Harms, Ludwig - Auslegung der ersten Epistel Petri - Das 2. Capitel.
Vers 1-4.
So leget nun ab alle Bosheit und allen Betrug, und Heuchelei, und Neid, und alles afterreden; und seid begierig nach der vernünftigen lautern Milch, als die jetzt geborne Kindlein, auf daß ihr durch dieselbe zunehmet; so ihr anders geschmecket habt, daß der HErr freundlich ist; zu welchem ihr gekommen seid, als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber bei Gott ist er auserwählt und köstlich.
Wir haben in der letzten Vesperpredigt gesehn, daß die wahren Christen, als solche die wiedergeboren sind nicht aus vergänglichem, sondern aus dem unvergänglichen Samen des göttlichen Worts, auch als wiedergeborne Menschen vor dem HErrn ihren Wandel führen müssen, eingedenk deß, daß Gott am jüngsten Tage alles richten wird. Während nur die dann bestehen können, die nach dem Worte Gottes einhergehen, so sind die, die das nicht thun, einer abgefallenen Blume und einem verwelkenden Grase gleich. Wie nun der Wandel eines wiedergebornen Menschen beschaffen sein muß, das zeigt der Apostel in den eben vorgelesenen Worten. Der wiedergeborne Christ soll nicht wandeln in Bosheit, in Betrug, in Heuchelei, in Neid, in Afterreden.. Ihr sehet also, daß ein Wandel in Sünden deutlich zeigt, daß der Mensch, der ihn führt, gar kein wahrer Christ ist; daß vielmehr wahres Christenthum sich allezeit erweiset in einem heiligen Wandel. Wo ihr einen heiligen Wandel findet, da könnt ihr jederzeit den Schluß machen: Das sind wahre Christen; wo ihr einen unheiligen Wandel findet, da könnt ihr immer sagen: Das sind Heuchelchristen. Der natürliche Mensch urtheilt anders und das kommt daher, er läßt sich nicht durch den heiligen Geist leiten und wirft alles in einen Topf, die wahren und falschen Christen, die Frommen und die Heuchler, und dann heißt es: Die Frommen sind alle Spitzbuben. Nun ja, die Heuchler sind Spitzbuben und Betrüger, aber die wahren Christen nicht. Die Weltkinder sagen das und meinen, sie können das mit voller Berechtigung aussprechen, aber darum ist es doch noch nicht wahr. Den Unterschied zwischen wahren und falschen Heiligen kennen sie nicht und wollen sie nicht kennen, denn sie hassen die wahren Heiligen und freuen sich, wenn sie das, was ein Heuchler thut, den andern Frommen in die Schuhe schieben können. So sind sie das Christenthum vom Halse los und brauchen sich nicht zu bekehren. Bei den wahren Frommen findet man keine Bosheit, d. h. sie floppen sich nicht und prügeln sich nicht, wie die Weltkinder es alle Augenblick thun, auch schelten und zanken sie sich nicht. So machen es die wahren Frommen. Der Herr Jesus ist nicht boshaftig, er schilt, zankt und streitet nicht und da sie den in ihrem Herzen haben, so thun sie es auch nicht. Sie legen ab allen Betrug. Ein wahrhaft frommer Christ möchte lieber sterben, als einen ungerechten Pfennig im Vermögen haben. Gegen den Nächsten muß man ehrlich sein; wer ihn aber betrügt, der begeht eine große Schändlichkeit. Darum werdet ihr noch nie einen wahren Christen gefunden haben, der betrügt und stiehlt, sondern wenn ihr einen Menschen, der sich fromm stellt, stehlen und betrügen seht, so habt ihr den gewissen Schluß in den Händen: Das ist ein Lügner, ein Betrüger, ein Schuft. Hier könnt ihr den Unterschied zwischen einem Christen und einem Weltkinde sehen. Wenn die Weltkinder sehen, daß ein sogenannter Frommer betrügt, so sagen sie, die Frommen sind alle so; sieht es aber ein wahrer Frommer, so sagt er, das ist ein Heuchler.
Ferner, haltet euch frei von aller Heuchelei. Warum ist denn die Heuchelei einem wahren Christen so greulich? Das will ich euch sagen: Heuchelei und Lüge ist ein und dasselbe, und wer ist der Erzlügner? Der Teufel. Und die Lügner sind Teufelskinder. Darum haßt der Christ Lüge und Heuchelei so gründlich, denn er möchte kein Teufelskind sein. Darum möchte er auch keine Lüge mit Wissen und Willen aussprechen, viel lieber würde er sich die Zunge abbeißen als eine Lüge reden. Die Weltkinder lügen was das Zeug halten will und wie ein Pferd laufen kann, aber ein wahrer Christ besudelt seine Lippen mit keiner Lüge und seinen Wandel mit keiner Heuchelei. Darum kann er auch frei vor Gott und Menschen stehen und denen, ohne zu erröthen, ins Angesicht schauen. Ebenso treibt der Christ aus seinem Herzen allen Neid, so viel er kann. Wie greulich der Neid ist, das sehen wir aus der Geschichte von Kains Brudermord. Warum schlug Kain seinen Bruder Abel todt? 1. Mos. 4. Weil er voll Neid war. Zwar liebte Gott Abel und haßte Kain, aber Kain bedachte gar nicht, daß Gott Abel liebte wegen seiner Frömmigkeit. Die Weltkinder hassen die Kinder Gottes, weil Gott dieselben liebt, und dieser Haß zeigt sich in allem ihrem Thun. Von solchem Neid soll sich der wahre Christ fern halten; er soll vielmehr den Menschen helfen, daß sie Kinder Gottes werden. Um irdische Dinge kann kein Christ einen andern beneiden, denn von den irdischen Dingen sagt der Gesang mit Recht: Was sind dieses Lebens Güter? Eine Hand voller Sand, Kummer der Gemüther. Kann ich nun wohl einen Menschen beneiden, der eine Hand voller Sand hat? - denn weiter sind die irdischen Güter nichts.
Endlich warnt der Apostel noch vor dem Afterreden. Weil ein wahrer Christ redlich ist, so spricht er nichts hinter dem Rücken anderer Menschen, oder eigentlich, er spricht nichts Böses hinter dem Rücken anderer. Gutes darf ich wohl hinter dem Rücken meines Nächsten sprechen, ja es soll meine herzliche Freude sein, wenn ich das thun kann. Die aber Böses hinter dem Rücken reden, ohne den Muth zu haben, es dem Nächsten ins Angesicht zu sagen, die sind rechte Waschbrüder und Waschweiber, die wie die Raben über einen Menschen herfallen und ihn zerfragen und zerbeißen. Glaubt es nur, solche sind noch niemals wahre Christen gewesen, wenn sie auch noch so fromm sprechen können. Darum merkt euch das, den Wandel eines wahren Christen erkennt man daran: Er legt von sich ab alle Bosheit, allen Betrug, alle Heuchelei, allen Neid und alles Afterreden. Warum thun das die wahren Christen? Das thun sie aus dem Grunde, weil sie wissen, daß sie zum Himmel berufen sind und geschmeckt haben die göttliche Gnade, und weil sie das wissen und weil sie die geschmeckt haben, darum lassen sie diese greulichen Dinge nach. Das ist das erste Merkmal der Frommen: Sie legen die Sünde ab, da sie die Gnade Gottes geschmeckt haben und nun die Sauträber der Sünde nicht mehr mögen.
Ein zweites Kennzeichen gibt der Apostel in den Worten: Und seid begierig nach der vernünftigen, lautern Milch, als die jetzt gebornen Kindlein, auf daß ihr durch dieselbe zunehmet. Also sie sind begierig nach der vernünftigen, lautern Milch. Was ist damit gemeint? Ich will es euch mit einem Worte sagen: Es ist das Wort Gottes, es ist die Predigt des Evangeliums. Wahre Christen sind, wie der Apostel sagt, als die jetzt gebornen Kindlein. Wie der irdische Mensch durch die leibliche Geburt in dieses Leben getreten ist, so wird der neue Mensch durch die heilige Taufe zum ewigen Leben geboren. Wir sind nicht von Natur Christen, sondern wir werden es erst in der heiligen Taufe, von Natur sind wir in Sünden empfangen und geboren. Aber solche geistlich geborne Menschen müssen Milch trinken, gerade wie die irdisch gebornen Kinder. Kann ein irdisch gebornes Kind leben, ohne zu saugen? Wenn es nicht saugt, so muß es sterben. So geht es auch dem wiedergebornen Gotteskinde. Das ist aber nicht irdische Milch, die es trinken muß, darum sagt der Apostel: Seid begierig nach der vernünftigen, lautern Milch, und diese Milch ist das Wort Gottes, das Evangelium. An dem Worte Gottes soll der Christ saugen, wie das Kind an der Mutter Brust saugt. Wie macht man das? Du mußt fleißig die Bibel lesen und treulich die Predigt hören, das ist es, woran man den Christen erkennt. Er ist begierig nach der Bibel und nach der Predigt, das ist die Milch für sein inneres Leben. Darum versäumt er auch keinen Gottesdienst ohne die größte Noth und läßt keinen Tag hingehen ohne in seiner lieben Bibel gelesen zu haben. Thust du das treulich, so ist die Folge davon: Du nimmst zu an deinem inwendigen Menschen. Denn wie ein Kind zunimmt durch die Milch aus der Mutter Brust, so nimmt ein Christ zu in seinem Christenthum durch das Lesen der Bibel und durch das Hören der Predigt. So findest du dieses zweite Kennzeichen bei allen wahren Christen: Sie sind begierig nach der vernünftigen, lautern Milch des Evangeliums.
Dazu fügt der Apostel noch ein drittes Kennzeichen hinzu, indem er sagt: Zu welchem ihr gekommen seid (nämlich zu Christo), als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber bei Gott auserwählt und köstlich ist. Sie sind gekommen, die wahren Christen, zu dem lebendigen Stein. Wer ist dieser Stein? Das ist unser hochgelobter Heiland Jesus Christus, welchen die Juden verworfen haben. Warum hat Er den Namen: Lebendiger Stein, Eckstein? Das kommt daher, wenn unser Glaubensbekenntniß im dritten Artikel sagt: Ich glaube eine heilige christliche Kirche, und ihr fragt mich: Was ist die christliche Kirche? so antworte ich: Die Gemeine der Heiligen. Ein jeder fromme gläubige Christ ist ein Glied der Kirche und alle diese Frommen zusammen genommen bilden die christliche Kirche, die oft in der Bibel verglichen wird mit einem Hause, mit einem Gebäude. Wie das Haus einen Eckstein hat, darauf es ruht, so hat auch die Kirche einen Eckstein, darauf sie ruht und dieser Eckstein ist Christus.
Ein Haus hat ferner Grundsteine, darauf es gebaut ist und die Gründe, worauf die Kirche gebaut ist, sind die heiligen Apostel. Endlich besteht ein Haus aus einzelnen Bausteinen, wodurch es aufgebaut ist, solche Bausteine muß auch die Kirche haben und das sind die Gläubigen. Weil die Kirche aber kein wirklich irdisch Haus ist, darum heißt es: Lebendige Steine. Christus ist der lebendige Eckstein, zu dem sind wir gekommen, so wir anders wahre Christen sind. Das ist der Christus, der von den Juden verworfen ist und der noch heute verworfen wird von den ungläubigen Christen, der aber vor Gott auserwählt und köstlich ist. Leset einmal nach in der Bibel im heiligen Evangelium, müßt ihr da nicht mit Preis und Anbetung erfüllt werden, wenn ihr leset, wie Jesus drei Jahre im jüdischen Lande umher reisete, das Wort Gottes predigte, die Kranken heilte und die Todten auferweckte. Und nach dem Er das drei Jahre gethan hatte, was thun da die Juden? Sie kreuzigen Ihn. Die jüdischen Bauleute verwerfen den einzigen rechten Eckstein. Ja als Pilatus den blutbefleckten Mörder Barabbas neben den unschuldigen Jesus stellt, da schrieen sie: Nicht Jesum, sondern Barabbam gib uns los Joh. 18,40. So haben es die Juden gemacht und die Christen machen es nichts besser, daraus man sehen kann, daß die Welt noch nichts besser geworden ist, als sie vor achtzehnhundert Jahren war. Wenn die Menschen z. B. den lieben neuen Katechismus, darin ihnen der HErr Jesus vor die Augen gemalt wird, wenn sie die heilige Taufe, darin sie zu Gotteskindern wiedergeboren werden, verwerfen, so verwerfen sie damit den HErrn Jesum. Die Leute, die den HErrn Jesum nicht lieb haben, wollen auch in der heiligen Taufe dem Teufel nicht entsagen, denn sie dienen ihm ja; die aber den HErrn Jesum lieb haben, entsagen auch gern dem Teufel, denn sie mögen ihm nicht dienen. Die Leute, die Jesum nicht für Gottes Sohn halten, rufen von neuem das Kreuzige über Ihn. Und ist Jesus betrübt gewesen, daß Ihn die Juden, Sein altes Bundesvolk, verworfen haben, so ist Er noch tausendmal mehr betrübt darüber, daß Ihn die Christen, Sein neues Bundesvolk, ebenfalls verwerfen. Aber alles das macht einen wahren Christen nicht irre, denn da vor Gott dieser Eckstein auserwählt und köstlich ist, so ist er es ihm auch, er bleibt bei seinem Gott und Heiland und keine Macht der Welt, ja keine Macht des Teufels kann mich von Ihm scheiden. Amen.
Vers 5-8.
Und auch ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause, und zum heiligen Priesterthum, zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind, durch Jesum Christum. Darum stehet in der Schrift: Siehe da, ich lege einen auserwählten köstlichen Eckstein in Zion, und wer an Ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden. Euch nun, die ihr glaubet, ist er köstlich, den Ungläubigen aber ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben, und zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßens, und ein Fels der Aergerniß: die sich stoßen an dem Wort, und glauben nicht daran, darauf sie gesetzet sind.
Der heilige Apostel gibt uns in dem eben vorgelesenen Text Antwort auf die Frage: Welche Menschen sind denn die eigentlichen Glieder der Kirche? Wenn wir nämlich die Kirche in ihrer Gesamtheit betrachten, so fällt es uns auf, daß nicht alle Menschen, die den Namen „Christ“ führen, wirkliche Christen sind, sondern daß sie diesen Namen mit Unrecht tragen und nur mißbrauchsweise zu den Gliedern der Kirche gerechnet werden. Wir finden Menschen, die heißen Christen, aber Jesus Christus ist nicht ihr Gott und Heiland, sie sagen auch ganz offen, daß sie nicht an Jesum Christum glauben, daß sie Ihn nicht für Gottes Sohn halten. Sollten das Glieder der Kirche sein? Hat doch der Heiland im Angesichte Seines Todes am Kreuze mit einem feierlichen Eide vor dem Hohenpriester beschworen, daß er Gottes Sohn sei, worauf der Hohepriester in erheucheltem Grimm und Zorn seine Kleider zerriß und sagte: Dieser ist ein Gotteslästerer, denn Er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht Matth. 26, 63-65. Sollten das nun wahre Christen sein, die erklären, daß Jesus vor dem Hohenpriester einen falschen Eid geschworen habe, die Jesum für einen meineidigen Schurken erklären? Und das ist Jesus, wenn er nicht Gottes Sohn ist. Es steht in der heiligen Schrift: Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde 1. Joh. 1,7, - und es gibt eine Menge Leute, die heißen Christen und glauben nicht an die Kraft des Blutes Christi, sondern sagen: Unsere Religion ist: Thue Recht und scheue Niemand. Das sollten Christen sein, die nichts wissen wollen von der reinigenden und versöhnenden Kraft des Blutes Jesu Christi? Die heilige Schrift sagt: Ich bin aus sündlichem Samen gezeugt und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen Ps. 51,7, das ist die Lehre von der Erbsünde; und ein ganzer Haufe von denen, die Christen heißen, rufen mit frechem Maul in die Welt hinein: Das ist nicht wahr, Erbsünde gibt es nicht. Sollten das Christen sein, die so etwas sagen? Ihr seht schon von selbst ein, solche Menschen können keine Christen sein. Heißen sie Christen, so heißen sie fälschlich so, nennt man sie Christen, so geschieht das mit Unrecht. Sie waren Christen, denn sie sind wiedergeboren in der heiligen Taufe, aber sie sind gestorben zwiefältig, und nun ist es ärger mit ihnen geworden, denn es zuvor war. Seht den Weinstock an, daran sind fruchtbringende und trockne Reben, gehören die trocknen auch zum Weinstock?
Nein, der Gärtner wird sie abschneiden und mit Feuer verbrennen. Oder du gehst in den Garten, da steht ein Apfelbaum, darauf sitzen Blätter, die gehören dazu, darauf sitzen Aepfel, die gehören dazu; aber du findest auch Raupen und Blattläuse, gehören die auch zum Baum? Nein, sie sind das Geschmeiß, das den Baum verdirbt. Solch ein Geschmeiß ist auch dieses ungläubige Volk, das die Kirche verdirbt. Welches sind die wahren Glieder der Kirche? welches die fruchtbringenden Reben? In unserm Text gibt der Apostel die Antwort auf diese Frage. Er sagt: Und auch ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause, und zum heiligen Priesterthum, zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum. Das sind die wahren Christen, die wahren Glieder der Kirche, die selig werden, während die andern am jüngsten Tage von den heiligen Engeln sorgfältig gesammelt und ins ewige Feuer geworfen werden.
Die wahren Christen sind erstlich lebendige Steine. Wir haben schon das vorige Mal gehört, daß der heilige Apostel die Christenheit mit einem Gebäude, etwa mit einer Kirche vergleicht. Christus ist der Eckstein, die Apostel sind die Gründe und die Christen sind die Bausteine. Nur diejenigen sind lebendige Steine, die durch den heiligen Geist wiedergeboren und in der Wiedergeburt verharrt sind. Diese lebendigen Steine erbauen sich zu einem geistlichen Tempel, wie geschrieben steht: Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? 1. Cor. 6,19. In ihnen waltet der heilige Geist und das erweisen sie dadurch, daß sie sich von Ihm leiten und treiben lassen. Was der heilige Geist gebietet, das thun sie und was Er verbietet, das lassen sie. Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder Röm. 8,14. Sehe ich Menschen, die in Sünden und Schanden leben, so glaube ich, die treibt der heilige Geist nicht, sondern der Teufel; sehe ich Menschen, die einen heiligen Wandel führen, so glaube ich, die treibt der Teufel nicht, sondern der heilige Geist. Denn der natürliche Mensch hat keine Lust zum Guten, wohl aber zur Sünde, der geistliche Mensch aber hat Lust zum Guten und nicht zum Bösen. Sehe ich einen Menschen, der das Gute liebt und das Böse haßt, so glaube ich gewiß, daß den der heilige Geist treibt.
Ferner: Die wahren Christen bauen sich auf zum heiligen Priesterthum. Dieses Priesterthum besteht darin, daß sie Gott geistliche Opfer bringen, die Ihm angenehm sind durch Jesum Christum. Das geistliche Priesterthum ist verschieden von dem Amt des Priesterthums oder von dem Predigtamt. Das letztere haben nur die Pastoren, das geistliche Priesterthum haben alle gläubige Christen. Das Amt des Priesterthums besteht nämlich darin, daß Gottes Wort gepredigt und die Sakramente verwaltet werden und dieses Amt haben nur die Pastoren. Das geistliche Priesterthum besteht darin, daß dem HErrn geistliche Opfer gebracht werden, und das thun alle wahren Christen. Was sind das für Opfer? Da ist erstlich das Gebetsopfer, das jeder geistliche Priester vor Gott darbringt. Es führt den Namen: Opfer des Herzens und Opfer der Lippen Ebr. 13,15, denn aus dem Herzen muß das Gebet kommen und mit den Lippen muß es ausgesprochen werden. Darum sind auch wahre Christen treue Beter. Es vergeht kein Morgen, das erste was sie Gott darbringen, das sind die Opfer ihrer Morgengottesdienste und das letzte des Abends die Opfer ihrer Abendgottesdienste. Sie können nicht essen, ohne vorher zu beten und nachher zu danken. Haben sie sonst etwas auf dem Herzen, so gehen sie zu ihrem Gott und Heiland und beten und danken, das thun sie in guten und bösen Tagen. Aber das nicht allein, sondern sie geben sich selbst dem HErrn zum Dienst, und das geschieht dadurch, daß wir Ihm dienen mit allen Gliedern des Leibes und mit allen Kräften der Seele; wie Jesus sich ganz für uns aufgeopfert hat, so opfern wir uns Ihm wieder; nur Ihm wollen wir dienen, nicht Satan, Welt und Sünde. Das sind die wahren Christen, sie erbauen sich zu einem geistlichen Tempel und zu einem heiligen Priesterthum. Was der Apostel bis jetzt gesagt, das muß er in eigentlichen Worten ausdrücken und das thut er nun, indem er sagt: Darum stehet in der Schrift: Siehe da, Ich lege einen auserwählten, köstlichen Eckstein in Zion; wer an Ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden. Da hört ihr es mit eigentlichen Worten, wer die wahren Christen, die wahren Glieder der Kirche sind. Wer denn? Nur die den Glauben an den auserwählten, köstlichen Eckstein, an Jesum Christum, unsern HErrn haben, sind die wahren Glieder der Kirche. Nur die haben die Verheißung, daß die ewige Seligkeit ihr Theil sein soll, daß sie nicht zu Schanden werden sollen.
Dieser Eckstein ist Jesus. Gott hat Seinen eingebornen, lieben Sohn zum Eckstein der christlichen Kirche gemacht. Der Apostel nennt Ihn mit Recht einen auserwählten, köstlichen Stein, denn Jesus ist wahrer Gott mit dem Vater und dem heiligen Geist, und was ist köstlicher als Gott? Ist der der Grund der Kirche, so kann der kein Glied der Kirche sein, der nicht an Ihn glaubt. Also die Gläubigen allein sind die wahren Christen und die Ungläubigen sind die Blattläuse und Raupen. Die Gläubigen sollen nicht zu Schanden werden, d. h. sie sollen selig werden, wenn die Ungläubigen zu Schanden werden, d. h. wenn die letzteren zum Teufel fahren. Nur die Gläubigen sollen mit Jesu eingehen in die ewige Herrlichkeit. Wer sind die Gläubigen? Sind das die, die HErr HErr sagen? Hört was der Heiland von denen urtheilt: Es werden nicht alle, die zu Mir HErr HErr sagen, in den Himmel kommen, sondern die den Willen thun Meines Vaters im Himmel Matth. 7,21. Wer sind denn die wahren Gläubigen? Sind es diejenigen, die da glauben, daß Jesus Gottes Sohn sei, die da glauben, daß Jesus wahrer Gott und Mensch ist, daß Er wirklich am Kreuz gestorben ist für die Sünden der Welt, daß Er niedergefahren ist zur Hölle, auferstanden von den Todten rc.? Auch die sind es nicht, denn bei dem Glauben können sie noch recht gut verloren gehen, ja ich sage euch, haben sie keinen andern Glauben als den, so gehn sie verloren gerade so gut wie jene, die HErr. HErr sagen. Meint ihr, daß der Teufel das nicht auch glaubt, er hat ja alles mit angesehn wie es geschehen ist, er hat bei der Kreuzigung und Auferstehung, bei der Höllenfahrt und Himmelfahrt gestanden. Was sollte der Teufel das nicht glauben? Aber damit bin ich noch kein Christ, daß ich das nur glaube; den Glauben haben die Teufel auch und zittern Jak. 2,19.
Wer ist denn ein Gläubiger? Ein Gläubiger ist der, der wirklich von ganzem Herzen Buße gethan hat über seine Sünden und als ein zerschlagener und zerbrochener Sünder zu Jesu gekommen ist, der da glaubt, Jesus ist um meiner Sünde willen verwundet und um meiner Missethat willen zerschlagen; meine Strafe liegt auf Ihm und durch Seine Wunden bin ich heil worden Jes. 53. Wahre Gläubige sind die, die da glauben, daß das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, uns rein macht von aller Sünde 1. Joh. 1,7. Diese wahren Gläubigen, die rein gewaschen sind mit dem Blute Jesu Christi, sollen nicht zu Schanden werden, sie sind Erben der ewigen Seligkeit. Deßhalb macht der Apostel im Folgenden den Gegensatz: Euch nun, die ihr glaubet, ist Er köstlich; den Ungläubigen aber ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ein Stein des Anstoßes und ein Fels der Aergerniß; die sich stoßen an dem Wort, und glauben nicht, darauf sie gesetzt sind. Was hilft den Ungläubigen dieser Jesus? Den Gläubigen, ja denen ist Er köstlich, die sagen, ich habe nichts Köstlicheres als Jesum Christum, denn durch Ihn habe ich Vergebung der Sünden, Sein Blut hat mich rein gewaschen von allen meinen Sünden, ich weiß an wen ich glaube 1. Tim. 1,12, und: Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag mich scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, meinem HErrn! Röm. 8,38-39. Etwas Köstlicheres als wie Jesus, der mich selig macht, kann ich nicht haben. Die Ungläubigen, die nicht glauben, auf den sie gesetzt sind, denen ist Er ein Stein des Anstoßes und ein Fels der Aergerniß. Die Bauleute, d. h. die Juden haben Ihn verworfen und Er ist dennoch zum Eckstein der Kirche geworden. Auch jetzt noch hat beinah ein jeder was an Ihm auszusetzen. Der Eine sagt: Wie kann Gott Mensch werden; der Andere: Wie kann mir eines Andern Gerechtigkeit zugerechnet werden? Dennoch ist Er den Gläubigen köstlich, sie lieben Ihn, sie sterben darauf, daß Jesus ihr Heiland ist. Ihr sehet leicht ein, daß die Gläubigen die wahren Glieder der Kirche sind und die Ungläubigen das Geschmeiß und die Blattläuse. Die letzteren werden, wie vorhin schon gesagt ist, am jüngsten Tage sorgfältig von den heiligen Engeln zusammen gesucht und in das ewige Feuer geworfen. -
Ihr wollt heute zur Beichte gehen, seid ihr wahre Glieder der Kirche? glaubt ihr an Jesum als euren Heiland und Seligmacher? O daß doch Keiner von euch zu den Raupen und Blattläusen gehörte! Gehört ihr aber dazu, so kriegt ihr keine Vergebung der Sünden, denn Vergebung der Sünden ist nur da für die Bußfertigen und Gläubigen. Haben wir nicht vorhin gebetet: Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst Du, Gott, nicht verachten Ps. 51, haben wir nicht gebetet, daß uns Gott in Gnaden die Sünden vergeben wolle? Aber nur die Bußfertigen und Gläubigen beten so und finden Erhörung. Wenn ihr hernach in der Beichte sprechet: Meine Sünden sind mir von Herzen leid und reuen mich sehr und ich bitte Dich um deß bittern, unschuldigen Leidens und Sterbens willen Deines lieben Sohnes Jesu Christi, an den ich von Herzen glaube, du wollest mir gnädig und barmherzig sein rc., so ist das des Glaubens Gebet, und könnt ihr von ganzem Herzen das beten, so bekommt ihr Vergebung der Sünden. Könnt ihr aber nicht in Buße und Glauben, so holt ihr euch statt des Segens den Fluch aus Beichte und Abendmahl. Amen.
Vers 9 - 10.
Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums, daß ihr verkündigen sollt die Tugenden deß, der euch berufen bat von der Finsterniß zu Seinem wunderbaren Licht. Die ihr weiland nicht ein Volk waret, nun aber Gottes Volk seid, und weiland nicht in Gnaden waret, nun aber in Gnaden seid.
In der letzten Vesperpredigt sahen wir, daß nur die Gläubigen die wahren eigentlichen Mitglieder der Kirche sind und die Ungläubigen gar nicht zu den wahren Gliedern der Kirche gerechnet werden können, sondern nur etwa so zur Kirche gehören wie die Raupen und Blattläuse zu dem Baum, auf welchem sie sitzen. Nur den Gläubigen ist Christus köstlich, dagegen den Ungläubigen ist Er ein Stein des Anstoßes und ein Fels der Aergerniß. Diese wahren Gläubigen, die rechte Glieder der Kirche sind und darum selig werden, die werden uns mit den köstlichsten Namen in unserm heutigen Text beschrieben. Der Apostel Petrus sagt: Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums. Das sind die köstlichen Namen, die den Gläubigen gegeben werden, den wahren Gläubigen, die rechte Glieder der Kirche sind. Wenn man diese Namen betrachtet und wendet sie dann auf einige Leute an, die Christen heißen, es aber nicht sind, so wird man mit Ekel und Abscheu erfüllt gegen dieses Heuchelvolk, die sich Christen nennen und doch so weit davon entfernt sind als die Hölle vom Himmel. Wir wollen diese Namen nach einander betrachten.
1. Ihr seid das auserwählte Geschlecht. Auserwählt, was bedeutet das? Der Apostel will sagen: Ihr seid auserwählt und ausgesondert von der Welt. Das wahre Christenvolk gehört nicht mehr zu der Welt. Nun sagt, sind das Auserwählte, Ausgesonderte von der Welt, die mit der Welt auf dem Tanzboden herum springen? Nein, die stecken noch in der Welt, denn sie treiben das Weltwesen. Sind das Ausgesonderte von der Welt, die mit der Welt am Sauftisch und Kartentisch sitzen? die mit der Welt huren, stehlen und alle Sünden und Schanden treiben? Solche Menschen, die das Weltwesen noch mitmachen, sind nicht ausgesondert von der Welt. Die Auserwählten haben einen Ekel am Weltwesen und darum sieht man sie nicht mit der Welt laufen, sondern weit von ihr sich fern halten. Daraus sehet, daß die meisten Christen ein Heuchelpack sind. Sie sind nicht ausgesondert von der Welt, sondern sitzen mitten in den Sünden der Welt. Die wahren Christen heißen ein auserwähltes und abgesondertes Geschlecht, weil sie heraus getreten sind aus allem Welt-, Satans-, Fleisches- und Sündenwesen und darum mit ganzem Ernst zu den Kindern der Welt sprechen: Wollt ihr zur Linken, so wollen wir zur Rechten, oder wollt ihr zur Rechten, so wollen wir zur Linken, aber zu euch wollen wir nicht gehören, wollen nichts mit euch zu schaffen haben. Das ist der erste Ehrenname der Christen und das ist die Bedeutung dieses Namens, woraus ihr zugleich sehet, daß die meisten Christen verdammt werden.
2. Ihr seid das königliche Priesterthum oder Priestervolk. Warum sind die Christen ein Priestervolk? Weil sie ein Betvolk sind und darum als rechte Priester täglich das Rauchopfer des Gebets vor Gott bringen. Das thut auch sonst Niemand als die wahren Christen, nur sie beten und können das Beten nicht lassen, auch dann nicht, wenn sie den Kopf darüber missen sollten. Und ob sie beim Beten todtgepeitscht würden, so ist ihr letzter Odem noch Gebet. Zu diesem Priestervolke gehörte auch jener schwarze Negersklave, der sich durch die Predigt der Missionare zum Christenthum bekehrt hatte. Mit Gebet stand er des Morgens auf und mit Gebet ging er des Abends zu Bette, so daß die Engel im Himmel sich darüber freuten. Bis zu seiner Bekehrung war er ein Liebling seines Herrn gewesen, er war mit ihm aufgewachsen und hatte ihn beständig begleitet. Da erfuhr sein Herr, daß er ein Christ geworden war und deßhalb sagte er zu ihm: Beten sollst du nicht, das können die Weißen thun, die schwarzen Hunde sollen nicht beten. Ich kann es nicht lassen, antwortete der Sklave. Da peitschte ihn sein Herr, bis er ohnmächtig wurde und das Blut aus seinem Rücken kam, Das wiederholte er alle Tage und sagte dabei: Willst du noch beten? Ich kann nicht anders, erwiderte der Mann. Nun wurde er in das Gefängniß geworfen, aber sein Trost war das Beten. Das dauerte ein Vierteljahr, da kriegte er die letzten Schläge und zum letzten Mal frug ihn sein Herr: Willst du noch beten? Die Antwort war: Ich kanns nicht lassen und will betend in den Himmel gehn. Bald darauf ging er ein zu seines HErrn Freude als ein solcher, der sich lieber todtpeitschen ließ, als daß er das Beten unterlassen hätte. Seht das war ein königlicher Priester, der einst am jüngsten Tage viele viele Christen verdammen wird. Ich kenne Christen zu hunderten und zu tausenden, die gleich roth anlaufen und das Beten lassen, wenn einer über ihr Gebet lacht. O das schändliche Hundevolk von Christen, das gleich das Beten läßt, wenn ein Hansnarr darüber lacht; jenen Sklaven konnte man todtpeitschen und er ließ das Beten doch nicht.
Die wahren Gläubigen bringen nicht allein das Rauchopfer des Gebets, sondern sie bringen auch Leib und Seele dem HErrn Jesu zum heiligen Opfer dar. Nun sehet die Christenheit an, was bringt die für Opfer? Da sind die jungen Bengels und Mädchen, wem opfern die? Die opfern ihre Glieder dem Hurenteufel, andere opfern sie dem Saufteufel oder Spielteufel, die meisten bringen dem Satan ihren Leib und ihre Seele, - sind das königliche Priester? Teufelspriester mögen sie wohl sein, aber keine Priester Jesu Christi. Die wahren Christen opfern sich mit allen Kräften ihrer Seele und mit allen Gliedern ihres Leibes dem HErrn Jesu. Weil sie nun täglich die Rauchopfer des Gebets bringen, weil sie dem HErrn Leib und Seele zum Opfer bringen, darum heißen sie königliche Priester.
3. Ihr seid das heilige Volk. Wer ist denn heilig? Wer das Böse läßt und das Gute thut, der ist heilig und das thut das wahre Christenvolk. Die Sünde ist dem Christen ein Greuel, darum läßt er dieselbe, das Gute ist ihm eine Wonne, darum thut er dasselbe. Da könnt ihr wieder sehen, daß bei den meisten Menschen der Christenname eine Lüge ist. Seht den Wandel der Christen an, könnt ihr daran das Christenthum erkennen? Der Eine lügt, der Zweite schwört einen falschen Eid, der Dritte hurt und bricht die Ehe, der Vierte stiehlt und betrügt und alle diese dienen der Welt, aber wagst du es, ihnen zu sagen, sie seien keine Christen, so werden sie bitterböse und antworten: Sind wir denn nicht getauft? Ja getauft sind sie und darum waren sie Christen; aber das ist gerade das Scheußliche, sie sind abgefallen, sie sind zwiefältig gestorben. Heilig sind sie nicht, denn sie leben in allen Sünden und Schanden.
4. Ihr seid das Volk des Eigenthums, d. h. die wahren Christen sind Jesu eigene Leute. Jesus nennt sie Sein eigen Volk, zu ihnen sagt Er: Ihr seid Mein und Ich bin euer, ihr seid in Mir und Ich bin in euch, Ich bin euer HErr und Meister und ihr seid Meine Jünger, Ich bin euer Vater und ihr seid Meine Kinder. Wenn man einen solchen Christen fragt: Sag mir, mein Sohn oder meine Tochter, wem gehörst du an? so bekommt man die Antwort: Ich gehöre meinem HErrn Jesu, deß Eigenthum bin ich, einem andern will ich nicht gehören, denn Ich lebe; aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich noch lebe im Fleische, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt hat und hat sich selbst für mich gegeben in den Tod Gal. 2,20. Gerade darum thut nun ein solcher nicht mehr was er will, sondern was Jesus will, ich lebe nicht mehr dem eigenen Willen, sondern dem Willen meines Jesu, Sein Wille soll mein Wille sein. Da wir nun gesehen haben, was für köstliche Namen die Christen führen, so merket nun auch, woran man die wahren Christen erkennt. Man erkennt sie im Augenblick an dem was der Apostel hinzufügt: Sie verkündigen die Tugenden deß, der sie berufen hat von der Finsterniß zu Seinem wunderbaren Lichte. Wer ist denn der, der sie berufen hat? Das ist unser HErr Jesus Christus. Er hat gerufen: Kommt her zu Mir, Alle, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken! Matth. 11,28. Kommt zur Hochzeit, denn es ist Alles bereit! Luc. 14,17. Nun steht hier: Die wahren Christen erkennt man daran, daß sie verkündigen die Tugenden Jesu Christi. Was heißt das? Heißt das so viel, daß sie zu den Leuten sagen: Es war einmal ein Mann, der hieß Jesus, Er war voll Tugenden, war keusch, demüthig, sanftmüthig rc., heißt das, verkündigen die Tugenden Jesu Christi? Nein das heißt es nicht, das ist auch eben nicht schwer, denn das kann auch allenfalls ein Papagei. Vielmehr geschieht dieses Verkündigen der Tugenden Jesu Christi ganz ruhig und still, es kann oft ganz ohne Worte geschehen. Ein Christ verkündigt die Tugenden Jesu durch seinen Wandel. Man hört aus seinen Reden und sieht in seinem Wandel die Tugenden Jesu Christi. Ein solcher Mensch ist keusch, sanftmüthig, demüthig wie Jesus; er ist ein Beter wie Jesus; er geht immer zum Gottesdienst wie Jesus es that; er liebt Gott von ganzem Herzen und seinen Nächsten wie sich selbst. Alle Tugenden Jesu Christi spiegeln sich in ihm wieder und wenn man ihn sieht, so ists als ob man Jesum sähe; das heißt die Tugenden Jesu verkündigen. Fragt euch, meine Lieben, ich bitte euch, fragt euch, wenn man euren Wandel ansieht, kann man denn auch sagen: Das ist ja als ob man Jesum wandeln sähe? Wollte Gott, daß man das sagen könnte! Vielleicht ist aber gerade das Umgekehrte der Fall. Wenn ich sehen will wie Jesus nicht gewandelt hat, so brauche ich nur euren Wandel anzusehen. Jesus war wahrhaftig, die lieben Christen sind Lügner; Jesus war ehrlich, die lieben Christen sind Diebe und Betrüger; Jesus war keusch, die lieben Christen sind Hurer und Ehebrecher rc. So sieht man, die Christen verkündigen die Tugenden des Teufels, und Jesu Tugenden sollten sie doch verkündigen; denn Jesus hat sie berufen von der Finsterniß zu Seinem wunderbaren Lichte. Alle Menschen sind von Natur im Reiche des Teufels, darum muß bei jeder rechtmäßigen Taufe dem Teufel entsagt werden, nur bei den unrechtmäßigen Taufen geschieht das nicht. Will man aus des Teufels Reich heraus und in Jesu Reich hinein, so muß man zuvor dem Teufel und allem seinem Wesen und allen seinen Werken entsagen. Seht das heißt auch die Tugenden Jesu Christi verkündigen. -
Nun sagt der Apostel noch, wie sich die Christen freuen müssen über das, was sie geworden sind, indem er sagt: Die ihr weiland nicht ein Volk waret, nun aber Gottes Volk seid. Was waren wir ehe wir Christen wurden? Wir waren nicht Gottes Volk, sondern des Teufels Volk; denn alle Menschen von Natur geboren sind im Reiche des Teufels, und erst nachdem wir in der heiligen Taufe dem Teufel entsagt haben und wiedergeboren sind, werden wir Gottes Kinder. Daraus folgt: Als ein Gotteskind kann ich nicht mehr wie ein Teufelskind wandeln. Weiter: Die ihr weiland nicht in Gnaden waret, nun aber in Gnaden seid. Nun sind wir in Gnaden, denn wir sind Jesu Eigenthum und haben Vergebung der Sünden, und wenn wir sterben, so kommen die heiligen Engel und tragen unsere Seele in Abrahams Schoß, denn wir sind in Gnaden. Amen.
Vers 11 - 12.
Liebe Brüder, ich ermahne euch, als die Fremdlinge und Pilgrimme: Enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten; und führet einen guten Wandel unter den Heiden, auf daß die, so nun euch afterreden, als von Uebelthätern, eure gute Werke sehen, und Gott preisen, wenn es nun an den Tag kommen wird.
Der heilige Apostel hatte im Vorigen gezeigt, welch ein herrliches Volk das Christenvolk sei, und hatte ihm solche Ehrennamen gegeben, wie sie nicht herrlicher gedacht werden können. Er hatte sie genannt: Das außerwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums, Leute, die da mit ihrem Wandel verkündigen sollen die Tugenden deß, der sie berufen hat von der Finsterniß zu Seinem wunderbaren Lichte; er hatte sie genannt Leute, die einst nicht ein Volk waren, nun aber Gottes Volk sind, die einst nicht in Gnaden waren, nun aber in Gnaden sind.
Und nun sagt er weiter: Liebe Brüder, ich ermahne euch als die Fremdlinge und Pilgrimme. Ist das nicht merkwürdig? Vorher nennt er die Christen das auserwählte Geschlecht, das heilige Volk rc. und nun sagt er: Ich ermahne euch als die Fremdlinge und Pilgrimme? Es scheint geradezu das Gegentheil zu sein von dem, was er oben gerühmt hat, denn welche Menschen sind ärmer als die Fremdlinge und Pilgrimme? Nachdem er sie hoch erhoben hat, stößt er sie, wie es scheint, tief hinunter. Fremdlinge und Pilgrimme haben keine Heimath, kein Haus; sie gehören nirgends hin, haben nirgends Recht, hier sagt man zu ihnen: Was willst du hier und dort sagt man zu ihnen: Was willst du da? Wie löset sich dieser scheinbare Widerspruch? Auf folgende Weise: Weil die Christen Kinder Gottes sind, so sind sie bei Gott Bürger und Hausgenossen, weil sie aber noch auf der Erde leben, so sind sie hier Fremdlinge und Pilgrimme. Im Himmel heißen sie das heilige Volk, das Volk des Eigenthums, auch in der Kirche heißen sie so, aber in der Welt sind sie Fremdlinge und Pilgrimme, die nirgends hingehören. Da sehet, wo wir uns als Fremdlinge und Pilgrimme zu betrachten haben, nicht in der Kirche, sondern in der Welt; in der Kirche haben wir Heimathsrecht. Daher scheiden sich die Kinder Gottes aus von der Welt, halten sich hier zu der streitenden Kirche, um einst in die triumphierende eingehn zu können. Wohl sind sie noch in der Welt, aber sie sind nicht von der Welt. Und die Welt ist eine greuliche Herberge, so greulich, daß man sich freuen muß, darin nicht ein Hausgenosse, sondern nur ein Pilgrimm und Fremdling zu sein. Von ihr sagt Vater Luther, daß sie eine solche Herberge ist, die den Teufel zum Hausvater hat. Muß ich denn da hindurch wandern, so ist das zwar ein schweres Stück, aber ich danke Gott, daß ich eben nur hindurch zu wandern brauche und nicht Hausgenosse bin. Darum muß man sich auch beim Hindurchwandern durch diese Welt auf allerlei Leiden und Trübsal vom Teufel und von der Welt gefaßt machen, und gar nichts anders erwarten, als daß man zu leiden hat. Darum ist es für den Christen ein unbeschreiblicher Trost, daß sie hier Fremdlinge und Pilgrimme genannt werden; und wenn das nicht der Fall wäre, so wüßte ich nicht, wie ich es hier aushalten sollte. Das Einzige, was mich tröstet, was es macht, daß ich es hier einigermaßen aushalten kann, ist: Es dauert nicht lange, ich bin ein Fremdling und Pilgrimm. Ob du ein wahrer Christ bist, davon kannst du leicht die Probe machen, indem du fragst, ob dir der Gang durch diese Welt ein Ekel ist, ob du Lust hast abzuscheiden und daheim zu sein bei Christo? Ist dir die Welt nicht ein Ekel, hast du keine Lust bei Christo zu sein, so bist du kein Fremdling und Pilgrimm, sondern du bist noch ein Hausgenosse in dieser Welt; finden sich aber diese beiden Stücke bei dir, dann bist du ein Fremdling, ein Christ. Denn wenn ich Jesu Jünger bin, so kann ich kein Gefallen finden an den Satans- und Sündenwerken dieser Welt, an dem Saufen, Fressen und Huren, an dem Lärmen und Brüllen, an dem Lügen und Trügen dieser Welt. Und deßhalb muß sich die Sehnsucht bei mir finden: Ich möchte so gern bei meinem lieben Heiland sein, ich möchte so gern aus der Trübsal in den Himmel und in die Ruh aus dem Getümmel. Fragt euch, ihr Beichtleute: Seid ihr Fremdlinge und Pilgrimme? habt ihr Sehnsucht bei Jesu zu sein? ist euch die Welt ein Ekel? Könnt ihr zu Jesu sagen: Du weißt es, warum wir zur Beichte und zum Abendmahl kommen, nämlich um uns neue Kraft zu holen, daß wir es aushalten können in der schnöden Herberge dieser Welt? Habt ihr diese Sehnsucht und diesen Ekel nicht, so taugt ihr noch nicht in den Himmel. Dann bittet Gott: Schaff in mir Gott ein reines Herz und gib mir einen neuen gewissen Geist, auf daß ihr rechte Beichtleute werdet.
Nun sagt der Apostel weiter: Enthaltet euch von den fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten. Das sollen die wahren Christen eben deßhalb, weil sie Fremdlinge und Pilgrimme sind. Die fleischlichen Lüste sollen nicht zur Ausführung kommen, sollen nicht zur That werden. Sich einer Sache enthalten, das heißt, die Sache nicht thun. Da zeigt uns der Apostel erstlich, was wir zu unserm größten Schmerz aus eigener Erfahrung schon wissen, nämlich daß die fleischlichen Lüfte auch bei uns noch sind. Wenn ihr einmal einem Christen begegnen solltet, - was allerdings nicht oft vorkommen wird, aber es könnte doch einmal geschehn, - der da sagt: Ich habe keine fleischliche Lüste mehr, so sage ich euch, der Mensch ist ein Lügner und Heuchler. So lange wir diesen Leib behalten, so lange finden sich auch bei uns fleischliche Lüste, sie sind einmal im Fleisch und hören nicht auf so lange wir hier leben, auch dann nicht, wenn wir alt geworden sind. Die fleischlichen Lüste sind noch da, aber der Christ vollbringt sie nicht mehr; wie auch Paulus Röm. 6,12 sagt: So laßt nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in seinen Lüsten. Es gibt keinen Christen, bei dem sich nicht noch die Hurenlüste finden, auch der beste und treueste ist nicht davon frei; aber er enthält sich ihrer, er thut sie nicht. Von Natur sind die Weltkinder und die Kinder Gottes ganz gleich, aber das ist der Unterschied in ihrem Leben: Das Weltkind wird von den fleischlichen Lüsten beherrscht und das Kind Gottes beherrscht die fleischlichen Lüste.
Die fleischlichen Lüste sind darum so gefährlich, weil sie wider die Seele streiten; sie bringen den Menschen in die Hölle, und darum läßt der Christ ihnen nicht ihren Willen. Seht einen Menschen an, der der Sauflust dient, er ruiniert seinen Leib, sein Vermögen, seinen guten Ruf, er stürzt die Seinigen in Armuth und Elend, und wenn es dabei sein Bewenden hätte, dann wollte ich sagen, laß ihn, er zerstört nur sein irdisches Glück. Aber er richtet auch seine Seele dadurch zu Grunde. Der Säufer taumelt nothwendig zuletzt in die Hölle, wenn er sich nicht bekehrt - und wie selten bekehrt sich ein Säufer. Leute, die saufen und fressen, können das Reich Gottes nicht ererben. Der Hurer hurt sich in die Hölle, der Spieler spielt sich in die Hölle, der Tänzer tanzt sich in die Hölle rc. Darum sagt der Apostel: Enthaltet euch von den fleischlichen Lüsten, wenn ihr euch nicht ewig unglücklich machen wollt.
Wenn er uns nun gezeigt hat, was wir nicht thun sollen, so zeigt er uns nun auch deutlich, was wir thun sollen. Die fleischlichen Lüste sollen wir nicht ausüben, dagegen sollen wir einen guten Wandel führen unter den Heiden. Die damaligen Christen lebten unter den Heiden, und in dem Wandel der Christen und der Heiden war ein Unterschied als zwischen Tag und Nacht. Die Christen wandelten als am Tage, die Heiden als bei der Nacht. Die Heiden lebten in Hurerei, die Christen in Keuschheit; die Heiden lebten in Fressen und Saufen, die Christen in Nüchternheit; die Heiden lebten in Sünden und Schanden, die zum Theil so scheußlich waren, daß man sie nicht aussprechen mag, die Christen in aller Tugend und Ehrbarkeit. So war zwischen beiden ein Unterschied als zwischen Licht und Finsterniß. Wie es damals bei den Christen war, so hätte es bleiben sollen. Gilt dieses Wort: Führt einen guten Wandel unter den Heiden, auch jetzt noch? auch uns noch? Wir leben doch unter Christen. Ja es ist wahr, insofern heißen wir alle Christen als wir getauft sind und wir waren alle Christen durch die Taufe. Aber damit ist nicht gesagt, daß wir jetzt noch alle Christen sind. Es gibt eine Menge Christen, die die Taufgnade verloren haben und die können mit nichten Christen genannt werden, die verdienen doppelt den Namen Heiden. Die alten Heiden waren nie Christen gewesen, aber diese neuen Heiden waren einmal Christen und sind wieder Heiden geworden. Wir sind von den abgefallenen Christen umgeben und darum sollen wir auch so wandeln, daß man zwischen ihnen und uns unterscheiden kann; der Christ soll im Licht und nicht in der Finsterniß wandeln. Deßhalb nehmen sich die wahren Christen auch vor jeder Sünde in Acht. Darum findet ihr auch jetzt noch: Die wahren Christen leben keusch und züchtig, das Heidenpack unter den Christen hurt; die wahren Christen sind nüchtern, das Heidenpack unter den Christen säuft; die wahren Christen enthalten sich von den Lustbarkeiten der Welt, das Heidenpack unter den Christen stürzt sich hinein in die Lustbarkeiten der Welt, sie machen es wie das Volk Israel, das in der Abwesenheit Mosis um das goldene Kalb her tanzte; die wahren Christen lügen und betrügen nicht, das Heidenpack unter den Christen lügt und betrügt, wo sie nur was kriegen können, ob mit Recht oder mit Unrecht, das ist ihnen einerlei und haben sie ihren Zweck erreicht, dann gehen sie hin und wischen das Maul, sie sind ja Christen. Warum sollen wir einen guten Wandel unter den Heiden führen? Der Apostel gibt folgende Antwort: Auf daß die so von euch afterreden als von Uebelthätern, eure guten Werke sehen und Gott preisen, wenn es nun an den Tag kommt. Ihr wisset, alle Weltkinder hassen die wahren Christen, wie Kain den Abel, wie Ismael den Isaac, wie Esau den Jakob, und man kann sich nur von den Weltkindern Böses versehen. Eins der Stücke, wodurch sie so recht ihren Haß gegen die Christen beweisen, ist die Lüge; die Weltkinder belügen die Christen, wo sie nur können. Ob es auch wahr ist, was sie sagen, darnach wird gar nicht gefragt. Da kann ein Häuflein Christen bei einander sein, um zu beten, zu lesen, zu singen, um fröhlich zu sein in ihrem lieben Heiland. Was sagen nun die Weltkinder über diese Versammlungen? Sie sagen: Da wird Hurerei und allerlei geheime Schande getrieben, darum werden die Thüren zugeschlossen, daß Keiner hinein kommen kann und ihre Schande sehen, das sind die hohen Schulen für alle möglichen Laster. Das sagen die Ungläubigen und breiten es in der Welt aus. Was sollen nun die Christen thun? sollen sie nach dem Amtsrichter gehn und sagen: Der und der hat gelogen, bestrafe ihn? Ach dann müßtest du doch ein rechter Narr sein; so etwas muß dir gar nicht in den Kopf kommen, mußt vielmehr darüber lächeln und denken, die armen Leute können nicht anders, der Teufel treibt sie dazu; ich aber will einen guten Wandel führen, daß den die Leute sehen und den Vater im Himmel preisen, wenn es nun an den Tag kommen wird. Es kommt ein Tag und das ist der jüngste Tag, da wird es offenbar werden, ob die Weltkinder gelogen haben oder ob die Christen wirklich einen solchen scheußlichen Wandel geführt haben. Dann aber wird das Gegentheil offenbar, die wahren Christen haben einen guten Wandel geführt und nun wird man den Vater im Himmel preisen. Hier in dieser Welt werden die Lügen aus der Luft gegriffen, ein jeder Christ muß dieselben erfahren und sich gefallen lassen, ob sein Wandel auch noch so tadellos ist. Daß einemal soll er ein Dieb sein, dann wieder ein Hurer, der Unzucht treibt, aber das muß ihn alles nicht anfechten, er soll dann denken, daß ein Tag kommt, der Alles offenbar machen wird. Darum wenn du auf solche Weise verleumdet und verhöhnt wirst, um Gottes willen, laß dich das nicht bekümmern und betrüben, die Welt kann nicht anders. Kannst du dich denn darüber wundern, daß, wenn du auf der Straße gehst, ein Haufen Straßenjungen hinter dir herkommt und bewirft dich mit Koth? du mußt denken: Ach, das sind Straßenjungen, und dann weiter gehen.
Und wenn es die Welt mit dir macht wie jene Straßenjungen, dann schweig still und durch dein Stillschweigen thue den Koth wieder weg, womit sie dich beworfen haben. Der wahre Christ soll einen solchen Wandel führen, daß er Gott und Menschen frei ins Angesicht sehen kann, und lästern die Weltkinder denn doch noch, so mag er sprechen: laß sie spotten, laß sie lachen, Gott mein Heil wird in Eil sie zu Schanden machen. Gott weiß, daß ich einen guten Wandel führe und der wird, alles offenbar machen, das Gute bei mir, das Böse bei den Weltkindern. Darum kann ein Christ nicht vorsichtig genug sein, erstlich daß er allen bösen Schein meidet und sodann, daß er wissentlich in keine Sünde fällt. Fällt aber einmal einer, dann sagt die Welt: Seht das sind die Christen. Als König David einst nicht über sich gewacht hatte, da fiel er in Ehebruch und die Leute sagten: So sind die Frommen, sie sind schlechter als wir. Darum sagt auch der Prophet Nathan zu David: Du hast die Feinde Gottes lästern gemacht. Der Christ soll so wandeln, daß Keiner mit Recht etwas von ihm sagen kann. O nehmt euch in Acht vor der Sünde, erstens um euretwillen und zweitens daß ihr die Feinde Gottes nicht lästern macht. Amen.
Vers 13-16.
Seid unterthan aller menschlichen Ordnung, um deß HErrn willen, es sei dem Könige, als dem Obersten, oder den Hauptleuten, als den Gesandten von ihm, zur Rache über die Uebelthäter, und zu Lobe den Frommen. Denn das ist der Wille Gottes, daß ihr mit Wohlthun verstopfet die Unwissenheit der thörichten Menschen, als die Freien, und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckel der Bosheit, sondern als die Knechte Gottes.
Nachdem der Apostel Petrus im Allgemeinen den Christen gesagt hat, was sie thun und was sie nicht thun sollen nach Gottes Willen, so wendet er sich nun zu den einzelnen Ständen oder Orden, die es in der Kirche des HErrn auf Erden gibt, um die zu ermahnen, wie ein jeglicher wandeln soll. Solche Stände oder Orden, wie Luther sagt, sind z. B. Obrigkeiten und Unterthanen, Herrschaften und Dienstboten, Eltern und Kinder, Eheleute rc. Das sind Orden im Leben, von denen der Apostel verlangt, daß ein jeglicher darin nach dem Willen Gottes einher gehen soll. So sagt er zuerst: Seid unterthan aller menschlichen Ordnung, um deß HErrn willen, es sei dem Könige, als dem Obersten, oder den Hauptleuten, als den Gesandten von ihm, zur Rache über die Uebelthäter und zu Lobe den Frommen. In diesen Worten beschreibt der Apostel mit kurzen, einfachen, aber eben so durchdringlichen Worten die Pflichten der Unterthanen und Obrigkeiten. Die Pflichten der Unterthanen werden in den Worten angezeigt: Seid unterthan aller menschlichen Ordnung um des HErrn willen. Wenn hier die Obrigkeit eine menschliche Ordnung genannt wird, so denkt ihr vielleicht, das stehe mit dem im Widerspruch, was Paulus Röm. 13 sagt: Es ist keine Obrigkeit ohne von Gott, wo aber Obrigkeit ist, die ist Gottes Ordnung. Da wird die Obrigkeit eine von Gott bestimmte Ordnung genannt und in unserm Text heißt sie eine menschliche Ordnung, ist das nicht ein Widerspruch? Der Widerspruch ist nicht da, denn wenn Paulus die Obrigkeit eine göttliche Ordnung nennt, so ist damit ihr Ursprung bezeichnet, nämlich daß sie von Gott eingesetzt ist; nennt Petrus sie eine menschliche Ordnung, so wird ihre Wirksamkeit damit angezeigt, nämlich an Menschen soll sie vollzogen und durch Menschen soll sie ausgeführt werden. Daß Petrus die Obrigkeit als Gottes Ordnung wohl kennt, zeigt er mit den Worten: Seid unterthan aller menschlichen Ordnung, um des Herrn willen. Also um Gottes willen müssen wir der Obrigkeit unterthan sein, denn von Gott ist die Obrigkeit eingesetzt. In dem einen Worte „seid gehorsam der Obrigkeit“ ist alles verfaßt, was Unterthanen ihrer Obrigkeit schuldig sind, und wer der Obrigkeit gehorsam ist, der hat seine Christenpflicht gegen sie erfüllt. Dieser Gehorsam erstreckt sich darauf: Was die Obrigkeit befiehlt, das müssen wir thun, was sie uns verbietet, das müssen wir lassen, was sie uns zu Leiden auflegt, das müssen wir tragen und in allen diesen Stücken ihr Folge leisten.
Aber merkt euch wohl, dieser Gehorsam ist nicht unbedingt, sondern er ist an die Bedingung geknüpft, daß die Obrigkeit nicht von uns verlangen darf, was gegen Gottes Wort ist. So wie sie aber von uns verlangt, was gegen Gottes Wort und gegen unser in Gottes Wort gebundenes Gewissen ist, da haben wir ihr keine andere Antwort zu geben, als die: Man muß Gott mehr gehorchen, als den Menschen Ap. Gesch. 5,29. Also gehorchen müssen wir in allem, was die Obrigkeit gebietet, verbietet oder uns zu leiden auflegt, aber nur in so weit, wie es nicht gegen Gottes Wort ist. Daher haben wir z. B. wenn die Obrigkeit uns Unrecht thut, das zu leiden und dürfen uns nicht widersetzen. Wir haben zu gehorchen, auch wenn das unbillig ist, was sie von uns verlangt, aber sollen wir etwas thun, was gegen Gottes Wort ist, so müssen wir ihr mit der größten Standhaftigkeit und mit dem entschiedensten Ernst sagen: Bis hieher und nicht weiter! Darum ist alle Rebellerei gegen die Obrigkeit eine scheußliche Sünde. Aber wer in Sachen gegen das Wort Gottes der Obrigkeit gehorcht, der wird deßhalb am jüngsten Tage verdammt, weil er Menschendienst vor Gottesdienst gesetzt hat und das soll und darf kein Mensch thun. Darum sind die wahren Christen der Obrigkeit ganz unausstehliche Menschen und zwar aus dem Grunde, weil die wahren Christen unbeugsam sind in dem, was sie gegen Gottes Wort sagt. Das ist der Obrigkeit ein Dorn im Auge, denn sie sieht, daß in dem Christen eine göttliche Macht ist, die sie nicht überwinden kann. Man kann das gleich sehen im Betragen des Christen der Obrigkeit gegenüber, der wahre Christ ist vor der Obrigkeit ehrerbietig, aber er ist kein Speichellecker und kein Fuchsschwanzstreicher. Er lacht nicht beim Spotten der Obrigkeit über Gott und Gottes Wort, er freut sich nicht, daß der Herr Amtmann ein so gar „witziger Mann“ ist, er sagt nicht „Prost“, wenn die Obrigkeit niest. So macht es ein Christ nicht, wohl aber der Gottlose. Kommen aber einmal andere Zeiten, wo die Gottlosen der Obrigkeit es bieten dürfen, da sind sie so grob wie Bohnenstroh. Seht, so geht ein Christ immer den rechten Weg, er ist der Obrigkeit gehorsam in allen Stücken, er leidet Alles, was sie ihm auflegt, aber gegen Gottes Wort thut er nichts und daher ist er ein solcher, an dem Gott, die heiligen Engel und die frommen Menschen ihre Freude, haben. -
Nun beschreibt der Apostel die Pflichten der Obrigkeit. Er sagt: Es sei dem Könige, als dem Obersten, oder den Hauptleuten, als den Gesandten von ihm, zur Rache über die Uebelthäter und zu Lobe den Frommen. Das ist eine gesegnete Obrigkeit, die da ist zum Lobe der Frommen und zur Rache über die Uebelthäter, und die Obrigkeit taugt in der Wurzel nicht, die die Uebelthäter lobt und die Frommen bestraft. Die Obrigkeiten, die die Uebelthäter auf das strengste bestrafen, das sind die besten Obrigkeiten; aber deßhalb müssen sie auch, je strenger sie sind gegen die Sünden der Menschen, im Gegensatz auch zum Lobe der Frommen eifrig sein. Es gibt kein glücklicheres Land als das, wo die Obrigkeit die Sünder und Bösen streng bestraft und es gibt kein unglücklicheres Land als das, wo die Obrigkeit die Uebelthäter nicht bestraft, wo der Fürst oder Amtmann ein altes Weib ist. Da nehmen die Uebelthäter immer mehr Ueberhand und die Frommen werden unterdrückt. Das sind glückliche Länder, die solche Könige haben, wie sie der Apostel Petrus in unserm Text beschreibt. Wenn aber die Könige alte Weiber sind, und lassen die gottlosen Unterthanen über sich herrschen und thun, was die wollen, dann werden die Frommen unterdrückt und geplagt. Wo die Obrigkeit weichlich ist, da spielt jeder Gottlose Ball mit ihr. Wir sind nun jetzt allenthalben in der ganzen Welt so weit gekommen, daß die Unterthanen allen Respekt verloren haben vor der Obrigkeit, das findet ihr in ganz Europa von Norden bis Süden, von Osten bis Westen. Aber das kommt daher, die Obrigkeiten begünstigen die Gottlosen und beschützen nicht die Frommen. Vor den Gottlosen fürchtet sich die Obrigkeit, die können thun was sie wollen, ja sie ist bei Gelegenheit selbst mit gottlos. Daher hat keiner mehr Respekt vor ihr und bald wird die allgemeine Rebellion in ganz Europa kommen, woran die Obrigkeit selbst Schuld ist, weil sie das Schwert nicht geführt hat zur Rache über die Uebelthäter. So sehet ihr, christliche Unterthanen sind gehorsam und christliche Obrigkeiten sind da zum Lobe der Frommen, gottlose Unterthanen dagegen sind ungehorsam und gottlose Obrigkeiten führen nicht das Schwert zur Rache über die Uebelthäter. Und wenn man sieht, daß Alles in der Welt verkehrt geht, so bleibt ein christlicher Unterthan dabei: Ich will der Obrigkeit gehorsam sein; und eine christliche Obrigkeit: Ich will sein zum Lobe der Frommen und zur Rache über die Uebelthäter. Der Apostel fährt fort: Denn das ist der Wille Gottes, daß ihr mit Wohlthun verstopft die Unwissenheit der thörichten Menschen. Der Apostel weiset uns hiermit hin auf das, was wir zu erfahren haben, daß nämlich alles gottlose Gerede der ungläubigen Menschen von allen Seiten her auf uns kommen müsse, wenn wir Christi Diener sind. Alle Menschen werden dann unsere Feinde sein und Lüge und Verleumdung über uns ausspeien. Was sollen wir dagegen machen? Der Apostel sagt: Wir sollen mit Wohlthun verstopfen die Unwissenheit der thörichten Menschen.
Ich will euch davon ein paar Beispiele erzählen. In der früheren Zeit, als die Christen sich erst ausbreiteten unter den heidnischen Römern, da mußten diese Heiden bekennen: Seht einmal, wie haben sich die Christen unter einander so lieb, so lieb wie Brüder und Schwestern, obwohl sie sich noch nie gesehn oder gekannt haben. Das konnten die Heiden nicht leiden, daß die Christen einen solchen Ruhm kriegten. Da kamen andere und sagten: Ja das ist wahr, unter sich haben die Christen Liebe, aber gegen uns Heiden sind sie stolz und wollen von uns nichts wissen. Als die Christen das hörten, da schwiegen sie still und sagten kein Wort, dachten aber, Gott wird schon eine Gelegenheit geben, wo wir unsere Liebe gegen die Heiden beweisen können, denn sie wußten, daß alles Vertheidigen in solchen Fällen nichts hilft. Bald darauf kam in der Stadt Karthago an der Nordküste von Afrika eine Pest, so verheerend, daß kaum in einem Hause ein oder zwei Menschen am Leben blieben. Was da unter den Heiden fliehen konnte, das flohe; die Vornehmen spannten ihre Kutschen an und fuhren was sie fahren konnten, die Gesunden spannten ihre Beine an und liefen was sie laufen konnten, aber ihre kranken Väter und Mütter, Brüder und Schwestern ließen sie dahinten. Doch die Christen blieben in der Stadt, hegten und pflegten die Kranken, begruben die Todten und fragten nicht darnach, ob es Christen oder Heiden waren. Die nun wieder besser wurden, hatten ihr Leben nächst Gott den Christen zu verdanken. Als nun die Pest aufgehört hatte zu wüthen und die Flüchtigen wieder kamen und sahen, was durch die Christen ausgerichtet war, da sagte Keiner mehr, die Christen haben uns Heiden nicht lieb, nein, sondern sie kamen zu der Erkenntniß und zu dem Bekenntniß: Die Christen haben uns Heiden auch lieb. So wurde mit Wohlthun verstopft die Unwissenheit der thörichten Menschen.
Ein anderes Mal sagte man in Kleinasien dasselbe von den Christen, doch die Christen schwiegen ganz still dazu. Da fielen die Perser mit großer Heeresmacht in das römische Land, plünderten und raubten, nahmen die Einwohner gefangen und verkauften sie als Sklaven. Wohl zwanzigtausend Menschen waren von den Persern weggeführt, Heiden und Christen, doch bildeten davon die Heiden die Mehrzahl, so daß ungefähr auf einen Christen fünf Heiden kamen. Da waren es die Christen und zwar die Christen allein, die die Gefangenen loskauften, und sie befreiten nicht nur die gefangenen Christen, sondern auch die gefangenen Heiden. Seht, auch hier wurde mit Wohlthun verstopft die Unwissenheit der thörichten Menschen. Zuletzt müssen die Weltkinder doch bekennen: Wir sind erbärmliche Leute gewesen, daß wir die Christen so verleumdet haben.
Der Apostel fügt noch hinzu: Als die Freien und nicht, als hättet ihr die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit, sondern als die Knechte Gottes. Als die Freien, - denn die Christen heißen darum die Freien, weil sie sich nicht von der Sünde überwinden lassen. Das kann der natürliche Mensch nicht, er läßt sich von der Sünde überwinden, denn er ist ein Knecht der Sünde und nicht ein Freier. Wenn dem natürlichen Menschen eine Ohrfeige gegeben wird, so gibt er dem Gegner gleich eine wieder; und nur in dem Falle unterläßt er's, wenn er einsieht, daß der Grobian, von dem er die Ohrfeige bekommen hat, stärker ist als er. Der natürliche Mensch ist ein Sklave der Sünde und darum kann er nicht anders. Der Christ ist frei und darum bezwingt er sein böses Herz. er vergilt das Böse mit Gutem. Weil er nun frei ist, darum gebraucht er auch seine Freiheit nicht zum Deckmantel der Bosheit. Heidnisch ist es, eine Ohrfeige mit einer Ohrfeige zu vergelten. Wenn ich aber ein Christ bin, dann mache ich es nicht so, da muß ich mich als einen Knecht Gottes beweisen, den die Sünde nicht mehr zwingen kann. Solche Leute sind aber auch auf Erden sehr selten, und es ist in der That ein lieblicher Anblick, wenn man einen wahren Christen trifft. Es ist nur Schade, daß man diese herrlichen, kräftigen Menschen so selten findet, ja man muß es mit Schmerz sagen, nicht nur selten, sondern fast nie. Fast alle heißen Christen und sind es doch nicht, sie heißen Freie und gebrauchen ihre Freiheit zum Deckmantel der Bosheit. Fast allenthalben findet man den Christen-Namen und fast nie die Christen-That. Amen.
Vers 17-20.
Thut Ehre Jedermann. Habt die Brüder lieb. Fürchtet Gott. Ehret den König. Ihr Knechte, seid unterthan mit aller Furcht den Herren, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen. Denn das ist Gnade, so Jemand um des Gewissens willen zu Gott das Uebel verträgt, und leidet das Unrecht. Denn was ist das für ein Ruhm, so ihr um Missethat willen Streiche leidet? Aber wenn ihr um Wohlthat willen leidet und erduldet, das ist Gnade bei Gott.
Der heilige Apostel hat schon im Vorigen gesagt, daß der Christ der Obrigkeit unterthan sein soll um Gottes willen. Nun fährt er fort und sagt: Thut Ehre Jedermann. Habt die Brüder lieb. Fürchtet Gott. Ehret den König. Wenn er sagt: Thut Ehre Jedermann, so scheint uns das zuerst wunderlich zu sein. Es sind doch nicht alle Menschen Könige oder Obrigkeiten, und es heißt auch Röm. 13: Ehre, dem die Ehre gebührt. Dennoch sollen wir Eltern, Obrigkeiten, Vorgesetzte rc. ehren, denn das sind Menschen, die über uns stehen. Nun heißt es hier aber nicht bloß: Thut Ehre euren Eltern rc., sondern: Thut Ehre Jedermann. Ich soll also denen, die unter mir, die neben mir stehen, ja den Allergeringsten Ehre erweisen. Wie ist das zu verstehn? Merket euch, der HErr hat gesagt, daß Er den Menschen geschaffen habe nach Seinem Bilde, denn 1. Mose 1,27, heißt es: Gott schuf den Menschen Ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf Er ihn. Das Bild Gottes habe ich in einem jeden Menschen zu ehren, wenn auch sonst keine Ursache zur Ehre da wäre.
Die eben genannten Unterschiede zwischen Obrigkeiten und Unterthanen, zwischen Herrschaften und Dienstboten, die doch vor Gott in dieser Beziehung keinen Werth haben, hören hierbei auf, in einem jeden Menschen habe ich Gottes Bild zu ehren und das ist dabei einerlei, ob er groß oder klein, reich oder arm ist. Aber trägt denn der Mensch jetzt noch Gottes Bild? Da merket wohl: Das Bild Gottes ist durch den Sündenfall entstellt worden und verloren gegangen, aber trotzdem können wir Gottes Bild doch wieder bekommen durch die Erlösung Jesu Christi und ich kann das ja auf den ersten Blick nicht wissen, ob ein Mensch die Gnade Gottes in Christo angenommen hat. Die wahren Christen haben das Bild Gottes wieder erlangt und die Heiden und Juden können es wieder erlangen. Darum sind das schändliche Menschen, die die Armen und Geringen schnöde behandeln. In Jedem soll ich Gottes Bild ehren, mag er sonst auch einen schlechten Rock anhaben. Daher sehet ihr, daß das hochmüthige und stolze Benehmen gegen Arme und Geringe, welches sich so viele aus den höheren Ständen erlauben, scheußlich ist; damit stellen sie sich das Zeugniß aus, daß sie nicht wissen, der Arme trägt ebensowohl Gottes Bild als der Reiche. O wenn das doch alle bedächten, wie lieblich wäre es schon hier auf Erden! Die Armen und Geringen ehrten dann in den Reichen das Bild Gottes und die Reichen und Vornehmen ehrten in den Geringen und Armen das Bild Gottes, und man könnte erkennen, wie alle den Weg zum Himmel wandelten.
Daran knüpft der Apostel das zweite Wort: Habt die Brüder lieb. Ich habe meinen Nächsten nicht nur als einen Mitmenschen anzusehen, sondern auch als einen Bruder, der mit mir einen Vater hat, nämlich den Vater unsers HErrn Jesu Christi, und einen Heiland, nämlich den HErrn Jesum, und ein und denselbigen heiligen Geist, der in uns als in Seinem Tempel wohnt. Als ein Gotteskind liebe ich Gott, meinen Vater, und auch die Menschen, meine Brüder, denn wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der von Ihm geboren ist. Das ist dem Christen in diesem Stücke einerlei, ob sein Mitchrist ein König oder ein Bader ist, ob er reich oder arm ist, sie haben ja beide einen Vater und ein Vaterhaus, nämlich den Himmel. Habe ich also jeden Menschen, weil er Gottes Bild trägt, Ehrerbietung zu beweisen, so muß ich jedem Christen als meinem Bruder Liebe zu Theil werden lassen.
Wenn der Apostel weiter hinzu setzt: Fürchtet Gott, so zeigt er damit an, woher das kommt, daß ich Jedermann Ehre erweise und die Brüder lieb habe. Fürchte ich Gott, so thue ich, was mir Gott gebietet und lasse, was er mir verbietet. Ich habe die kindliche Liebe zu Ihm und darum möchte ich Seinen Zorn nicht erregen und Seine Liebe nicht verlieren. Wie schön ist es doch, wenn die Menschen vor Gottes Angesicht wandeln und ihr Leben nach Gottes Geboten einrichten! Wenn ich das wirklich thue, so kann ich niemals grimmig, bitter und zornig gegen meinen Nächsten sein, denn mein Gott, den ich fürchte, sagt zu mir: Thue Ehre Jedermann, habe die Brüder lieb. Dazu aber muß man Gott als den lebendigen Gott erkennen und erfahren, der uns allezeit ins Herz sieht und dem wir allezeit ins Auge schauen.
Ehret den König, setzt der Apostel hinzu. Wie aus der Furcht vor Gott jene Ehrerbietung gegen den Nächsten und Liebe zu den christlichen Brüdern kommt, so folgt auch aus derselben, daß man dem Könige die ihm gebührende Ehre erweise, denn Gott hat ihn eingesetzt. Ich halte es für eine schwere Sünde, wenn man den König nicht ehrt, den Gott eingesetzt hat. Mit der Treue gegen Gott ist die Treue gegen den König verbunden. Darum ist alles Rebellenvolk untreues Gesindel. Weil sie Gott nicht fürchten, darum möchten sie auch den König mit Füßen treten, wenn sie nur könnten. Ihr könnt das sehen aus Absaloms Geschichte; da heißt es: Alles lose Volk hing Absalon an und nur die Treuen blieben bei David. Treue gegen Gott und Treue gegen den König gehen jetzt noch Hand in Hand bei den Christen.
Weiter spricht der Apostel: Ihr Knechte seid unterthan mit aller Furcht den Herren, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen. Der Apostel will also nun weiter gehen und uns zeigen, wie wir uns in andern Ordnungen zu verhalten haben. Da kommt er nun auf den Stand der Dienstboten und Herrschaften. Ihr sehet hieraus zuerst: Christliche Herrschaften sind gütig und gelind, unchristliche Herrschaften sind streng und wunderlich. Den ersteren können die Dienstboten mit Freuden dienen; aber obgleich es schwer ist, den letzteren zu dienen, so ist doch nicht gesagt, daß man den wunderlichen nicht gehorsam sein soll. Es ist keine Kleinigkeit mit wunderlichen Herrschaften umgehen zu müssen, sich den ganzen Tag von ihnen anbrummen zu lassen. Ist z. B. das Essen heiß, dann ist es zu heiß, oder ist es kalt, dann ist es zu kalt und die Dienstboten sind Schuld daran, dazu kriegen sie den ganzen Tag kein freundliches Wort, alles wird ihnen mit Schelten und Brummen gesagt. Vielleicht geben ihnen die Herrschaften auch nicht einmal aus ihrem Topf das Essen, sondern machen ihnen Hundefutter zurecht. Dennoch soll man diesen wunderlichen Herrschaften gehorsam sein.
Damit aber will der Apostel nicht sagen, daß wir nicht darnach trachten dürfen, von ihnen los zu kommen. Ich sehe nicht ein, warum man sich von solchen Herrschaften nicht los machen sollte. Laß sie so lange nödern, bis Keiner mehr bei ihnen dienen will und sie sich selbst aufwarten müssen. Sag ihnen doch auf zu rechter Zeit und dann geh' deiner Wege; aber so lange du bei ihnen bist, trage was dir auferlegt ist. Für solche wunderliche Herrschaften gibt es keine bessere Strafe, als daß sie sich selbst bedienen müssen.
Der Apostel fährt fort: Denn das ist Gnade, so Jemand um des Gewissens willen zu Gott das Uebel verträgt und leidet das Unrecht. Denn was ist das für ein Ruhm, so ihr um Missethat willen Streiche leidet? Aber wenn ihr um Wohlthat willen leidet und erduldet, das ist Gnade bei Gott. Gesetzt ich hätte eine brummige Herrschaft, die den ganzen Tag schilt vom Morgen bis zum Abend und ließe mir keine ruhige Stunde im Hause, so soll ich nicht auch anfangen zu brummen und zu trotzen, oder gar sagen, nun will ich nicht mehr thun als ich gerade nöthig habe und gar die Arbeit darüber versäumen. Es schadet dir nichts, wenn du Unrecht leidest, aber es schadet dir viel, wenn du Unrecht thust. Du kannst sagen, wenn du ein gutes Gewissen hast: Das dulde ich nicht um Missethat willen, meine Herrschaft weiß, daß ich meine Pflicht thue und doch kann sie das Brummen nicht lassen. Ja wenn sie mich noch schlecht behandelte, weil ich naschte oder stöhle, dann hätte ich's verdient, aber Gottlob, so etwas habe ich mir nicht zu Schulden kommen lassen.. Um Wohlthat willen muß ich leiden, aber auch um Christi willen. Das letztere ist für das Fleisch das Bitterste, aber für den Geist das Süßeste. Wer das Leiden um Christi willen nicht kennt, der kennt auch keine wahre Christenseligkeit. Nie ist ein Christ so selig in seinem Gott und HErrn, als wenn er um Christi willen leidet. Hast du schon einen Vorschmack gehabt von der Seligkeit, so war es als du um Christi willen littest. Dieser Vorschmack ist sehr selten, weil die Christen so wenig um Christi willen leiden mögen. Sehen wir in die Zukunft, wo Satans Reich sich immer feindlicher dem Reiche Christi gegenüber stellen wird, so müssen wir erkennen, daß uns viel Leiden bevorstehen. Amen.
Vers 21 - 23.
Denn dazu seid ihr berufen. Sintemal auch Christus gelitten hat für uns, und uns ein Vorbild gelassen, daß ihr sollt nachfolgen Seinen Fußstapfen; welcher keine Sünde gethan bat, ist auch kein Betrug in Seinem Munde erfunden; welcher nicht wieder schalt, da er gescholten ward, nicht drohete, da er litte; er stellete es aber dem heim, der da recht richtet.
Wir haben das letzte Mal gesehen, daß es Gnade sei, um des Gewissens willen zu Gott das Uebel vertragen und leiden das Unrecht, und daß ein Christ wohl um Wohlthat willen, aber nicht um Missethat willen leiden soll. Nun fährt der Apostel fort: Denn dazu seid ihr berufen. Wozu? Zum Kreuztragen. Ihr sehet also aus diesen Worten, daß ein jeder Christ ein Kreuzträger sein soll: Ein jeder ist dazu berufen, um Wohlthat willen Streiche zu leiden. Da sagt der Apostel Petrus, was auch Paulus in hundert und aber hundert Stellen in seinen Briefen und was unser HErr Jesus im Evangelio ausspricht, daß alle Christen Kreuzträger sein müssen.
Der HErr Jesus sagt: Wer Mein Jünger sein will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir nach; und abermals: Haben sie Mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen. Paulus sagt: Alle die gottselig leben wollen, müssen Verfolgung leiden. Es kann ja auch dem Jünger nicht anders gehen als seinem Meister und dem Knecht nicht anders als seinem Herrn. Daher findet man auch, daß alle Christen von jeher Kreuzträger gewesen sind. Warum? Der Apostel gibt die Antwort: Dazu seid ihr berufen. Seht doch in der ganzen Bibel nach, ist es nicht immer so gewesen? Ist nicht Abel verfolgt von Kain? und warum verfolgte ihn Kain? Weil Abel ein frommer Mann war. Warum haßte Ismael den Isaak? Weil Ismael ein Spötter war. Warum haßte Esau den Jakob? Weil Jakob fromm war. Warum verfolgte Saul den David? Weil der gute Geist von Saul gewichen und der böse Geist über ihn gekommen, David aber dagegen ein Mann nach dem Herzen Gottes war. Und wie ist es dem HErrn Jesu ergangen? hat der gute Tage gehabt? Ist nicht Sein ganzes Leben eine große Verfolgung gewesen? Herodes hat den Anfang damit gemacht und die Hohenpriester und Schriftgelehrten den Schluß, so daß Jesus nach Seiner Auferstehung sagte: Mußte nicht Christus solches leiden und zu Seiner Herrlichkeit eingehen?
Weiter, unter zwölf Aposteln sind elf des Märtyrertodes gestorben und nur einer hat einen natürlichen Tod gefunden, nachdem er Jahre lang ein Märtyrerleben geführt. Warum ist Stephanus gesteinigt? Weil er fromm war und sich bekehrt hatte, weil er an den HErrn Jesum glaubte. Gesetzt den Fall, in einem Hause wohnen fünf Menschen, zwei davon bekehren sich und die andern drei nicht, so werden die beiden Bekehrten von den drei Unbekehrten verfolgt. Der unbekehrte Bruder verfolgt den bekehrten, der unbekehrte Vater verfolgt den bekehrten Sohn und umgekehrt. Ich will nehmen, ich wohne mit meinem unbekehrten Bruder zusammen, nun bekehre ich mich und damit zeige ich an, daß ich nicht selig werden kann, wenn ich mich nicht bekehre, gebe aber auch damit meinem Bruder zu verstehn: Wenn du dich nicht bekehrst, so kannst du nicht selig werden, so gehst du verloren. Ich sage ihm das auch, wenn er mich fragt. Was, sagt der Bruder, du willst mich verdammen? bist du denn besser als ich? Ja, sage ich, lieber Bruder, nimm's nur nicht übel, bekehren mußt du dich, sonst gehst du verloren. Von der Zeit an haßt er mich. Meine Bekehrung spricht das Verdammungsurtheil aus über die, die sich nicht bekehren und darum verfolgt man mich. Das ist der Grund des Hasses und der Verfolgung.
Stelle dir vor, da ist ein Mensch mit andern Freunden denselben Weg gegangen, wenn am Sonntag Nachmittag die Kirche aus ist, so geht es in den Krug, ja oft schon ehe die Kirche einmal auskommt, obgleich es nach den bürgerlichen Gesetzen verboten ist, aber er hat es doch gethan. Nun sieht der Mensch ein, daß sein Thun Sünde ist, daß er Gottes Wort und das bürgerliche Gesetz übertreten hat. Da spricht er bei sich selbst: Ich will es nicht mehr thun, ich will mich fern von jenen Leuten halten. Was ist die Folge davon? Sie hassen und verfolgen ihn, obgleich er früher ihr Kamerad war. Oder du hast früher ein Weltleben geführt, bist zum Tanz gegangen, hast Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Leben getrieben. Nun trifft dich Gottes Wort: Alles was in der Welt ist, nämlich Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt, und die Welt vergeht mit ihrer Lust. In Folge deß bekehrst du dich und gehst nicht mehr diese Wege. Da kannst du es erleben, daß deine Eltern dich auf den Tanzboden schleppen, daß deine früheren Kameraden dir auflauern und dich durchprügeln. Sie können dich ja nur zufrieden lassen, aber nein, du bist ihnen ein Dorn im Auge.
So geht es auch einem treuen Pastor, straft er die Sünden der Leute und nimmt er selbst sich davor in Acht, straft er ihr Weltwesen und hält sich selbst davon fern, dann hat er den ganzen Haß der Weltkinder auf dem Leibe. Die Christen sind dazu berufen, daß sie von der Welt verfolgt und gehaßt werden. Womit sollen wir uns denn trösten? Mit unserm HErrn Jesus, denn sagt der Apostel: Sintemal auch Christus gelitten hat für uns, und hat uns ein Vorbild gelassen, daß ihr sollt nachfolgen Seinen Fußstapfen. Siehe Christum an, Sein Leben ist ein fortwährendes Leiden gewesen und er hat den Menschen nur Gutes, nie Leides gethan, und der Dank ist gewesen, daß sie Ihn bis zum Kreuzestode unablässig verfolgt haben. Als Jesus in das öffentliche Leben eintrat, wie gut meinte Er es doch mit den Menschen, Er strafte ihre Sünden, daß sie Buße thäten, Er predigte den Glauben, daß sie in den Himmel kämen, und was war die Folge? Der Eine sagte: Siehe, wie ist der Mensch ein Fresser und Säufer, der Zöllner und Sünder Gesell; der Andere sagte: Er ist ein Gottloser, ein Gotteslästerer; der Dritte sagte: Er ist ein Empörer rc. Ja, sie schickten Laurer und Spione aus, die erforschen sollten, ob sie nichts finden könnten, dadurch sie Ihn zum Tode brächten. Und nicht eher ruheten sie, als bis sie den HErrn Jesum an das Kreuz gebracht hatten. Seht, meine Lieben, so ist es unserm HErrn Jesu ergangen, Er, der ewige Sohn Gottes hat gelitten Sein ganzes Leben lang, bloß darum weil Er die Wahrheit predigte und den Leuten Gutes erwies. Warum hat Gott das zugelassen, Er hatte ja doch die Macht, das zu hindern? Ja, sagt der Apostel, für uns hat Christus das gelitten und weil Er für uns gelitten hat, so hat Er alle unsere Missethat getragen. Aber indem Er also gelitten hat, so kommt uns das nicht bloß zu gut, daß wir selig werden, sondern damit hat Er uns auch ein Vorbild gelassen, daß wir nachfolgen sollen Seinen Fußtapfen. Wir sollen die Verfolgung tragen, wie er sie trug. Wenn wir gescheucht und verfolgt werden, so sollen wir sagen: Christus hat für mich gelitten, nun will ich auch gern für Ihn wieder leiden, und sollte mich auch den Hals oder Kopf kosten, treu will ich bei Ihm bleiben. So kann ich mich also erstlich deß getrösten: Christus hat für mich gelitten, nun kann ich selig werden, weil das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, mich frei macht von aller Sünde; und zum andern: Das soll mich treiben zu wandeln wie Jesus gewandelt hat, zu tragen das Kreuz, wie er es getragen hat, und da soll ich mich freuen, daß ich nach folgen kann Seinen Fußstapfen.
Aber merket, das ist nur eine Nachfolge Christi, wenn man leidet wie Christus: Welcher keine Sünde gethan hat, ist auch kein Betrug in Seinem Munde erfunden. Ich muß so leiden, daß ich unschuldig leide. Es gibt Menschen, die heißen Gläubige, aber keiner mag sie leiden, denn sie sind recht hochmüthig. Leiden die auch wie Christus? O bewahre. Da ist ein anderer, der nennt sich gläubig und dabei haut er die Menschen über's Ohr, nun mag ihn keiner leiden; der leidet nicht wie Christus, sondern der leidet um seiner Bosheit willen. Ein Anderer scheint auch gläubig zu sein und dabei treibt er allerlei Hurensünden und Schanden, und das deckt er zu mit Kirchen- und Abendmahlgehen, mit Singen und Beten; aber endlich wird es doch offenbar und nun verachtet ihn ein Jeder, der leidet auch nicht wie Christus. Da nennt sich einer gläubig und kann sich mit Keinem vertragen, mit diesem streitet er und mit jenem führt er Prozesse, den meidet man nicht um seines Christenthums, sondern um seiner Zänkerei willen. Du mußt dich bemühen, wenn du wirklich an Christum bist gläubig geworden, daß du einen heiligen Wandel führst, dein Herzensglaube muß sich durch gute Werke erweisen. Du mußt die Früchte des Geistes bringen, als da sind: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmuth, Keuschheit; mußt dich bemühen diese Fleischeswerke: Ehebruch, Hurerei, Unzucht, Unreinigkeit, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Neid, Zorn, Zank, Zwietracht, Rotten, Haß, Mord, Saufen, Fressen und dergleichen nicht bei dir finden zu lassen. Wenn du so einen guten Wandel führst und man verfolgt dich doch, dann leidest du um Christi willen. Wenn du nun leidest um Christi willen, so merke dir, du leidest nur dann als ein Nachfolger Christi, wenn du die Bosheit der Menschen nicht mit Bosheit vergiltst. Von dem HErrn heißt es: Welcher nicht wieder schalt, da er gescholten ward, nicht drohete, da Er litte; Er stellte es aber dem heim, der da recht richtet. Um Gottes willen zürne dem nicht, der dir hochmüthig entgegen kommt, hasse den nicht, der dir flucht, sondern segne ihn, dann wandelst du wie Christus wandelte, dann leidest du wie Christus litt und am jüngsten Tage kannst du zum HErrn sagen: Ich habe mich wenigstens bestrebt Deinem Vorbilde nachzufolgen, das weißt Du, lieber HErr. Jesus sagt ja, daß wir gesinnt sein sollen, wie Er gesinnt war und wandeln, wie. Er gewandelt hat. Der Apostel Paulus sagt: In Christo Jesu gilt nur der Glaube, der in der Liebe thätig ist. Prüfet euch, meine Lieben, ob ihr zu denen gehört, die um ihrer Frömmigkeit willen verfolgt werden, oder ob ihr zu denen gehört, die die Frommen verfolgen? Gehört ihr zu denen, die mit ganzem Ernst der Heiligung nachjagen, oder zu denen, die das Christenthum im Munde führen und dabei der Sünde dienen? Gott bewahre euch, daß ihr nicht zu diesen Heuchlern gehört!
Das sind die rechten Christen, die ihr Christenthum mit Wort und Wandel beweisen, die in einem Stande guter Werke erfunden werden. Solche Menschen sind die glücklichsten auf der Welt. Das sind nie glückliche Menschen, die Haß und Groll im Herzen hegen, auch dann sind sie nicht glücklich, wenn sie ihren Haß und Groll ausüben können. Nur die, die Frieden im Herzen haben, sind glückliche Menschen und wenn die ausgekämpft und ausgerungen haben, dann kommen die heiligen Engel und tragen ihre Seele in Abrahams Schoß, wo ihnen die unverwelkliche Krone der Ehren gegeben wird. Dann ist Alles überwunden und man hat für ewig den Sieg gewonnen. Amen.
Vers 24 - 25.
Welcher unsere Sünden selbst geopfert hat an Seinem Leibe auf dem Holz, auf daß wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben; durch welches Wunden ihr seid heil geworden. Denn ihr waret wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehret zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.
In der letzten Vesperpredigt haben wir gesehen, wie wir Christen Jesu nachfolgen, indem wir leiden, wie Er gelitten hat. Und wie hat er gelitten? Unschuldig und als einer, der nicht wieder schalt, da Er gescholten wurde. Der Apostel sagt: Niemand unter euch leide als ein Dieb, als ein Uebelthäter, als einer, der in ein fremdes Amt greife; vielmehr aber leidet um Wohlthat willen. Leidet ihr um Uebelthat, so ist das Schimpf und Schande, leidet ihr um Wohlthat, so ist das eine Ehre. Aber ich soll auch, wie Christus, mit geduldigem Herzen leiden. In all den Stücken soll ich Jesu Nachfolger sein; aber in dem, was Petrus in unseren heutigen Texte sagt, kann ich Jesu Nachfolger nicht sein, denn Christi Leiden steht dennoch einzig in seiner Art da. Es heißt in unserm Text: Welcher unsere Sünden selbst geopfert hat an Seinem Leibe auf dem Holz, auf daß wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben; durch welches Wunden ihr seid heil geworden. Ich kann für andere Sünder nicht leiden, denn ich bin selbst ein Sünder, mein Bruder kann für mich nicht leiden, denn er ist auch ein Sünder. Aber Christi Leiden ist ein versöhnendes, stellvertretendes, denn Er hat der Welt Sünden getragen und dies ist die einzige Ursache unserer Seligkeit. Das ist die Lehre, meine Lieben, welche von jeher das Kleinod aller wahrer Christen gewesen ist, der Trost derer, die in Jesu leben und sterben; aber auch die Lehre, die von jeher ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Aergernisses für die Weltkinder gewesen ist. Das glaubt kein Weltkind, daß Christus unsere Sünden getragen hat, daß Sein Leiden ein stellvertretendes ist. Wie ist das möglich? spricht die hochmüthige Vernunft. Die Christen kennen kein köstlicheres Wort als dies: Christus ist um unserer Sünde willen dahin gegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferwecket; das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde; an Christo Jesu haben wir die Erlösung durch Sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden.
Darum sagt auch Luther, daß dies der Grund- und Eckstein der lutherischen Kirche ist. Bleibt der stehen, so bleibt auch die lutherische Kirche stehen, fällt der weg, so fällt auch die lutherische Kirche. Christus hat unsere Sünden selbst geopfert an Seinem Leibe auf dem Holz, Es heißt also nicht: Christus hat Seine Sünden u. s. w., sondern: Christus hat unsere Sünden selbst geopfert. Er hat also unsere Sünden auf sich genommen und diese hat er geopfert an Seinem Leibe auf dem Holze des Kreuzes. Erkennt daraus, was die ganze heilige Schrift bestätigt, daß Jesus, der wahrhaftige Gott, ein wahrer Mensch geworden ist. Den menschlichen Leib hat er darum angenommen, damit Er unsere Sünden tragen könne. Wäre Jesus nur Gott geblieben und nicht Mensch geworden, so hätte Er unsere Sünden nicht opfern können an. Seinem Leibe, denn durch die Sünden waren wir dem Tode verfallen. Wollte Christus für uns sterben, so mußte Er einen menschlichen Leib annehmen, mit dem er sterben konnte. Darum lehrt die Bibel, daß der wahre Gott Mensch geworden ist. So heißt es, um nur eine Stelle anzuführen, ich hoffe, ihr kennt derer wohl hundert: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Und das Wort ward Fleisch rc. Nachdem nun Christus wahrer Mensch geworden war, so konnte er Seinen Leib hingeben zum Opfer, konnte sagen: Nun will Ich sterben, denn Er hatte einen Leib, Sein Leib konnte am Kreuze getödtet werden als Lösegeld für die Sünden der Welt. Damit hat Er den Tod erlitten, den wir erleiden sollten und die Strafe getragen, die wir tragen sollten. Jetzt ist erfüllt, was Jesaias sagt: Fürwahr Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. O fasset das mit Dankbarkeit in euer Herz, meine Lieben: Christus ist die einzige Ursache des Heils. Es ist so, wie jener Ostergesang sagt: Wär' Christus nicht geboren, wir wären all verloren, wär' Christus nicht gestorben, wir wären all verdorben, wär' Christus nicht erstanden, wir würden all' zu Schanden. Kann ein einziger sagen: Ich habe keine Sünde? O wer das sagen wollte, zu dem würde ich das Wort sprechen: Wer da sagt, daß er keine Sünde habe, der lügt und die Wahrheit ist nicht in ihm. Von Kindheit auf hast du gesündigt und du sündigst Tag für Tag. Täglich mußt du beten: Denn vom Morgen bis jetzund pfleget Herze, Hand und Mund so geschwind und oft zu fehlen, daß es leider nicht zu zählen. Wo willst du mit deinen Sünden hin, wenn du kein Opfer, keine Versöhnung dafür hast?
Höre es steht geschrieben: Verflucht ist, der nicht hält alle Worte des Gesetzes, daß er sie thue. Aber Gottlob, das ist mein Trost und meine Freude, ich kann ohne meine Sünden vor Gott treten, Christus ist für mich ein Fluch geworden, hat alle meine Sünden bezahlt mit Seinem theuren Gottesblute, das Er am Kreuze vergossen. Es ist das ebenso, um nur einen Vergleich zu stellen: Jemand hat hundert Thaler von mir zu fordern, ich bin aber zu arm diese zu bezahlen. Nun aber bezahlt Jemand die hundert Thaler für mich, so bin ich ohne Schulden. So hat es Jesus auch gemacht, Er hat für mich bezahlt, Er hat Sein Blut für mein Blut, Sein Leben für mein Leben, Seinen Tod für meinen gegeben. Nun ist die Sünde weg, ich kann bestehn vor Gott, meine Sünde ist bezahlt und nehme ich das im Glauben an, so habe ich Frieden mit Gott, ich kann mein Herz stillen, kann sagen: Wer will verdammen? Christus ist hier, der gerecht macht!
Aber wenn ich das nun glaube und von Herzensgrund annehme im Glauben, was wird das für eine Wirkung haben? Diese: Auf daß wir der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben; durch welches Wunden ihr seid heil geworden. Ich war ein verlorner und verdammter Sünder, da ist Jesus gekommen, hat alle meine Sünden auf sich genommen, nun bin ich los und ledig. O habe ich so Vergebung der Sünden, ist das Herz frei von der schweren Sündenlast, muß da mein Herz nicht fragen: Wie soll ich Dir vergelten Alles, was Du an Mir gethan hast? Auf diese Frage antwortet der HErr Jesus: Willst du Mir Meine Liebe ein wenig vergelten, Mein Sohn, Meine Tochter, so sündige nicht mehr. Denn das thut Mir so weh, das ist Mir ein Greuel, wenn eine Kinder sündigen. Thue alles Gute, damit bereitest du Mir Freude, laß alles Böse, damit er: sparst du Mir Kummer, Und ich sage: Ja, lieber HErr, das will ich thun, auch wenn Du es nicht gesagt hättest. Du hast meine Sünde gebüßt, hast darum Dein Leben in den Tod gegeben, dadurch ist sie mir ein solcher Greuel geworden, daß ich sie nicht mehr thun mag. Du hast mir Deine Gerechtigkeit geschenkt, die ist mir so lieb und theuer geworden, daß ich sie nicht wieder entbehren möchte, darum will ich thun, alles was mein Heiland haben will.
Darum finden wir auch bei all den Leuten, die an Jesum glauben, daß sie gesinnt sind, wie Jesus Christus gesinnt war und daß sie wandeln, wie Er gewandelt hat, daß sie den Abschied geben allem Sünden-, Welt- und Satanswesen. Der Sünde sind sie abgestorben, nun heißt es, ich will mit der Sünde nichts mehr zu thun haben, ich will der Gerechtigkeit leben. Jesus hat Sein Herzblut an mich gewandt, und nun sollte ich ein solches Scheusal sein und Ihn noch einmal kreuzigen mit meinen Sünden! Nein, nein, ich bin rein geworden durch Sein Blut, nun will ich auch der Sünde nicht mehr dienen. Denn, setzt der Apostel hinzu, ihr waret wie die irrenden Schafe, aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen! Wann? Als wir Jesum noch nicht kannten, da dienten wir der Sünde, der Welt und dem Teufel, da gingen wir die Wege, die zur Verdammniß führen. Gottlob, das ist anders geworden, wir haben uns bekehrt zu dem Hirten und Bischof unsrer Seelen, das ist Jesus. Nun gehen wir den rechten Weg, glauben an Jesum und aus Dankbarkeit gegen Jesum meiden wir den Weg der Ungerechtigkeit. Das ist der Weg des Heils, den auch ihr weiter gehn müßt. Ihr sollt empfangen Vergebung der Sünden durch die heilige Absolution, aber dafür sollt ihr auch dem HErrn so recht von Herzensgrund geloben: Ich will mich von ganzem Herzen bessern, ich will entsagen dem Teufel und allem seinem Wesen und allen seinen Werken. Ihr sollt euch aus Liebe und Dankbarkeit dem HErrn zum Eigenthum zusagen, Ihm zu leben und zu sterben. Amen.