Harms, Theodor - Des Christen Himmelsreise - Fünf Predigten gehalten in den Betstunden vor Pfingsten - III. Von den Begleitern auf der Himmelsreise.

Harms, Theodor - Des Christen Himmelsreise - Fünf Predigten gehalten in den Betstunden vor Pfingsten - III. Von den Begleitern auf der Himmelsreise.

Die Gnade unsers HErrn und HEilandes JEsu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Lasst uns beten: lieber HErr und Heiland JEsu Christe, gib auch heute und Deine Gnade zur Betrachtung Deines heiligen Wortes. Mache es uns recht klar und lege es uns aus durch Deinen heiligen Geist, ohne den wir von Deinem heiligen Worte Nichts verstehen. Wir bedürfen so sehr des Wachstums in der Erkenntnis der Wahrheit, und Du allein kannst und diese Erkenntnis geben, denn Du bist ja der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wir bitten Dich, gib uns die rechte Erkenntnis der Wahrheit und lass uns gern und willig das Kreuz Dir nachtragen, damit wir dadurch bereitet werden zu einem heiligen Wandel und zu einem seligen Sterben. Gib uns die Gnade, dass wir das Ziel, dem Du uns entgegenführst, keinen Augenblick auf den Augen verlieren, damit die Hoffnung des ewigen Lebens dies armselige Leben verkläre. Mache unsere Herzen fröhlich in Deiner Gnade, dass wir uns dessen freuen, nach Hause zu kommen, wenn wir unseren Pilgerlauf dereinst zu Ende gebracht haben werden. - So wehre nun auch heute Abend dem Teufel, dass er uns den Segen Deines heiligen Wortes nur ja nicht verkürze. Lass uns in Kindeseinfalt Dein heiliges Wort hören und bewahren. Erhöre uns, Du treuer HErr, um Deines Namens willen. Amen.

Vernehmt das Wort unseres Gottes, wie es geschrieben steht im 91. Psalm vom 10. bis zum 16. Vers.
Es wird dir kein Übels begegnen, und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen; denn er hat Seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt. Auf den Löwen und Ottern wirst du gehen und treten auf den jungen Löwen and Drachen. Er begehrt Mein, so will Ich ihm aushelfen; er kennt Meinen Namen, darum will Ich ihn schützen. Er ruft Mich an, so will Ich ihn erhören; Ich bin bei ihm in der Not, Ich will ihn herausreißen und zu Ehren machen; Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen Mein Heil.

Die eben verlesenen Schriftworte, meine Lieben, sind der Schluss des 91. Psalms, den man auch wohl den Pestpsalm zu nennen pflegt; denn es hat derselbe in großen Nöten, namentlich zur Zeit der Pestilenz, wo die Aufregung und Furcht so groß ist, wo so viele entsetzliche Gerüchte den Menschen verwirren, wo Einer dem Andern angst und bange macht, von jeher großen Nutzen und Trost gewährt; denn jeder Vers dieses Psalms handelt ja vom Vertrauen auf den HErrn, so dass er so recht eine Apotheke genannt werden mag, aus welcher die köstlichen Arzneien des Glaubens und Gottvertrauens geholt werden können, ohne dass sie gekauft zu werden brauchen - ganz umsonst. Dieser Psalm muss den Himmelspilgern in's Herz geschrieben sein, denn die Himmelsreise erfordert ein großes Maß von Glauben und Vertrauen. Ohne Glauben wird man das Ziel nicht erreichen können. Wir haben ja in der letzten Betstunde gesehen, wie die Himmelsreise so reich ist an Gefahren und Beschwerden aller Art, und wie so viele kleine und große Feinde den Himmelspilger bedrohen. Wenn man durch die enge Pforte hindurchgegangen ist und den schmalen Weg (wie ihn der HErr nennt) betreten hat, dann ist es nicht so, dass man ihn ein für alle Mal gefunden und ihn so unaufhörlich weiter gehen könne, sondern es ist vielmehr die Himmelsreise so beschaffen, dass man den Weg immer wieder verliert und ihn so immer wieder aufs Neue suchen muss. Der Himmelsweg ist nicht eine breite Straße, wo man im Stande ist, mit zugebundenen Augen zu gehen, sondern es geht da vielmehr, wie auf unseren Haidewegen, wo man möglicher Weise sogar einen Schafweg für den rechten Weg halten kann und sich so verirrt. Den schmalen Weg immer aufs Neue wieder zu finden, dazu gehören erleuchtete Augen; und wenn wir ihn auch nicht finden können, unser HErr JEsus ist der rechte Wegweiser, der uns sicher führt. Ihm müssen wir folgen. Wenn wir nun den schmalen Weg. einmal verlieren, hilft er uns wieder zurecht. Müssten wir uns auf der Himmelsreise auf unsere eigene Kraft und Vermögen verlassen, wir müssten geradezu verzagen und würden nicht einmal den Versuch machen, den schmalen Weg zu gehen. Wenn wir auf die Gefahren der Himmelsreise sehen, so müsste uns auch angst und bange werden, also dass wir gleich zu Anfang den Mut verlieren müssten.

Haben wir eine lange Reise vor, so sehen wir uns wohl nach Begleitern um; denn da sind Reisebegleiter ein großer Trost. Wir wollen nun sehen, ob wir diese Begleiter auf der Himmelsreise unter den Menschen finden.

Die heilige Schrift sagt, dass es nur Wenige seien, die den schmalen Weg finden. Unter diesen Wenigen können wir wohl selten Einen treffen. Ab und an kommt man ja freilich mit einem Pilger zusammen, der dieselbe Straße zieht; aber in der Regel bleibt man nicht lange zusammen, denn der Eine ist besser zu Fuß, als der Andere, der Eine ist stärker, als der Andere. Warum sollte sich nun der Schnellere nach dem langsameren richten und der Stärkere nach dem Schwächeren? Es ist eine eilige Reise. Da sollen sie sich freilich einander forthelfen, aber nicht auf einander warten. So kommen sie denn bald wieder aus einander. Meist wird jeder Christ die Erfahrung machen, dass er allein pilgern muss. Das ist nicht allein so, wenn ein Christenmensch unter den ungeschlachten Weltkindern keinen Bruder findet und allein pilgern muss; das wird man auch finden, wo die lieblichste Gemeinschaft der Brüder und Schwestern ist, denn was das eigene Heil anlangt, da muss man selbst mit dem HErrn Christus fertig werden. In den Kämpfen dieses Lebens können Menschen nicht helfen. Es ist ja freilich ein Trost, wenn Menschen bei uns sind; aber in der Hauptsache können doch Menschen uns gar nicht beistehen, sondern nur der HErr Christus. Es würde also verkehrt sein, mit dem Antritt der Himmelsreise so lange zu warten, bis man menschliche Gesellschaft finde, oder auf dem Weg stehen zu bleiben und sich umzusehen, ob man menschliche Gesellschaft bekomme. Wenn irgendwo, so gilt hier das Wort: „Verflucht ist, wer sich auf Menschen verlässt und hält Fleisch für seinen Arm;“ und diese Gefahr, auf der Pilgerreise sich auf Menschen zu verlassen, liegt sehr nahe. Unter den Menschen finden wir also die Begleiter nicht, sondern kommen nur ab und an mit ihnen zusammen. Aber finden wir sie auch sonst nicht? Muss denn Jeder allein reisen? Wenn das so wäre, das wäre zu traurig; und Keiner würde die Himmelsreise vollenden und ins Vaterhaus eingehen können. Aber da lehrt uns der herrliche Text, was für Begleiter wir haben, und davon wollen wir nun heute handeln:

Von den Begleitern auf der Himmelsreise.

Dieser Begleiter sind es drei:

  1. Der Engel GOttes,
  2. Der HErr Christus und zum
  3. Der heilige Geist.

Das sind die drei Begleiter, die den Christen auf seiner sauren Himmelsreise nicht verlassen, sondern ihm treu zur Seite stehen bei Tag und bei Nacht, im Leben und im Sterben. Sie sind so treu, dass wir auf der Himmelsreise von ihnen nichts, als Gutes zu erwarten haben; sie sind so mächtig, dass ihnen und somit auch und Niemand Etwas anhaben kann; sie sind so weise, dass sie unserer Torheit und Dummheit beständig zu Hilfe kommen, alle Schwierigkeiten überwinden und Alles beseitigen, was uns auf dem Himmelsweg hindert; sie sind so gütig, dass sie uns mit dem versorgen, was uns auf der Himmelsreise not ist.

Seht, meine Lieben, diese treuen Begleiter haben wir auf unserer Pilgerreise zum Himmel.

1.

Also der erste Begleiter auf der Himmelsreise ist GOttes Engel. „Es wird dir kein Übels begegnen,“ heißt es in unserem Text, „und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen“ (V. 10). Mit diesen Worten wird also der Himmelspilger gegen alles Unheil seiner beschwerlichen Reise sicher gestellt. Des Übels ist viel, und der Plagen, die uns auf der Pilgerreise zum Himmel treffen können, sind auch viele. Wenn uns da die Engel GOttes mit ihrem Schutz nicht zur Seite ständen, so könnten wir nicht mit Ehren durchkommen, und kein Einziger von uns würde das Ziel der Reise erreichen. Aber wir haben in der letzten Betstunde ja doch gesehen, dass die Not und Trübsal, die Anfechtungen und Verfolgungen von Seiten des Teufels auf dem schmalen Weg oft groß sind. Das ist wahr; aber was ein wahrer Christ auf seiner Himmelsreise durchzumachen hat, unter der Führung der heiligen Engel, das ist kein Unheil und keine Plage, - das ist vielmehr das liebe Kreuz, das ihm zum großen Segen dienen muss; denn „denen die GOtt lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.“ Das Kreuz wird uns nur dann zur Plage, wenn entweder unsere drei Begleiter uns verlassen, oder wenn wir abfallen und unseren Glauben verleugnen. So lange wir auf der Himmelsreise begriffen sind, oder - was dasselbe ist - im lebendigen Glauben an den HErrn JEsum Christum stehen, verlassen uns die heiligen Engel nicht, so wenig wie uns unsere beiden andern Begleiter verlassen.

Was für eine Aufgabe haben denn nun die Engel Gottes? - Unser Text sagt: „Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen, und du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt. Auf den Löwen und Ottern wirst du gehen und treten auf den jungen Löwen und Drachen.“ (V. 11-13.) Die Aufgabe der heiligen Engel ist also die: Sie sollen die Himmelspilger auf den Händen tragen. Ja, meine Lieben, wenn wir das so recht bedenken, dass wir von den Händen der heiligen Engel getragen werden, so ist das ein überaus süßer Trost, also dass unser Herz warm werden muss voll Freude und Entzückung. Seht, wenn wir auch keine Kutsche und Pferde auf dem Himmelsweg haben, so haben wir doch die heiligen Engel, die uns viel mehr wert sind; denn sie müssen uns ja auf den Händen tragen. Aber sollen wir denn nicht den Weg zum Himmel gehen? Wie können uns denn da die heiligen Engel tragen? Ja, meine Lieben: Der Himmelsweg ist sehr beschwerlich, also dass uns oft das Gehen sehr sauer wird. Manchmal können wir nicht einmal kriechen, und da kommt uns denn der Engel GOttes zu Hilfe, nimmt uns auf seine Arme und trägt uns weiter dem Himmel zu.

Ihr wisst ja Alle, wie der Teufel gerade diese Psalmstelle dem HErrn Christus vorhielt, als er Ihn auf die Zinne des Tempels gestellt hatte, um Ihn zu versuchen. Aber der Teufel ist ja ein Schriftverdreher, und so ließ er denn gerade die Hauptsache in diesem Spruch aus: „auf allen deinen Wegen“. Wollen wir des Schutzes der heiligen Engel gewiss sein, so müssen es GOttes Wege sein, die wir gehen. Auf unseren eigenen Wegen mögen sie nicht mitgehen. Auf Gottes Wegen aber verlassen sie uns nicht. Nun ist aber die Himmelsreise ganz unbestreitbar GOttes Weg. Gehen wir also darauf, so sind wir der Begleitung der heiligen Engel gewiss, und das ist ein überaus großer Trost, dass uns auf der Himmelsreise immer ein oder mehrere Engel begleiten. Sie gehen mit uns auf Schritt und Tritt; sie bleiben auch bei uns, wenn wir schlafen, und wenn's zum Sterben kommt, stehen sie uns auch treulich bei. Den Satan wehren sie auch ab mitsamt seinen betrüglichen Anfechtungen.

Wenn wir die heiligen Engel mit unseren Augen auch nicht sehen können, so wissen wir doch ganz gewiss, dass sie bei uns sind. Darum muss sich aber auch ein wahrer Christ tagtäglich dem Schutz der heiligen Engel anvertrauen; das ist über die Maßen wichtig. Wenn wir Morgens im Kämmerlein unsere Knie beugen, lasst uns da ja nicht vergessen, dass wir uns und unsere Lieben dem Schutz der heiligen Engel befehlen; und wenn wir Abends vor dem Schlafengehen nochmals unsere Knie beugen, dann lasst es uns auch nicht versäumen, dass wir uns, unser Haus und unsere Angehörigen dem Schutz der lieben Engel anvertrauen. Wenn wir das tun, so wissen wir, dass unser Gebet erhört wird, und dass uns die heiligen Engel behüten vor jeglicher Gefahr. Die heiligen Engel sind so überaus treu und demütig, dass sie selbst die kleinen Kinder warten, was heute die hochmütigen Mädchen nicht mehr tun mögen. Die heiligen Engel tun es mit tausend Freuden, weil sie ja vom HErrn dazu bestellt sind. Sie sind der Schutz der kleinen und großen Kinder GOttes.

Darum müssen wir uns aber auch gar wohl in Acht nehmen, dass wir die heiligen Engel nur ja nicht betrüben. Das geschieht durch leichtfertige Worte, oder dadurch, dass wir GOttes Wort gering achten oder in unserem Wandel nicht vorsichtig sind. Wenn nun die heiligen Engel von uns weichen müssen, dann sind sie in ihrem Herzen gar sehr betrübt. Sofort tritt da ein Anderer als Begleiter an ihre Stelle der Teufel. Das ist aber ein schauerlicher Begleiter.

Seht, meine Lieben, es gehen die heiligen Engel so gern mit den Himmelspilgern bei Tag und Nacht; und da hat der Himmelspilger oft das herzinnigste Verlangen, dass ihm die Augen aufgetan werden möchten, seine treuen Begleiter nur einmal zu sehen von Angesicht zu Angesicht. Wenn es uns aber der liebe GOtt versagt hat, unseren Schutzengel zu sehen, so ist das ganz besondere Gnade; denn ich glaube, der Eindruck wäre bei der Majestät des Engels so gewaltig, dass wir hinfort nicht mit derselben Glaubenstreue und Kindeseinfalt uns seinem Schutz hingeben würden. Darum wollen wir gern damit zufrieden sein, dass wir die heiligen Engel nicht sehen; wir wollen es aber gewiss annehmen, dass sie bei uns sind und allezeit bei uns bleiben. Würden die Engel Gottes nur einmal von uns weichen, so müssten wir sterben; denn es würde ein Christ auf der Himmelsreise von seinen Feinden sofort tot geschlagen, wenn ihn die Engel nicht behüteten. Die Engel GOttes bringen uns aber durch alle Gefahren hindurch.

„Auf den Löwen und Ottern wirst du geben und treten auf den jungen Löwen und Drachen.“ (V. 13.) Kommt denn das auf dem Lebensweg auch vor? Wenn wir freilich auch Nichts zu schaffen haben mit den vierbeinigen Löwen, wie es unsere Missionare in Afrika zuweilen erfahren müssen, oder mit den Ottern, wie unsere Missionare in Afrika und Indien genug damit zu tun haben, wo sie wohl gar manchmal auf Schlangen treten, ohne Schaden zu nehmen, weil die Engel GOttes sie schützen, so haben wir doch solche geistlichen Feinde genug. Der Himmelsweg ist voll davon. Gar manchmal können wir da auf Teufel treten, die uns zu Fall bringen wollen, - aber der heilige Engel GOttes wehrt es ihnen. - Noch viel mehr Gefahren sind aber auf dem breiten Weg. Wenn wir nun in unserer Verkehrtheit von dem schmalen Weg abirren, so treten wir auf ein Gebiet voller Löwen, Ottern und Drachen, und da wäre es um uns geschehen, wenn uns der heilige Engel GOttes nicht beschützte. Wir kommen auf unserem Himmelsweg in den schweren Kämpfen in beständige Berührung mit dem Teufel. Da treten wir ihn auf die Füße; wenn man ihn aber auf die Zehen tritt, das kann er nicht vertragen, da wird er wütend. Doch nur getrost! Der heilige Engel GOttes beschützt uns.

Und wenn's zum Sterben kommt, steht er uns auch bei, nimmt uns auf seine Arme und trägt die gerechte Seele hinauf in's Paradies.

Das ist der Eine von den drei Begleitern auf der Himmelsreise.

2.

Der zweite Begleiter ist der liebe Herr und HEiland Selbst. - Er lässt sich in unserem Text vernehmen mit den allerlieblichsten Worten: „Er begehrt Meiner, so will Ich ihm aushelfen; er kennt Meinen Namen, darum will Ich ihn schützen. Er ruft Mich an, so will ich ihn erhören; Ich bin bei ihm in der Not, Ich will ihn herausreißen und zu Ehren machen; Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen Mein Heil.“ (V. 14-16). Das ist der zweite, meine Lieben, der auf der Himmelsreise mit uns geht als unser Begleiter - unser HErr JEsus Christus, wahrer GOtt und wahrer Mensch, unser HEiland und unser Bruder, der König aller Könige und HErr aller Herren. Man sollte denken, Er habe zu viel zu tun, Er habe in Seinem großen Königreich und Haushalt so viel um die Ohren, dass Er Sich um die Himmelspilger gar nicht bekümmern könnte. Aber dem ist nicht so. Die Himmelspilger sind ja seine Augäpfel, und er hat gesagt: „Siehe, Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende;“ und dies Sein Wort hält Er mit aller Gewissenhaftigkeit und Treue, und so weicht Er denn ebenso wenig von unserer Seite, wie der Engel GOttes. Er hat uns ja erlöst durch Sein teures Blut, Er ist in der Auferstehung unsere Gerechtigkeit geworden, Er hat uns den Himmel aufgeschlossen durch Seine Himmelfahrt. Er hat uns gerecht gemacht durch den Glauben. Sein Verdienst ist unser Ehrenkleid geworden, Er will uns Selbst Alles sein, was unser Herz begehrt. Er will mit uns gehen auf unserem Himmelsweg Tag für Tag. Die heilige Schrift sagt uns, dass er nicht etwa neben uns hergehen wolle, also dass wir in keine Berührung mit Ihm kämen und wir frei wären; nein, Er hält uns bei unserer rechten Hand, hat also mit Seiner Linken unsere Rechte gefasst, damit Er mit Seiner Rechten alle Kraft entfalten könne, uns zu schützen; unsere Rechte aber hält Er und fesselt damit alle unsere eigene Kraft, damit Er mit Seiner Kraft mächtig sein könne in unserer Schwachheit. - So hält Er uns mit Seinem starken Arm, und ich möchte den Feind sehen, der es wagen wollte, den Schützling des HErrn JEsu anzugreifen.

Da mag denn nun kommen, was da will; Alles muss uns zum Segen gereichen, denn der HErr Christus ist unser Schutz. So gehen wir ganz getrost und sicher an Seiner Hand dem Himmel zu.

Was Er uns nun sein will, das sehen wir aus unserem Text, wenn es da heißt: „Er begehrt Meiner, so will Ich ihm aus helfen.“ (V. 14). Wir können ja nicht anders, als beständig Christi begehren; denn ein Christenmensch kann ohne den HErrn auch nicht einen Augenblick sein, nicht eine Sekunde. Wenn der liebe HErr nur einen Augenblick Sein Gnadenangesicht verhüllt, so ist es nicht auszuhalten, und wir sehnen uns aufs Neue nach der Nähe des HErrn, damit sich unser Herz wieder dessen bewusst werde: Der HErr Christus hilft uns aus. Da erfüllt Er denn unser Herz mit Freude und Friede im heiligen Geist. Sowie wir in Not sind, und unser Herz nach Ihm schreit, so hilft Er uns. Er weiß für Alles Rat, wenn wir Trost nötig haben, und will uns Alles geben.

„Er kennt Meinen Namen, darum will Ich ihn schützen.“ (V. 14.) Die Kinder der Welt wissen wohl, dass der HErr „JEsus Christus“ heißt, aber damit kennen sie den HErrn noch gar nicht; denn den Namen des HErrn JEsu Christi kann nur der kennen, der den HErrn JEsum Christum Selbst kennt, und Ihn können wir nur kennen im Glauben und in der Liebe. Ein Solcher weiß auch, dass dieser Name der allerteuerste und allersüßeste Name ist um deswillen, der ihn trägt. Der HErr JEsus Christus, der Träger dieses teuren Namens, ist das Zentrum des ganzen Christenlebens, das Ziel des ganzen Christensehnens; Er ist das A und O unser hochgelobter HErr und HEiland. Um Ihn dreht sich im Christenleben Alles. Nun kennt ein Himmelspilger seinen HErrn, denn er hat sich ja zu Ihm bekehrt, ist wiedergeboren und lebt ja von dem Erbarmen des HErrn JEsu, und so sucht er Seinen Schutz. So gehen wir nun dahin unter Seinem Schutz. Wenn die Sonne zu heiß scheint, spannt Er Seinen Schirm über uns auf, und unter Seinem Schirm geht es sich gar gut; und wenn ein Platzregen kommt, sind wir da auch geschützt. Schießt der Satan seine feurigen Pfeile auf uns ab, so hält der HErr Christus Seinen Schild vor; da sind wir geborgen. So mag denn kommen, was da wolle, die wahren Christen kennen den Namen ihres HErrn und HEilandes, sie rufen Ihn an, und er schützt sie. Darum heißt es weiter:

„Er ruft Mich an, so will Ich ihn erhören, Ich bin bei ihm in der Not.“ (V. 15.) Es steht das Herz des HErrn JEsu und das Herz der Christen in wunderbarer Beziehung zu einander; denn es schlägt Christi Herz in dem Herzen der Christen, und darum weiß Er, noch ehe wir bitten, was uns fehlt, und erhört uns, noch ehe wir rufen. So brauchen wir denn in der Not nicht bange zu sein; denn der HErr Christus ist bei uns und hat uns vor unserem Bitten schon längst erhört. Er legt ja die erhörlichen Gebete Selbst in unser Herz. Darum ist denn auch des Christen Pilgerreise nach der Gottesstadt eine fortlaufende Gebetserhörung. Dadurch will der HErr JEsus den Glauben in uns mehren, unsere Liebe brünstig machen und uns erfüllen mit neuer Kraft.

„Ich will ihn herausreißen.“ (V. 15). Herausreißen will Er uns vornehmlich aus der Sünde und aus den Sorgen, wohinein wir so leicht geraten auf unserer Himmelsreise; und je älter und reifer man als Christ wird, desto mehr Sünde erkennt man, desto schlechter kommt man sich vor, desto mehr glaubt man, Rückschritte zu machen, statt vorwärts zu kommen auf dem Weg zum Himmel. - Die Sorgen werden gar oft sehr groß. Sehen wir auf unsere Schwachheit, da möchten wir wohl in Verzagtheit untergeben, wenn uns der HErr Christus nicht aus unserer Not herausreißen wollte. Wie könnte auch der HErr Seine Himmelspilger verlassen! Als einst Petrus auf dem Meer seinem HEiland entgegen ging und zu sinken anfing, da streckte der HErr Christus Seine Gnadenhand nach ihm aus und half ihm wieder heraus aus dem Wasser. So macht Er's auch bei uns noch fort und fort.

„Und zu Ehren machen“ (V. 15). So heißt es weiter. Freilich vor der Welt kommen wir nicht zu Ehren. Es häuft sich vielmehr immer mehr Spott und Schande über die, so es treu meinen. Wohl aber kommen wir zu Ehren vor dem HErrn und vor Seinen heiligen Engeln. Ich will aber auch tausendmal lieber vor der Welt zu Schanden werden und vor dem HErrn Christus zu Ehren kommen, als vor der Welt zu Ehren kommen und vor dem HErrn Christus zu Schanden werden. Endlich erzeigt uns der liebe HErr die letzte Ehre, indem er uns hinüberbringt in die himmlische Herrlichkeit.

„Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen Mein Heil“ (V. 16). Ja, meine Lieben, wenn wir den rechten Genuss von GOttes Wort haben wollen, dann müssen wir uns die einzelnen Worte ganz genau ansehen. Gewöhnlich liest man viel zu oberflächlich darüber hinweg und besieht sich die einzelnen Worte nicht genau. Es ist ja jedes Wort der heiligen Schrift auch durch den Mund des heiligen Geistes hindurchgegangen und hat darum auch ganz besonderen Wert. So ist es auch mit diesem Wort: „Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen Mein Heil.“ Da sollte man nun denken, es sei einem Christen ein ganz besonders langes Alter beschieden. Dem ist aber nicht so. Ist Einer ein rechter Pilgersmann, so schickt er sich in Alles, was sein HEiland ihm schickt. Gibt der HErr ihm ein langes Leben, so nimmt er's dankbar hin; verkürzt aber der HErr JEsus ihm die Tage seines Lebens, so ist er damit erst recht zufrieden, er hat ja Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein. Ziehen sich nun die Lebenstage in die Länge, so wird die Himmelsreise um so mehr verzögert, und desto größer wird sein Heimweh. Das kann also der Sinn nicht sein von dem schönen Wort: „Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen Mein Heil;“ und wir sehen ja auch gar nicht, dass die wahren Christen länger leben müssten, als die Andern, im Gegenteil, sie werden oft früher abgeholt aus diesem Leben. Aber wie kommt denn nun das Wort: „Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen Mein Heil“ zu seinem Recht? So pflegt es der Herr zu machen, dass er die wahren Christen so lange leben lässt, bis sie lebenssatt sind. Es gibt wohl keinen wahren Christen, der in seinem Sterbestündlein nicht lebengsatt und müde wäre. So sättigt der HErr gleichsam mit einem langen Leben und lässt uns so lange leben, bis wir herzlich lebenssatt sind. - Wenn ein wahrer Christ 20 Jahre gelebt hat und nun sterben muss, so wird er von den 20 Jahren sagen: „Es ist ein langes Leben gewesen.“ Ebenso wird er sagen, wenn ihn der HErr 40, 50 oder gar 60 Jahre leben lässt. Er hat an seinem Leben genug gehabt und ist des Lebens satt und müde, also dass er sich herzlich freut, wenn er sterben darf.

Man hört gar manchmal aus dem Mund der Kranken, auch wohl der Gesunden: „Wenn und der HErr nicht Krankheit zuschickte, so würden wir des Lebens nicht satt.“ Das ist wahr - oder nur halb wahr. Wenn man nur um der Krankheit willen des Lebens satt wird, so ist das nicht der rechte Grund zur Sterbenslust; und ein solcher Mensch ist damit noch nicht berechtigt, darum anzunehmen, dass er selig sterben müsse. Ein solcher bedenkt oft gar nicht, was seiner wartet, wenn er nicht im Glauben stirbt. Wer ein rechter Himmelspilger ist, der wird nicht um der Trübsal und um des Leidens willen lebenssatt, sondern um der vielen Sünden willen. - Die Sündennot, das böse Herz, muss und lebensmüde machen, dass wir uns herzlich danach sehnen, aus dieser argen Welt abzuscheiden und bei unserem lieben HErrn JEsu zu sein; und dahin lässt es der HErr so gern bei uns kommen, indem Er uns armen Sündern immer mehr und mehr dass zu Teil werden lässt, was uns not ist. Dabei zeigt er uns auch immer klarer die offene Pforte des himmlischen Paradieses, damit wir also unsere Straße immer weiter ziehen, bis der liebe HErr uns endlich an die Todespforte stellt und uns einen klaren Blick tun lässt in die himmlische Herrlichkeit; und dann bringt Er und in den Himmel, wo wir Ihn schauen sollen. Das, meine lieben, ist unser zweiter Begleiter.

3.

Der dritte Begleiter ist der heilige Geist. - Aber von dem steht ja Nichts in unserem Text. Wie können wir Ihn denn nun als unseren dritten Begleiter erkennen? Obgleich nun, meine Lieben, in unserem Text kein Wort von dem heiligen Geist enthalten ist, so ist doch der ganze Text voll Geistes. Wenn z. B. der HErr Christus sagt, dass Er denen, die im Glauben stehen, Alles tun wolle, was sie begehren, so ist das ja Alles die Wirkung des heiligen Geistes. Es ist unmöglich, dass wir Christi begehren, ohne durch den heiligen Geist. Ohne den heiligen Geist ist es auch unmöglich, in JEsu Namen zu beten oder erhörlich zu beten. Er muss das Verlangen nach dem HErrn, die Erkenntnis der Wahrheit, die Gebete, kurz Alles in uns wirken. Er ist es auch, der uns zu Christo gebracht hat, und der uns bei Ihm erhält im rechten einigen Glauben. Er ist es, der uns Christi teures Verdienst zu eigen macht. Er ist es auch, der uns am jüngsten Tag auferwecken wird von den Toten. Ohne den heiligen Geist wüssten wir Nichts von Christo und hätten Nichts von Ihm. Der heilige Geist hat uns wiedergeboren durch das Wasserbad im Wort. Da haben wir Ihn aufgenommen als unsere Lebens- und Triebkraft. Er wirkt Alles in uns; und wenn wir nicht einmal mehr seufzen können, will Er uns vertreten mit unaussprechlichem Seufzen vor GOttes Thron. - Seht, dieser heilige Geist ist unser Begleiter, jedoch nicht also, wie der HErr Christus und GOttes heiliger Engel, also dass (um menschlich zu reden) der HErr Christus zu unserer Rechten und GOttes heiliger Engel zu unserer linken geht, sondern der heilige Geist ist in uns und verklärt den HErrn Christus in uns. Unser Herz wird durch den heiligen Geist zum Tempel GOttes bereitet. Die heilige Dreieinigkeit wohnt Selbst darin. Dadurch sind wir als Christen geistlich, und der Satan hat keine Gewalt mehr über uns. So sind wir durch den heiligen Geist, der da in uns wohnt, erfüllt mit den Kräften der zukünftigen Welt und haben durch Ihn auch das Vermögen, weiter zu pilgern auf dem schmalen Weg, der zum Himmel führt.

Das, meine Lieben, sind unsere drei Begleiter auf der Himmelsreise, und so wollen wir denn getrost und freudig den beschwerlichen Himmelsweg gehen, wir wissen ja gewiss, wir werden behütet und gestärkt. Diese drei Begleiter bringen uns durch alle Gefahren hindurch. Darum wollen wir aber auch dem HErrn Christo in aller Treue nachfolgen und die heiligen Engel, vor allem aber den heiligen Geist nicht betrüben, - wir wollen Ihm vielmehr Raum geben und Ihm still halten, dass Er uns in unserem Kampf zum Sieg verhelfe. Dann erreichen wir das Ziel so gewiss, als Gott im Himmel ist, so gewiss, als der HErr Christus für uns gestorben und der heilige Geist unser Tröster ist.

Das ist gewisslich wahr! Amen.

Wir danken Dir, lieber HErr und HEiland JEsu Christe, für Deine große Gnade und Treue, die Du uns armen Sündern aufs Neue erwiesen hast dadurch, dass Du uns Dein teures Wort gelehrt hast. Wir danken Dir, dass Du zu unserer Himmelsreise Deine lieben Engel bestellt hast, uns zu schützen, dass Du Selbst mitgehst und uns hältst mit Deiner starken Hand, und dass Du uns den heiligen Geist in unser Herz gegeben hast, dass Er unser Herz erfülle mit Glaubenskraft. Wir bitten Dich: Bleibe doch bei uns, und Du willst es ja so gerne, daran zweifeln wir nicht. Gib uns aber auch die Gnade, dass wir bei Dir bleiben im Leben und im Sterben.

Erfülle unsere Herzen immer mehr mit frischem Mut, zu kämpfen auf der Himmelsreise gegen unsere Feinde; lass uns ritterlich kämpfen, aber auch gewinnen und den Sieg behalten zu Lob und Preis Deines heiligen Namens. Ja, lieber HErr JEsu, verlass uns nicht um Deines Namens willen. Amen.

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