Harms, Theodor - Das Hohelied - Erstes Capitel

Gesang: Wie wohl ist mir, o Freund der….

Vers 1 - 7

Er küsse mich mit dem Kuß Seines Mundes; denn Deine Liebe ist lieblicher, denn Wein; daß man Deine gute Salbe rieche. Dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe, darum lieben Dich die Mägde. Ziehe mich Dir nach, so laufen wir. Der König führet mich in Seine Kammer. Wir freuen uns und sind fröhlich über Dir; wir gedenken an Deine Liebe mehr, denn an den Wein. Die Frommen lieben Dich. Ich bin schwarz, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems, wie die Hütten Kedars, wie die Teppiche Salomos. Seht mich nicht an, daß ich so schwarz bin; denn die Sonne hat mich so verbrannt. Meiner Mutter Kinder zürnen mit mir. Man hat mich zur Hüterin der Weinberge gesetzt; aber meinen Weinberg, den ich hatte, habe ich nicht behütet. Sage mir an, Du, den meine Seele liebt, wo Du weidest, wo Du ruhest im Mittage, daß ich nicht hin und her gehen müsse bei den Heerden Deiner Gesellen.

Wir kommen heute zu dem Buch der heiligen Schrift, welches die Alten das „Lied der Lieder“ nannten, weil es das Höchste zum Gegenstand hat: das Verhältniß der begnadigten Sünderseele zu dem HErrn Christus. Dies Verhältniß ist ein fortwährend schwankendes, weil die Sünde immer von neuem dazwischen tritt. Hier auf Erden hält auch der beste Christ seinen Heiland nie ganz fest; er lebt in beständigem Wechsel zwischen Verlieren, Suchen und Finden; er schwankt durch Traurigkeit und Freude, und nur erst im Himmel kann er sich auf immer gleicher Höhe halten. Selten wird ihm hier ein Vorschmack des Himmels, in den wenigen seligen Augenblicken, wo er sich mit seinem Heiland Eins fühlt und die selige Gemeinschaft genießt, welche man die geheimnißvolle Innewohnung nennt, da der begnadigte Sünder sich so zu sagen, durchgottet fühlt. Das Hohelied führt uns ein in die Sehnsucht darnach, in die Wonne, wenn der Heiland bei uns eingekehrt ist, in die Trauer, wenn Er Sich von uns abwendet. Verflucht ist, wer es mit lüsternen Gedanken liest. Es gehört viel Betens um die Salbung des heiligen Geistes dazu, damit man es sich zum Heil und nicht zum Gericht lese.

Im ersten Verse redet Sulamith ihren Salomo erst in der dritten Person an; sie wagt es noch nicht, sich geradezu an Ihn zu wenden; sie wird es aber durch Seine Gnadenmilde bald lernen, Ihn „Du“ zu nennen, und in der Erfahrung Seiner Gnadengaben immer kühner werden. Der Name Sulamith bedeutet mit Salomo dasselbe: Der Friedensreiche - die Friedensreiche; es bedeutet die Seele, die Frieden findet in ihrem Friedenskönig, und jede Seele, die eins ist mit Christus, heißt Sulamith. Sie sehnt sich nach einem Kuß Seines Mundes; das ist ein jedes Gnadenwort, was bei uns haftet. Das verstehen wir; aber wie kann sie des HErrn Liebe dem Wein vergleichen? Der Wein erfreut des Menschen Herz, sagt die Schrift. Unter den irdischen leiblichen Dingen stärkt, erquickt und erfreut nichts mehr des Menschen Herz, als der Wein, und wohl muß er hoch in Ehren gehalten werden, denn er ist das Element, in dem wir des HErrn Blut trinken, und was stärkt, erquickt und erfreut wohl mehr das Christenherz, als das heilige Abendmahl, in welchem der HErr uns Seine Liebe im vollsten Maße zum Genusse giebt? Der Liebe ist aber auch nicht das Reinste auf Erden zu vergleichen: sie ist das Eine, das Einzigste, das Unvergleichliche. Wie köstlich, wie groß diese Liebe ist, wie weitumfassend, das zeigen uns die verschiedenen Aeußerungen, in denen sie sich uns offenbart. Bald sehen wir sie als Gnade gegen den Sünder, bald als Barmherzigkeit gegen den Elenden, bald als Geduld gegen den Schwachen, als Güte gegen den Armen, als Langmuth gegen den Unbußfertigen. In diese verschiedenen Formen gießt sich des HErrn Liebe, weil sie so scharfsichtig ist, und die Art und Weise des Sehnens nach ihr in jedem Sünderherzen kennt. Ja nach dieser Liebe schmachtet die Sünderseele. Warum? das sagt und V. 3. Wir wissen ja, daß die Salbung immer den heiligen Geist bedeutet, und des Christen Seele möchte so gern der Gaben des heiligen Geistes theilhaftig werden, damit sie sich verbreiten durch all sein Denken und Fühlen, durch all sein Thun und Lassen; er weiß es, je geistlicher er ist, je mehr schmeckt er, genießt er des HErrn Liebe. Der Name des HErrn ist es allein, in dem Er sich offenbart, Jesus der Seligmacher, Christus der Gesalbte, und je erfahrener wir in dem Verständniß Seines Namens werden, je mehr ergießt sich der Gnadenstrom über uns, und fließt durch uns und über uns hinweg weiter und weiter. Es giebt selten Zeiten, wo wir staunend stille stehn und schauen diese ausgeschüttete Salbe an, die der HErr in Gebetserhörungen, in wunderbarem Segnen des sündlichen Werkes über Seine Kinder gießt. Diese Gnadenstürme bewegen immer neu die demüthige Sünderseele, Den wieder zu lieben, der sie liebt; ja, darum lieben Dich die Mägde. Das sind die jungfräulichen Seelen, die rein sind durch ihren Salomo und in Ihm, das sind die, deren Kleider helle gemacht sind in dem Blute des Lammes und die Niemanden anders lieben, als dies Lamm. Ihre Liebesgemeinschaft besteht aber nicht in überschwänglichen Gefühlen, sondern V. 4 in Kampf und Arbeit der Nachfolge Christi, in Laufen und Ringen nach dem himmlischen Kleinod. Das Liebesverhältniß ist kein weichliches, beschauliches; der himmlische Bräutigam will keine Braut mit weichen Händen; er will, daß sie schwere Arbeit thue, in Gehorsam und Treue. Diesen harten Kampf gegen Sünde, Welt und Teufel kann sie aber nicht aushalten, wenn Jesus sie nicht liebend faßt und zieht und trägt; sie kann Ihm nicht folgen, wenn Er sie nicht fest an der Hand hält. Die Seele, die Ihm getreu nachgelaufen ist bis an den Tod, die führt Er in Seine Himmelskammer, wo sie des vollen Genusses ihres himmlischen Bräutigams theilhaftig wird. - Wer sind nun die „wir“, die jetzt sprechen? Wer freut sich über das Glück der Sulamith? Das sind die erleuchteten, wahrhaftigen Seelen, die Zeugen sind, wenn eine begnadigte Sünderseele ihren Heiland gefunden hat und im Himmel vollendet wird. Das ist eine Freude so herrlich und selig, daß nur sie und die heiligen Engel sie empfinden können mit ihrem HErrn, der die Sünder selig macht. Im fünften Verse wird so eine Seele beschrieben. Inwendig, in dem Menschen aus Gott ist sie gar licht und lieblich, aber der auswendige Mensch, wie die Hütten Kedars, schwarz gebrannt in der Sonne der Trübsal und der Anfechtung. Seine fortwährende Berührung mit der Sünde und sein vergangenes Leben außer Gott lassen unaustilgbare Spuren in seinem Wesen zurück, und der Teufel beschmutzt die rein gewaschene Seele immer aufs Neue; aber doch glänzet der Christen inwendiges Leben, auch wenn sie von außen die Sonne verbrannt, Ps. 45, 14. Der ganze 45ste Psalm ist ein Hoheslied, ein feines Lied, wie der königliche Dichter sagt. Mit den Teppichen Salomos wird die begnadigte Seele verglichen, mit diesem reichen Werk Seiner Gnade, worüber der Fuß des himmlischen Salomo hinschreitet, Frieden bringt, Gnade spendet. In unsern Augen sind wir schwarz, in des HErrn Augen lieblich, und wohl uns, wenn es so ist; weh uns, wenn wir uns selbst gefallen, dann sind wir schwarz in des HErrn Augen, V. 6. Die Welt sieht auch meistens unsre Flecken, und selbst unsern Mitchristen ist bald dies, bald das nicht recht an uns. Sie haben Recht, sagt Sulamith, denn mein Herz habe ich nicht behütet, die Schätze nicht bewahrt, die mir in der Taufe gegeben sind. Die Menschen verlassen mich, und meinem Herzen kann ich nicht trauen; darum nach Dir sehne ich mich, nach Dir, V. 7, den meine Seele liebt. Das ist das Liebeserlangen, das den HErrn nicht entbehren kann, das das Bewußtsein Seiner Nähe fordert. Der HErr ist ja uns immer nahe, aber wir erkennen Ihn nicht. Das Empfinden Seiner Nähe ist so selten, weil das Sündenwesen um und in uns unsern Blick verdunkelt. Ach HErr, fleht Sulamith, laß Dich finden, damit ich nicht trauernd und verweist einhergehe unter den Christenhaufen, die Deine Diener weiden, und die die Verlassenheit der Seele so selten verstehen und den Trost nicht geben können, den ich erst dann habe, wenn ich Dich wieder habe. Und Er wird sich ihr kund thun, denn Er muß ja Ehre einlegen mit Seiner Braut, damit sie freudig und zuversichtlich Ihn ihren HErrn nenne, und nicht trübe und verwirrt auf fremden Pfaden irre, wo sie ihren Salomo nicht findet. Wir wären ja schon zufrieden, wenn nur täglich am heißen Mittag uns eine Stunde würde, wo wir in dem HErrn ruhen könnten, denn es vergeht kein Tag, wo wir nicht seufzen: Ach laß mich mich wieder mit Dir zurecht finden, mein HErr und mein Heiland. Amen.

Vers 8-17.

Kennst du dich nicht, du Schönste unter den Weibern; so gehe hinaus auf die Fußstapfen der Schafe, und weide deine Böcke bei den Hirtenhäusern. Ich gleiche dich, Meine Freundin, Meinem reisigen Zeuge an den Wagen Pharaos. Deine Backen stehen lieblich in den Spangen, und dein Hals in den Ketten. Wir wollen dir goldene Spangen machen, mit silbernen Pöcklein. Da der König sich her wandte, gab meine Narde ihren Geruch. Mein Freund ist mir ein Büschel Myrrhen, das zwischen meinen Brüsten hängt. Mein Freund ist mir eine Traube Copher in den Weingärten zu Engeddi. Siehe, Meine Freundin, du bist schön, schön bist du, deine Augen sind wie Taubenaugen. Siehe, Mein Freund, du bist schön und lieblich, unser Bette grünet. Unserer Häuser Balken sind Cedern, unsere Latten sind Cypressen.

Es ist ein großer Unterschied, ob man die Gnade des HErrn Christo im Glauben hat, oder ob man sie fühlt. Gnade ist zu unterscheiden von Trost der Gnade. Es kommt ja nie der fall vor, daß der Gnadenstrom zurücktritt; er fließt immer ungehemmt, und steht auch in gar keinem Maaßverhältniß zu dem großen oder kleinen Glauben, aber es vergehen oft Stunden, Tage, Monate, wo der Christ ohne daß Bewußtsein dieser Gnade bleibt. Ein solcher Zustand ist eine tiefe Angst für die gläubige Seele, und die Qual wird noch dadurch erhöht, daß andere gläubige Seelen diesen Zustand so leicht mißverstehen, und lieblos beurtheilen, was sie selbst nicht aus eigner Erfahrung kennen. Solche Christen, die in ihrer Bußangst sich der Gnade des HErrn nicht getrösten können, sind es, die V. 6 klagen und die seufzen und suchen, V. 7.

Wer nun so lange geseufzt hat, zu dem wendet sich der HErr in seiner liebreichen Freundlichkeit: Lerne dich doch kennen, sagt er: du bist ja schön in deinem Elend. Die Ursache des Sichverlassenfühlens ist immer, daß man sich selbst nicht kennt und nicht den HErrn Jesus. Je elender, je gräulicher man sich selbst vorkommt, je schöner ist man in des HErrn Augen, am schönsten, wenn man in solcher Bußnoth steckt. Denn als ihr Hirt weist Er auf die betrübte Seele, das ängstliche umherirrende Schäflein auf die beiden einzigen Mittel hin, wodurch sie wieder sich als ein ruhiges, fröhliches Schaf Seiner Heerde erkennen lernt. - Gehe hinaus auf die Fußstapfen der Schafe: suche die Gemeinschaft der Gläubigen auf; ziehe dich nicht von ihnen zurück, von ihren Gottesdiensten, ihrem Verkehr in dem HErrn; weide nicht in der Einsamkeit, in düsterm Grübeln an Gottes Wort. Ferner weist ihr Hirte sie hin auf die Arbeit, erst auf die einfache gesunde Arbeit, die im irdischen Beruf, und dann auf die Arbeit im Reiche Gottes: Weide sie bei den Hirtenhäusern. Da ist Arbeit die Fülle, da wird dir viel Noth und Arbeit zu Theil und mußt dir viel Raths erholen müssen von denen, die in der sauren Arbeit Erfahrung gesammelt haben. Durch die Gemeinschaft der Gläubigen und durch die Arbeit wirst du zur richtigen Erkenntniß deiner Selbst und deines Heilandes kommen. Darin wirst du erkennen, was du hast und was dir fehlt; darin wirst du die rechten klaren Wasserbrunnen kennen lernen, die von dem HErrn Jesu fließen. Wer sich absondert, ist in großer Gefahr, auf Irrwege zu kommen, aber die Gemeinschaft erhebt, macht zuversichtlich und fröhlich, und die Arbeit verscheucht die sorgen und verleiht frische fröhliche Kraft. Heut zu Tage giebt es so viele solche trübe Zustände, da gemüthskranke Christen, schlaff in ihrer Sündenangst, muthlos trauernd dahin welken; denen kann die anhaltende Arbeit gar nicht genug empfohlen werden, zunächst ihre irdische Berufsarbeit, und besonders die im Reiche Gottes. Unsere Zeit ist wohl in mancher Beziehung schlechter, als die frühere, da sie so reich an krankhaften Zuständen ist, aber wir müssens ihr lassen, daß sie auch wieder reichere Heilmittel darbietet, z. B. die Arbeit an dem Missionswerk. Dies Feld ist so eigenthümlich reich und verschiedenartig, daß ein Jeder, der ernstlich will, darauf zu thun findet, Jeder mit der besondern Gabe, die ihm anvertraut ist, und wenn du nichts kannst, als für die Mission Strümpfe stricken, und thust es im Gebet, so liegt ein großer Segen für dich darin. - Der HErr Christus spricht nun der geängsteten Seele Muth ein, und zeigt ihr Seine Liebe. Die Vergleiche, die Er gebraucht, werden dem Schönheitssinn mancher dichterischen Seele nicht passen, aber der heilige Geist hat andere Vergleiche, als die Menschenkinder. So vergleicht Er V. 9 die Seele, die sich der Gnade nicht trösten konnte, nun aber durch den gemeinschaftlichen Gottesdienst und durch die Arbeit sich zurecht gefunden in ihrem Heiland, die vergleicht Er einem Kriegswagen, und mit Recht, denn wenn eine solche in tiefe Buße getauchte Seele sich in Glaubenskraft zur Liebesthat ermannt, dann wird sie eine Heldin. Eine solche, die an sich selbst zu Schanden geworden ist, die keine eigne Kraft mehr besitzt, die richtet im Reiche Gottes mehr aus, als eine mit den größten Gaben geschmückte. Aus solchen geschlagenen Christen, die wieder Kinder geworden sind, hat der HErr sich eine Macht zubereitet. Solche schmückt Er V. 10 mit Seiner Herrlichkeit, ihnen legt Er Seine Kraft bei, dies herrliche ächte Gold: die Gaben des heiligen Geistes, die Kräfte der zukünftigen Welt. Ja, wenn sie sich ausleeren von allem Eignen, dann führt Er sie V. 11 von einer Herrlichkeit zur andern. - Seht, so spricht der HErr Christus zu der Seele, die sich wieder in Ihm zurecht gefunden hat, so schön findet Er sie in Seinem eignen Schmuck; und wo Er so lieblich und freundlich redet, da merkt es die Seele, daß sich Sein Angesicht zu ihr wandte, und sie bricht aus in Loben und Preisen. Wenn sie aber nach so langer Jammernacht die Gnade und das Erbarmen ihres HErrn wieder erkennt, dann sieht sie nach ihrer tiefen Demüthigung nicht gleich ihren Bräutigam, sondern den König, die Majestät voller Barmherzigkeit und Wunderkraft, und wie manche Blumen nicht anders duften, als wenn die Sonne darauf scheint, so steigt auch das Rauchopfer des Gebets nur zu dem HErrn empor, wenn Er es Selbst wirkt, denn ein jedes Gebet ist eine Gabe Seiner Hand. So ist das geopferte, heiße Gebet das köstliche Nardenwasser, wovon das Weib in Marci 14 ein Glas voll über des HErrn Haupt zerbrach. - V. 13. Doch nach dem erhörten Gebet sieht die Seele nicht mehr nur ihren König, sondern ihren Freund, dem sie es sagen kann, wie sie ihn so lieb hat. - Jeder natürliche Mensch, der nicht zu überbildet ist, hat Geschmack an den Schönheiten der Natur, und so Mancher bringt aus Feld und Wald einen Strauß frischer Blumen mit, und schmückt damit sein Zimmer oder steckt es vor die Brust. So vergleicht nun Sulamith ihrerseits ihren Freund mit zwei Sträußen, gewunden aus geistlichen Blumen, die sie vor der Brust trägt und ans Herze legt. Es sind das bittere Myrrhenkraut des Kreuzes und der Schmerzen, und die doldenförmige Copherblume, aus der, wenn gepreßt, ein röthlicher Saft floß. Das bedeutet das Blut des HErrn zu unsrer Versöhnung durch Ihn. Den Strauß halten wir lieb und werth, wenn wir des HErrn Leiden durch die Buße in uns erfahren haben, und daran ergötzen wir uns; ist er doch so gesund, ob er gleich strenge riecht und schmeckt. Sulamith hält die Blüthen lieb und wert, die aus Christi Blute wachsen; sie weiß, daß die beiden Sträuße der Buße und der Gnade in keinem Herzenskämmerlein fehlen dürfe. So haben denn Sulamith und der HErr nun keine Geheimnisse mehr vor einander; ihr Freundesverhältniß ist wieder hergestellt, das alte Vertrauen wieder neu. ER sieht ja, wie Er sie so schön gemacht hat durch Seine Gerechtigkeit, und preist Sein eignes Bild, V. 15. Daß Er ihre Augen mit denen der Taugen vergleicht, ist ja klar; die Taube ist das Bild der Reinheit, und das Auge als das Fenster der Seele ist der Wiederschein dessen, was darinnen lebt. Wie unklar, wie unheimlich ist nicht das Auge, wenn es den Ausdruck der Sünde giebt. Aber in der begnadigten Sünderseele sieht der HErr Christus keine Sünde; Er sieht nur in ihr seinen Abglanz.

Wenn Er nun so freundlich und liebreich Sich zu ihr herabläßt, dann kann Sulamith gar nicht anders, als Ihn preisen und Ihn einladen, bei ihr Wohnung zu machen. Es ist aber ein großer Unterschied zwischen der Beiden gegenseitiger Liebe. Des HErrn Liebe ist weit größer; Er preist die Sulamith viel mehr, als sie Ihn, und doch sollte es wohl umgekehrt sein: Die Sünderseele sollte den HErrn weit mehr lieben, der so schön, so herrlich ist, und für sie Sein Leben gegeben; aber so arm sind wir an Liebe, so lau und stumm, daß immer die alte Klage sich wiederholt: Wir können des HErrn Schönheit nicht preisen, wie wir sollte. Sulamith versteht nachmals ihren höchsten Schatz, dessen Palast das Menschenherz ist, und dahin ladet sie Ihn ein, V. 16-17, zur Wohnung und zur Tischgemeinschaft auf die Polster, die im Morgenlande um die Tafel gelegt wurden. Das ist das heilige Abendmahl, und die geheimnißvolle Innewohnung, wo der HErr Christus unser Eigenthum wird, was sich vollkommen erfüllen wird, wenn alle Sünde abgethan ist, und wir im Himmel das große Abendmahl mit Ihm feiern, wo unser Herzenshäuslein ein Königspalast, wo die Gemeinschaft so ununterbrochen, so vollständig sein wird, daß sich das Wort erfüllt: Ich in Ihm und Er in mir. Amen.

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