretung im Himmel zukommt. Durch Sein Gebetswirken, das ist, durch Sein Nehmen, Empfangen und Austeilen, wird alle Welt der Herrlichkeit Gottes voll werden. Aller Himmel Himmel Seligkeiten und Herrlichkeiten, alle göttlichen Reichtümer und Vollkommenheiten, werden durch Jesus Christus den Erlösten zu teil. Seine Stellung als Beter zu Gott und zu den Menschen ist die des Empfangens und Gebens, dem Nehmens und des Austeilens.
In diesem Lichte müssen wir den hohen heiligen Beter betrachten. Die Reiche müssen Gottes und Seines Gesalbten werden, alle feinde müssen überwunden und die gefallenen Erde muss wieder hergestellt und Himmlisch werden. Jesus ist es, der es schafft; durch Seine Erlösung hat er die Entfernung des Übels ermöglicht und durch Sein fortwährendes Wirken wird der Wille Gottes, der auf die Wiederherstellung der gefallenen Schöpfung geht, realisiert und vollzogen.
Welche Stellung hierbei denen zukommt, die durch Jesus Christus auch wahre Beter geworden sind, mag der geneigte Leser selbst in Erwägung ziehen. Wir wollen als Erlöste mit Gott in so völliger und beständiger Gemeinschaft stehen, dass Jesus Christus durch uns hier und dort Seine Macht und Herrlichkeit entfalten kann. Insoweit wir als Beter dem Heiland ähnlich geworden sind, insoweit wir Seine wahren Diener, Leute, die in Zeit und Ewigkeit, die diesseits und jenseits, die im Prüfungsstande und Vaterhaus Gott verherrlichen.
Als Beter lebte Jesus hienieden als ein vielfach nicht verstandener und von den Hütern der Religion verkannter Sonderling und Fremdling. Nicht im Formen und schönen Reden bewegte Er sich, Er suchte das Angesicht des Vaters, Er lebte in Gott und mit Gott, Seine Worte waren deshalb Geist und Leben. Er war nicht von der Erde, darum redete Er nicht von der Erde, Er war von Gott, darum redete Er von Gott und aus Gott. Nur Jünger konnten Seine Herrlichkeit sehen; die nicht aus der Wahrheit waren, ärgerten sich an Ihm. Wie gross steht Er vor uns!
Oft zog sich der Herr in die stille Einsamkeit, in die Wüste, an einsame Orte oder auch auf einen Berg zurück. Hier hatte Er den Lärm der Welt zu Seinen Füssen. Hier konnte er ungesehen und ungestört sein Herz vor Gott ausschütten. Und Er hatte offenbar nicht selten viel mit Ihm zu reden, denn Er brachte ganze Nächte zu im Gebet. Und wenn Er dann wieder hervortrat in die Öffentlichkeit, so mussten es Tausende bekennen: Er redet als Einer, der Vollmacht hat. Nach solchen im Gebet zugebrachten Nächten konnten wohl Seine Jünger in besonderem Masse etwas von Seiner Herrlichkeit sehen, Kraft und Leben ging von Ihm aus.
Jesus war stets sehr tätig. Seine Liebe zog Leute aus weiten Kreisen an und Seine Zeichen und Wundern machten Ihn zum fernhin bekannten Manne; deshalb strömten von allen Seiten Hilfe suchende herbei. Aber der Herr lies sich durch die sich immer mehr häufende Arbeit nicht überlasten, sondern Er zog sich aus dieser heraus oft in die Stille des Gebets zurück. So blieb Er den frisch, freudig und kräftig bei all den Kämpfen und Schwierigkeiten, die Er zu bestehen hatte. Sodann blieb Er bei allem Wirken betend, so dass Er alles, was Er tat mit dem Vater vollbrachte. Er blieb selig in mitten der Stürme, die Ihn ständig umgaben. Warum? Weil Er vor der Arbeit betete, weil Er dadurch in der Gemeinschaft Gottes blieb und so Kraft genug hatte, alles zu durchschauen und zu überwinden. Hatte Er dann des Tages Last und Hitze getragen, so ging Er am Abend wieder ins Gebet. Die herzliche und ununterbrochene Gemeinschaft mit dem Vater war Seine Erholung. In den einsamen Stunden der Nacht füllte Er Sein Herz, fern von den Menschen in Gott. Ist Jesus dein Vorbild?
Besonders dann betete der Her inbrünstig und anhaltend, kindlich und kühn, wenn Er vor einer folgenreichen Entscheidung stand und wenn Er weittragende Schritte tun musste. So vor der Wahl der Apostel und beim Beginn Seines Todesleidens. Er betete bis Seine Seele durch alle Nöte und Ängste sich durchgerungen und in Gott zur vollen Ruhe gekommen war. Nach solchem Gebet konnte Er handeln als Einer der des Sieges gewiss war; er konnte leiden, dulden, tragen; er konnte den Kelch des Vaters trinken, denn Seine Seele war durch Gott stille und stark geworden in Gott, Er wollte und konnte den Willen des Vaters ausführen. Gott war stark in Ihm.
Die grossen Erfolge des Herrn als Lehrer und Prediger und Seine mächtigen Taten und Wunder sind nicht nur auf Seine Gottessohnschaft zurückzuführen, sondern sind zugleich als ein Einfluss Seines beständigen und innigen Umgangs mit Seinem Heiligen Vater zu betrachten. Die leibliche und geistliche Not der Menschen trieb Ihn viel ins Gebet; darum ging alle Zeit eine helfende, heilende und Frieden spendende Kraft von Ihm aus. In Apg. 10,
37-38 lesen wir hierüber: „Ihr wisset die Sache, die geschehen ist durch ganz Judäa und anfing in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes predigte von Jesus von Nazareth, wie Ihn Gott gesalbt und mit heiligem Geiste und Kraft, der umherzog, indem Er Gutes tat und heilte alle. die vom Teufel überwältig waren; denn Gott war mit Ihm.“ Er war mit Gott und Gott war mit Ihm. Das sein mit Gott kam im Gebet zum Ausdruck und die ausströmenden Kräfte waren das Siegel dafür, dass Gott mit Ihm war. Der Vater wurde verherrlicht durch den betenden Sohn und der Sohn wurde beglaubigt durch den Ihn verherrlichenden, allezeit zu Ihm stehenden Vater.
Als Beter erfasste Jesus Seine Jünger innerlich so, dass sie sehnlichst verlangten, auch Beter zu werden. Sie mussten erkannt haben, welche Macht im Gebete liegt. Nicht nur für sich, nicht nur, um gang allein mit dem himmlischen Vater zu sein, zog sich der Herr in die Einsamkeit zurück. Die Zeugen Seiner Taten hatten das köstliche vorrecht, öfters allein mit Ihm stille Stunden zu verbringen. Johannes sagte uns, dass Jesus mit Seine Jüngern sich oft im Garten Gethsemane versammelte (Joh. 18,2). Ob sie wohl hier in seliger Abgeschlossenheit nicht auch zusammen gebetet haben? Es wird uns nicht gesagt, aber die Vermutung liegt doch sehr nahe. Nur das wissen wir gewiss, dass bei Seinem letzten Kampfe in diesem Garten Er die Jünger zum Gebete aufgefordert hat. Sie hatten also den Herrn nicht nur beten hören, sie konnten auch schon beten. Dass sie aber erst nach den Empfange des heiligen Geistes im Geiste und in der Wahrheit zu beten vermochten, ist selbstverständlich. Die Salbung macht Jünger zu wahren Betern, sie macht auch auf diesem Gebiete dem Heiland ähnlich. ER war nicht nur verkannt und verachtet, Er war auch gesucht und geliebt; Seine Liebesmacht zog die Aufrichtigen an. Tausende priesen Gott über dem, was sie hören und sehen durften. Und das Geheimnis Seiner sich immer wieder offenbarenden Majestät und Macht lag in Seinem Einssein mit Gott, lag in Seinem fortwährendem Beten.
So steht den Jesus als Beter gross vor uns flehte und rang, ja dass Er auch jetzt im Himmel für uns lebt und bittet. Was die Gemeinde an Heil, Leben und Seligkeit empfängt, das wird ihr durch Christi Vermittlung im Himmel zuteil. Er hat uns bitten, nehmen und empfangen gelernt in Seinem Namen und wir erfüllen freudig seinem Willen, denn wir wissen, dass unsere Beseligung Seine Verherrlichung ist.
Zum Schlusse sei folgendes bemerkt:
- Die Tatsache, dass Gott alle Dinge weiss, alle unsere Bedürfnisse kennt und mancherlei Gaben für uns in Bereitschaft hält, ist also kein Grund dafür, das Gebet zu vernachlässigen, sondern viel mehr ein Ansporn zu anhaltendem, kühnen und vertrauendvollem Beten! „Wer bittet, der empfängt!“
- Das wahre Gebet fliesst aus der innigen Gemeinschaft mit Gott, ist ein Tätigsein des Glaubens und ein Flüssigmachen der göttlichen Lebensfülle. Eben deshalb, weil das Heil bereitet vor uns liegt; dürfen und sollen wir dasselbe allezeit im Gebete nehmen und empfangen.
- Das Beten im Geiste und in der Wahrheit ist eine Verherrlichung Gottes, weil, dadurch Sein Heil offenbar und den Seinen mitgeteilt und zu eigen geschenkt werden kann. Je mehr wir nehmen und empfangen, desto mächtiger wird Gott in uns und desto mehr kann Er um uns her Seine Macht und Herrlichkeit ausdehnen.
- Wir verlieren durchs Gebet keine Zeit und keine Kraft und überhaupt verlieren wir dadurch nichts, sondern unser Arbeiten und Wirken, weil Gott mit uns ist und weil Er nun durch uns Seinen Namen verherrlichen kann. Wir haben erst dann unsere wahre Menschenwürde wieder erlangt, wenn wir in Wahrheit Beter sind. Erst jetzt können wir als Diener und als Priester Gottes der Welt vielfach ein Segen sein; unser Arbeiten und Wirken ragt nun in die Ewigkeit hinein.
- Unsere zukünftige Stellung im Reiche Gottes hängt innig zusammen mit unserer jetzigen Stellung als Beter. Wie die Saat, so die Ernte. Wer in priesterlichem Geiste aus der Fülle Christi viel genommen, empfangen und ausgeteilt hat, wer ein Jesu ähnlicher Beter war, der hat nun die Fähigkeit erlangt, seiner Bestimmung gemäss mit Christo zu leben, zu herrschen und zu regieren in Seinem Königreiche. Werde ein gottinniger Beter!