Harms, Claus - Schreiben an meine lieben Amtsbrüder in der Propstei Kiel und an die Gemeinden.

Harms, Claus - Schreiben an meine lieben Amtsbrüder in der Propstei Kiel und an die Gemeinden.

Am ersten heiligen Ostertage habe ich wie mein Predigeramt, so auch mein Propstenamt niedergelegt, wie bekannt ist. — Warum ich es niedergelegt habe, das ist auch bekannt, es stehe aber für entlegenere Zeiten hier: Gott hat innerhalb eines halben Jahres meine Augen so dunkel werden lassen, daß ich meine Aemter nicht länger habe verwalten können. Ich demüthige mich unter seine gewaltige Hand und tröste mich, daß er meinen noch übrigen dunklen Weg mich werde im Lichte gehen lassen des Glaubens, er hat es wohl gemacht. „Dennoch ist mein schönes Wort, dennoch ist mein Glaube, dennoch sag' ich fort und fort„ rc. Psalm 73.

Ich scheide also von Euch, es sind mir schöne Jahre gewesen, seit das Amt uns mit einander verbunden hat, verbunden, ja, so hat es. mein Herz dann besonders gefühlt, wenn es mich bei Einführung eines neuen Predigers außerordentlich, sowie ordentlich jedes zweite Jahr in Eure Gemeinde führte und ich dann in Eurer Wohnung mit Euch sprach, in Eurer Kirche unter Eurem Worte stand, mit den Schulkindern redete, sie und die zu diesem Tage gekommenen Gemeindeglieder anredete. Wisset, was Ihr so nicht wißt, daß ich dann niemals in Eure Kirche getreten bin als nach ernstlicher Vorbereitung und andächtigem Gebet auf meinen Knieen. Unsere jährlichen Zusammenkünfte bei mir werden wir auch nicht vergessen. — Ich frage hiemit, darf ich wol in jede Gemeinde hineinfragen, Erwachsene und der Zeit Kinder Gewesene, so fragen: Ist nicht Einem und Anderem ein Wort geblieben, theuer geworden, theuer und werth geblieben, das ihn wie ein Pfeil vom Bogen traf, das ihm wie ein Oel in eine Wunde troff, das ihm seine trocken gewordenen Hoffnungsflügel wieder befeuchtete? denn es ist doch wahr, der ein solches Wort hat, wie ich meine, der hat viel daran und der keines hat, dessen Herz ist ein gar armes. Mein Besuchen bei Euch ist immer ein Suchen bei Euch, und ein Versuchen gewesen, ob ich solches Wort nicht bei Euch anbringen möchte. Ich meine nicht mit meinem Amte irgend einem hart gefallen zu sein; bin ich aber auch zu weich, zu schweigend gewesen, wolle Gott es mir vergeben.

Ihr meine lieben Amtsbrüder habt mir ein liebes Schreiben zugehen lassen von zweien aus Eurer Zahl mir am zweiten Ostertag überbracht, ich danke hiemit jedem Einzelnen und spreche zu Euch allen und insonderheit zu denen unter Euch, die von mir bei ihrer Gemeinde eingeführt sind und ein heiliges Geloben in meine Hand gelegt haben vor Gott und vielen Zeugen: Ach, haltet Ihr, die Ihr noch im Amte und am Worte seid, — so bittet, der die öffentliche Rede nicht mehr hat, — haltet an und haltet ob dem Worte, das gewiß ist, Titum 1, 9, allein gewiß ist! Wer von demselbigen läßt, den wird unser Herr verlassen, den wird auch die Gemeinde, die in dem Herrn ist verlassen.

Frage sich eine jede Gemeinde, Vordesholm, Neumünster, Gr. Aspe, Brügge, Barkau, Flintbeck, Elmschenhagen, Preetz, Lebrade, Seelent, Schönberg, Propsteihagen, Schönkirchen, Flemhude, deren Namen ich im Amtsschildlein getragen habe, frage sich eine jede: sind wir eine Gemeinde, die in Christo Jesu ist, Epheser 3, 21, nach dem apostolischen Verstande dieses Wortes? Wollet antworten hierauf, und am liebsten wäre es mir, daß Ihr es thätet, wenn die Gemeinde, wie sie gewöhnlich heißt, an heiliger Stätte sich so fragte und daselbst die Frage von ihrem Prediger aussprechen hört. Ich weiß von Unterschieden unter Euch, die auch bedeutend sind und könnte wol jeder Gemeinde etwas Besonderes sagen, wie es Offenbarung 2 und 3 geschieht, doch ich spreche kein Urtheil, will nicht loben, will nicht tadeln, das sei Euch überlassen, und einem jeden einzelnen Mitgliede der Gemeinde über sich selber. Eines noch will ich Euch hineinsprechen, hineinrufen, dieses: Erkennet die gegenwärtige, gefährliche Zeit. Staat und Kirche sollen sich trennen, Kirche und Schule sollen sich trennen. O, daß es nimmer geschähe! Ich habe gethan nach meinem Theil, um die Trennung zu hindern. Für meine Gründe ist hier kein Raum, nehmet das Wort als eine Behauptung: Eine vollführte Ablösung würde eine Auflösung für alle drei werden. Dies behauptet vor Euch ein Mann, der seit drei und vierzig Jahren die genannten drei wohl kennen gelernt zu haben glaubt. Gebet etwas auf mein Urtheil in dieser Sache. Aber ich weiß ja, daß fast alle Prediger und Schullehrer und ich denke auch fast alle Gemeindeglieder in unserer Propstei nach eigenem Urtheil in dem Verbundenbleiben des Staats, der Kirche und der Schule das Heil sehen, in der Trennung das Unheil.

An Euch, liebe Schullehrer, noch ein Wort besonders. Ihr habt's doch mit Freuden gesehen und gehört, daß Euer seitheriger Propst bei den Visitationen seine Herzensfreude kund gab, wenn Eure Kinder auf sein Fragen verständig, bibelkundig, christlich recht antworteten? Seid gebeten, meinem Nachfolger im Amt eine solche Freude zu bereiten durch Eure Arbeit. Doch, was Ihr gethan habt dazu, das habet Ihr nicht gethan, wie sich versteht, um meinetwillen, sollet es auch nicht thun um meines Nachfolgers, sondern um des Herrn willen. Er segne Eure Arbeit, wie überhaupt den Gehorsam, so insonderheit den Gehorsam des Glaubens in den jungen Seelen aufzurichten.

Schließlich umfaß ich alle Seelen. In diesen Augenblicken, da dies niedergeschrieben wird, thue ich es und seid versichert, ich werde es lebenslänglich thun, beten für Euch Alle zu unfern« Herrn, welcher alle Dinge trägt mit seinem kräftigen Wort, daß er wolle jede Gemeinde tragen und jede Seel in ihr, damit wir alle mit einander in jener Ewigkeit nach wohlverlebter Pilgerzeit zur „vorhandenen und verheißenen Ruhe eingehen.“ Wünschet mir, ich wünsche Euch einen sanften gesegneten Ausgang. Und, als nach gehaltener Predigt, das Wort des Kirchengebets: Verleih' uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.

Kiel, in der Osterwoche 1849. Euer Harms.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/harms_c/harms_abschiedsbrief.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain