Harms, Ludwig - Am zweiten heiligen Weihnachtstag

Harms, Ludwig - Am zweiten heiligen Weihnachtstag

Die Gnade unseres HErrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Text: Ev. Joh. 1,1-18
1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. 4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen. 6 Es ward ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. 7 Dieser kam zum Zeugnis, dass er von dem Licht zeugte, auf dass sie alle durch ihn glaubten. 8 Er war nicht das Licht, sondern dass er zeugte von dem Licht. 9 Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. 10 Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt kannte es nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben; 13 welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. 14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. 15 Johannes zeugt von ihm, ruft und spricht: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. 16 Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. 17 Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden. 18 Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt.

Das liebliche Evangelium des gestrigen ersten Weihnachtstages, teure Zuhörer, hat uns erzählt von der wunderbaren Geburt unsers Heilandes Jesu Christi. und haben wir es aufmerksam und mit Nachdenken gehört und gelesen, so muss dadurch unsere ganze Seele von Erstaunen und Bewunderung ergriffen und zu der angelegentlichen Frage fortgerissen sein: was für ein Kind ist das! Von diesem Kind haben Jahrhunderte, Jahrtausende vorher die Propheten geweissagt, dass es kommen würde zum Heil der ganzen Welt, zum Segen für alle Geschlechter der Erde; auf dies Kind, auf Jesum, den Messias, weisen sie hin alle zerschlagenen Herzen, alle geängsteten Geister, die sich sehnen und seufzen nach Vergebung der Sünden, wenn Jesus, der Messias, kommen wird, dann wird es besser werden, der wird ein Reich Gottes aufrichten auf Erden, der wird Sein Volk selig machen von allen ihren Sünden! Aber wenn Er nun kam, woran sollte man Ihn erkennen aus den Tausenden, aus den Millionen, die in jedem Jahr geboren werden? Auch dafür sorgte der Geist Gottes. Auf das bestimmteste bezeichnen die Propheten Christum als einen Nachkommen Abrahams aus dem Geschlecht Davids, als den Sohn einer Jungfrau, den sie durch Gottes Kraft, ohne Zutun eines Mannes, empfangen und in Bethlehem, der Vaterstadt Davids, gebären soll. Und siehe, in unserem Weihnachtsevangelio geht eine Jungfrau aus Davids Geschlecht, schwanger durch die Kraft des heiligen Geistes, 20 Meilen weit von Nazareth, wo sie wohnt, nach Bethlehem, um dem Gebot des heidnischen Kaisers Augustus Genüge zu leisten, der gerade zu dieser Zeit befehlen musste, dass alle römischen Untertanen ihre Namen anschreiben lassen sollten zur Schätzung, ein jeglicher an seinem Ort. Aber wie kann sie, die einsame, schwangere Jungfrau, die weite Reise machen? wer wird für sie sorgen? wer sie schützen? wer sie bewahren vor Verachtung? Gott hat ihr einen Versorger, einen Begleiter, einen Beschützer gegeben in der Person Josephs, der, fromm wie sie, ebenfalls auf den Trost Israels, auf den verheißenen Heiland wartete, und dem nun Gott durch eine Offenbarung gezeigt hatte, Maria, eben diese Maria, seine verlobte Braut, sei auserkoren, die Mutter des Heilandes zu werden. Da hatte er sie zu sich genommen und nun begleitet, versorgt, beschützt er sie treulich auf dem Weg und die gebenedeite unter den Weibern kommt glücklich in Bethlehem an. Aber wunderbar! für die Mutter des Heilandes der Welt ist kein Raum zur Herberge in Bethlehem, in einem Stall muss sie einkehren, in einem Stall wird der lange verheißene, der ersehnte Heiland der Welt geboren, so arm, so unbeachtet von aller Welt, dass eine Krippe Seine Wiege, Heu und Stroh Sein erstes Bette ist. Keiner auf Erden weiß das Wunder der Gnade Gottes, da tut sich der Himmel auf, Gottes Klarheit erleuchtet die finstere Nacht der Erde und aus dem Himmelsglanz, der hernieder strahlt auf die Erde, tritt ein Engel hervor und verkündigt armen Hirten auf dem Feld die Freudenbotschaft: Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der HErr, in der Stadt Davids! Und kaum ist dieses erste Evangelium gepredigt aus dem Mund des Engels, da wird es lebendig auf dem Feld, der Himmel schüttet alle seine Bewohner aus, die ganze Heerschar der tausendmal tausend Engel steigt hernieder, jubilierend und triumphierend und singt aus Herz und Mund mit fröhlichem Schall den himmlischen Lobgesang: Ehre sei Gott in der Höh, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen! Die Hirten hörens, die seligen Hirten, und gehen eilends hin zu dem Kindlein Jesu, knien nieder vor der Krippe im Stall, beten an den neugeborenen Heiland und ihr Herz kann nicht fassen die selige Freude, ihr Mund muss reden und zeugen von dem, das sie gehört und gesehen haben: wohin sie kommen, da breiten sie aus, was ihre Ohren gehört, was ihre Augen gesehen haben! O, wer ist denn dies wunderbare Kind? können wir nichts Näheres erfahren von Ihm? Auf diese Frage, die nach solchen erstaunenden Tatsachen gewiss auf unser allen Lippen schwebt, auf diese Frage gibt uns Antwort das heutige, vorhin verlesene Evangelium.

Lasst uns denn nach Anleitung desselben unter Gottes Segen hören die Antwort der Schrift auf unsere Frage:

Wer ist denn das so wunderbar geborne Jesuskind?

Zuvor aber lasst uns beten: Allmächtiger Gott, barmherziger Vater, sende uns Deinen heiligen Geist, durch Ihn tue auf unsere Lippen, Ohren und Herzen, dass wir vernehmen die Wunder Deiner Gnade und erkennen die Offenbarungen Deiner Herrlichkeit. Du allein gibst und schaffst ein sehendes Auge und ein hörendes Ohr, lass uns nehmen aus Deiner Fülle Gnade um Gnade und Wahrheit um Wahrheit. Erleuchte uns, dass wir erkennen Deinen Sohn Jesum Christum in Seiner ewigen Kraft und Gottheit, bewege unsere ganze Seele, dass wir anbeten das Wunder Deiner Liebe, dass Du Deines eingeborenen Sohnes nicht hast verschont, sondern Ihn kommen lassen in unser Fleisch und Blut, dass Er unser Bruder würde, entzünde unsere Herzen, dass wir Ihn aufnehmen als unseren lieben Heiland, dass Er auch uns, Deinem Volk, gebe die Vergebung unserer Sünden. Amen.

I.

Dieser Jesus, Weihnachten in Bethlehem geboren von der Jungfrau Maria, ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. Wie? Jesus, das Kind Jesus, das da liegt in Windeln gewickelt und Raum hat in einer Krippe, das sollte Gott sein, der allmächtige Gott, den der Himmel nicht umfasst? Ja, dieses Kind, in Windeln gewickelt, das Raum hat in der Krippe, das ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben! Woher weißt du das? fragt ihr; wie kannst du das wissen? wie das so bestimmt behaupten? bist du denn im Himmel gewesen, dass du bezeugen könntest, was deine Augen gesehen haben? Nein, Geliebte, wollte ich das wissen, als aus mir selber, wollte ich das bezeugen, als aus mir selber, so dürftet ihr mein Wort und Zeugnis nicht annehmen, alles eigne, menschliche Zeugnis über göttliche Dinge ist eitel Lug und Trug und Er selber spricht: Ich, nehme nicht Zeugnis von Menschen. Hier muss Gott selber Zeugnis geben, alles andere Zeugnis gilt nicht, und Gott gibt Zeugnis. Was keines Menschen Einbildung erdenken, keines Menschen Vernunft ersinnen könnte, das bezeugt Gott in Seinem heiligen, untrüglichen Wort, das geredet hat der heilige Geist durch den Mund der Apostel. Hört unser Evangelium: im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Wer ist das Wort, von welchem hier die Rede ist, das Wort, welches selber Gott genannt wird, das im Anfang von Ewigkeit her war, eins mit Gott und doch wieder unterschieden von Gott, denn es war bei Gott. Aus der später folgenden Stelle: und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit, sehen wir deutlich, dass dieses Wort eins ist mit Jesus Christus, dem fleischgewordenen Sohn Gottes. Das Wort ist also Christus, Christus ist Gott, der im Anfang, von Ewigkeit her bei Gott war, Gott der Sohn bei Gott dem Vater. Aber warum wird Er denn das Wort genannt? Seht, wollen wir einer dem andern etwas verständlich mitteilen, wollen wir einer dem andern etwas offenbaren, das in unseren Herzen verborgen war, so kann das durch nichts Anderes deutlich geschehen, als dadurch, dass wir es einander sagen, also durch das Wort. Darum nun heißt der Sohn Gottes das Wort, weil allein durch Ihn uns das Geheimnis Gottes, der Ratschluss Gottes von unserer Seligkeit deutlich und bestimmt geoffenbart und mitgeteilt ist. Wir wüssten weder etwas von Gott, noch von unserer Seligkeit, wenn nicht der Sohn Gottes, der vom Himmel gekommen ist, es uns geoffenbart hätte durch das Wort; darum heißt Er das Wort. Durch Ihn kommt alle Offenbarung; Er ist der Jehovah des alten Bundes, Er ist es, der auf Sinai redete, Er, der mit den Kindern Israel durch die Wüste zog und durch das rote Meer; denn der geistliche Fels, der mitfolgte auf ihrem Zug, war Christus. Und dieser Christus, der Sohn Gottes, das Wort, wird nicht nur in unserer Stelle ausdrücklich der ewige Gott genannt, sondern die ganze Schrift, das alte und neue Testament, bezeugt im gewaltigen Chor die hohe, seligmachende Wahrheit: Christus ist Gott! Jesaias nennt Ihn den Immanuel, d. h. Gott mit uns, Micha frohlockt, dass Sein Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist, Jeremias nennt Ihn den Jehovah, der unsere Gerechtigkeit ist. Johannes ruft, wie in unserem Evangelio, so in seiner Epistel: dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. Paulus frohlockt und rühmt: Christus kommt her von den Vätern nach dem Fleisch, der da ist Gott über Alles, gelobt in Ewigkeit! und abermals: Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit Ihm selber! und wiederum: kündlich groß ist das gottselige Geheimnis: Gott ist geoffenbart im Fleisch, Gott hat uns erkauft mit Seinem eigenen Blut! Und Er selber, der HErr Jesus, bezeugt und spricht: Ich und der Vater sind eins, Philippe, wer Mich sieht, der sieht den Vater! Also Jesus Christus, der Weihnachten in Bethlehem geboren ist von der Jungfrau Maria, Er ist Gott, wie der Vater, und der heilige Geist, gleich ewig, allmächtig, allwissend, allgegenwärtig, und diese drei, der Vater, der Sohn und der heilige Geist, sie sind der einige, wahre Gott, außer welchem kein Gott ist, gleichwie Geist, Seele und Leib, obwohl von einander unterschieden, einen einigen Menschen bilden, nach dem Bild Gottes erschaffen. Und seht, weil Jesus Gott ist, darum sind auch Seine Werke göttlich. Deshalb heißt es in unserem Text weiter: alle Dinge sind durch Ihn gemacht und ohne Ihn ist nichts gemacht, was gemacht ist. So tut Er also kund Seine ewige Kraft und Gottheit durch Seine Werke, dass Er geschaffen hat den Himmel und die Erde und Alles, was darinnen ist, durch das Wort Seines Mundes, wie auch an einem anderen Ort die heilige Schrift bezeugt: durch Ihn ist Alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, beides, die Thronen und Herrschaften und Fürstentümer und Obrigkeiten, es ist Alles durch Ihn und zu Ihm geschaffen; denn in Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Und wie durch Ihn geschaffen sind alle Dinge im Himmel und auf Erden, so ist Er es auch, der alle Dinge erhält, wie geschrieben steht: Er, Jesus, trägt alle Dinge mit Seinem kräftigen Wort. So bezeugt Er es durch Seine Werke, dass Er ist der Abglanz der Herrlichkeit Gottes des Vaters und das Ebenbild Seines Wesens.

Deshalb nennt Ihn auch unser Text das Leben und das Licht der Menschen. Alles, was lebt, das lebt durch Ihn, Er ist es, der jedermann Leben und Wohltat gibt allenthalben, auch wir haben unser Leben aus Seiner allmächtigen Hand und Sein Aussehen bewahrt täglich unseren Odem. Was da leuchtet, das leuchtet durch Ihn. Nicht nur die irdische Sonne hat Er geschaffen, uns zu leuchten auf Erden, dass wir ausgehen können an unsere Arbeit und unser Fuß sich nicht stoße in Finsternis; auch die geistliche Erleuchtung kommt durch Ihn, denn ohne Jesum hätten wir nicht das göttliche Wort, das nun ist eine Leuchte unserer Füße und ein Licht auf allen unseren Wegen. Denn Finsternis deckte die Erde und Dunkel die Völker, verfinstert sind die Herzen der Menschen durch Sünde und Übertretung, also dass sie es oft nicht einmal mehr wissen, dass sie Sünder sind, und auf die Finsternis der Sünde folgt das Dunkel des Todes, und auf das Dunkel des Todes folgen die Schrecken der Verdammnis. Wohin wollen wir fliehen, Geliebte? sind nicht auch wir Sünder? So gewiss, als wir alle sterben müssen; denn auch unserer Sünden Sold ist der Tod und auch auf unseren Tod folgt das Gericht. Ich armer, elender Mensch, wer will mich erretten aus Sünde, Tod und Verdammnis. Sei getrost, mitten in diese Finsternis der Sünde, mitten in dieses Dunkel des Todes und der Verdammnis hinein scheint aus Bethlehem ein helles Licht: Jesus Christus ist erschienen, dass Er aus Finsternis Licht mache. Er kann helfen, denn Er ist der allmächtige Gott; Er will helfen, sonst wäre Er nicht zu uns gekommen. O heißt doch euern Gott willkommen, dessen Gang zu euch gekehrt ist; was wollt ihr nun verzagen, da euer Gott Wohnung bei euch macht? Ehre sei Gott in der Höhe, der uns sendet Seinen eingeborenen Sohn, dass Sein Licht zerstreue die Finsternis der Sünde, denn bei Ihm ist Gnade und viel Vergebung! dass Sein Leben vertreibe die Schrecken des Todes und der Verdammnis, denn wo Vergebung der Sünde ist, da ist auch Leben und Seligkeit! Immanuel, Gott ist mit uns, und ist Gott mit uns, wer mag wider uns sein! Darum lasst uns anbeten, knien, niederfallen, verbergen unser Angesicht im Staub vor der Wundertat der göttlichen Gnade und Erbarmung, die wir preisen an diesem hohen Feste der Christenheit; dies Kind Jesus, Weihnachten in Bethlehem geboren von der Jungfrau Maria, ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben!

II.

Und dieser Jesus, der da ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben ist unser Bruder geworden, auf dass wir Gottes Kinder würden. In Jesu ist Gott zu uns gekommen, so haben wir gehört aus der heiligen Schrift. Aber Er ist nicht gekommen in Seiner göttlichen, himmlischen Herrlichkeit und Majestät; die hätten wir Sünder nicht ertragen können, vor der hätten wir Sünder vergehen müssen, da hätte Sein Licht uns verbrannt, Sein Feuer uns verzehrt, denn unser Gott ist ein heiliger Gott, ein verzehrendes Feuer, vor dem alle Sünder sind wie Stroh und alle Unheiligen wie Stoppeln. Unser Gott ist zu uns gekommen als ein Kind, der Heilige als ein Heiland, wie geschrieben steht: das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, Gott der Sohn ist unseres menschlichen Fleisches und Blutes teilhaftig geworden, ist wahrhaftiger Mensch, unser Bruder geworden, in allen Dingen uns gleich, die Sünde ausgenommen, Er ist erschienen, offenbar geworden unter uns in menschlicher Gestalt, mit menschlichen Gebärden, an Leib und Seele ein wahrhaftiger Mensch, der wuchs und zunahm an Alter und Weisheit, wie wir, den hungerte und dürstete, der sich freute und der trauerte, der schlief und wachte, gleichwie wir, auf dass Er Mitleid haben könnte mit unserer Schwachheit und Erbarmen mit unserem Elend, dass Er leiden, dass Er sterben könnte für uns und unsere Sünde und also ein rechter Hoherpriester würde, wegzunehmen unsere Missetat. Kannst du solche Liebe fassen, o Menschenkind, sündiges Menschenkind? Schlägt nicht dein armes Herz heftiger vor wallender Liebe, wird nicht dein Auge nass von Tränen dankbarer Anbetung, wenn du betrachtest Gott, deinen Heiland, der in der Krippe liegt, wenn du singst mit bewegter Seele, wie wir vorhin gesungen haben: Den aller Welt Kreis nie beschloss, der liegt in Marien Schoß; der ist ein Kind geworden klein, der alle Ding' erhält allein! Er ist auf Erden kommen arm, dass Er unser sich erbarm und in dem Himmel mache reich und Seinen lieben Engeln gleich! Oder wäre das möglich, du könntest gegen solche Liebe kalt bleiben, gleichgültig gegen Gottes Erbarmen? Vernimmst du nicht, wie Gott klagt über die Welt: Er ist in die Welt gekommen und die Welt kannte Ihn nicht! Hörst du nicht, wie Er jammert über Sein Volk Israel: Er kam in Sein Eigentum und die Seinen nahmen Ihn nicht auf! Soll dein Gott und Heiland auch so klagen über dich, du christliche Gemeine, die du nach Seinem Namen genannt bist, dass Er zu dir, an diesem Weihnachtsfest aufs neue zu dir gekommen ist und du hast Ihn nicht aufgenommen? Ist Jesus denn dein Feind? will Er dich denn verderben? Nein, du weißt, des Menschen Sohn ist kommen, das Verlorene zu suchen, die Sünder selig zu machen. Und du bist ein Sünder und willst dich nicht selig machen lassen? Dein Gewissen sagt dir, du hast die Hölle verdient, weil du ein Sünder bist; nun kommt dein Heiland, dich aus der Hölle zu erretten und den Himmel dir aufzutun, und du willst doch den Himmel nicht, sondern erwählst selbst die Hölle? Nein, HErr, barmherziger Heiland, nimm doch weg alle steinerne Herzen aus dieser Gemeine und gib fleischerne Herzen, dass sich niemand verhärte gegen sein eigen Fleisch und Blut!

Oder ist die Bedingung zu schwer, die Er uns vorschreibt? Nimmermehr; denn ihr habt gehört: wie viele Ihn aber aufnahmen, denen gab Er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an Seinen Namen glauben, die nicht von dem Willen, noch von dem Geblüt eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Das gilt nicht jene allein, die damals lebten, das gilt auch uns; denn wie viele Ihn aufnahmen, d. h. Alle, die Ihn aufnehmen, die sollen Gottes Kinder werden. Also auch wir können Ihn aufnehmen; so gewiss Er auch unseres Fleisches und Blutes teilhaftig geworden, unser Bruder geworden ist, so gewiss will Er auch uns, als Seine Brüder, zu Gottes Kindern machen. Und dass wir armen Sünder Ihn aufnehmen in unsere Herzen, dass wir dankbar gläubig Ihm anhangen mit unserer ganzen Seele, dass wir Ihn wieder lieben mit inniger Liebe, weil Er uns zuerst geliebt hat, sollte das uns schwer, sollte das von uns zu viel verlangt sein? Sonderbar! Wenn heute die Nachricht käme: unser König will morgen zu uns kommen, will ein jedes Haus besuchen, will Wohltat spenden, will hundert Taler schenken einem jeglichen, der ihn aufnimmt, o da würde ein Jubel werden, da würde kaum einer warten, bis er käme; Alles würde ihm entgegenziehen, ihn einholen, jeder würde sich geehrt fühlen, in dessen Haus er einträte, und Jahre lang nachher würde man von solcher Gnade und Ehre sprechen! Und doch kann kein irdischer König, so gut und gnädig er sein mag, keine einzige Sünde vergeben, kann keinem die Seligkeit schenken, keinem die Tür des Himmels auftun. Nun aber ist die Nachricht da - und ich rufe diese fröhliche Botschaft in euer Aller Herzen hinein: der himmlische König kommt, will kommen in jedes Haus, in jede Hütte, in jedes Herz, Er bringt nicht elendes Gold und Silber, nicht vergängliches Gut, das Motten und Rost fressen und da die Diebe nach graben und stehlen, Er bringt Segen für Leib und Seele, ewige, unvergängliche Himmelsgüter: Vergebung der Sünden, Frieden, Seligkeit, ewige Erlösung von Sünde, Tod, Hölle und Teufel, die ganze Fülle der Segnungen des Himmelreichs, und Ihm gehst du nicht entgegen? Jesum lässt du draußen stehen, verschließt Ihm dein Haus und dein Herz? Ihn nimmst du nicht auf, verachtest Seine Liebe, verschmähst Sein Himmelreich? Ist es denn möglich, dass ein Herz, nur eins unter uns so hart sein, nur eins sich verstocken und so selbst verwerfen könnte die Seligkeit, so selbst wählen die Verdammnis! O ich bitte euch, Geliebte, ich bitte euch um eurer ewigen Seligkeit willen, verachtet nicht Jesu Liebe, nehmt Ihn auf in eure Herzen, seht Ihm doch einmal recht in Sein himmlisches Angesicht! Rühmt nicht unser Evangelium: und wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit? Wahrlich Er ist der schönste, Er ist der lieblichste unter den Menschenkindern! Wie freundlich tut sich der Heilige Gottes zu den Sündern und spricht: Wer zu Mir kommt, den will Ich nicht hinausstoßen! Mit welch erbarmender Liebe ruft Er allen Mühseligen und Beladenen zu: Ich will euch erquicken, ihr sollt Frieden finden für eure Seelen. Wer ist je zu Ihm gekommen, mit leiblicher und geistlicher Not behaftet, und hat seine Hilfe angefleht im herzlichen Glauben, der nicht immer gefunden hätte bei Ihm Hilfe. Trost und Errettung! Den Blinden schenkt Er das Gesicht, den Tauben das Gehör, den Lahmen, den Krüppeln den Kranken die Gesundheit, aus den Besessenen treibt Er die Teufel aus, die Toten weckt Er auf aus dem Tod und Grab, den Armen predigt Er das Evangelium, den bußfertigen Sündern vergibt Er die Sünden, Tag und Nacht tut Er wohl, keiner ist Ihm zu arm, keiner zu gering, keiner zu schlecht. Er erbarmt sich Aller, die Ihn nur aufnehmen wollen. Das Alles tut Er, der er nur hätte in Seinem seligen Himmel bleiben können, wenn Er gewollt hätte, das Alles tut Er, weil die Liebe Ihn treibt, den Himmel zu verlassen, auf dass Er die Sunder besuche auf Erden. Strahlt in dem Allen schon wahrhaftig die Herrlichkeit des Sohnes Gottes voller Gnade und Wahrheit - wie wird dir, wenn du nun hintrittst unter Sein heiliges Kreuz, wenn du nun hineinschaust in Sein heiliges, dornengekröntes, erblassendes Angesicht, auf Seine durchbohrten, zu dir ausgebreiteten Arme, wie Er leidet für deine Sünde und stirbt für deine Missetat, und nun für das Alles nichts weiter von dir begehrt, als dass du erkennst Seine Liebe. Ihn aufnimmst in dein sündenkrankes Herz mit innigem Glauben, auf dass Er dir vergebe alle deine Sünden und von dir nehme den Fluch des Gesetzes! O, ist's nicht lauter Gnade. Wahrheit Liebe und Treue, die dir entgegenstrahlt aus dem Angesicht des eingeborenen Sohnes vom Vater? Ja, darum ist Jesus, Gottes eingeborener Sohn, dein Bruder geworden, auf dass dein Haus zu Gottes heiligem Tempel werde, dein Herz zu Jesu Krippe, die Kindschaft Gottes dein Teil und der Himmel dein Erbe! O Geliebte, soll dieses Weihnachtsfest euch keinen Weihnachtssegen bringen? soll es euch verklagen am jüngsten Tag? Nein, hier sind wir, HErr, zu Dir heben wir unsere Hände, der Du unser Gott und Bruder bist, der Du noch jetzt auf Deinem himmlischen Thron, zur Rechten Deines Vaters, für uns bittest und uns trägst mit großer Geduld und Langmütigkeit, siehe, HErr. Du bist unsere Freude und Ehre, Du unser Heil und unsere Kraft, hier stehen unsere Herzen Dir offen an Deinem heiligen Weihnachtsfest. Zeuch ein. Du König der Ehren, wir Alle, versammelt, kommen zu Dir und bringen Dir unsere armen, sündigen Herzen zur Gabe und zum Geschenk. Wir haben nichts Anderes Dir zu geben und Du begehrst auch nichts Anderes von uns, darum nimm sie an, diese Herzen voll Sünde, reinige sie mit Deinem teuren Blut, heilige sie mit Deinem heiligen Geist, dass sie fortan nur Dir geweiht und geheiligt seien! Wir haben Dir schon zu lange widerstrebt, wir wollen es nicht mehr tun, Deine Liebe ist uns zu stark geworden, Du hast überwunden unsere trotzigen und verzagten Herzen, und wir haben uns überwinden lassen, gieße aus in unsere Herzen Deinen heiligen Geist, Deine Liebe, Deinen Frieden, Deine Gotteskraft, dass wir unter Deinem seligen Regiment in Deinem Reich leben in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit! HErr, bei Dir wollen wir bleiben und Dich lieb haben hier auf Erden, bis wir dort schauen Deine Herrlichkeit, Deine Gnade und Wahrheit mit aufgedecktem Angesicht! Amen.

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