Harms, Ludwig - Betstunden vor Weihnachten 1862 (Röm. 8, 31).

Harms, Ludwig - Betstunden vor Weihnachten 1862 (Röm. 8, 31).

Die Gnade unseres; HErrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heil. Geistes sei mit uns allen. Amen.

Text: Röm. 8, 31.

Was wollen wir denn hierzu sagen? Ist Gott für Uns, wer mag wider uns sein?

Wenn Gott Gnade geben wollte, daß dieser Vers in Wahrheit eurem Herzen eingeprägt würde, dann würdet ihr ohne Zweifel ein gesegnetes und seliges Weihnachtsfest feiern, Könnt ihr sagen: Gott ist für uns, dann wüßte ich nicht, was euch fehlen sollte. - Wir wollen, nun zuerst bettachten: Wer mag wider uns sein, wenn Gott nicht für uns ist? Ha merket euch, ist Gott nicht für uns, so ist Alles wider uns. Unser Herz verdammt uns, unser Gewissen verflucht uns. Was sagt dein Herz? Ich bin ein Sünder. Was sagt dein Gewissen? Ich stehe unter dem Fluche, Gottes. Hast du aber solche Zeugen wider dich, so bist du der unglückseligste Mensch, den man sich denken kann. Mit der Verdammung des Herzens, mit dem Fluch des Gewissens kannst du nur zu dem Ausruf Kains kommen. Und welches ist der? Meine Sünde ist größer, denn daß sie mir vergeben werden könne! und so mußt du unstät und flüchtig auf Erden umher irren. Ist dein Herz und Gewissen gegen dich, so ist ferner gegen dich der zürnende Gott mit Seinem Gesetz; denn verflucht ist Jedermann, der nicht hält alle Worte dieses Gesetzes, daß er sie thue. Und weißt du nicht, daß der Zorn Gottes hinunter brennt bis in die unterste Hölle? Feiner ist wider dich der Tod, du mußt sterben und für dich ist er ein König der Schrecken. Er reißt dich von der Erde weg und damit wird dir genommen Alles, was dir lieb war. Er stellt dich vor Gottes Gericht, und was dir auf Erden nicht klar war, nämlich dein unglückseliger Zustand, das wird dir dort klar werden. Die Bücher werden aufgeschlagen und deine sündlichen Lüste, deine schändlichen Gedanken, deine bösen Worte und deine teuflischen Werke werden offenbar. Welche Rechenschaft wirst du geben müssen z. B. von deiner Zunge, diesem unruhigen Uebel voll tödtlichen Gifts! Und nun werden alle Deine Sünden offenbar, so daß sie auf einem Brief, wie Sacharja ihn sah, zwanzig Ellen lang und zehn Ellen breit, oben, und unten beschrieben, nicht alle Platz finden. Alles ist wider dich, auch die Menschen; denn wie du Gott nicht geliebt hast, so hast du auch die Menschen, deine Brüder, nicht geliebt, du hast sie tausend Mal betrübt Und gekränkt. Alles ist wider dich; und wenn nun erst der Teufel kommt und Alles bei dir aufsucht, was du gesündigt hast, dir, zeigt, daß du Ihm gedient hast und deßhalb sein eigen bist und mit ihm in seine greuliche Hölle mußt. Alles ist wider dich, keine Stimme ist für dich; von Allen wirst du verurtheilt und verdammt. Wer so seine Sündengestalt sieht und den Heiland noch nicht kennt, dem vergeht aller Muth und ihm bleibt nichts übrig als Verzweiflung, als das Wort: Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Sehet das ist der Mensch, wenn Gott nicht für ihn ist. Ist Gott aber für dich, dann wird Alles anders. Dein Herz kann dich nicht mehr verdammen, denn bei Gott ist viel Vergebung, Gott ist größer als unser Herz und die Anklage des Herzens muß verstummen. Der Zorn Gottes ist verschwunden, denn den hatte Er nur, als Er dein Feind war; jetzt aber ist Er dein Freund. Nun kannst du sagen: Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Er schließt die Hölle zu, dem Satan gebietet Er Ruhe, der Tod hat seinen Stachel verloren; denn deine Sünden sind dir vergeben. Das ist es, was wir in einem schönen Adventsgesange singen: Siehst du, wie sich Alles setzet, was dir vor zuwiderstund? Hörst du, wie Er dich ergötzet mit dem zuckersüßen Mund? Ei, wie läßt der große Drach' all sein Wüten und Toben nach. Er muß aus dem Vortheil ziehen und zu seinen Abgrund stieben. Alles ist weggenommen durch das eine Wort: Gott ist für mich; und es kommt nur darauf an, daß ich es festiglich glaube. Glaubst du das, dann bist du der glückseligste Mensch, den man sich denken kann. Denn ist Gott dein Gott, so sind Erd und Himmel dein und Niemand kann dich verklagen. Wie fangen wir es denn an, daß wir glauben können: Gott ist für uns? Ich weiß keinen andern Rath als den: Schaue in die Krippe zu Bethlehem, darin Jesus liegt, und jeder Blick dahin muß dich überzeugen, daß Gott für dich ist. Je mehr ich in die Krippe schaue, desto weniger kann ich daran zweifeln; denn wer liegt in der Krippe? Gottes eingeborner Sohn vom Vater voller Gnade und Wahrheit. Der ist dein Bruder, um deinetwillen Mensch geworden. Das wäre der größte Wahnwitz, wenn man glauben wollte, Jesus wäre um Seinetwillen Mensch geworden. Um Seinetwillen sollte Er auf diese verfluchte, sündige Erde gekommen sein? Um Seinetwillen sollte Er in der Krippe auf Heu und Stroh gelegen haben? Um Seinetwillen sollte Er Sein ganzes Leben unter Sündern zugebracht haben, wo Ihm jeder Tritt Seines Fußes ein Leidenstritt sein mußte? Um Seinetwillen sollte Er den Tod eines Missethäters am Kreuze gestorben und dann in die Hölle gefahren sein? Der ärgste Wahnwitz kann das nicht glauben noch denken. Warum ist Er denn Mensch geworden? Nicht um der Engel willen, die bedürfen keinen Heiland, da sie nicht gefallen sind; nicht um der Teufel willen, die können sich nicht bekehren. Es bleibt nichts anders übrig als: Um der Menschen willen, um deinetwillen; denn den Menschen hat Gott im Paradiese verheißen, daß Er den Weibessamen senden wollte, der der Schlange den Kopf zertreten sollte. Um deinetwillen ist Er Mensch geworden, um deinetwillen allein liegt Er in der Krippe auf Heu und Stroh; daraus kannst du sehen, daß Gott nicht wider dich, sondern für dich ist. Es liegt der Beweis, daß Gott für uns ist darin, daß ich sagen kann: In unser armes Fleisch und Blut verkleidet sich das ew'ge Gut. Hat denn den lieben Gott der Haß gegen die Menschen dazu bewogen, Seinen eingebornen Sohn in die Krippe zu legen? Nein, die Liebe hat Ihn dazu getrieben, und nun kannst du jubeln: Wer kann wider mich sein, da Gott für mich ist! Diesen Spruch laß in der ganzen Weihnachtszeit nicht aus deinem Herzen kommen. Gott weiß, wie schlecht du bist, Er weiß das besser als du selbst; darum sag ja nicht: Ich bin Ihm zu schlecht. Nein, du bist Ihm nicht zu schlecht; gerade darum weil du so schlecht bist, hat Gott Seinen Sohn von Seinem Herzen gerissen und in die Krippe gelegt, damit du Ihm angenehm würdest. Nur durch den Sohn Seiner Liebe können wir Ihm angenehm gemacht werden. Nun kannst du sagen: Ist Gott versöhnt und unser Freund, was kann uns thun der böse Feind? Gott ist versöhnt durch Seinen Sohn, darum kann der böse Feind dir nicht schaden. Du mußt selig sein; denn dein Herz kann dich nicht mehr verklagen, der Tod kann dich nicht mehr schrecken, die Sünde kann dich nicht mehr verdammen, Satan und Welt können dir nicht mehr schaden. Schaue täglich und stündlich in die Krippe, es liegt eine solche Kraft darin, daß du sehr getrost werden mußt. Dr. Luther erzählt in einer seiner Predigten eine Geschichte, aus der wir das recht sehen können. Luther wurde zu einem Mann gerufen, der in der Angst der Verzweiflung lag. Der Mann sagte zu ihm: Ich bin verloren, ich kann nicht selig werden. Warum nicht? fragt Luther. Er antwortet: Meine Sünde ist zu groß und zu schwer, denn daß sie mir vergeben werden könne. Darauf begehrte er sein Herz zu erleichtern durch ein Bekenntniß seiner Sünden. Als das geschehen war, fuhr er fort und sagte: Das Alles wollte ich noch nicht rechnen, dafür wollte ich wohl Vergebung bei Gott finden; aber Eine Sünde lastet wie ein Bann auf meinem Herzen, die mir nicht vergeben werden kann. Was für eine Sünde ist das? fragt Luther. Da kam die Antwort: Als ich in einer der vorigen Nächte mit der Angst und Qual meines Gewissens da lag, da sagte ich in Verzweiflung zu Gott: Verdamme mich nur, so kann ich es nicht mehr aushalten; und das kann mir nicht vergeben werden. Luther sagt, er sei so erschrocken worden, daß ihm, dem starken Mann die Beine gebebt hätten und er nicht gewußt habe, ob er stehe oder liege. Er sahe nun auf zu Gott und bat Ihn, daß Er ihm geben möge, was er dem armen Mann sagen sollte. Bald wurde es ihm klar. Er rief den Sohn dieses Mannes und sagte: Bringe deine Bilderbibel mit und schlage die Geschichte von Weihnachten auf, wo das Jesuskind in der Krippe liegt, wenn du sie weißt. Was sollte ich die nicht wissen, erwiderte der Knabe. Luther stellte ihn dann an das Bette des Vaters und sagte: Schaue her und höre zu. Wer liegt in der Krippe? Der Knabe antwortete: Mein Jesus. Wer ist Jesus? Gottes Sohn. Wer hat Ihn dahin gelegt? Sein himmlischer Vater. Warum? Daß die Sünder selig werden. Nun lies den Vers, der darunter steht. Und der Knabe las: Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Hast du das gehört? Ja, sagte der Vater. Was bist du? Ein Sünder. Du hast gesagt, daß Gott dich verdammen sollte; was sagst du nun, wenn Gott dich losspricht? Der Mann ward still und Luther ging weg, nachdem er noch mit ihm gebetet und ihm den Rath gegeben hatte: Schlag die Bibel auf und schaue in die Krippe, wenn die Angst der Verzweiflung wieder kommt und siehe daraus, daß Gott dir gnädig ist. Und der Mann ist nicht nur geistlich, sondern auch leiblich gesund geworden und in allen Lagen seines Lebens hat der Blick in die Krippe ihm durchgeholfen. So siehe auch du in die Krippe, dann kannst du nicht mehr daran zweifeln, daß Gott für dich ist. Du kannst mit seliger Gewißheit jubeln: Ist Gott für mich, wer mag wider mich sein?

Ja, ist Gott für mich, so trete
gleich Alles wider mich;
so oft ich ruf und bete,
weicht Alles hinter sich.
Hab ich das Haupt zum Freunde
und bin geliebt bei Gott:
Was kann mir thun der Feinde
und Widersacher Rott?

Amen.

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