Harms, Claus - Am zweiten Pfingsttage 1834.

Harms, Claus - Am zweiten Pfingsttage 1834.

Ges. 342. O, du allerbeste Freud rc.

O, du Geist Gottes, insonderheit in dieser Stunde mache mich zu deinem Munde! -

Mehr als dieses kurze Bittwort für mich sei an dieser Stätte nicht gesprochen. Er, der angerufne Geist, der Zeuge ist aller Gedanken und der verborgnen That des Menschen, weiß es, daß ich vor ihm gestanden, gelegen bin, und gebetet habe um sein Mitmirsein für diese Stunde und in derselben. Denn ich achte, geliebte Zuhörer, eine Pfingstpredigt vor andern schwer. Um des Inhaltes willen, den sie haben soll, ist eine Pfingstpredigt schwer; es liegt so sehr im Unsichtbaren und auf dem Wundergebiet, wovon an diesem Feste zu reden ist. Schwer ist sie um des erhöhten Anspruches willen, der an den Vortrag gemacht wird; wenn auch Keiner jenes Reden mit Zungen, mit fremden, Mit neuen Zungen, anzuhören begehrt, so soll doch einige entfernte Aehnlichkeit mit jenem Vortrag erscheinen, der gehört worden ist am ersten Pfingstfeste, kraft welches aus dem jüdischen Pfingsten ein christliches ward. Ja, unnütz ist die Rede eines jeden Predigers, er verheidnet das christliche Fest, es sei denn, daß er von dem heiligen Geiste, von eben demselben, voll ist! Schwer heiße ich die Pfingstpredigt vor andern darum, weil Hörer um sie stehn in einer so großen Zahl, wie nicht immer, und in einer Mannichfaltigkeit durcheinander, wie so an den Sonntagen und an den andern Festtagen nicht. Ihr Lieben Alle, wann seh' ich euch Alle so wieder beisammen? Und was ihr heute bekommt, o, auf wie lange Zeit muß das bei Vielen von euch vorhalten, ehe sie es für nöthig halten, wieder einmal in die Kirche zu gehn. Ob ich nicht könne ein Wort sagen, das wie ein Seil ist um euch geworfen und läßt euch nicht los und zieht euch alle Sonntag heran? Meine Hoffnung ist um so schwächer, wenn ich daran denke, wie Wenige sich am Sonntag vor dem Fest haben auf's Fest bereiten lassen. Wie Jemand ackert, so erndtet er; wie Jemand wetzet, so schneidet er; wie Jemand zielet, so trifft er: ach, da haben Viele nicht geackert, nicht gewetzet, nicht gezielet, noch desgleichen gethan, was Vorbereitung heißen, und der Pfingstfeier eine gute Wirkung verheißen kann. In der Feier selbst, meinen sie, soll Alles ausgerichtet werden. Das sind die Gründe, weshalb ich sagen kann: Eine Pfingstpredigt ist vor andern schwer.

Schwer oder leicht, wenn nur das rechte Wort daher fliegt, das von Gott gegeben, vor welchem Niemand entweichen kann, das von Gott begleitete Wort, welchem der Hörer, bereitet oder nicht, sein Herz darreichen muß! Das kann des Menschen Wort, wie er es redet, Andern und sich selber, nicht; denn es ist gar gering, arm und schwach. Ja, mit ihm vor eine Versammlung zu treten muß sich der Redende fast schämen. Wenn aber der Herr es nehmen will und legen von seinem Geist darein, so wird es einem Feuer gleich; es brennet, wie das brennet und ist gleich dem Hammer, der Felsen zerschmeißt; in andrer Art: gleich dem Tröpflein auf's Gras, Micha 5, das auf Niemanden geharret, noch auf Menschen gewartet hat. Die Meisten hier werden sich auf ein solches Wort besinnen, das auf sie, das an ihnen diese Kraft gewiesen hat, eine befremdende, daß sie sich nimmer hätten von ihm versehen. Wie ein Wölkchen kam ihnen das Wort vor, gleich einer Manneshand, aber es bedeckete schnell den ganzen Himmel über ihnen, also daß sie nirgends bleiben konnten vor dem Regen, der auf sie herabfloß. Nun, auf dergleichen etwas wolle der Herr mich rechnen lassen, daß es in dieser Predigt geschehe, dann soll auch gar nichts mehr davon gesagt werden, ob sie leicht oder schwer sei. Ich lasse vortreten den heiligen Apostel Petrus, wie der angefangen hat vor seinen Zuhörern zu reden.

Apostelgesch. 2, 14-19. Da trat Petrus auf mit den Elfen, hob auf seine Stimme, und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und Alle, die ihr zu Jerusalem wohnet, das sei euch kund gethan, und laßt meine Worte zu euren Ohren eingehen. Denn diese sind nicht trunken, wie ihr wähnet; sintemal es ist die dritte Stunde am Tage; sondern das ist es, das durch den Propheten Joel zuvor gesagt ist: „Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weißsagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Aeltesten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und aus meine Mägde will ich in denselbigen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weißsagen; und ich will Wunder thun oben im Himmel, und Zeichen unten auf Erden, Blut, und Feuer, und Rauchdampf.

Solche Zeichen hat er ja auch gethan. Freilich zur Zeit derjenigen noch nicht, welche hier genannt werden; denn die sollen erst eintreten, wann der große und wunderbarliche Tag des Herrn kommt; der nicht ausbleibt, spricht der Gläubige, und kehrt sich an den Verzug nicht. - Aber Wunder von anderer Art sind geschehen in näherer Aehnlichkeit mit demjenigen, das an jenem ersten Pfingsten geschah, da der heilige Geist herab kam und that, wie ihr wisset. Nein, wahrlich nicht, des heiligen Geistes Ausgießung ist nicht jene einmalige und auf zwölf Männer beschränkte, sondern, wie auch der Apostel sagt: Euer und eurer Kinder ist diese Verheißung und Aller, die fern sind, welche Gott, unser Herr herzurufen wird. Mit den Entfernten sind unsre Väter gemeint, alle Völker des Heidenthums; deren Bekehrung ist das Herzurufen gewesen. - Fast zweitausend Jahre sind seitdem vergangen, - aber für jeden Einzelnen, so wahr Niemand als ein Christ geboren wird, ergeht derselbe Zuruf: Werde du ein Christ! Und da wir durch unsre Sünde uns stets wieder von Christo entfernen, schweigt der Ruf niemals: ein Fest wie Pfingsten ist ein besonders lauter Ruf, auch die Verheißung des Geistes zu empfahn, immer von Neuem wieder zu empfahn. Die den heiligen Dienst am Worte haben, rufen aus: Bringt eure Gefäße her, um die himmlische Ausgießung aufzunehmen, gerade so, wie in der frühesten Zeit. Oder in diesem Ausdruck: Kommt und erfahret es, wie Gott der heilige Geist eingehet in euren Glauben und in euren Gottesdienst und in euren Wandel. Denn diese drei sind es, mit welcher hinankommend ihr einst das große Pfingsten feiern werdet. Der Geist macht:

  1. unsern Glauben: lebendig, gestaltet und einig;
  2. unsern Gottesdienst: Gottes würdig, viel gesucht und erbaulich;
  3. unsern Wandel: richtig, sicheres Schritts und fröhlich.

Das wollet euch in der weitern Rede gleichsam unter die Augen bringen lassen.

1.

Was auch für Klag' erhoben wird aller Orten, daß so wenig Glaube, Religionsglaube versteht sich, unter den Menschen sich finde, wir wollen heute nicht in solche Klag' einstimmen; können es doch auch in dieser Versammlung nicht wohl thun. Der Unglaube hat doch diese Zahl nicht zusammengebracht. Aber anstatt dieser Klage will ich die Frage unter euch werfen: Unterscheidet ihr denn auch einen Glauben, der todt ist, und einen Glauben, der lebendig ist? O, wenn nur aller vorhandene Glaube lebendig wäre! Das ist es, woran es fehlet. Vor denen Petrus auftrat mit den Elfen und redete sie an: Liebe Männer und Alle, die ihr zu Jerusalem wohnet, - glaubenslos waren die nicht, wußten ja von den großen Thaten Gottes etwas, selbst die unter ihnen spotteten, auch die mochten Glauben gehabt haben ebenfalls. So meinet auch meine Rede zu lauter Gläubigen zu gehn. Begegnet darum derselbigen auch mit eurem Glauben, daß wir ihn besehen, wie er zu nennen sei, ob todt oder lebendig. Ihr glaubet an einen Gott, der allmächtig ist, der allwissend und allgegenwärtig ist, der allgütig ist - daß ich dieses nur nenne. Ob dieser Glaube todt oder lebendig sei in euch, nehmt es ab daraus, ob ihr Ehrfurcht vor Gott, Vertrauen zu ihm, Liebe für ihn empfindet. Ich spreche, empfindet; wenn dieses nicht ist, ist der Glaube todt. Ihr glaubt an einen heiligen und gerechten Gott und der das Böse bestraft, geschieht's hier nicht, so in einer andern Welt. Eine andre Welt glaubet ihr, eine ewige Fortdauer unsres Seins, während welcher ein Jeder finden wird, was er durch sein Verhalten hier sich bereitet hat. - Doch dieser große Gedanke, wie wirkt er auf eure Seelen und womit erfüllt er sie? Wenn mit nichts, wenn jemand doch so lebet, als wär' es im Tode mit ihm aus, wenn er gar nicht anders lebet, als derjenige, der an keine Unsterblichkeit glaubt: deß Glaube ist ein todter. Es sei an diesen beiden Proben genug. O, wenn doch die, die von ihrem Glauben bekennen müssen, daß er todt in ihnen sei, wenn diese doch wollten näher treten unter dieses mein Aussprechen ihres Glaubens und es sich wollten sagen lassen vor dieser ganzen Versammlung hier: Erschrecket vor euch selber. Gleichwie ihr euch erschrecken würdet, die blasse Furcht in eurem Angesicht und in allen Gliedern Angst, wenn ihr euch selbst todt sähet, im Sarge liegend, so werde euch bei der Wahrnehmung zu Muth, daß ihr todt im Glauben seid. Wieviel einer todt im Glauben ist, soviel ist er überhaupt todt, als Mensch todt, untheilhaftig alles Lebens, zu welchem ihn doch Gott erschaffen hat und hat ihn zu keiner unvernünftigen Creatur erschaffen. Und ihr wollt noch im Hause Gottes erscheinen, wollt noch die Feste der Christen mitfeiern, ein Pfingsten auch halten, des heiligen Geistes Fest? Komme der über euch hier, einem Brausen vom Himmel gleich und er» fülle der eure ganze Seele mit der Furcht, daß ihr Beleidiger seid des Gottes, der euch nicht unbekannt ist, an den ihr euch doch so wenig kehrt, als wenn es keinen Gott gäbe, der euch die Aussicht in die Ewigkeit aufgethan hat, und ihr betragt euch den Heiden gleich, so wenig laßt ihr die Zukunft in eure Gegenwart eintreten. Ihr nicht zu Entschuldigenden, ihr seid des Fleißes nicht werth gewesen, der auf euren Unterricht gewendet ist, nicht der Gebete werth, die fromme Eltern für euch gethan haben, ihr seid nicht werth gewesen der Bibel und des Gesangbuchs, das euch geschenkt ist und der Schillinge Schulgeld nicht, die für euch ausgegeben sind. Ihr Unwürdigen - so schelte der heilige Geist euch und trete so bei euch ein, ob nicht euer Glaube von den Todten aufwache und sich lebendig zeige.

Aber es giebt deren, ich weißes wohl, deren Glaube ein todter zu nennen nicht ist, weil er irgend wie in ihnen sich reget, irgendwas an ihnen bewirkt und unterscheidet sie hiedurch und dadurch von den Glaubenslosen. Sie haben Gedanken an die Gottheit, freilich noch mehr Gedanken über die Gottheit und nicht allein Gedanken, ein Gefühl auch, das einem sanften Sausen gleich, zu andern Zeiten einem starken Ergriffensein, als würden sie von einem Wetter gefaßt, wie solches in ihnen selbst, in ihrer tiefern Seele aufkommt, bald so, bald von der Herrlichkeit des Himmels über ihnen herabkommt, und ein ander Mal, daß von der Schönheit der Erde das Herz ihnen überwallet vor dem, der das so macht. Ob ich's verwerfe? Nein, aber verlangt nicht, daß ich viel darauf gebe. Schon aus dem Einen Grunde kann ich unmöglich viel darauf geben, weil dieser Glaube - ich will es heißen - gestaltlos ist: beides fehlt, der Umriß und was der Umriß einfasset. Ich begehre, oder lasset mich sagen, das Herz, welches sich selbst versteht, begehrt einen Glauben, der in die Zeit gestellt ist und der in den Raum gestellt ist, eine Offenbarung Gottes in Begebenheiten. So war Israels Glaube einer, der Gestalt doch hatte, darin ein Gott, der Abraham in Mamre erschienen war, und Mose im feurigen Busch, der von Sinai herab seinen Willen kund gethan und mit dem Stabe Sanft und mit dem Stabe Weh das Volk wie ein Kind auferzogen und geleitet. Eine vollkommnere Gestalt hat unsre christliche Religion. Gott hat geredet am letzten zu uns durch den Sohn, Jesum von Nazareth, den Mann von Gott, der Zeit und unter dem Volk, da er seine Mutter hatte, mit Thaten und Wundern und Zeichen bewiesen als der Sohn Gottes, welche der Vater durch ihn that, wie Petrus im weitern Wort von Christo redete. Der Gestorbene, der Wiederauferstandene, der gen Himmel gefahren ist, der mit Wort und Werk, mit dem Wort über sein Werk, wie beides in unserm heiligen Buch vorliegt, der ist eine Gestalt und mit ihm hat unser Glaube eine Gestalt, und eine behaltne Gestalt; nämlich in Folge und in Kraft jenes Pfingstwunders, wo etwas geschah, das gesehen und gehört wurde, hat sich die Kirche Christi gebaut mit Predigt und Sacrament, in welcher Dienst Männer stehn aller Orten und weiden die Heerde Christi, als geschiehts selbst in dieser Stunde - das heiß' ich einen gestalteten Glauben. Wie, stellt er sich euch nicht als vor Augen dar? Ich denke, wer Augen“ hat, der sieht es und kann es nicht ansehn, wer ungläubig ist, ohne daß ihn ein Heimliches, sprecht lieber, ein Heiliges anweht; wer aber Kenntniß des heiligen Geistes hat, der sagt, das ist der Geist vom Herrn, wie er auf mich herabkommt und will mich beschämen vor dieser Menge, als wüßte sie, wie wenig Gestalt mein Glaube hat, wie weit entfernt von Dem dort, deß Bild die gläubige Vorzeit, Christum am Kreuze, in dies Gotteshaus gesetzt hat zum Anschaun unter der Frage: Was gilt dir der? ist derselbe der Versöhner auch deiner Sünde? darum dein Herr und dein Gott? In weß Seele deshalb eine Bewegung entsteht, um deß Seele weht diesen Augenblick der heilige Geist, seinem Glauben eine Gestalt gebend.

Eine Gab' ist der Glaube, beides nach dem, was geglaubet wird, und daß dieses geglaubet wird. Den Jemand sich selber giebt oder macht, der ist der rechte nicht. 1. Cor. 12: Niemand kann Jesum einen Herrn heißen ohne durch den heiligen Geist; - und im dritten Artikel: Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der heilige, Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiliget. Und Christi eignes Wort über den Geist, Joh. 16: Derselbe wird mich verklären; von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen. Darum, was Jemand nimmt von Seinem, von seinem Eignen, es ist das Urtheil Gottes darüber gesprochen; das ist nicht der rechte Glaube. Das kann er nimmer sein schon aus dem Grunde nicht, weil er alsdann so verschieden ausfällt, als die Zahl denkender Menschen groß ist: Jeder hätte seinen besondern. So that ein Micha einst, des Stamms Ephraim, Buch der Richter 17, er machte ein Bildniß und richtete einen Gottesdienst in seinem Hanse an unter einem gedungenen, jungen Leviten. Das hatte kein guter Geist ihn thun lehren, so sich losreißen von dem Glauben Israels. Solches geschah, als kein König in Israel war, und ein Jeder that, was ihm recht däuchte. Was thun in unsern Tagen, die nicht lassen Christum auf dem Königsstuhl sitzen und achten auf den nicht, welchen er gesandt hat, daß derselbe in alle Wahrheit leite, sondern verachten die Stimme des heiliges Geistes? Wie Micha that in Israel, so thun sie in der Christenheit und reißen das Band der Einigkeit entzwei. So viele Häuser, so viele Kirchen, und Prediger darin will ein Jeder selbst sein, eigener Ansicht, wie er es nennt, folgend. Steuern diesem Wesen, richtiger gesprochen, diesem Unwesen, wer kann es? Des Einen Ja will so viel als des Andern Nein gelten. Aber, wenn du kommst, heiliger Geist, wenn dein allmächtiges Wort herabfährt auf die Absonderlichen, ob ihrer so Viele sind in einer Gemeinde, wie nach der Pfingstepistel zu Jerusalem verschiedne Stämme waren, Parther und Elamiter, siebenzehn an der Zahl, wenn du, Geist Gottes, sie anfassest, wie du dort gethan, alsbald thut Jedermann vor seiner eignen Ansicht die Augen zu und der Grund seines besondern Glaubens zerrinnet, wie Sand zerrinnet, sein Glaubenssystem, wie er's gemacht hat, reißt aus- . einander in allen seinen Fugen; da liegt der Bau, der Sturm, in welchem du kamst, hat die Sparren geknickt, die Nägel zerstreut, die Balken gebrochen, die Mauern gestürzt, und auch die Grundsteine sind verschoben. Wo nun hin? Da sieht der Obdachlose nach dem Bau, welchen du aufgeführet und zieht ein, wo er singen hört: Wir glauben all' an Einen Gott, wir glauben auch an Jesum Christum, wir glauben an den heiligen Geist, der in Einem Sinn gar eben hält die Christenheit auf Erden. O, wenn du wolltest dich in dieser Stunde so offenbaren!

2.

Es entstehen auch so allein und erhalten sich auch so allein die Gottesdienste, ich meine die öffentlichen zunächst, bei einem lebendigen, gestalthabenden und einigen Glauben. An den Gottesdiensten wollten wir ferner sehn, wie auf dieselbigen der eintretende heilige Geist wirke, sie Gottes würdig, viel gesucht und erbaulich machend.

Was in unsern Gottesdiensten sei Gottes würdig, oder Gottes unwürdig zu nennen, ich meine, daß sich das als von selber zu Tage legt. Denn Viele sehen den Gottesdienst als in ihr Belieben gestellt, ob sie kommen alle Sonntage, nach dem Gebot des Herrn, du sollst den Feiertag heiligen, oder ob sie kommen nur einigemal im Jahr, die andern Tage bei ihrer Arbeit bleiben oder ihrem Vergnügen nachgehn, allwozu sie geladen werden. Ach, es ist gewiß aller nur einigermaßen frommen Gemüther Betrübniß, zu welchen Dingen man an diesen Pfingsttagen Morgens, Vormittags und Nachmittags hat öffentlich laden dürfen.

Kiel, so lässest du dich laden zur Schmach über dich und zur Schande? Auf einen wie zahlreichen Pöbel in dir wird Rechnung gemacht!

Doch die am Gottesdienste Theil nehmen und fehlen selten hier, wenn sie aber nur hier sind, um zu sehen und gesehen zu werden, bloß um zu hören oder gehört zu werden, Andrer nicht und sich selbst nicht vergessend, wenn sie hier sind: die gleichfalls sind in einem Gottes unwürdigen Gottesdienste begriffen. Um Gotteswillen sollen wir kommen, Gott zur Ehre, das ist das erste Gebot; darnach, was von dessen Erfüllung abfällt für uns, für unsre Besserung und Heiligung, für unsre Beruhigung und Erfreuung, daß wir das nicht verschmähn, ist das andre Gebot in Betreff der öffentlichen Gottesdienste. Trifft dieses Wort Einen, wie ein Pfeil vom Bogen, und macht es ihm einen Schmerz, daß er so selten nur Gott die Ehre giebt und daß er bei unsern Gottesdiensten immer vor der Thüre seines Herzens gestanden sei, Wache zu halten und keinen Gedanken einzulassen, der ihm nicht behaget. Der sich den Augenblick für einen Heuchler erklären hört oder für einen unwürdigen Gottesdiener in andrer Art, er weiß nicht, von welcher Stimme, noch wo sie her kommt. Ich weiß es und will's ihm sagen: Meine nicht, daß, der jetzt redet, es sei, sondern das ist der Geist, der in diesen Minuten das Würdige und das Unwürdige in unsern Gottesdiensten scheidet und der dich treibet, du Getroffener, daß du ein ander Mal draußen lassest, was du so wenig wie einen Hund mit herein nehmen darfst, sondern reinigest dich zuvor, und tretest nicht anders ein, als um Gott im Geist und in der Wahrheit anzubeten; wie Jesus gesagt hat, daß der Vater solche Anbeter haben wolle. Im Geist; d. h. nicht in deinem Geist, wahrlich nicht; meinen und deinen Geist, den kennen wir wohl und wissen es, wie wenig Wahrheit in dem sei. Aber hier ist ein anderer Geist gemeint, jener, in welchem Johannes war, Offenb. 1., an des Herr Tage, jener Geist, in welchem und getrieben von welchem die heiligen Männer Gottes geredet haben: in demselben sollen wir reden hören, beten hören, beten und singen selbst. Sofern du nun in dieser Sache Licht siehest, früher nicht gesehn, und spürest eine heilige Bewegung in dir, so vorhin nicht verspüret - ich meine nicht Einen Mann, du ganze Versammlung, dich meine ich -, so ist dieses eine Bezeugung des heiligen Geistes, daß er unter uns sei und uns zeiget, was für ein Gottesdienst ein Gotteswürdiger sei und welcher nicht, damit unsern Gottesdienst zu einem Gottes würdigen machend.

Und in welcher Stadt, in welcher Gemeinde sich das zuträgt während des Gottesdienstes, wenn der gehalten wird: es möchte nirgends fehlen, daß daselbst die Gottesdienste auch viel gesucht seien. Hört mich sprechen: viel gesucht, ich sage nicht, viel besucht. Denn die Besucher nicht, sondern die Sucher sind die Anbeter, wie der himmlische Vater sie haben will.

Aber wer bringt in die Seele das Suchen hinein? Ihr sprecht, die Prediger; freilich es wirken die Prediger viel dazu, doch die Hörer, behaupte ich, noch mehr, wenn die nicht dem heiligen Geist widerstreben, der sein Werk an ihnen hat wahrlich nicht in dem öffentlichen Gottesdienst allein. Wenn in Jemandes Seele der Gedanke mächtig wird: Was müssen doch die Menschen um dich her von dir denken, daß sie dich nimmer im Hause Gottes sehn? Ein Grieche der alten Zeit wurde für einen Gottesläugner erklärt, weil ihn Keiner hatte opfern sehen - was müssen die Nachbarn, die Freunde, selbst die jungen Kinder von dir halten? Wenn in Jemandes Seele der Gedanke mächtig wird: Wem hängest du doch nach, wem gehest du nach, während Andre dem Worte Gottes nachgehen? Traber setzest du deiner Seele vor und könntest doch Manna nehmen, sie damit zu nähren, das Brod, welches dein Vater in Fülle hat und giebt es, o du verlorner Sohn? Wenn in Jemandes Seele der Gedanke mächtig wird: Du sitzest in deinen Sorgen und kauerst in deinem Leidwesen, an deinen Fingern nagend; auf, gehe hin, wo eine ganze Gemeinde Gottesvertrauender die Hände zu Gott erhebt und die Herzen auch, wo sie hören den Gottestrost und haben eine Freude in ihrem Leide! Geh' hin und siehe, wenn in den Versammlungen da Einem und da Einem die Thräne zwischen den Wimpern steht, eine Thräne, darin, wie im Thautropfen die Sonne, der erhaltene Trost von Gott glänzet: wenn solche Gedanken mächtig werden in Jemandes Seele, davon sage ich, der heilige Geist thut das und er thut dort, was wir nennen, die Gottesdienste zu vielgesuchten machen. Freilich, der Sucher Vermehrung wird auch keine Vermindrung der Besucher sein.

Ich habe verschiedentlich darauf aufmerksam gemacht, daß ihr nicht Rührung und Erbauung für einerlei halten möchtet. Letztre ist die reinere und edlere Frucht der Gottesdienste. Erbauen heißet nicht, wenn nur etwas vorgeht in uns überhaupt und von angenehmer, zur Wehmuth stimmender Art, sondern ganz nach dem Wort, lieber Christ, daß du selbst ein Bau wirst, geworden bist, daß fortwährend an dir gebauet wird. Wenn du siehest, an dir wird etwas niedergerissen, oder zu Anfang, du selbst wirst niedergerissen als nicht wohnlich für eine Christenseele, bei der die drei himmlischen Personen sollen Herberg' finden, nicht wohnlich mehr, du mußt ein andrer werden; wenn du siehest, neu wird Grund gelegt und große Gedanken, schwere 'Gedanken, wie du sie nicht hattest seither, werden in dein inneres Leben geschafft, Felsen vergleichbar, so sicher, und keine lose Erde, du aber hast nur das Zusehn und wirst gehalten, sonst möchtest du das Werk an dir abhalten; wenn nun auf solchen Grund weiter aufgeführt wird, nicht, wie ein Apostel davon spricht, Holz, Heu, Stoppeln, sondern Gold, Silber, Edelstein, 2. Cor. 3, Feuerfestes, davon Du selbst eine innere Wahrnehmung hast: was ich nun werde und immer mehr werde, das ist, was ich nach dem Willen meines Schöpfers habe werden sollen und war es nicht und ward es nicht und würde es nimmermehr durch mich selbst geworden sein - Gott hat sich meiner angenommen, seine Gnadenhand hat er gelegt an mich, in seiner verborgnen Gottesmacht thut er solches an mir: das, liebe Brüder, heißt erbauen, von Rührung verschieden, und ist im Wort nur verschieden, in der Sache eins mit dem, was sonst die Schrift nennet, wiedergeboren werden, aus dem Samen des göttlichen Worts, aus dem Geist geboren werden und was sonst genannt wird: erweckt, bekehrt, gläubig, Christ werden. Uns ist heute das Wort „erbaulich“ gekommen, der aber den Bau macht, ist Gott der heilige Geist und obwohl an keinen Ort gebunden, hat er doch vornehmlich diese Stätte gewählt, da Wort und Sacrament, das heilige Material, wie zur Hand ist: da auch sich finden, die erbauet schon sind und thun nun selbst dazu und können angeredet werden, Brief Jud. 14: Ihr, meine Lieben, erbauet euch auf euren allerheiligsten Glauben durch den heiligen Geist. So tritt der heilige Geist in unsre Gottesdienste ein.

3.

Wenn jetzt die Predigt sich auf unser Drittes kehrt und kann demselben nicht so viel Wort geben wie dem Glauben und dem Gottesdienste gegeben sind - unsre Zeit, vielleicht auch eure Auffassung verstattet es nicht - so erklär' ich und als zum Uebergang: Das ist auch nicht nöthig. O nein, wenn unser Glaube lebendig, gestaltet und einig ist, wenn unsre Gottesdienste Gottes würdig, viel gesucht und erbaulich sind, dann hat es mit dem Wandel auch, wie man spricht, gute Wege. Doch tritt der heilige Geist - und darum lassen wir den Wandel ein Besonderes sein für unsere Betrachtung - doch tritt der heilige Geist in denselben nicht bloß durch die beiden Thüren des Glaubens und des Gottesdienstes ein, sondern ihn selbst nimmt er auch vor und macht ihn: richtig, sichres Schritts und fröhlich.

Wüßte das Jedermann von selbst, wie er wandeln und seinen Gang richten solle, dann hätte Gott keine Gebote gegeben; wüßte das jeder Christ von selbst, so wäre uns nicht mit dem neuen Testament zugleich das alte gegeben. Zwar steht im Neuen, Röm. 10: Christus ist des Gesetzes Ende, allein was folgt? Wer an den glaubet, der ist gerecht. Da folgt aber nicht, daß derselbe alles wisse, was er zu thun und zu lassen habe. Nun ist allerdings eine gute Kunde vom göttlichen Willen mit dem Glauben an Christum verbunden, doch wahrlich, der geschriebene Buchstab' der göttlichen Gebote ist nicht überflüssig neben dem Glauben. Sogar, meine Freunde, würden wir nimmer genug an dem geschriebenen Gesetz haben, wenn wir des begleitenden, auslegenden, anweisenden Geistes ermangeln müßten.

Darum betet David ja auch, Ps. 143: Herr, lehre mich thun nach deinem Wohlgefallen und dein guter Geist führe mich auf ebner Bahn, - an einem andern Orte: Leite mich auf rechter Straße. Und wes Endes hätten bei allen Vorschriften für unsern Gang die Apostel auf den heiligen Gang gewiesen und der ganzen Christenheit noch zugerufen: Wandelt im Geist! O, wer ist noch so reich an Glauben und noch so kundig der Schrift, der sich nicht einmal über das andre wie verlassen von beiden fände, daß sie in einem vorliegendem Fall ihm nicht sagen, ob dies oder das, ob dahin oder dorthin? Loslassen oder festhalten? Den Weg der Strenge gehn oder den der Nachsicht und Milde? So ist's ja in hundert Fällen des Lebens. Wie fänden wir uns zurecht, wenn wir nicht einen Ort fänden, um Gott anzurufen: Herr, lehre mich thun nach deinem Wohlgefallen! Und wie antwortet Gott? Nicht durch Stimmen vom Himmel herab, nicht durch Zeichen, die er uns giebt auf Erden, sondern daß er Gedanken weckt in unsrer Seele und Gefühle in unsern Busen senkt, die wir nehmen als Winke, die Gott giebt und heißen das eine Führung durch seinen guten Geist, lenken auf eine Straße, die wir für die richtige halten. O, wie Viele wohl stehen hier und sagen: Ja, so ist es, Gottes Geist macht unsern Wandel richtig, wenn der zu uns hertritt.

Und befestiget auch unsern Schritt auf der betretenen Bahn. Das stellt sich ja bei jeder bedeutenderen Verändrung ein und nach jeder 'entscheidenderen That, daß nachher Bedenklichkeiten kommen, ob es auch möchte recht gethan gewesen sein, Zweifel, ob auf unserm Weg auch der Beifall Gottes uns begleite, Neigung, stille zu stehn, umzulenken, abzulassen - o, da sind ja die Vielen unter euch, die in Betreff ihres gewählten Berufs z. B. in solchen Zweifeln und Bedenklichkeiten gehn, ich sage richtiger, schweben: was kann euch Ruhe geben, daß ihr euren Weg wandelt mit festem Schritt? Dies wird uns vor allem nöthig alsdann, wenn uns mächtige Hindernisse entgegen treten, wenn die Schwierigkeiten sich aufthürmen, wenn das Gelingen ausbleibt, wenn unsre Freunde, der eine so, der andere anders rathen, wie Ost und West verschieden. Orakel giebts nicht, die wir fragen, Wahrsager, Zeichendeuter nicht, die wir beschicken können; sagt, was uns bleibet in solchen Fällen, als der Geist, der in alle Wahrheit leitet, der heilige Geist, welcher das Rechte recht lehret. Den bitten wir, er macht unsre Schritte sicher.

Was immer uns denn auch begegnen mag: ob auch das Gegentheil von dem, was wir des Wegs erwartet haben, und sollten wir durch die Traurigkeit wandeln: der Geist Gottes schwebet über uns, der Geist beschattet uns und macht, daß wir selbst dann fröhlich wandeln. Es muß ja doch wahr sein - wir haben ja so oft davon gelesen, davon gehört, wer es denn nicht selber erfahren hat in sich -: das menschliche Gemüth könne beides, zu gleicher Zeit traurig und fröhlich, niedergeschlagen und muthvoll sein, weinen vor Kummer und lachen vor Freude, wie wenn nicht Ein Gemüth, sondern zwei Gemüther in demselben Busen wären. Wem ist das zuzuschreiben? Das haben die Erfahrnen einer göttlichen Einwirkung zugeschrieben und haben es den bei ihnen eintretenden Freudengeist genannt, den Geist Gottes, als der kein Trauern liebt. Wie in dieser seiner Eigenschaft der heilige Geist auch den Jüngern verheißen worden, und sie haben ihn auch erhalten in dieser seiner Eigenschaft, sie, an denen er jedoch sich niemals hat gänzlich ausgegeben, sondern, wie geschrieben steht 1. Cor. 12: derselbe einige Geist theilt einem Jeglichen seines zu, nach dem er will. O, Geist Gottes, theile du uns auch mit und lasse in dieser Versammlung Keinen leer ausgehen! Wir bitten nicht um die Gabe, gesund zu machen, um die Gabe, Wunder zu thun oder zu weissagen oder in mancherlei Sprachen zu reden, daß du solche Gaben wieder erneuerst in unsern Tagen, sondern das bitten wir: mache du unsern Wandel richtig, unsre Schritte sicher und wenn uns Trübsal entgegen kommt oder die schon jetzt in Trübsal gehen, mache du fröhlich. Höre du jeden Seufzer, der aus beklemmter Brust aufsteiget, trockne du die Kummerthräne auch, die im Stillen geweint wird; Freudigkeit von dir, du ein freudiger Geist genannt von altersher, geuß über alle Traurigen aus, und den Muth, der sie sagen läßt: geächtet und doch geachtet noch, wohl geschlagen, aber doch nicht geschlachtet, gedrängt, verdrängt und gedrückt, aber doch nicht unterdrückt, und nicht lange währt es. Du giebst zum Hoffen den Grund und zum Harren die Kraft; über ein Kleines, dann ist allen Sachen Wandel geschafft. Des wollen wir Alle froh sein, und so auseinander gehen. Amen.

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