Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 1 Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 1 Psalm.

Wir wollen heute mit Gottes Hülfe anfangen, den Psalter nacheinander durchzunehmen. Er enthält Gebete, meistens vom Könige David verfaßt. Doch sind auch einige Psalme darunter, die andere Männer zum Verfasser haben, z. B. Mose, Salomo, Assaph, Hemann, Ethan, die Kinder Korah u. s. w. Indessen heißt es doch mit Recht „die Psalmen Davids“, weil es insonderheit Gebete sind des Mannes, der von Gott selbst genannt wird: „ein Mann nach dem Herzen Gottes“. Der Psalter ist eins der wichtigsten Bücher in der ganzen Bibel, und darum geht es ihm, wie es so oft im Leben geht, wo das Wichtigste gering geschätzt und zurück gesetzt wird. Man findet viele Leute in der Christenheit, die den Psalter nicht einmal ordentlich durchgelesen, geschweige denn durchgebetet haben. Was ist das aber anders, als Geringschätzung? Der Psalter ist darum so wichtig, weil uns darin nicht die Werke, sondern die Worte der Heiligen aufbewahrt sind, und zwar die Worte, welche sie im Betkämmerlein zu Gott gesprochen haben, so daß man einen Blick thut in die Herzen der Heiligen, was bei ihren Werken nicht gut möglich ist. Liesest du die Werke der Heiligen, so kannst du daraus nie auf ihr Herz schließen. Wolltest du es doch thun, du würdest dich oft irren bei der maßlosen Heuchelei der Menschen. Aber die Worte, die von den Heiligen und zwar im Betkämmerlein zu Gott dem HErrn gesprochen werden, die zeugen von dem, was in ihrem Herzen ist. Auch führen uns die Psalmen in die einzelnen Zustände hinein, die sich bei den Menschen vorfinden. Da sind Lob- und Dankpsalmen, Buß- und Klagepsalmen, Lehrpsalmen und Psalmen im höhern Chor. Und bei alle dem reißen diese Psalmen, wenn man sie nicht nur lieset mit dem Munde, sondern wirklich betet, so das Herz mit sich fort, daß durch nichts so sehr das Herz der Gläubigen mit Gott vereinigt wird, als durch sie. In den Lobepsalmen steigen wir gleichsam mit dem HErrn in den Himmel, in den Bußpsalmen steigen wir mit dem HErrn in die Hölle; und was es giebt an Lust und Leid, Furcht und Sorge, Angst und Pein, das ist alles in dem Psalter geschrieben, so daß wir sagen können: ein jeder findet seinen Zustand darin, es giebt nichts im innerlichen Leben eines Christen, wofür der Psalter keinen Ausdruck hätte. Darum ist auch der Psalter von jeher das Lieblingsbuch der Christen gewesen, und zwar in solchem Maße, daß wohl kein Tag hingeht, da der Christ nicht einen Psalm betet, und die hauptsächlichsten sind nicht nur in das Herz, sondern auch in den Kopf geschrieben. Ist der Psalter auch dein Lieblingsbuch, oder liesest du nicht viel darin? steht er in deinem Gedächtniß, oder hast du dir noch niemals Mühe zum Auswendiglernen desselben gegeben? - Und dazu weiset kein Buch im Alten Testament so kräftig auf Christum, als der Psalter. Die klarsten Weissagungen von Christi Leiden und Sterben, Auferstehung und Himmelfahrt stehen in den Psalmen, so daß man nöthigenfalls die ganze Leidens- und Herrlichkeitsgeschichte Christi daraus nachweisen könnte, wenn wir auch kein Evangelium hätten.

Wir wollen nun heute mit dem ersten Psalm den Anfang machen. Da heißt es zuerst: Wohl dem, der nicht wandelt im Rath der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzet, da die Spötter sitzen; sondern hat Lust zum Gesetze des HErrn, und redet von Seinem Gesetze Tag und Nacht. In diesen beiden Versen wird uns beschrieben der wahre, aufrichtig fromme Christ, er steht da vor uns, wie er leibt und lebt und wird geschildert nach seinen beiden Seiten: 1. was er nicht ist und 2. was er ist; beides ist wichtig und kann nicht genug beherzigt werden. Es gehört für das Leben des wahren Christen ein Nein und ein Ja: ein Nein gegen alles gottlose Wesen und ein Ja für alles Gute und Himmlische, und beides muß von den Christen auf das Entschiedenste geltend gemacht werden. Das Nein des Christen besteht darin: Er wandelt nicht im Rathe der Gottlosen, er tritt nicht auf den Weg der Sünder, er sitzt nicht, da die Spötter sitzen; und bei diesem Nein bleibt er mit solcher unerschütterlicher Entschiedenheit, daß er keinen Schritt davon weicht und wankt. Die Weltkinder, die nichts mit Gott zu schaffen haben, werden in drei Stufen unterschieden: schlimm sind die Gottlosen, schlimmer find die Sünder und die schlimmsten sind die Spötter; und mit allen diesen Leuten hat der wahre Christ nicht das allergeringste zu thun. Die Gottlosen, was sind das für Leute? Meint ihr, die Bibel verstehe nur darunter die Mörder, Diebe, Hurer, Ehebrecher u. s. w., so irrt ihr sehr. Die gehören auch dazu, aber nicht minder die weisen und tugendhaften und ehrbaren Leute vor der Welt, wie Luther sagt, die wie sie meinen, keinen Gott und Heiland nöthig haben. Zum heiligen Abendmahl gehen diese Leute nur selten oder nie, weil sie keine Vergebung der Sünden brauchen, in der Bibel lesen sie nicht, da sie den Weg zur Seligkeit nicht wissen wollen und zur Kirche kommen sie nicht, weil da die Sünde gestraft wird. So sind sie also Abendmahls-, Bibel- und Kirchenverächter, sonst aber die ehrbarsten und tugendhaftesten Leute von der Welt. Mit diesen Gottlosen hat der wahre Christ nichts zu thun, er meidet sie, denn er kann nicht in den Rath derer gehen, die Abendmahl, Bibel und Predigt verachten. Kommt es auch bei ihnen nicht so weit, daß sie über Abendmahl, Bibel und Predigt spotten, so bezeichnet sie doch genugsam die Verachtung der Gnadenmittel als Gottlose, und mit denen kann man keine Gemeinschaft haben. Ich frage euch, meine Lieben, meidet ihr die, die Predigt, Abendmahl und Bibel verachten? habt ihr keinen Umgang mit ihnen? tretet ihr nicht in ihren Rath? ist euch das das Gräßlichste, daß ein Mensch verachtet, was ihm und euch zur Seligkeit dienen soll und was euch das Liebste und Theuerste ist? Die Sünder, das sind die schlimmeren. Aber merket euch, es ist vom Gottlosen bis zum Sünder nur ein kleiner Schritt; denn wenn ich erst die Gnadenmittel verachte, warum sollte ich mich dann noch vor der Sünde scheuen? Da der Gottlose sich nicht um Gott und Gottes Wort, um Seligkeit und Verdammniß kümmert, warum sollte er die Sünde lassen und hassen? da die Sünde so angenehm ist für das Fleisch, warum sollte er sie nicht thun? Trotz der äußerlichen Ehrbarkeit kann er der Sünde heimlich dienen, und aus diesem heimlichen Sündendienst wird bald ein öffentlicher. So ist nur ein Schritt zwischen dem Gottlosen und dem Sünder. Nun hat aber ein frommer Christ eben so wenig was zu thun mit einem Sünder, als mit einem Gottlosen, er enthält sich jeder Gemeinschaft mit ihnen. So gewiß wie ich selig bin in der Nachfolge Gottes, in der Gemeinschaft der Gläubigen, eben so gewiß bin ich unselig in der Gemeinschaft mit Sündern; denn wer Pech angreift, besudelt sich, und solche Sünder sind schwärzer als Pech. Bei der Welt ist es nicht so, bei den halben Christen auch nicht, die verkehren mit jedermann. Ja, du kannst die halben Christen mit anerkannt groben Sündern in einer Stube und an einem Tische sitzen sehen. Bei der Welt gehört weiter nichts zum Umgange, als daß einer einen blanken Rock anhat, daß er Bildung besitzt und einen Diener machen kann. Ob er ein Gottloser, Hurer, Ehebrecher, Dieb ist, das ist Nebensache, wenn er nur Bildung und Geld hat, dann ist es gut. Ein wahrer Christ aber hat Abscheu vor jedem Menschen, der in öffentlichen Sünden und Schanden lebt. Die schlimmsten unter den Weltkindern sind die Spötter. Aber wiederum zwischen dem Sünder und dem Spötter ist auch nur ein Schritt. Der Mensch hat ein Gewissen, und wenn er sündigt, schlägt dies verletzte Gewissen. Meint ihr nicht, daß dem Hurer und Ehebrecher, dessen Sünden in der Kirche durch die Predigt gestraft werden, fein Gewissen anfängt zu schlagen? Was thut er nun? Da er sich nicht bekehren will, so fängt er an zu spotten. Woher kommt also der Spott? Aus einem gestochenen Gewissen; und alle Spötter haben ein solches. Wer erst ein Spötter ist, der ist nicht nur dem Teufel ähnlich, sondern ist selbst ein Teufel. Der Christ kann mit keinem Gottlosen und Sünder Umgang haben, aber auch eben so wenig mit einem Spötter. Mit den Gottlosen und Sündern kann er nicht umgehen, weil sie halbe Teufel sind und mit den Spöttern nicht, weil sie ganze Teufel sind. Dazu merkt euch noch folgende Worte des ersten Verses: wandeln, treten, sitzen. Beim Wandeln ist man noch in Bewegung, man geht an den Gottlosen vorüber; beim Treten bleibt man schon bei den Sündern stehn und sieht zu; beim Sitzen setzt man sich zu den Spöttern und hat Gefallen an ihrem Spott. Also, gehe nicht vorüber an den Gottlosen, denn da fliegen die giftigen Pfeile des Bösewichts in dein Herz; stehe nicht still bei den Sündern, sonst möchten sich diese giftigen Pfeile fest setzen in deinem Herzen; setze dich nicht hin bei den Spöttern, sonst möchten sie dich ganz gefangen nehmen und in die Hölle stürzen. Denkt an das Beispiel des Petrus. Zuerst geht er nur am Kohlenfeuer vorüber, dann bleibt er stehn und wärmt sich und endlich setzt er sich dahin, wo die Spötter sitzen, wird selbst ein Spötter und verleugnet den HErrn Jesum. Ihr habt das Nein eines wahren Christen vernommen, nun hört auch das Ja, was sich bei ihm findet. Unser Psalm spricht das aus mit den Worten: Er hat Lust zum Gesetze des HErrn und redet von Seinem Gesetze Tag und Nacht, d. h. er sinnt darüber nach. Das Kennzeichen eines wahren Christen ist die innige, herzliche Lust an des HErrn Wort; diese Lust treibt ihn, dasselbe täglich zu lesen. So wenig wie sein Körper das frische Wasser entbehren kann, eben so wenig kann seine Seele das Wort Gottes entbehren. Er liest nicht in der Bibel aus Zwang, sondern aus Lust, nicht weil er muß, sondern weil er seine Freude daran hat. Und wie das Lesen des Wortes Gottes seine Lust ist, so ist es nicht minder das Hören. Er kann es kaum abwarten, bis der liebe Sonntag kommt, und in der Woche versäumt er auch ohne Noth keine Predigt. Davon ist nun die Folge, daß sein Mund überfließt von dem, was in seinem Herzen ist. Wie des Weltkindes Mund überfließt von Sünden und Schanden, so fließt des Christen Mund über von dem Worte des HErrn, das ihm süßer ist als Honig und Honigseim, köstlicher als Gold und viel feines Gold. Er schämt sich dieses Wortes nicht, wo er ist, einerlei ob bei Frommen oder Gottlosen, bei Reichen oder Armen. Man kann es ihm bald anmerken, daß er ein wahrer Christ ist. Welchen Segen hat denn ein Christ davon, der Psalm hat doch zu Anfang gesagt: Wohl dem u. s. w.? Hört wie es weiter heißt im dritten Verse: Der ist wie ein Baum, gepflanzet an den Wasserbächen, der seine Frucht bringet zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht, und was er macht, das geräth wohl. Das ist der Segen des Frommen. Er ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, ihm fehlt nie die Nahrung, er streckt die Wurzeln in das Wasser und zieht die Nahrung daraus hervor und dann bringt er seine Frucht. Er ist nicht wie ein Baum, der die angesetzten Früchte wieder abfallen läßt, weil es ihm an Nahrung fehlt, sondern er hat immer frischen Saft, darum fallen nicht mal seine Blätter ab. Es muß ein solcher, der seine Wurzeln in das himmlische Wasser stecken und daraus Nahrung saugen kann, ein gesegneter Mensch sein. Wenn ich mit meinem inwendigen Menschen in Gottes Wort und in Gott selbst stehe, so muß mir gelingen, was ich mit Gott thue. Der Fromme streckt sich durch Gebet und Gottes Wort in Gottes Herz und darum ist er ein gesegneter Mann. Es giebt viele Menschen, die ihre Werke klug und pfiffig anfangen, und wenn sie dann ein schlechtes Ende nehmen, so sagen sie wohl, mir will auch nichts gelingen. Weißt du, warum nicht? Weil sie ihre Werke nicht mit Gott anfangen, weil ihre Kraft nicht im Herzen Gottes liegt, darum kann es nicht gerathen. Ein wahrer Christ kann von seinem Werke sagen: Es ist Gottes Werk und nicht das meine, darin liegt der Grund des Gedeihens. Fragt einmal, wenn ihr sehet, daß ein Mensch ein besonderes Werkzeug des HErrn ist, wenn ihr sehet, daß einer in seiner Schwachheit große Dinge ausrichtet und ihm alles wohl geräth, z. B. Dr. Luther, wie ist das möglich gewesen? so ist die Antwort: weil er mit seinem innersten Wesen in Gott wurzelt. Luther konnte sagen: es ist nicht meine Sache, die ich treibe, sondern Deine Sache, lieber HErr. Und wenn er scheinbar verlassen war von Allen, dann wurde das Größeste von Gott durch ihn ausgerichtet. Bei solchen Leuten findet sich aber auch, weil sie in Gott gewurzelt sind, ein großer Muth und eine große Freudigkeit. Daher kommt das Gedeihen, weil sie sich Alles von Gott geben lassen. Das sind die Frommen. Nun wird uns das Bild der Gottlosen vorgestellt. Aber so sind die Gottlosen nicht; sondern wie Spreu, die der Wind verstreut. So gesegnet wie die Frommen sind die Gottlosen nicht. Sie haben nichts mit Gott zu thun, wie könnten sie denn Bäume sein an Wasserbächen gepflanzt! Sie sind nicht in Gott gewurzelt, darum sind sie wie Spreu, die der Wind verweht. Die Frommen aber sind ewig, sie nehmen kein Ende, die Gottlosen sind wie Spreu, die sich bald verliert. Wenn das Werk des Gottlosen auch gut anfängt und fortgeht, es scheint doch nur so, bald aber wird es stocken und zu Nichte werden. Wie die Pilze aus der Erde schießen, so wachsen die Gottlosen empor, aber weil sie keine Wurzel haben, so vergehen beide bald. Aber nicht nur darum vergehen sie bald, weil sie keinen Halt und Grund haben, sondern Gott haßt sie auch. Darum bleiben die Gottlosen nicht im Gericht, noch die Sünder in der Gemeine der Gerechten. Es heißt von allen Gottlosen: du bist gewogen und zu leicht gefunden, verflucht sind die Werke deiner Hände. Er wird verdammt, darum bleibt er nicht in der Gemeine der Gerechten. Der HErr sagt zu ihm: Gehe weg von Mir, du Verfluchter, in das ewige Feuer, während Er zu dem Frommen sagt: Komm her zu Mir, du Gesegneter des HErrn. Ja, der HErr kennt den Weg der Gerechten, aber der Gottlosen Weg vergeht. Der HErr kennt, leitet und fördert den Gerechten, darum geht sein Weg in den Himmel; aber des Gottlosen Weg vergeht und führt in die Hölle, weil der HErr ihn nicht segnet. Das Ende des Frommen ist, daß sein Weg bleibt und in das ewige Leben führt; das Ende des Gottlosen ist, daß sein Weg vergeht und in die ewige Verdammniß führt. Amen.

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