Harms, Ludwig – Der Hebräerbrief - Das 6. Capitel.

Harms, Ludwig – Der Hebräerbrief - Das 6. Capitel.

Vers 1-6.

Darum wollen wir die Lehre vom Anfang christlichen Lebens jetzt lassen, und zur Vollkommenheit fahren! nicht abermal Grund legen von Buße der todten Werke, vom Glauben an Gott, von der Taufe, von der Lehre, vom Händeauflegen, von der Tobten Auferstehung, und vom ewigen Gericht. Und das wollen wir thun, so es Gott anders zuläßt. Denn es ist unmöglich, daß die, so einmal erleuchtet sind, und geschmeckt haben die himmlische Gabe, und theilhaftig geworden sind des heiligen Geistes, und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes, und die Kräfte der zukünftigen Welt, wo sie abfallen, und wiederum ihnen selbst den Sohn Gottes kreuzigen und für Sport halten, daß sie sollten wiederum erneuert werden zur Buße.

In den ersten drei Versen unsers Textes zeigt uns der Apostel, was er zur Kinderlehre, oder zur Lehre vom Anfang des Glaubens rechnet; in den drei letzten Versen dagegen geht er weiter und schreitet zur Lehre fort, die zur weitern Entwickelung gehört, das ist z. B. die Lehre von der Sünde wider den heiligen Geist. Der Apostel hat droben gesagt, daß die Hebräer längst Meister sein sollten und die schweren Lehren verstehen; darum wollen wir die Lehre vom Anfang christlichen Lebens jetzt lassen und zur Vollkommenheit fahren. Der Apostel will auf diese Lehre, welche für Anfänger im Christenthum oder Kinder passe, nicht weiter eingehen, sondern zu solchen Lehren übergehen, die für das vollkommene Mannesalter passen. Welches ist aber die Lehre vom Anfang christlichen Lebens? Die Lehre, welche die kleinsten Christenkinder, wie er meint, haben müssen, ist die Lehre von Buße der todten Werke, vom Glauben an Gott rc. Das sind aber ja lauter wichtige Lehren, ohne welche also Niemand ein Christ sein kann, weil sie zum Anfang christlichen Lebens gehören. Er setzt voraus, daß die Hebräer diese Lehre wissen. Legen wir diesen Maßstab des Apostels an die jetzige Christenheit, da er voraussetzt, daß sie diese Lehre wissen, was sollen wir denn sagen? Daß sie noch unter dem Kindesalter steht. Wer kennt jetzt die Lehre von der Buße der todten Werke? Fast Niemand. So haben die jetzigen Christen es nicht einmal so weit gebracht, daß sie diese Kinderlehre fest im Kopfe haben. Frage die meisten Christen: Was verstehst du darunter? so glaube ich, daß unter Zehn nicht Einer die richtige Antwort geben kann. Es giebt zwei Wege zur Seligkeit. Der eine ist der, daß wir durch die Werke selig werden, der andere, daß wir durch den Glauben an Christum selig werden. Den ersten wollen die meisten Menschen gehen. Das ist aber der Weg, den der Apostel verwirft, weil kein Mensch so selig wird, da er keine guten Werke hat; darum nennt er sie todte Werke. Er verlangt Buße der todten Werke. Was heißt das? Daß Buße heißt: Reue und Leid über die Sünde und Glauben an den HErrn, Jesum Christum haben, wissen die meisten Leute nicht. Sie verstehen unter Buße weiter nichts, als daß Einer ein bischen Traurigkeit über seine Sünden habe, und wenn Jemand sogar einige Thronen weint, so meinen sie, er thue rechte ernstliche Buße. Daß aber der Mensch in wahrer Reue und Schmerz über seine Sünde den HErrn Jesum im wahren Glauben ergreift und nicht durch die Werke selig werden will, das nennt der Apostel hier eine Kinderlehre. - Wer weiß jetzt ferner etwas vom Glauben an Gott in der Christenheit? Frage die Christen, die sich noch Gläubige nennen, (denn die Ungläubigen wollen ja von Gott nichts wissen und kennen Ihn nicht einmal), nach dem Glauben an Gott. Sie wissen allerdings, daß es einen dreieinigen Gott giebt. Aber fragt man sie nach dem Unterschied der Personen in dem einen göttlichen Wesen, wie es so schön im athanasianischen Glaubensbekenntniß angegeben ist, so werden sie blutroth und können keine Antwort geben; sie haben sich noch gar nicht die Mühe gemacht, darüber nachzudenken. Fragt man z. B., warum es im ersten Artikel heißt: Ich glaube an Gott den Vater, so bekommt man regelmäßig die Antwort: Weil Er Himmel und Erde geschaffen hat und Alles, was darinnen ist; und doch heißt es weiter: Schöpfer Himmels und der Erden. Nein, deßhalb ist Er unser Schöpfer, aber nicht Vater. Der HErr Jesus sagt: Es fällt nicht ein Sperling vom Himmel ohne euren Vater. Die Sperlinge hat Er auch geschaffen, und doch ist Er nicht der Vater der Sperlinge, Ochsen und Esel, obgleich Er ihr Schöpfer ist; sondern Er ist unser Vater in Christo Jesu und hat uns in der heiligen Taufe gezeugt und zu Seinen Kindern gemacht. Seht, darum ist Er unser Vater, und nicht der Vater der Ochsen und Esel und anderer Geschöpfe. - Ferner nennt er die Lehre von der Taufe eine Kinderlehre. Fragt man jetzt aber, was die Taufe sei und was sie bedeute, so glauben die Meisten, sie sei nur dazu da, daß die Kinder einen Namen kriegen; oder die noch etwas weiter gehen, meinen: So wie der Mensch mit Wasser gewaschen werde, solle er auch von Sünden gewaschen werden. Daß aber der Mensch durch die heilige Taufe wiedergeboren wird zu einem Kinde Gottes; daß das ins Reich des Teufels geborne Kind nun durch die heilige Taufe ins Reich Gottes eingeht; daß es darum auch entsagen muß dem Teufel und allen seinen Wesen und Werken, um ins Reich Gottes einzugehen, das wissen die meisten Christen nicht mehr. Ebensowenig wissen sie von der Lehre. Von der rechten Lehre unserer Kirche und den falschen Lehren der Sectirer haben sie selten einen rechten Begriff; wenn es nur christlich klingt, sind sie damit zufrieden. Da ist z. B. die Lehre von der Absolution, oder der Vergebung der Sünden durch den Diener Gottes. Da hört man überall: Wie ist es möglich, daß der Pastor Sünden vergiebt, da Gott allein Sünden vergeben kann? Ist es nicht eine Anmaßung der Pastoren, da es ausdrücklich heißt: Niemand kann Sünden vergeben, denn allein Gott? Aber, Geliebte, ein rechter Pastor ist angewiesen, die Sünden zu vergeben, und soll sagen: Ich spreche dich frei, los und ledig von allen deinen Sünden rc., und das Beichtkind soll es hinnehmen als Gottes Stimme; es soll sich nicht die Vergebung der Sünden verkündigen lassen, sondern soll sich lossprechen lassen. Ist es nicht schrecklich, daß viele gläubige Christen meinen, dies sei eine Anmaßung der Pastoren? Sie sollten billig wissen, daß der HErr Jesus sagt Joh. 20: Nehmet hin den heiligen Geist. Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Wenn ich Sünden vergeben will in meinem Namen, dann bin ich ein Gotteslästerer; aber nun komme ich in Christi Auftrag und Namen, da redet der HErr Christus durch mich, und ich bin kein Gotteslästerer; darum soll das Beichtkind diese Lossprechung als die Stimme seines Heilandes hören und annehmen. - Ferner rechnet der Apostel die Lehre der Handauflegung zur Kinderlehre. Da sagt man auch wohl noch, es sei das Händeauflegen bei Taufen, Konfirmationen und nach der Beichte eine schöne Sitte. Daß aber dadurch die Versiegelung der Gnade geschieht, glaubt man nicht mehr. Wäre es nichts als ein bloßer äußerlicher Gebrauch, so könnte es ganz nachbleiben. Wir lesen aber in der Ap. Gesch. 8, daß Simon sah, daß der heilige Geist gegeben ward, wenn die Apostel die Hände auflegten. - Von der Todten Auferstehung und vom ewigen Gericht wissen die Leute so viel als gar nichts. Daß Gott die Leiber wieder auferweckt, glauben zwar Viele; aber daß gerade derselbe Leib, den wir ins Grab legen, aufersteht und sich mit der Seele vereinigt, glauben nur sehr Wenige. Wohin die abgeschiedenen Seelen gehen, wissen die Leute nicht; ebensowenig, daß das jüngste Gericht in den Wolken gehalten wird. Sagt man, daß die Seligen einst ihre Wohnungen auf der neuen Erde haben werden, so verwundern sich die meisten Menschen und wissen nicht, was sie sagen sollen. Die Seelen der Frommen bleiben aber nur bis zum jüngsten Tage im Paradiese und die Seelen der Gottlosen in der Hölle; dann aber gehen die Seligen ein auf die neue Erde und die Gottlosen fahren in den Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt ewiglich.

Diese Lehren rechnet der Apostel für Kinderlehren, die, jedes Kind schon wissen sollte und von denen er darum nicht weiter reden will. Dann geht er zu schwereren Lehren über, die nicht mehr zum Anfange gehören, sondern zur weiteren Entwicklung. Dazu gehört zunächst auch die Lehre von der Sünde wider, den heiligen Geist. Von der Sünde wider den heiligen Geist handeln insonderheit drei Stellen in der heiligen Schrift. Zuerst in den, Evangelien, z. B. Matth. 12, 31. 32, dann hier, und endlich Hebr. 10, 26. 27. Man kann sich leicht denken, daß die Aufmerksamkeit aller ehrlichen Christen, die gerne selig werden wollen, auf diese Stellen gerichtet ist. Viele treue Christen haben oft die Anfechtung, daß sie fürchten, sie hätten diese Sünde begangen, und werden um so trauriger, weil es ausdrücklich heißt, daß, wer sie begangen habe, keine Vergebung erlangen kann. Hier steht es auch ausdrücklich: Es ist unmöglich rc. (4-6), und in den Evangelien: Die Sünde wider den heiligen Geist kann nicht vergeben werden ewiglich; und in Hebr. 10: Sie haben ferner kein anderes Opfer mehr für die Sünde, sondern ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren wird. Es ist dies eine schreckliche Sünde, darum wollen wir sehen, was sie sei und bei wem sie vorkommen kann. Es ist dies nicht eine einzige Sünde, sondern ein Zustand, darin diese unglücklichen Menschen sind und wo sie auch nicht wieder heraus können. Wer aber diese Sünde thut, der muß erleuchtet gewesen sein, er muß geschmeckt haben die himmlische Gabe und theilhaftig geworden sein des heiligen Geistes, denn Niemand kann an die Vergebung der Sünden glauben, ohne den heiligen Geist, Sie müssen geschmeckt haben das gütige Wort Gottes, und erfahren haben, was David sagt: Dein Wort ist mir süßer als Honig und Honigseim. Das Wort Gottes war ihnen einst das Süßeste auf Erden, und sie waren sich der Vergebung der Sünden und der ewigen Seligkeit gewiß. Seht, das sind die Leute, welche die Sünde wider den heiligen Geist begehen können. Von unbekehrten Leuten kann sie nicht geschehen, ebensowenig von solchen, die in der Buße, oder im Anfange des Gnadenstandes stehen, sondern nur von solchen, die im Glauben durch den heiligen Geist die Gaben Gottes, Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit geschmeckt haben. Wenn solche Leute wieder abfallen, den Sohn Gottes kreuzigen durch Sündenwerke und für Spott halten, dann haben sie die Sünde wider den heiligen Geist begangen. Siehe, du hast dich durch Gottes Gnade bekehrt, liebst Jesum von ganzem Herzen und möchtest Ihn um keinen Preis betrüben; kehrst du Ihm nun wieder den Rücken, kreuzigst du Ihn aufs Neue wieder durch deinen gottlosen Sündenmandel, spottest du Christum, wenn Er dir durch Sein Wort und durch Seinen heiligen Geist deine Sünden vorhält, so ist es unmöglich, daß du solltest wiederum erneuert werden zur Buße. - Kommt aber z. B. ein Mensch zu mir und sagt: Als ich noch nicht recht im Herzen ein Christ war, da habe ich Christum gelästert und verspottet; habe ich damit nicht die Sünde wider den heiligen Geist begangen? so antworte ich: Nein, es ist unmöglich, du hast Christum noch nicht recht gekannt. Oder du kommst und sagst: Ich habe meinen Heiland lieb, aber es schießt mir oft der Gedanke durch die Seele: Ob Jesus auch wirklich Gottes Sohn ist? sollte Er nicht ein Betrüger gewesen sein? und darum bin ich bange, daß ich die Sünde wider den heiligen Geist begangen habe, was sagst du dazu? Nein, sage ich, das ist Anfechtung des Teufels, der dich verführen will zum Mißglauben und Unglauben. Anfechtung aber ist nicht die Sünde wider den heiligen Geist. Wer aber, nachdem er die Kraft Gottes geschmeckt, abfällt, d. h. ins Sündenleben zurückfällt, mit dem Teufel also Gemeinschaft macht, und wenn das Wort Gottes ihm Vorwürfe macht, seinen Spott mit Christo und Seinem Worte hat, begeht die Sünde wider den heiligen Geist. Fragst du: Habe ich die Sünde wider den heiligen Geist begangen? so antworte ich: Daß du fragst, ist ein Zeichen, daß du sie nicht begangen hast; denn wer sie begangen, lebt in Sicherheit und fragt nicht darnach. Keiner kann wissen, ob ein Mensch die Sünde wider den heiligen Geist begangen hat. Werde ich darum gefragt, so sage ich: Ich weiß es nicht. Ist es aber unmöglich, daß sie zur Buße können erneuert werden, so können sie auch unmöglich noch leben. Ist die Gnadenzeit aus, daß sie keine Vergebung der Sünden mehr erlangen können, so müssen sie sterben. Darum sagte ich: Du kannst die Sünde wider den heiligen Geist noch nicht begangen haben, wenn du noch darnach fragest. Denn wer diese Sünde begangen hat, der kann nicht mehr leben, seine Gnadenzeit ist abgelaufen. Sehet davon einige Beispiele in der heiligen Schrift. So lange der König Saul noch im Kampfe war zwischen Gott und dem Teufel, so lange konnte er leben; als er sich aber ganz dem Teufel verkaufte und zu dem Zauberweibe zu Endor ging, da siel er in sein eigenes Schwert. So lange Pharao noch im Kampfe war, lebte er; als er aber, nachdem er die Hand des HErrn erkannt, den Kindern Israel nachsetzte, ersoff er im rothen Meere. So lange Judas noch kämpfte mit dem Teufel, lebte er; nachdem er sich aber ganz dem Teufel ergeben und derselbe in ihn gefahren war, erhenkte er sich. Dieses wollte ich nur bemerken, damit Niemand sich unnütz quäle, aber nicht, daß er leichtsinnig werde, weil er die Sünde wider den heiligen Geist noch nicht begangen hat; er könnte sie sonst leicht begehen. Verscherze nicht die Gnadenzeit, aber freue dich, daß du noch lebst und Gottes Gnade hast. Amen.

Vers 7-20.

Denn die Erde, die den Regen trinkt, der oft über sie kommt, und bequemes Kraut trägt denen, die sie bauen, empfängt Segen von Gott. Welche aber Dornen und Disteln trägt, die ist untüchtig, und dem Fluch nahe, welche man zuletzt verbrennet. Wir versehen uns aber, ihr Liebsten, besseres zu euch, und daß die Seligkeit näher sei, ob wir wohl also reden. Denn Gott ist nicht ungerecht, daß Er vergesse eures Werks und Arbeit der Liebe, die ihr bewiesen habt an Seinem Namen, da ihr den Heiligen dienetet und noch dienet. Wir begehren aber, daß euer jeglicher denselben Fleiß beweise, die Hoffnung festzuhalten bis an s Ende Daß ihr nicht träge werdet, sondern Nachfolger derer, die durch den Glauben und Geduld ererben die Verheißungen. Denn als Gott Abraham verhieß, da er bei keinem Größern zu schwören hatte, schwur er bei sich selbst. Uno sprach: Wahrlich, Ich will dich segnen und vermehren. Und also trug er Geduld, und erlangte die Verheißung. Die Menschen schwören wohl bei einem Größern, denn sie sind; und der Eid macht ein Ende alles Haders, dabei es fest bleibt unter ihnen. Aber Gott, da Er wollte den Erben der Verheißung überschwänglich beweisen, daß Sein Rath nicht wankte, hat Er einen Eid dazu gethan. Auf daß wir durch zwei Stücke, die nicht wanken, (denn es ist unmöglich, daß Gott lüge) einen starken Trost haben, die wir Zuflucht haben und halten an der angebotenen Hoffnung; welche wir haben als einen sichern und festen Anker unserer Seele, der auch hinein gehet in das Inwendige des Vorhangs; dahin der Vorläufer für uns eingegangen, Jesus, ein Hoherpriester geworden in Ewigkeit, nach der Ordnung Melchisedeks.

Der Apostel hat uns in den vorigen Worten gewarnt vor der schrecklichen Sünde, die Nicht vergeben werden kann. Ein jeder Christ, er sei noch so fromm, kann abfallen, wenn er nicht wacht und betet und das Unkraut immermehr ausrottet, das noch in ihm ist. Es heißt: Gott habe dem König Saul ein neues Herz gegeben; und doch ist er abgefallen, weil er den Hochmuth und Rachegeist nicht bekämpfte. Es wird von Demos gesagt, daß er ein treuer Arbeiter im Reiche Gottes gewesen sei, und doch ist er abgefallen. Darum, wer da stehet, sehe wohl zu, daß er nicht falle. Fällst du ab, so liegt die Schuld nicht an Gott, sondern an dir. Um dies den Hebräern sowie uns allen recht klar zu machen, gebraucht der Apostel dieses Gleichniß: Die Erde, die den Regen trinkt, der oft über sie kommt, und bequemes Kraut trägt denen, die sie bauen, empfängt Segen von Gott. Welche aber Dornen und Disteln trägt, die ist untüchtig und dem Fluche nahe, welche man zuletzt verbrennet. Sowohl auf die Erde, die bequemes Kraut trägt als auf die, welche Dornen und Disteln trägt, fällt derselbe Regen und derselbe Sonnenschein; und doch bringen sie so verschiedene Früchte. Liegt dies am Regen und Sonnenschein? Nein, an der Erde. Oder haltet einen fruchtbaren Acker und einen Sumpf zusammen. Die Sonne scheint auf den Acker und den Sumpf. Während der Acker nun die schönste und lieblichste Frucht trägt, entwickeln sich aus dem Sumpfe giftige Dünste. Hat das die Sonne schuld? Gewiß nicht, die Dünste kommen aus dem Sumpfe selbst. Ebenso ist es, wenn zwei Menschen dieselben Gnadenmittel brauchen und der eine trägt gute, der andere aber böse Früchte. Wer gute Früchte trägt, hat es dem HErrn zuzuschreiben; wer böse Früchte trägt, hat es nur sich selbst zuzuschreiben. Bleibst du bei Gott und gibst du dich den Gnadenmitteln hin, so wirst du mit dem Worte Gottes begossen, trägst bequemes Kraut und empfängst immer mehr Segen von Gott. Bleibst du aber nicht treu, sondern wirst lau und träge und gebrauchst noch dieselben Gnadenmittel, so haben sie auch bei dir eine Wirkung. Du trägst aber dann keine bequeme oder gute Frucht, sondern Dornen und Disteln, wirst immer mehr untüchtig, kommst dem Fluche näher und mußt endlich brennen. Sind aber daran die Gnadenmittel Schuld oder der heilige Geist? Nein, lediglich du selbst, du hast den heiligen Geist nicht an dir wirken lassen, sondern ihm widerstrebt. Wir haben hier in der Gemeinde Böse und Fromme; haben sie nicht dieselben Gnadenmittel? Einige werden durchs Wort und Sakrament gläubig, die Andern bleiben ungläubig; obgleich sie dasselbe Wort und Sakrament haben. Ich habe zwei Leute gekannt, die waren beide erweckt. Der Eine von diesen ist treu geblieben, der Andere ist abgefallen, und doch haben beide dieselben Gnadenmittel gebraucht. Daraus sehen wir, daß es darauf ankommt, wie du zu den Gnadenmitteln stehst. Es heißt nicht mit Unrecht in der heiligen Schrift: Bei den Frommen bist du fromm, und bei den Gottlosen bist du verkehrt. Der Ungläubige und Gottlose sieht in Gottes Angesicht nur Ungnade, weil er Gott für ungnädig hält; der Gläubige kann darauf leben und sterben, daß Gottes Angesicht gnädig ist. Gott hat aber doch kein zwiefaches Angesicht? Und doch sehen beide recht; denn den Gläubigen ist Gottes Angesicht nur gnädig und den Ungläubigen nur ungnädig. So ist alle Seligkeit Gnade Gottes und aller Abfall Schuld der Menschen. Trägst du bequemes Kraut, so empfängst du Segen von Gott und Er wird sagen: Ich habe dich gesegnet; trägst du Dornen und Disteln, so klage dich selbst an, denn es hängt von dir ab, wie du zu Gott stehst. Der Apostel kann sich aber nicht denken, daß die Hebräer wieder abfallen, nachdem sie einmal die Süßigkeit des Christenthums geschmeckt haben. Darum sagt er: Wir versehen uns aber, ihr Liebste, Besseres zu euch und daß die Seligkeit näher sei, ob wir wohl also reden. So rede ich nicht, weil ich fürchte, daß ihr schon abgefallen seid, sondern ich warne euch vor dem Abfall. Gewiß wollt ihr doch die Seligkeit, der ihr so nahe seid, empfangen; darum seid auf eurer Hut. Diese gute Meinung, welche ich von euch habe, gründe ich darauf: Daß Gott nicht ungerecht ist, daß er vergesse eures Werks und Arbeit der Liebe, die ihr bewiesen habt an Seinem Namen, da ihr den Heiligen dienetet und noch dienet. Ihr habt bereits durch eure Werke und Liebesarbeit euren Glauben bewiesen, will der Apostel sagen, denn dazu sind sie nöthig. Und so ist es noch, Geliebte. Zur Seligkeit hilft nur der Glaube und keine guten Werke; aber die Werke sollen die Aechtheit des Glaubens beweisen. Wo gute Werke und Liebesarbeit ist, da mache ich den Schluß auf gläubige Menschen. Ohne Glauben sind auch gar keine guten Werke möglich, denn was nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde. So ich dies nun bei euch anerkennen muß, will er sagen, sollte Gott das nicht vielmehr anerkennen? Gott ist nicht ungerecht, Er thut es gewiß. Da ihr es um Jesu willen gethan habt und sie aus dem Glauben hervorgehen, so sind sie des Glaubens Werke, und der HErr Jesus wird am jüngsten Tage sagen: Ihr habt Mich gespeiset, getränket, gekleidet rc.; was ihr gethan habt einem dieser Geringsten, das habt ihr Mir gethan. Und es ist Ihm auch in Wahrheit selbst gethan, weil die Gläubigen Glieder an Jesu Leibe sind. Da ihr nun aber solche Werke gethan habt, so glaubt nicht, daß Gott die Hand von euch zurückziehen wird. Nein, Er ist nicht ungerecht; fallet ihr ab, so ist es lediglich eure eigene Schuld. Aber sorget nicht nur, daß ihr nicht abfallet, sondern werdet immer völliger und suchet weiter zu kommen. Wir begehren aber, daß euer Jeglicher denselben Fleiß beweise, die Hoffnung festzuhalten bis ans Ende. Die Hebräer waren bis dahin beim HErrn geblieben und hatten Treue bewiesen; so sollten sie auch ferner Fleiß anwenden, bei Ihm zu bleiben. Es kommt ja nicht darauf an, ob du einmal bei dem HErrn warst, sondern daß du stets auf dem Wege zum HErrn bleibst; nicht daß du fromm warst, sondern daß du fromm bleibst; darum wird solches Gewicht auf die Treue gelegt, auf das Ausharren bis ans Ende. Darum heißt es: Sei getreu bis an den Tod, so will Ich dir die Krone des Lebens geben. Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über Wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen, gehe ein zu deines HErrn Freude. So heißt es auch hier: Wir begehren aber, daß euer Jeglicher denselben Fleiß beweise, die Hoffnung festzuhalten bis ans Ende. Es wird hier nun besonders die Geduld der Hoffnung hingestellt, durch welche wir die Seligkeit erlangen. Das ist aber nichts anderes, als der unbewegliche Glaube an das Wort. Vertrauen zu Gottes Wort und Verheißung in der Gegenwart nennen wir Glauben; Vertrauen auf das ewige eben nennen wir Hoffnung: Hoffnung ist also Unverbrüchliches Vertrauen auf Gottes Wort in der Zukunft; Glauben dagegen unverbrüchliches Vertrauen auf (Kott in der Gegenwart. Wenn ihr nun diese Hoffnung des ewigen Lebens festbehaltet bis ans Ende, so ist es lauter Gnade, denn Gott giebt das ewige Leben aus Gnaden. Aber von eurer Seite ist es nothwendig, Fleiß zu beweisen, die Verheißung festzuhalten. Du fragst: Wie fange ich das an? Du mußt dich immer tiefer in Gottes Wort hineinlesen und stärker im Geist werden. Bist du stark im Glauben und in der Hoffnung, so kannst du nur fest darin bleiben durch den treuen Gebrauch der Gnadenmittel. Je fleißiger du Gottes Wort liesest, darin forschest und das heilige Abendmahl genießest, destomehr stärken sich die Kräfte in geistlichen Sachen; je fleißiger du bist, desto fester hältst du die Hoffnung. Je wenige? du die Gnadenmittel gebrauchst, desto schwächer werden deine geistlichen Kräfte, ja dein geistliches Leben kann ganz verloren gehen. Darum leset fleißig in der Bibel, erneuert tagtäglich euren Taufbund und gebrauchet fleißig das heilige Abendmahl, damit ihr stärker im Glauben und geistlichen Kräften werdet und nicht durch Trägheit diese köstlichen Gaben euch verloren gehen. Daß ihr Nachfolger seid derer, die durch den Glauben und Geduld ererben die Verheißungen. So haben es die Menschen gemacht, die Gottes Verheißungen erlangt haben. Sie haben nicht nur die Verheißungen angenommen, sondern sie auch immer treuer und fester gehalten. Sie senkten sich immer tiefer in Gottes Wort hinein, wenn es schien, als ob ihr Glaubt vergeblich sei; darum ist ihr Glaube stark geworden. So machte es Abraham. Gott verhieß ihm: Ich will dich segnen und vermehren; in deinem Samen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, und das hat Gott ihm mit einem Eide versichert: Wahrlich, Ich will dich segnen und vermehren. So hat Gott ihm mit einem Eide versichert, durch Einen seiner Nachkommen solle die ganze Welt erlöst werden. Nun mußte er aber lange Jahre warten; sein Glaube wurde auf eine harte Probe gestellt. Durch Geduld ist sein Glaube aber immer fester geworden; er hat gezeigt, daß er nicht zu den abgefallenen Gläubigen, sondern zu den treuen Gläubigen gehöre. Er hat sich nun immer mehr in die Verheißung hineingesenkt und bat bedacht, daß Gottes Wort unverbrüchlich und unzerstörbar sei, und sich so aus Gottes Wort neue Geduld und neues Vertrauen geholt, bis die Verheißung sich erfüllte. Wie er es machte, so haben wir es auch zu machen, wenn wir die Verheißungen nicht gleich erfüllt sehen, so werden wir das ewige Leben erlangen und unser Glaube wird in Schauen übergehen. Was hilft hier aber Menschen Macht, wenn Gott uns nicht zu Hülfe käme. Er weiß aber was für ein Gemächte wir sind. Um das zu zeigen, daß Gott hier thut, was Er kann, führt der Apostel an, wie Gott dem Abraham immer wieder das Wort der Verheißung wiederholt habe. Siehe an die Sterne, kannst du sie zählen? Also soll dein Same sein. Ein ander Mal spricht Er zu ihm: Er solle hinzutreten und ein Opfer bringen und harren bis Gott komme, und dann das Opfer anzünden. Er thut, was ihm befohlen ist. Da kommt ein tiefer Schlaf über ihn, gleich einer schweren Anfechtung; er erschrickt, wacht auf und sieht die Flammen Gottes zwischen den Opferthieren hin- und hergehen. Da spricht Gott: Fürchte dich nicht, Ich bin der allmächtige Gott, wandle vor Mir und sei fromm. Ein anderes Mal/ da ihm Ismael geboren war, fragte er Gott, ob dies nicht der Same sein solle? Nein, sagt der HErr, der Sohn, welcher von der Sarah geboren wird. So stärkte Gott ihn immer wieder durch Sein Wort, daß er fester im Glauben wurde. Zuletzt schwört der HErr ihm und sagt: Wahrlich, Ich sage dir, in Isaak soll dir der Same genannt sein. Diese Verheißung erhielt er bei einer schweren Anfechtung, als er Isaak opfern sollte. Durch diese Verheißung wird er so stark im Glauben, daß er sagte: Wenn auch Isaak stirbt, so wird doch Gott Seine Verheißung halten. Darum sagt der Apostel Paulus: Er dachte: Gott kann ihn wohl von den Todten auferwecken. So ist er durch zwei Dinge - Gottes Wort und Gottes Eid - fest geblieben bis an sein Ende, hat den Sieg gewonnen und die Verheißung erlangt. O der treue, liebevolle Gott, der sich herabläßt, einen Eid zu schwören! Abraham hätte sich genügen lassen können an Gottes Wort; aber was thut der HErr nicht, um Seinen Kindern den Glauben zu stärken. Macht schon der Eid ein Ende alles Haders, wie mußte nicht der Hader des wankelmüthigen Sinnes in Abraham erstickt werden von dem Eide Gottes. Abraham hatte eine schwere Probezeit von fünfundzwanzig Jahren; er hat sie nur bestanden, weil Gott ihm treulich unter die Arme griff und ihn immer wieder aufs Neue stärkte; so gehört der Sieg wohl Abraham, die Ehre dafür gebührt aber dem HErrn. So macht es Gott noch. Er läßt uns wohl sinken, aber nicht ertrinken. Er führt ins rothe Meer, aber auch wieder heraus, wenn wir uns nur von Ihm führen lassen wollen, wie es im Psalm heißt: Gott hält mich bei Seiner rechten Hand. So ist der HErr stets unsere Zuflucht und Trost, wenn wir nur anhalten an der angebotenen Hoffnung. Was ist unsere Hoffnung? Jesus allein. Es giebt keinen süßeren Trost und süßere, Hoffnung als der Same, durch welchen die ganze Erde gesegnet ist. Denn was sind wir ohne Jesum? dürftig, jämmerlich und arm; haben wir aber Jesum, so sink wir reich, haben Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit, ja die ganze, Welt kommt nicht gegen diesen Reichthum. Aber es kommt nur darauf an, daß wir ausharren bei Jesu bis ans Ende. Da kommt uns der HErr aber auch, zur Hülfe. Sein Wort und Eid gilt auch uns, denn Jesus ist auch unser Heiland. Darum wollen wir fest bleiben und unbeweglich sein und halten: au dieser angebotenen Hoffnung. Die Hoffnung, durch Jesum, selig zu werden, haben wir als einen festen, und sichern, Anker unserer Seele, der auch hineingeht in das Inwendige des Vorhangs. Der Anker ist es, welcher das Schiff hält auf dem Meere; so ist das Wort, und der Eid des lebendigen Gottes unser Anker, der unsere Seele hält; die Seele liegt fest und sicher an dem Eide und Worte Gottes. Nun weiß, ich gewiß, meine Seele kann nichts antasten, denn das Wort Gottes gehet hinein in, das Inwendige des Vorhangs d. h. in den Himmel. Wollt ihr dies verstehen so. stellt euch den Tempel zu Jerusalem vor. Da war erst der Vorhof, dann das Heiligem dann das Allerheiligste. Dies war die persönliche Wohnung Gottes, wo Er auf der Bundeslade thronte. Wollte man Gott fragen, so stellte sich der Priester mit seinem Licht und Recht vor den Vorhang und fragte, und Gott antwortete. Daher, lesen wir in der heiligen Schrift: Lange deinen Leibrock her und frage Gott; denn der Priester mußte seine Priesterkleidung anziehen, wenn er Gott fragen wollte. War nun hinter dem Vorhang der Thron Gottes, von welchem Er antwortete, so kann für uns nur der Himmel das Allerheiligste sein, da Gott in Wahrheit Seinen Thron und Sitz hat; da ist die persönliche Wohnung Gottes. Dahinein gehet das Wort Gottes, da sind wir durch dasselbe mit Ihm verbunden. Gott wirft Sein Wort nun, gleich einem Anker, in unser Herz; dadurch sind wir mit dem Himmel verbunden. Halten wir uns nun fest an diesem Worte Gottes, so gehen wir gewiß in den Himmel hinein. Es ist gleichsam unsere Seele an das göttliche Wort gebunden; dieses Seil geht in den Himmel und an diesem Seile zieht Gott uns nun auch in den Himmel. In den Himmel ist der Vorläufer - Jesus - für uns eingegangen. Da Jesus das Erlösungswerk vollbracht hatte, ist Er, da Er ja aus dem Himmel gekommen, wieder in denselben zurückgekehrt. Nun läßt Er uns Sein Wort predigen und zieht uns dadurch nach sich. Denn Er hat nicht nur gesagt: Wo Ich bin, da soll Mein Diener auch sein, sondern auch: Wenn Ich erhöhet werde von der Erde, will Ich sie Alle zu Mir ziehen. Er zieht uns nach sich an dem Seile Seines Wortes in den Himmel und bleibt unser ewiger Hoherpriester, der alle Tage für uns bittet und selig macht immerdar Alle, die durch Ihn zu Gott kommen. Gottes Wort kommt aus dem Himmel und schlingt sich um unsere Seele, und nun werden wir an dem Worte Gottes nachgezogen dahin, wo der HErr Jesus ist. Darum lasset uns das Wort Gottes treulich gebrauchen, damit wir dahin kommen, wo Jesus ist, in den Himmel. Amen.

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