Harms, Theodor - Das Hohelied - Achtes Capitel.

Harms, Theodor - Das Hohelied - Achtes Capitel.

Gesang: Es ist noch eine Ruh vorhanden -

Vers 1-7.

O daß ich Dich, mein Bruder, der Du meiner Mutter Brüste saugest, draußen fände, und Dich küssen müßte, daß mich Niemand höhnte. Ich wollte Dich führen, und in meiner Mutter Haus bringen, da Du mich lehren solltest ; da wollte ich Dich tränten mit gemachtem Wein, und mit dem Most meiner Granatäpfel. Seine Linke liegt unter meinem Haupte, und Seine Rechte herzet mich. Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, daß ihr Meine Liebe nicht aufwecket noch reget, bis daß es ihr selbst gefällt. Wer ist die, die herauf fährt von der Wüste, und lehnt sich auf ihren Freund? Unter dem Apfelbaum weckte Ich dich, da deine Mutter dich geboren hatte, da mit dir gelegen ist, die sich gezeuget hat. Setze mich wie ein Siegel auf Dein Herz, und wie ein Siegel auf Deinen Arm. Denn Liebe ist stark, wie der Tod, und Eifer ist fest, wie die Hölle. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des HErrn; daß auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen, noch die Ströme sie ersäufen. Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so gälte es Alles nichts.

Wir haben heute zu betrachten, wie der HErr Jesus die letzte Hand an die Seele legt, die Er Sich ausgewählt hat, wie sie gestützt auf die Hand ihres Freundes, die Reise antritt aus diesem Thränenthal in die himmlische Herrlichkeit. V. 1. So nahe dem Ende, redet die Seele den HErrn nicht als ihren Bräutigam an. In den letzten Augenblicken des Todesernstes sieht sie in Ihm nur ihren Bruder, und das ist in der Todesstunde ihr einzigster Trost.

Sie ist ja eine erlöste Seele, weil Christus ihr Fleisch und Blut angenommen hat, und weil sie in der Taufe Seiner Natur theilhaftig geworden ist. Jetzt da sie der Vollendung entgegenreift, baut sie all ihre Hoffnung und all ihren Trost auf diesen Doppelgrund, und sagt: mein Bruder. Er wird sie sicher durch das finstere Todesthal einführen in das lichte himmlische Jerusalem. Das ist eben die Kirche, die den HErrn Christus nach Seiner gottmenschlichen Natur geboren hat; auch Er mußte daran saugen wie wir. Cap. 7, V. 11-12 sagt die Seele dem HErrn ihren Wunsch, sich Seiner erfreuen zu dürfen in der Einsamkeit, fern von der Welt und allen ihren Störungen. Aber dies „draußen“ hier ist etwas Anderes; es ist außerhalb der Welt, ist die himmlische Heimath, wo die Zwei ewig verbunden sein werden in der Heiligkeit der Vollendung. Dort stimmt es mit dem seligen Liebesverkehr, wenn er in der Gemeinschaft der Seligen stattfindet; dort ist es keine Störung, wenn Alle zusehen. Hier auf Erden hat man diesen innigen Liebesverkehr am liebsten in der Einsamkeit, weil man so selten selbst von den Gläubigen verstanden wird, denn der HErr giebt Sich wie im Himmel so auch auf Erden Seinen Geliebten nicht nur im Allgemeinen; Er giebt sich jeder Seele noch ganz besonders nach ihrer Eigenthümlichkeit. Eine jede vollendete Seele ist von der andern verschieden. Gleich wie die Eine Sonne sich spiegelt in Millionen Thautropfen, so wohnt auch der HErr Christus in jeder vollendeten Seele auf eine besondere Art und Weise. Nach dieser vollkommnen Liebe in dem himmlischen Jerusalem, dahin richtet sich das Verlangen der erlösten Seele. Ich habe Lust abzuscheiden, und bei Christus zu sein. Sie führt ihren Freund, und Er führt sie, nicht nur in der Mutter Haus, auch in der Mutter Kämmerlein, wo Er Sich ihr eben als ihr ganz besonderer Freund giebt. Sie führen sich, denn da ist im Nehmen und Empfangen ein Verhältniß der Gegenseitigkeit: der HErr lehrt das Lebenswort, und die erlöste Seele tränkt Ihn mit dem Most der herzlichen Liebesbegier. Das Predigtamt hier auf Erden ist wohl ein köstliches, wenn der heilige Geist durch des Predigers Mund redet; aber dennoch berührt es vom HErrn Jesu nur des Kleides Saum. Wie wird es sein, wenn wir im Himmel den HErrn Selbst schauen, und uns verwandt an der Predigt Seines Mundes hängen, wenn Er uns das Lebenswort verkündet! Die Seele tränkt den HErrn mit Liebe. Das Wort können wir nicht genug beherzigen. Manche Menschen thun ihre Pflicht und Schuldigkeit, aber als Frohndienst; Andere thun sie willig, aber auch das ist nicht genug: wir sollten viel mehr darauf bedacht sein, dem HErrn Jesu Freude zu machen. Es ist nicht genug, Ihm hie und da einen Apfel, oder ein Gläschen Wein vorzusetzen, Sulamith macht Ihn trunken mit ihrer Liebe; sie giebt Ihm alles wieder, was Er ihr gegeben hat; wir aber behalten immer etwas zurück für uns selbst. Im Himmel gehören wir Ihm ganz an; da bilden alle unsere Lobpreisungen, all unser Empfinden, unser Denken und Thun den gewürzten Wein, wodurch unsere Liebe Ihn erquickt, denn Er hat so innige Freude daran, daß nach all den Verirrungen, all den Trübsalen und Versuchungen Sein Werk nun hat vollendet werden können. Hier auf Erden hat der HErr so wenig Freude auch an Seinen Gläubigen, aber im Himmel, wo Er versprochen hat, in seliger Gegenseitigkeit das Abendmahl mit ihnen zu halten, da läßt Er Sich so gerne die Fülle unserer Gaben schenken in herzlichem Genuß. Aus diesen beiden Versen spricht das heiße, sehnsüchtige Verlangen nach dem Liebesgenuß des HErrn, und gleich V. 3 erfüllt auch der HErr die Bitte, und hilft der Seele mit den innigsten Liebesbeweisen durch den finstern Weg. Eben so, wie man in schweren Anfechtungen und Trübsalen zuweilen des HErrn Jesu Hand fühlt, die schmeichelnd über unsere thränenfeuchten Wangen streicht, so versüßt Er auch Seiner Geliebten die Bitterkeit des Todes V. 3, und so getragen, tritt die Seele nun die Wanderung an über die Todesbrücke zum himmlischen Jerusalem. Dann, wenn Sulamith in so hohem Maaße des HErrn Liebe erfährt, dann tritt V. 4 der Zustand ein, den sie schon früher geschmeckt, wo mit aller Noth und Trübsal V. 5 die Wüste zurücktritt, und der lichte Himmel sich öffnet. In solchem Zustande können wir uns nie lange halten, wegen unserer Gebrechlichkeit; wir unterbrechen ihn immer selbst durch unsere eigne Sünde. Diesmal aber ist es anders; diesmal sagt der HErr: Ich weckte dich, nämlich durch den Tod. Es war ihr letzter Gang, den Sulamith antritt, gelehnt auf ihren Freund, und auf wen sollte sie sich auch stützen in diesem ernsten Weg, als auf Ihn, der sie erworben hat; nur durch Seine Weisheit und Treue war ja die Vollendung möglich. Unvergleichlich viel schöner wird V. 5 diese Auffahrt beschrieben, als Elias Aufsteigen in seinem feurigen Wagen. Wenn so ein Engelwagen im Himmel ankommt, und eine Seele zur himmlischen Hochzeit bringt, dann wird immer unter den Engeln und vollendeten Gerechten ein Gerede und ein Fragen: Wer ist die, die herauf fährt? - Es sind räthselhafte Worte, die der HErr darauf antwortet V. 5., und ich kann sie nicht anders verstehen, als wenn ich Cap. 2, V. 3 hinzuziehe. Der HErr sagt: Als dein treuer Apfelbaum beugte Ich Mich schützend und schattend über dich, Ich habe treulich Wache gehalten, während du schliefest. Dann erinnert Er sie an ihre Taufe, die geistliche Geburtshandlung. Die Kirche gebiert ihre Kinder unter dem Apfelbaum Christus. Daß sie in der Taufe ein Gotteskind geworden, das ist Sulamithe Trost, und reine Wirkung des HErrn Gnade. Indem ihr Freund sie daran erinnert, daß er es ist, der sie geweckt hat, erinnert Er sie zugleich an die wundervolle Handlung der geistlichen Geburt. Zwischen diesen beiden Endpunkten hält Er ihr gleichsam in Einem Bild ihren wunderbaren Heilsweg der Erlösung vor. - Bei den Worten, die V. 6 die Seele spricht, können wir nicht umhin, an den Hohenpriester in seinem Schmuck zu denken, da er die Edelsteine mit den Namen der Kinder Israel auf seinem Herzen und seiner Schulter trug. Wer so fest in der Liebe und Allmacht seines ewigen Hohenpriesters ruht, der ist geborgen, fest wie ein Siegel, das ein Zeichen der Vollendung ist, und ein Testament bestätigt. Tod und Hölle sind wohl stark, aber des HErrn Liebe und Allmacht sind stärker. Ist doch Sulamith selbst ein Beweis, daß die Liebe den Triumph über Tod und Hölle gefeiert hat, die Liebe, die von Beiden die Seele losgerungen, die den HErrn der Herrlichkeit auf Erden und ans Kreuz gebracht hat, die Ihn hat stille schweigen lassen, wenn Er gehöhnt ward; die Liebe, die den Sünder losgerissen hat aus Satans Banden, ihn getragen, geduldet, Sich nie hat abweisen lassen. Ja der errettete Sünder ist ein Siegel auf des HErrn allmächtige Liebe. Die Liebe ist wahrhaftige, allmächtige Feuersgluth, die Alles überwindet, was dazwischen tritt, und diese Flammengluth zündet sie als treibende Kraft in jede erlöste Seele. In des HErrn Leiden waren V. 7 alle Trübsalswasser ausgegossen, und doch konnten sie die Liebe nicht auslöschen; sie machten sie nur desto heller brennen. So wie bei dem HErrn, so ist's auch bei Seiner Braut: Trübsale dienen nur dazu, die Liebe fester zu machen, und in der Todesnoth ist sie am stärksten, ist so mächtig, daß sie triumphirt über Tod, Hölle und Teufel. Wie mächtig sie ist, das wird sich aber erst in ihrer Vollendung im himmlischen Jerusalem zeigen. Jede Creaturliebe ist nur Strohfeuer, erlischt bald, und läßt nur einen Haufen ausgebrannter Kohlen zurück. Das Himmelsfeuer aber hat keine Asche und keine Kohlen; der Mensch kann es auch nicht selbst anzünden; es kann nur von Dem ausfließen, der die Liebe selber ist. Keiner kann auch von dieser Liebe etwas begreifen oder erkennen, als in dessen Herzen der HErr Christus wohnt, der die Liebe selber ist. - Dies ist nun das letzte Liebesgespräch zwischen dem HErrn Christus und der erlösten Seele, das letzte bei ihrem Ausgang aus dieser Erdenwüste, und ihrem Eingang in das Himmelreich. Amen.

HErr, mein Hirt, Brunn aller Freuden!
Du bist mein, ich bin Dein,
Niemand kann uns scheiden.
Ich bin Dein, weil Du Dein Leben
Und Dein Blut mir zu gut
In den Tod gegeben.

Du bist mein, weil ich Dich fasse
Und Dich nicht, o mein Licht,
Aus dem Herzen lasse
Laß mich, laß mich hingelangen,
Da Du mich und ich Dich
Leiblich werd' umfangen.

Vers 8-14.

Gesang: Ich denk an Dein Gerichte

Unsere Schwester ist klein und hat Peine Brüste. Was sollen wir unserer Schwester thun, wenn man sie nun soll anreden? Ist sie eine Mauer, so wollen wir silbernes Bollwerk darauf bauen. Ist sie eine Thür, so wollen wir sie befestigen mit Cedern-Bohlen. Ich bin eine Mauer, und meine Brüste sind wie Thürme ; da bin ich geworden vor seinen Augen, als die Frieden findet. Salomo bat einen Weinberg zu Baal-Hamon. Er gab den Weinberg den Hütern, daß ein jeglicher für seine Früchte brächte tausend Silberlinge. Mein Weinberg ist vor mir. Dir, Salomo, gebühren tausend; aber den Hütern zwei hundert, sammt seinen Früchten. Die du wohnest in den Gärten, laß mich deine Stimme hören; die Gesellschaften merken darauf. Fliehe, mein Freund, und sei gleich einem Rebe, oder jungen Hirsche auf den Würzbergen.

In der vorigen Auslegung haben wir geschlossen mit V. 6-7, wunderschöne Worte, die man billig das Hohelied des Hohenliedes nennen könnte. Ihnen an die Seite ist nur das 13te Capitel des ersten Corintherbriefes zu stellen. Man sollte nun denken, daß diese Worte den Schluß bildeten, und daß hernach nichts mehr zu betrachten wäre. Wenn man oberflächlich an die folgenden Worte denkt, dann weiß man sie auch nicht unterzubringen. Ich kann sie nicht anders fassen, als eine Stimme aus dem Paradiese, zumal der Schluß, V. 14, an die letzten Worte der Offenbarung erinnert. - Wer ist nun die, welche V. 8 spricht? Das ist Sulamith, die im Paradiese mit dem HErrn Christus redet, und die kleine Schwester ist die Seele auf Erden, woran der HErr Sein Wert noch treibt, die noch durchzumachen hat, was Sulamith überwunden. Die vollendeten Gerechten im Himmel haben nichts mehr auf dem Herzen und Gewissen, als das Nachkommen der Seelen, die gerne hinauf wollen, und verfolgen deshalb mit der größten Spannung ihr Kämpfen und Wachsen. Wir wissen zwar nicht, wie weit das geht, aber daß die Seligen Kunde von dem Wert Gottes auf Erden haben, ist mir gewiß. Es besteht eine Verbindung zwischen der streitenden und triumphirenden Kirche, und die Augen und Ohren der Seligen sind viel mehr geöffnet für die Dinge dieser Erde, als wir es uns denken können. Dazu vermitteln die Engel den Verkehr zwischen Erde und Himmel, und berichten insonderheit, wie es mit den kleinen Schwestern steht. Ihre Brüste, als das Sinnbild des Trostes, sind klein; sie sind noch unerfahren in den Anfechtungen Satans, und können eben darum auch andere angefochtene Seelen nicht trösten. Je erfahrener die Christen werden, je mehr wachsen auch die Brüste ihres Trostes, und daß sie weiter kommen in ihrem Christenthum, daran liegt ja Alles. Wir wissen ja aus Erfahrung, wie man durch den Geist Gottes getrieben wird, dazu beizutragen, daß andere Seelen wachsen; wie viel mehr wird das im Himmel sein. Da beten die vollendeten Tag und Nacht, daß die begnadigten Sünderseelen nachkommen, daß die kleine Schwester groß werde. Was sollen wir ihr thun, womit sie anreden? Mit nichts anderem, als dem theuren, lebendigen, seligen Gotteswort. Es besteht gewiß eine wunderbar eigenthümliche Verbindung, nicht nur zwischen den Vollendeten und den Christen auf Erden, sondern auch zwischen dem Predigtamt im Himmel und auf Erden, so daß wir Prediger oft etwas sagen, was wir gar nicht sagen wollten, daß wir uns oft gar nicht bewußt sind, was wir sagen. Die Tragweite der Wirkung des heiligen Geistes ist uns selbst fremd. Zwar giebt es jetzt keine besondere Offenbarung mehr, wie zur Zeit der Apostel, aber es ist derselbe heilige Geist, der auf Erden Sein Werk treibt, wie im Himmel. V. 9 ist die Antwort des HErrn Christo. Wenn Er Sein Werk in einer Menschenseele treibt, so führt Er, wie ein irdischer Baumeister, erst die Mauer auf; dann wenn die Schwester herangewachsen ist, ein Bollwerk, ein festes, edles, reines, gegen die Anläufe Satans. Eben ein jeder fest gegründeter Christ ist ein Bollwerk gegen des Teufels Macht und List; je mehr Widerstand der Teufel findet, desto machtloser ist er. - Es ist uns ein großer Trost, daß der HErr fortbaut auf dem Grunde, den Er gelegt, daß Er das Werk vollführen wird, was Er in uns angefangen. Die kleine Schwester nennt der HErr Christus eine Thür zum Reiche Gottes, denn das ist die Aufgabe jeder bekehrten Seele, dem Reiche Gottes wieder Seelen zuzuführen, die sich zu Ihm bekehren. Eine solche Thür muß aber durch den HErrn sehr befestigt werden mit starken Bohlen, daß Satan mit seinen Aexten nichts das gegen vermag. Kostbar und fest will der HErr diese Bohlen machen, von Libanons Cedern, wie zum Tempelbau. So wird durch Christi Liebe und Treue eine jede wahre Christenseele eine feste Thür der Gnaden, die der Teufel nicht auf, und zumachen kann. V. 10. Ist es die kleine Schwester, die so spricht? Ich kann es nicht so fassen. Das wäre ja ein Widerspruch zu V. 8. So kann nur Sulamith sprechen: Siehe hier in mir ein Gebäude durch Seine Gnade, was Ihm Ehre macht. Die Stimme Sulamiths aus dem Paradiese hallt wieder zu der kleinen Schwester auf Erden; zu ihr spricht sie; nicht zu dem HErrn, von dem sie in der dritten Person redet. Ich habe Friede gefunden, verkündigt sie; dahin strecket auch euch mit all eurer Kraft. - Mit V. 11 wird das Reich Gottes beschrieben. Baal-Hamon bedeutet „Herrschaft der Menge“; darum ist mit diesen Weinberg die Gesammtkirche gemeint; der HErr spricht nicht von mehreren Weinbergen. Diese Kirche auf Erden wird den Sieg davon tragen, und die Hölle sie nicht überwinden können. Die Hüter sind nicht allein die Prediger; jedes Kind Gottes ist ein Hüter, dem als Glied der Kirche sein Stück Weinberg in dem allgemeinen Weinberg anvertraut ist. Die Zahl 1000 bedeutet die Mannigfaltigkeit von Dingen als Einheit, und V. 11 will sagen, daß alles was wir thun, es sei was es sei, wir für unsern himmlischen Salomo thun sollen. Darauf liegt des HErrn reicher Segen; aber wehe, wer sich anmaßen will, dem HErrn zu bringen, was Ihm nicht gehört; nur das dürfen wir dem HErrn wieder bringen, was er uns gegeben hat. Solche verdienstlose Gnadenarbeit geht ihren stillen, unaufhaltsamen Gang, und des HErrn tausendfacher, d. h. Gesammtsegen ruht darauf, weil der HErr das Werk selbst treibt durch die Seinen. V. 12. Mein Weinberg, d. h. Salomo's Weinberg. Wir können hier auf Erden die Ehre gar nicht fassen, die uns droben erwartet, die ganze Fülle Seines Eigenthums als unser eigen zu besitzen. So hat Er uns in Seiner Verheißung versprochen. Im Himmel ist Gütergemeinschaft zwischen Salomo und Sulamith da heißt es: was Dein, ist mein. Hier auf Erden könnten wir nicht sagen: „mein Weinberg“. Hier liegt unser gethanes Wert hinter uns; es gehört uns nicht. Im Himmel aber liegt es vor uns, durch Christi Gnade uns zu eigen geschenkt. Dort schaut der Vollendete das ganze wundervolle Werk des Reiches Gottes als Ganzes, und doch getheilt unter den Hütern, und Hüter ist ein Jeder, der eingegangen ist zur ewigen Ruhe. Im Himmel will ja der HErr nicht allein im Besitz der ewigen Gnadengüter sein; er will sie auch theilen mit denen, die mit Ihm gearbeitet haben. Im Himmel wird ja kein Wachsthum der Seligkeit sein; aber gewissermaßen, menschlich zu reden, mehrt sich der Segen in der HErrn Hand, indem er von da aus zurückströmt auf die Hüter, und so als unaufhörlicher Segensstrom fließt zwischen dem HErrn Christo und Seiner geliebten Braut. V. 13 spricht der HErr Christo zu Sulamith, und fordert damit ihr treues beständiges Gebet, die Fürbitte für das Reich Gottes. Die Fürbitte ist der größte Segen, der von den Vollendeten auf und niederströmt, und die christlichen Gemeinschaften können sie nicht entbehren; sie ist ihre Kraft, ihr Trost; sie ist es auch, die unsere Missionsgemeinde nicht aufhört zu begehren. Würden die Fürbitten der Vollendeten im Himmel verstummen, dann würde jede Arbeit für das Reich Gottes zusammensinken. Die Seligen ruhen im Himmel nicht nur aus von ihrer Arbeit, und haben Feierabend gemacht; ihr mächtigster Wirkungskreis beginnt erst: das Gebet für die Förderung des Reiches Gottes. Weil sie damit so viel ausrichten, darum sind sie auch ein so großer Schatz für die christlichen Vers eine, die von Menschen keine Hülfe erwarten, und sich freuen dieser Fürbitten im Himmel. V. 14 ist das letzte Wort der Sulamith. Ziehe aus vom Himmel auf die Erde. Das ist kurz gesagt das letzte Wort der Offenbarung: Komm HErr Jesu. Wenn Er diese Welt vernichten und eine neue Erde und einen neuen Himmel schaffen wird, dann wird er wegeilen von der Welt, umher zu wandeln in dem vollendeten wirklichen Paradiese. Cap. 2, 17 ladet Sulamith ihren Freund ein zu den Scheidebergen, aber hier zu den Würzbergen. Hier giebt es keine Scheidung mehr, hier herrschen ununterbrochen himmlische selige Düfte. Ueberall spürt man den Weihrauch. Cap. 3, V. 6, der keiner Kunst eines Apothekers mehr bedarf. Hier ist es nicht Cap. 4, 1 ein Würzgärtlein mehr; hier sind es Würzberge. Jede lebendig gläubige Seele sagt von ganzem Herzen V. 14, damit sie bald wohne mit ihrem geliebten Bräutigam in vollendeter seliger Liebe, und unvergänglicher Zier. Amen.

Und wenn Dein Tag vorhanden,
Die Welt soll untergehn,
So laß mich nicht mit Schanden
Vor Deinem Throne stehn;
Laß mich von allen Strafen
Dein theures Blut befrein,
Stell mich zu Deinen Schafen,
Die zu der Rechten sein.

Das Schwerdt in Deinem Munde,
Sei mir ein Palmenzweig ;
Versenk im Höllenschlunde
Des Pharaonis Zeug.
Mich führe zu den Deinen
Ins rechte Kanaan,
Wo uns die Sonne scheinen,
Kein Donner schrecken kann.

Ach komme, Mein Erlöser,
Mit Deiner Herrlichkeit;
Die Welt wird immer böser,
Ach komme nur noch heut!
Laß bald die Stimme hören:
Kommt ihr Gesegneten!
So wollen wir Dich ehren
Mit allen Heiligen. Amen.

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