Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - Januar

Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - Januar

1. Januar

Du aber, o Herr! bist unser Vater und unser Erlöser; von Alters her ist das dein Name.
(Jes. 63, 16.)
Und es ist in keinem andern (Namen) Heil, ist auch kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden.(Apost. 4,12)

Gelobt sei sein herrlicher Name! (Ps. 72,19). Sein Name ist eine ausgeschüttete Salbe. (Hohel. 1,3.) Möge er heute all seine Salbung über uns ausschütten, daß wir das ganze Jahr im Wohlgeruche dieser Salbung, in der Kraft dieses heiligsten und heiligenden Namens wandeln! Möge die göttliche Kraft des heiligen Geistes, womit er ohne Maaß gesalbet ist, (Ps. 45, 8) sich nicht nur in unsre Herzen ergießen, sondern in der ganzen Welt ihren belebenden Geruch verbreiten, und nicht nur heute, sondern alle Tage über uns herabströmen, um wie ein kräftiges Oel das ganze Haus unsers Herzens und Lebens mit seinem Geruche zu erfüllen. (Joh. 12, 3.) Er ist Vater, er ist Erlöser, ein väterlicher Erlöser, ein erlösender Vater. So kannten und nannten ihn schon die alten, freuten sich sein, lobten ihn, vertrauten auf ihn, ehe er ihnen so bekannt und genannt war, wie er es uns ist - der herrliche Name, Jesus Christus, Gott hochgelobet in Ewigkeit. Wie sollen wir uns seiner nicht freuen, da er der Grund- und Eckstein unsers ganzen Glaubens und Lebens-Gebäudes ist, unsre einzige Hoffnung, unsre Liebe! Sein Name ist wahrlich eine ganze Bibel, ein Buch Gottes, ein Testament, darin Altes und Neues enthalten, ein Schatzkästchen, worin alle Schätze der Weisheit und Erkenntniß Gottes verborgen; ein Sendschreiben Gottes, wodurch uns der ganze Rathschluß unsrer Seligkeit bekannt gemacht wird; eine Quelle, ein Born, aus dem wir alle göttliche kraft, was wir zum Leben und göttlichen Wandel nöthig haben, schöpfen können. Mit diesem Namen laßt uns ins neue Jahr hineintreten, voll Zuversicht, daß uns in ihm Alles wohl gelingen werde. Mit diesem Namen wollen wir jeden Tag des Jahres, jede Stunde des Tages beginnen und vollenden! In diesem Namen lasset uns arbeiten und ruhen, wachen und schlafen, essen und trinken! In diesem Namen lasset uns Alles thun und Alles leiden! In ihm lasset uns bleiben ewiglich! Amen.

2. Januar

Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, der da ist, der da war, und der da kommt, der Allmächtige.
Offenb. 1, 8.

Ist Jesus A und O, Anfang und Ende, so laß ihn nicht nur dein A, laß ihn auch dein O sein. Fange nicht nur mit Jesus an, ende, vollende auch mit ihm; oder, laß ihn vollenden, was er in dir angefangen hat. Viele bleiben beim A stehen, begnügen sich mit den Anfangsgründen, mit den ersten Buchstaben des Christenthums, mit den ersten Rührungen, oder gar nur mit guten Vorsätzen, mit welchen, wie die Alten sagten, die Hölle gepflastert ist. Die Fortsetzung, die ernste Uebung der Gottseligkeit unterbleibt. (1 Tim. 4, 8. 2 Tim. 3, 5.) Wie will es zum O, zum Ende kommen, wenn man beim Anfange schon sitzen bleibt. Man muß aber doch auch das A nicht überspringen, und nicht zum Ende eilen wollen, ehe man das A recht gelernet, ehe man einen guten Grund gelegt und einen rechten Anfang in und mit Christo gemacht hat. (1 Cor. 3, 11.) Jesus kündigt sich nicht umsonst als A und O an. Er will Alles in dir sein. Wo er einmal A sagt, da will er auch O sagen; wo er anfängt, da will er es auch zum Siege hinaus führen. Sein A ist Pfand, daß er uns auch O sein wolle. Glaube! sei getrost, und wage es.

3. Januar

Verlasset euch auf den Herrn ewiglich, denn Gott, der Herr, ist ein Fels ewiglich. (Jes. 26,4)
Setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi. (1. Petr. 1, 13.)

Verlaß dich auf den Herrn, heißt nicht: Lege die Hände in den Schoos, und kümmere dich nicht um diene Seligkeit; sondern: Geh' mit unerschütterlichem Muthe und grenzenloser Zuversicht an das Werk. Der Herr ist ein unüberwindlicher Fels, eine unbesiegbare Festung nicht nur für sich, sondern auch für dich; wenn du dich in diese Festung hineinwirfst, wird seine Gnade dich bewahren und zu Allem allmächtig stärken. Setze deine Hoffnung ganz auf die Gnade, heißt nicht: Thue nichts, laß die Gnade machen; sondern: Bei allem möglichen Eifer und Streben nach Seligkeit hoffe und vertraue nicht auf dich und deine eigne Kraft; hoffe auf die Gnade, die dich nie verläßt, mit der du Alles vermagst, die aber ohne dich, d.h. wenn du nicht ernstlich willst, dich nicht selig machen kann. So wie du ohne sie Nichts vermagst, so kann und will sie Nichts ohne dich in dir wirken.

4. Januar

Er giebt den Müden Kraft, und Stärke genug den Unvermögenden. Die Knaben werden müde und matt, und die Jünglinge fallen; aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren wie mit Adlersflügeln, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden.
(Jes. 40, 29 - 31.)

Jünglinge, muthige Anfänger, wenn sie auf sie selbst vertrauen, und wähnen, es könne ihnen nun nicht mehr fehlen, wenn sie Luftsprünge machen, über Andere wegspringen wollen, fallen oft jämmerlich zu ihrer Demüthigung. Wer sich aber immer schwach und klein fühlt, soll nicht ermüden noch verzagen, denn der Herr ist seine Kraft. Er ist in den Schwachen mächtig, nicht in den Starken; er giebt Vermögen denen, die sich unvermögend fühlen. Die sich vermögend dünken, läßt er sinken. Ihr also, die ihr eure Schwachheit kennet, beseufzet, verzaget nicht; denn der Herr läßt euch durch seinen Propheten wissen, daß bei hm Kraft genug für euch bereit liege. Holet sie nur durch gläubiges, anhaltendes Gebet. Er giebt den betenden Müden Kraft. O ihr Müden! kommet zur Kraft-Quelle Gottes, zu Jesus, er will euch erquicken. Wer soll verzagen, der Herr ist hier und will stärken; der Allvermögende, Allgenugsame ruft dir; warum willst du nicht zu ihm kommen? warum lieber in deinem Unvermögen liegen bleiben, da der Allvermögende dir seine Hand reicht?

5. Januar

Meine Seele verlanget und sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn.
(Ps. 84, 3.)
Es dürstet meine Seele nach dir, mein Fleisch verlanget nach dir in einem trockenen und dürren Lande, da kein Wasser ist. Daselbst sehe ich nach dir in deinem Heiligthum, wollte gern schauen deine Macht und Ehre.
(Ps. 63, 1.2.)

Wer in den Vorhöfen des Herrn gewesen ist, seine Nähe gekostet und aus seiner Fülle getrunken hat, der fühlt diesen Durst unaufhörlich, dem ist es außer ihm überall zu trocken und zu dürre. Wer das Heiligthum des Herrn, das er sich in gläubigen Seelen erbauet, geschaut, und seine Macht und Ehre, die er da offenbaret und mittheilet Jedem, der sich ihm da nahet, der liegt immer vor der Thüre desselben, um, so bald es ihm geöffnet wird, einzugehen und die Macht und Ehre des Herrn in seinem Heiligthume zu schauen. Sieht es nicht herrlich aus in diesem Heiligthume? Sieht es nicht erbärmlich aus außer diesem Heiligthume? Da, in den Vorhöfen, im Heiligthume des Herrn, fühlt man sich daheim; außer ihm wie in der Wüste, wie in der Fremde. Mit heißer Sehnsucht sucht man es und fühlt sich selig, so oft man es findet. Warum sind Viele so trocken, kalt und leer? weil sie nicht suchen das Heiligthum des Herrn, weil sie sich nicht sehnen nach seinen Vorhöfen, weil sie nicht liegen vor seiner Thüre, nicht warten, nicht harren seiner Gnade; darum wird ihnen nicht aufgethan, darum kommen sie nicht hinein, und schauen nicht seine Macht und Ehre. O kommet doch und verweilet nicht länger im Lande, da kein Wasser ist.

6. Januar

Wendet euch zu mir, aller Welt Ende, so werdet ihr selig. (Jes. 45, 22.) Deine Gnade reichet, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen. (Ps. 108, 5.)

Da sieht man, wie allgemein die Gnade Gottes ist; er ladet Alle ein, Alle, von einem Ende der Erde bis zum andern; Alle sollen kommen, Alle sind berufen, Alle werden angenommen. Denn Gott würde ihnen ja nicht rufen: Kommet von aller Welt Ende, wenn er nur Einen nicht annehmen wollte, wenn er nur Einen zum Verderben bestimmt hätte. Nein, aller Welt Ende sollen nach seiner Absicht und Bestimmung selig werden. Wer es nicht wird, schließt sich selber aus, wird es nicht, weil er selbst nicht will, nicht, weil Gott nicht will. Er ruft dich ja, komm nur! Warum sind noch so viele Menschen, die dieser gnädigen Einladung nicht folgen? Es sollte ja keiner mehr auf Erden wohnen, der nicht längst in die offenen Gnaden-Arme Gottes sich begeben hätte. Warum sagt es nicht Einer dem Andern? Ach, daß sie es Alle wüßten, wie selig er sie machen möchte! gewiß, sie würden Alle Christen. O, er umfaßt mit den Armen seiner Liebe und Barmherzigkeit nicht nur Ein Volk, sondern alle Völker, nicht nur einige, sondern alle Menschen von einem Ende des Himmels bis zum andern! Wie groß, wie weit sind diese Arme! Seele, meinst du, daß nicht auch Platz für dich darin wäre? Gnade, Heil und Seligkeit ist Allen in seinem Schooße bereitet, der sich so weit aufthut, daß jeder Mensch, der kommt, freundliche Aufnahme findet, und wenn sie Alle kommen, Alle Raum genug, Heil genug finden. So weit der Himmel und die Wolken gehen, geht ein Weg, eine Bahn zur Gnade Gottes in Christo. So lange du noch unter dem Himmel und unter den Wolken wandelst, bist du noch immer unter dem Gnadenhimmel; so lange reicht die Gnade auch bis zu dir. Seh' ich den Himmel, die Wolken, so sehe ich noch Gnade, einladende, berufende, beseligende Gnade. Der Himmel und die Wolken verkündigen mir die Gnade ihres und meines Gottes, wo ich sie sehe. Und so darfst du auch jedem Menschen, der unter dem Himmel und unter den Wolken wohnt, bezeugen, daß Gnade für ihn vorhanden sei, und bis an ihn reiche; daß sie für ihn nicht zu kurz wäre, denn sie reicht so weit der Himmel reicht. Miß den Himmel, und du hast die Gnade noch nicht gemessen; denn sie ist größer als der Himmel; wie der, der den Himmel machte, und die Gnade spendet, größer ist als Alles, was er gemacht hat.

7. Januar

Ja, wer kann selig werden? (Matth. 19,25)
Wer bis ans Ende beharret, der wird selig. (Matth. 10, 22)

Es wollen Viele selig werden, aber das wollen sie nicht, was zum Seligwerden und Seligbleiben erfordert wird - beharren in der Gottseligkeit, wandeln in der geschenkten Gnade bis ans Ende. Sie möchten selig in Christo und doch zugleich lustig, oder reich, oder angebetet in der Welt sein. Darum glauben sie an Christum, und lieben dabei die Welt, um von beiden etwas Lust und Seligkeit zu genießen. Sie werden aber beides verlieren und ewig unselig sein. Die Beharrlichkeit ist eine Gnade, die man sich alle Tage auf den Knieen von seinem Heilande ausbitten muß; denn der uns zur Seligkeit berufen hat, kann uns auch allein darin erhalten und fördern. Die Sicherheit, das falsche Wissen der Gnadenlehre, ohne mit dem Herzen in das Element und Wesen der Gnade recht hinein zu gehen oder darin zu bleiben, betrügt Viele, daß sie nicht lebendig bleiben in dem, der sie berufen und erwecket hat; sie schlafen wieder ein, und träumen, daß sie noch leben, da sie doch immer auf dem alten Flecke des bloßen Wissens und Schwatzens liegen bleiben, ohne in der ersten Liebe zu beharren. Wachet! wachet auf, und bittet Eines Bittens um das heilige Feuer der Liebe, das ewig brennt und nimmermehr verlöscht.

8. Januar

Wohl dem, den du erwählest und zu dir lässest, daß er wohne in deinen Höfen, der hat reichen Trost von deinem Hause, deinem heiligen Tempel.
Ps. 65, 5.

Wer wohnt in den Höfen des Herrn? Die Erwählten, denen Jesus an das Herz gekommen ist; die seine Gnade zu ihm gezogen hat, die er täglich zu ihm läßt, die stets seine Nähe finden und seine Freundlichkeit kosten; die haben wahrlich reichen Trost von seinem Hause und heiligen Tempel. Denn wir sind selbst sein Haus und sein Tempel, sagt Paulus, (Hebr. 3, 6. 1 Cor. 3, 16.), wenn wir in ihm bleiben und im lebendigen Glauben und in brünstiger Liebe verharren. Wie kann es uns an Trost fehlen, wenn er in uns wie in seinem Hause wohnt? Wer sollte sich nicht nach diesen Höfen des Herrn sehnen, die so voll Reichthum der Gnade und des Trostes sind? wer nicht mit aller Treue darin bleiben, wenn ihn die Gnade darein versetzt hat? Wer einmal geschmecket hat, wie freundlich der Herr ist, wer seine Nähe einmal erfahren hat, o, der bleibe doch in ihm, der suche doch keinen Trost mehr außer ihm. Denn, so bald er dieses versucht, und ihm der Herr nicht allein genug ist, wird er aus den Höfen des Herrn wieder hinaus gewiesen. Der reiche Trost, der nur im Hause, in der Nähe des Herrn fließt, nur in seinem heiligen Tempel, im Umgange mit ihm, genossen wird, verliert sich, vertrocknet bald außer den Höfen des Herrn, und man wird dann elend, blind, jämmerlich und bloß, wähnend, man sei reich, stark und habe gar satt. (Off. 3, 17.)

9. Januar

Herr, frühe wollest du meine Stimme hören, frühe will ich mich zu dir schicken.
Ps. 5, 4.
Gott, der Herr, ist Sonne und Schild, der Herr giebt Gnade und Ehre, er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.
Ps. 84, 12.
Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter desselben Flügeln.
Mal. 4, 2.

Frühe Morgens, frühe in deiner Jugend, sollst du dich zum Herrn schicken, täglich frühe dich zu ihm erheben. Du kommst ihm nie zu frühe, er ist schon vor dir aufgestanden, deine Stimme zu hören und sein Herz zu deinem Herzen zu neigen. Je früher und herzlicher du am Morgen gleich sein Antlitz suchest, desto herrlicher und kräftiger wird er dir als Sonne aufgehen und als Schild erscheinen, alle Nacht und Finsterniß aus deinem Gemüthe verbannen, dein Herz in Glauben und Liebe fruchtbar machen. Die Gärtner pflegen ihre Pflanzen und Gewächse der Morgensonne auszusetzen; so laß du in den Garten deines Herzens die Sonne der Gerechtigkeit, die dir täglich frühe aufgeht, wenn du sie frühe suchest, scheinen, und fasse ihre wohlthätigen, belebenden, erwärmenden und stärkenden Strahlen recht frühe in dein Herz auf. Die Sonne geht alle Tage auf ohne dein Bemühen; sie wandelt über dir und deinem Garten, ohne daß du sie halten oder führen müßtest. Nur dein Herz mußt du ihr öffnen, oder doch wenigstens nicht verschließen, es nicht bedecken, sondern mit offnem, sehnendem, schmachtendem Herzen dich ihren Einflüssen aussetzen; so wird sie dich erleuchten, beleben und entzünden. Was besonders erfreulich ist an dieser Seelen-Sonne, ist das: Sie geht nie unter, scheint zu allen Jahreszeiten gleich warm und helle; im Norden wie im Süden, im Winter wie im Sommer. Sie kennt keinen Untergang, auch keine Wolken; denn die steigen, wenn sie da sind, und dir die Sonne verbergen, nur aus deinem Moosgrunde auf. Wer sie nie aus dem Auge läßt, den verläßt sie auch nie.

10. Januar

Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Todten, so wird dich Christus erleuchten.
(Eph. 5, 14)
So lasset uns nicht schlafen, wie die andern, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein.
(1. Thess. 5,6)

Ein erweckter Christ, auch der eifrigste, hat sich vor nichts mehr zu fürchten als vor dem Einschlafen. Je höher die Flamme der Inbrunst steigt, desto tiefer sinkt sie herab. Je schneller das Feuer auflodert, desto schneller erlischt es wieder, wenn nicht immer Reiser zugelegt werden. Wer schläft, dem scheint die Sonne nicht. Wer nicht erwacht oder sich nicht losreißt von Trägheit, nicht sein Auge erhebt, den erleuchtet Christus, das Licht, nicht. Wachsamkeit, Nüchternheit muß täglich erneuert werden, sonst werden wir den andern Todten in dieser Welt, die nie vom Schlafe oder Tode erwachten, gleich werden und gleichen Lohn empfangen, wenn wir mit ihnen im Schlafe gefunden werden, von dem, der wie ein Dieb in der Nacht kommt. Paulus schrieb obige Worte auch an erweckte, begnadigte Christen zu Ephesus und Thessalonich, die er übrigens sehr lobte. Aber auch in der besten Gemeinde, unter den Eifrigsten giebt es doch immer Einige, die sich zum Schlafen sehr hinneigen, die immer des Weckens bedürfen, wenn sie nicht im Tode entschlafen sollen. Manche träumen im Schlafe so lebhaft, daß sie sich für wachend und lebendig halten. Sie zürnen, wenn man sie wecken will. Diese haben den stärksten Schlaf, die nur Gott mit einer starken Weckstimme, oder mit tüchtigen Schlägen und Stößen wecken kann. Der Herr wolle durch seine Gnade uns Alle wecken, wir mögen sanft oder stark schlafen. Denn die schlafenden Jungfrauen verschlafen die Hochzeit, und übersehen den Bräutigam. Sie kommen zu spät - nach der Thorsperre.

11. Januar

Euer Herz betrübe sich nicht. (Joh. 14,1.)
Ich will ihr Trauern in Freude verwandeln und sie trösten, und sie erfreuen nach ihrer Betrübniß. (Jer. 31, 13.)
Wen ich lieb habe, den züchtige ich. (Offenb. 3, 19)

Wer glauben kann, daß ihn Jesus liebt, der hat nicht Ursache sich zu betrüben über irgend ein Unglück oder Leiden, die Sünde ausgenommen, die das größte Unglück und Leiden ist, die allerdings Betrübniß verdient. Doch auch darüber soll die Betrübniß nicht zum Verzagen, sondern zum Glauben, zum Trost, zur Freude führen: weil auch der Sünder, so bald er betrübt ist über seine Sünde, gewiß sein darf, Jesus, der Sünder Freund, liebt mich, sucht mich, will mich auf- und annehmen, begnadigen und beseligen. Soll das nicht Freude machen? Außerdem aber kommt gewiß nichts Betrübendes über uns, das uns nicht aus lauter Liebe und Weisheit von dem zugeschickt ist, der uns nur schlägt, um uns zu heilen, nur tödtet, um uns lebendig zu machen. Es sind lauter Liebesschläge, die uns näher zu ihm hintreiben, inniger mit ihm vereinigen sollen. Wir sind böse Kinder, wir folgen Gott nicht aufs Wort; darum muß er uns mit der Ruthe oder Peitsche heimholen. Kommen wir bald, verstehen wir seine Liebe, so weicht auch die Zucht bald. Deine Betrübniß soll dir also nicht die Liebe Jesu verdunkeln, sonst ist sie eine schwarze Wolke aus der Hölle. Bist du betrübt, so denke: Jesus liebt mich, sucht mich, darum betrübt er mich; weil ich ihm noch nicht nahe genug bin, er will mich näher haben, er will mich mehr lieben, als ich mich bisher habe lieben lassen.

12. Januar

Herr, bewahre mich vor dem Stricke, den sie mir gelegt haben, und vor der Falle der Uebelthäter. (Ps. 141, 9)
Vor der Hand der Gottlosen. (Ps. 140, 5)
Vor den Stolzen. (Ps. 19, 14)
Du, Herr, wollest sie bewahren! (Ps. 12, 8)
- ob sie wider dich streiten, sollen sie dich doch nicht überwinden, denn ich bin bei dir, daß ich dich erhalte und herausreiße, spricht der Herr. Ich will dich herausreißen aus der Hand der Bösen. (Jerem. 15, 20.)

Es mag die Sünde, oder das Fleisch, oder die Welt - oder der Satan, oder alle diese Uebelthäter, Gottlosen und Stolzen dich anfechten, dir Stricke und Fallen legen, so kannst du, wenn du nur willst, dennoch bewahret bleiben, kannst herausgerissen und gerettet werden durch die Hand des Herrn. Aber du mußt auch in dieser Hand sein, und nicht mit deiner eignen Faust gegen diese gottlosen Feinde kämpfen. Du mußt dein Herz in die Hand nehmen, und es zu dem Heiland tragen, es in seine Hand legen, und darin liegen lassen, alle Tage, alle Stunden nachsehen (je öfter, je besser), ob es noch darinnen liege. Ist dein Herz, bist du in seiner Hand, fest und beständig; trägst du dein Herz immer wieder zu ihm und in seine Hand, so stehst du fest gegen alle Anläufe deiner Feinde, unüberwindlich in allen Versuchungen; und selbst der ärgste Feind, der Satan, kann deiner Seele nicht schaden, weil sie in der Hand des Herrn ist. Darum entziehe dich nur ihm nicht, reiß dich von Allem, nur von seiner Hand nicht los. Außer ihr bist du ein Spielball der Welt, des Teufels und des Fleisches, und kommst leicht wieder in alle alte Sachen hinein, die du längst verabscheuet hast; wirst von dem Feinde, den du längst besiegt zu haben glaubst, wieder überwunden, und ein Sklave deiner vorigen Sünden. In der Hand des Herrn aber bist du unantastbar. Sie hält dich auch eine verborgene, wunderbare Weise, auch wenn du zu unterliegen scheinst. Und wärest du schon in den Klauen des Satans, kannst Du die Hand des Herrn ergreifen, so reißt sie dich heraus und erlöset dich von aller Gewalt der Feinde und Sünden.

13. Januar

Mein Volk ist müde, sich zu mir zu kehren. ( Hos. 11, 7.) Ihr Uebertreter! gehet in euer Herz. (Jes. 46, 8.)
Wenn die Zerstreuung des heiligen Volks ein Ende hat, so soll alles dieses geschehen. (Dan. 12, 7.)

Die Zerstreuung des Volks Israel ist ein Bild aller zerstreuten Seelen, die, aus dem gelobten Lande des Friedens verstoßen, ohne Tempel und Heiligthum, ohne den Hohenpriester und Opfer, ohne ihren König, außer sich selbst umher irren, suchen Ruhe und finden sie nicht. Kehren sie aber zurück von ihrer Zerstreuung in ihr Herz und suchen sie den Heiland im Heiligthume, so wird alles erfüllt und geschehen, was ihnen verheißen ist; der Herr wird in ihnen wohnen und wandeln. Ihr Zeitenforscher, übersehet dieses Zeichen nicht, und verrechnet euch nicht mit vielen Zahlen. Nur Eins ist noth. Bringet alle Zahlen in Eins, und bleibt bei dem Einen gesammelt, so ist das Reich Gottes in euch schon angebrochen, und was noch kommen soll, wird euch dann auch nicht entgehen. Wer aber im Gegenwärtigen nicht treu ist, wer wird dem das Zukünftige geben? Wer das, was er hat, oder schon haben könnte, nicht brauchet, nicht so ganz darin ist, wer wird ihm geben, was kommen soll? Genommen wird ihm, was er hat. Zerstreuung, Gerede ohne Herz, wenn es auch von heiligen Dingen geschieht, vertreibt den Geist der Gnade, der sich allemal zurückzieht, wenn wir nicht heilig mit dem Heiligen umgehen, wenn wir nur von dem schwatzen, was wir thun sollen, wenn uns der Herr nur im Sprechen von ihm, nicht in seinem Werke antrifft.

14. Januar

Versuchet euch selbst, ob ihr im Glauben seid; prüfet euch selbst. Oder erkennet ihr euch selbst nicht, daß Jesus Christus in euch ist? Es sei denn, daß ihr untüchtig seid. (2. Cor. 13, 5.)

Die Corinther standen im Glauben, waren apostolische Christen, von den Aposteln selbst zum Glauben geführt und in demselben geleitet; dennoch räth ihnen Paulus diese Prüfung, und dringt mit Ernst darauf. Sind wir besser, sicherer, als die Corinther? Sollen wir uns nicht vielmehr alle Tage fragen: Ist Christus in deinem Herzen, oder auf deiner Zunge, nur in deinem Kopfe, in Sprüchen und auswendig gelernten Worten? Wenn Christus, als der gute Baum, in dein Herz gepflanzet ist, so mußt du ihn an den Früchten erkennen. Wo Christus ist, ist Christi Sinn und Leben. Wo der Glaube an Christus ist, sind auch die Früchte des Glaubens und der Liebe. Wo Christus im Herzen ist, da ist die Welt und der Teufel ausgefahren, denn Christus und Belial, Gott und die Welt, können sich in Einer Herberge mit einander nicht vertragen. Hast du den Sinn und Wandel Christi nicht, die Früchte des Glaubens nicht, so hast du auch Christum und den Glauben an Christum nicht. Und hast du ihn nicht, so läßt die Welt und der Satan die Herberge deines Herzens nicht leer stehen, so ist Welt und Satan in dir, denen du heute noch die Herberge aufkünden sollst; und nicht nur das, ohne Verweilen, ohne Bedenken sollst du sie mit ihrem ganzen Anhange hinauswerfen.

15. Januar

Nach dir, Herr, verlanget mich. Meine Augen sehen stet zu dem Herrn. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue? (Ps. 25, 1. 15. u. 42, 3.)
Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke. (Joh. 7, 37.)

Findest du den Heiland nicht in deiner Seele, fühlst du seine heilige Nähe nicht, so ruhe nicht, bis du ihn wieder findest. Suche nicht anderswo, außer ihm, Trost. Schande wäre es, wenn du den so leicht entbehren könntest, ohne den du nicht selig sein kannst; und Verbrechen wäre es, ihn missen und sich nach einem Andern umsehen. Werde daher nicht müde, ihn, wenn er sich dir zuweilen verbirgt, mit Treue, wie die Heiligen des Alten Bundes zu suchen. Er entzieht sich dir nicht, er hat sich nur verborgen, um deine Sehnsucht, dein Verlangen nach ihm zu vermehren. Wirst du müde, läßt du nach, ihn zu suchen, nach ihm dich zu sehnen, so beleidigst du ihn so, daß er sich noch weiter von dir entfernt, und du seine freundliche Gegenwart noch länger entbehren mußt. Wo ist dein Verlangen, wo die Sehnsucht nach ihm? Sieht dein inneres Auge stets nach ihm? Dürstet deine Seele immer nach ihm, nach dem lebendigen Gott? Bist du nicht mit einem bloßen Gedanken, oder einem kalten Begriffe von Gott und Christus zufrieden? Suchst du das Leben, die Kraft Gottes und Christi in deinem Herzen zu spüren? Trachtest du, dahin zu kommen, in die Stille und Ruhe des Gemüthes, in das Allerheiligste deiner Seele, um Gottes Angesicht zu schauen, so weit man es hier schauen kann? Dürste, sehne dich, verlange nach ihm wie David, wie Assaph, und du wirst den lebendigen Gott erfahren wie sie - und mehr noch.

16. Januar

Ich suchte des Nachts, den meine Seele liebt, ich suchte, aber ich fand ihn nicht. Ich will aufstehen, und in der Stadt umhergehen auf den Gassen und Straßen, und suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht.
(Hohel. 3, 1. 2.)

Selig ist eine Seele, die eine solche Sucherin des Heilandes ist, die von solchem Verlangen nach ihm brennet, daß sie Nacht und Tag nur ihn verlangt; die, wenn sie ihn nicht hat, nicht ruhig schlafen kann, sondern aufstehen und ihn in den Gassen und Straßen der Stadt Gottes, d. i. auf allen Wegen des innern Lebens, suchen muß. Das sind wohl die edelsten Seelen, die der Heiland so im Suchen übt, deren Augen so gehalten werden, daß sie ihn nicht sehen und nicht kennen, ob er gleich mit ihnen wandelt, die sonst seine süße Gemeinschaft gewohnt waren, aber nun lange Zeit des Trostes seiner Nähe nicht so oft und so bald, als sie es wünschen, theilhaft werden können, und dabei äußerlich mit Trübsal und innerlich mit Zweifel, Angst und Anfechtung geplagt sind. Je mehr er sich ihnen verbirgt, desto heißer wird ihr Verlangen nach ihm. Je weiter er sich von ihnen zu entfernen scheint, desto inniger suchen sie ihn. Denn sie wissen, es ist nur Prüfung ihrer Liebe, Bewährung ihres Glaubens; sie sind überzeugt: Er kann nicht im Ernste die Menschen verlassen, er kann keine Seele hassen, die ihn liebt, keine fliehen, die ihn sucht. Sein Fliehen will uns nur ziehen - tiefer in das Innere hinein zu dringen. Sein Entfernen soll uns nur ihm näher bringen, und das, was noch zwischen uns und ihm liegt, aus dem Wege räumen, die Scheidewand niederreißen und ihn uns auf ewig schenken.

17. Januar

Sieh, ich will sie heilen und gesund machen, und will sie des Gebets um Frieden und Treue gewähren. - Und werden sich verwundern und entsetzen über all dem Guten, und über all dem Frieden, den ich ihnen geben will. (Jer. 33, 6-9.)

Dein Heiland will dir nicht nur vergeben, sondern dich auch trösten, und nicht nur trösten, er will dich auch heilen von allen deinen Gebrechen, dir Frieden und Treue schenken, wenn dir darum zu thun ist, und du es im ernsten anhaltenden Gebete suchest. Ja, er will dir so viel Gutes, so viel himmlischen Frieden und unaussprechliche Freude und Seligkeit in dein Herz geben, daß du darüber erstaunen wirst und es kaum glauben kannst. Darum setze seine Liebe doch keine Schranken, laß dir alles das Gute von ihm schenken, das er dir zugedacht hat; bleib nicht dabei stehen, daß er dir das vergangene Böse vergeben, laß dich von Grund aus heilen und deine Seele erfüllen mit himmlischen Gütern in Christo. Der dich in der Sünde so lange geduldig getragen hat, will dich nach der Vergebung der Sünde, in der Gnade, weiter tragen und heben, zum Genusse all seiner Heilsgüter. O wenn eine begnadigte Seele den Heiland und seinen Geist in ihrem Herzen frei wirken läßt und ihm durch Leichtsinn oder Zerstreuung kein Hinderniß legt, erfährt sie wunderbare Gnaden und himmlische Segnungen. Aber die meisten Seelen wollen blos die Vergebung der Sünden, nicht Heilung von Sünden, nicht Gesundheit der Seele. Aber ohne diese werden sie auch jene bald wieder verlieren, denn wenn dir die Sünde wirklich und wahrhaftig vergeben ist, so ist dir auch das Herz geheilt, daß du nicht mehr Lust hast zu sündigen.

18. Januar

Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth! Wohl denen, die in deinem Hause wohnen, die loben dich immerdar. Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser, denn sonst tausend. Ich will lieber der Thür hüten in meines Gottes Hause, denn lange wohnen in der Gottlosen Hütten. (Ps. 84.)
Unser Wandel ist im Himmel. (Phil. 3, 20.)

Gottes Haus, Gottes Wohnungen und Vorhöfe sind nicht nur im Himmel unter den vollendeten Gerechten und Engeln, sondern auch hier unten in den gläubigen und begnadigten Seelen, in unserm Allerinnersten des Herzens. Wenn wir da hinein kehren und drinnen bleiben, so sind wir in seinem Hause und in seinen Wohnungen des Friedens; denn wir finden ihn und in ihm den Himmel, wandeln in ihm, wie im Himmel. Finden wir ihn nicht allemal gleich, warten wir aber seiner, und harren wir auf seine Gegenwart, so stehen wir in den Vorhöfen des Herrn, und wenn es da auch manchmal schwer wird auszuhalten, wegen Dürre und Trockenheit, so ist's doch besser als in den Hütten der Gottlosen sich zerstreuen und dem Vergnügen der Sinne und der Welt nachlaufen. Denn wenn wir in seinen Vorhöfen, im Warten auf ihn, verharren, so kommt er gewiß und führt uns bald ein in seine Wohnungen; dann ist alle Mühe des Stunden-, Tage- und Jahrelangen Harrens in einem Augenblick reichlich ersetzt; man lobt den Herrn und singt mit David: Wie lieblich rc.

19. Januar

Ich bin schwarz, aber doch schön, ihr Töchter Jerusalems, wie die Hütten Kedars, wie die Teppiche Salomons. - Sehet mich nicht an, daß ich so schwarz bin, denn die Sonne hat mich verbrannt. Meiner Mutter Kinder zürnen mit mir. (Hohel. 1,5-6)

Die wahre Kirche Christi, so wie die ächten Kinder Gottes, sind schwarz in den Augen der Welt, unansehnlich, theils wegen ihres äußern geringen Standes oder wegen ihrer kleinen Anzahl gegen den großen Haufen der Welt, theils wegen der Trübsale, die sie treffen; aber ihre innere Gestalt ist desto schöner und lieblicher vor Gott. Von außen sehen sie den schlechten Hütten der Kedarener im wüsten Arabien gleich; aber innerlich sind sie wegen der Gaben des heiligen Geistes und der himmlischen Segnungen so herrlich, wie die mit Gold gewirkten Teppiche Salomons. Man ärgere sich daher nicht an der äußeren Schwärze der Braut Christi; sie ist von der Hitze der Verfolgung oder Anfechtung so verbrannt und verdunkelt, daß sie oft einer Elenden und Trostlosen gleicht, über die alle Wetter gehen (Ps. 54, 11.). Sie wird auch nicht nur von Ungläubigen, Juden, Heiden und Türken geplagt, sondern von den Kindern ihrer Mutter, d. i. von solchen, die im Schooße der Kirche sein wollen. Wahre Christen müssen von falschen Brüdern oder äußerlichen Gliedern, die immer mächtiger sind, allezeit Gewalt leiden; aber das macht sie vor Gott schön und herrlich, das reinigt und fegt sie, daß sie ihrem Herrn und Könige gleichen, der, obwohl er der Allerverachtetste war, und von außen gar keine Schönheit hatte, doch der Schönste unter den Menschenkindern war.

20. Januar

Bekehret euch zu mir von ganzem Herzen, mit Fasten, Weinen und Klagen. (Joel 2, 12)
So ihr euch von ganzem Herzen bekehret zu dem Herrn, so thut von euch die fremden Götter. (1 Sam. 7, 3.)
Bekehre du mich, so werde ich bekehret, denn du, Herr, bist mein Gott. (Jerem. 31, 18.)

Es giebt viele sogenannte Erweckte, aber wenig Bekehrte von ganzem Herzen. Du hast einmal die Weckstimme gehört, und bist aufgeschreckt worden aus dem Schlafe, hast gebetet, geseufzet, geweint, bist gerührt, getröstet worden und eine Zeitlang sehr fromm gewesen; aber dann hast du wieder nachgelassen mit dem innern Eifer und Anhangen an den Herrn. Zur Beruhigung aber treibst du das Aeußere, Beten, Lesen, Singen, Predigt hören, fort, dein Herz hängt aber wieder an der Welt, am Geld oder an der Ehre; ist noch dem Zorn, oder Neid, oder andern Neigungen und Leidenschaften ergeben. Der kindliche Umgang mit dem Heiland ist dir fremde oder lästig. Du hast die alten Götzen behalten, oder wieder hervorgesucht, und ihnen nur einen andern Anstrich gegeben, oder ein anderes Mäntelchen umgehängt. Du bist nicht bekehrt. Eile und errette dich, flehe: Bekehre du mich, Herr, so werde ich bekehret. Daran sollst du dann erkennen, ob du wahrhaft bekehrt bist oder nicht, wenn der lebendige Gott oder Christus in deinem Herzen, wenn sein Sinn und Wesen dir eingeprägt ist und aus dir hervorleuchtet; wenn die Götzen der Eigenliebe, Ehrsucht, Eitelkeit, der Habsucht rc. gestürzet, und Glaube, Friede, Demuth, Freundlichkeit, Treue, Geduld rc. als Früchte wahrer Bekehrung an ihre Stelle getreten sind.

21. Januar

Sehet zu, lieben Brüder! daß nicht Jemand unter euch ein arges ungläubiges Herz habe, das da abtrete vom lebendigen Gott; sondern ermahnet euch selbst alle Tage, so lange es heute heißet, daß nicht Jemand unter euch verstockt werde durch Betrug der Sünde. (Heb. 3,12. 13)

Der Apostel fand diese Warnung bei den ersten Christen, die durch ihn oder andere Apostel des Herrn erweckt und geführt wurden, für nothwendig; wie vielmehr wird sie für uns nöthig sein? Ach, wie leicht fällt man zurück, wird wieder lau, und endlich umempfänglich für alle Gnadenrührungen - woraus nach und nach Verstockung geboren wird. Es ist nichts listiger als die Sünde, sie betrügt so leicht wieder den, der ihr abgesagt hat, aber nicht ganz, oder sich nicht beständig vor ihr fürchtet, sein Herz nicht mit Demuth bewahrt und nicht kindlich an dem Herrn hängt. Es versteckt sich nach und nach etwas Arges und Schlechtes im Herzen, macht dasselbe ungläubig, und es fällt ab vom lebendigen Gott, bleibt am todten Buchstaben, an Formen und gewohnten äußern Uebungen hängen. Aber der lebendige Gott, Christus und sein Geist, sein Friede und seine Nähe ist aus dem Herzen gewichen. Was kann und wird aus einem solchen Christus-leeren, gottlosen Herzen werden? Es zieht ein Anderer ein, der mit sieben Aergern kommt. Warum sagt Paulus: vom lebendigen Gott? Darum, weil Gott für uns ein todter Gott ist, wenn er nicht in uns lebt. Gott ist in sich immer lebendig, aber für dich ist er nichts, wenn du sein Leben und Wesen, seine Gnade und Kraft nicht in dir spürst. Du hast dann nur die todten Götzen der Buchstaben ohne Geist, der leeren Worte ohne Leben. Das wirket die Täuschung der Sünde. Sie läßt dir einen todten Gott auf der Zunge, ohne Geist im Herzen, äußere Uebungen ohne inneres Leben; wenn nur Gott, Christus nicht in dir lebt, damit sie ihr Wesen in deinem Herzen treiben kann. Es muß aber umgekehrt sein, die Sünde muß im Innern getödtet werden, und Christus muß darin leben, sonst bist du abgetreten vom lebendigen Gott, und deine frommen Uebungen werden dir zu todten Götzen, die das Herz verhärten und verstocken.

22. Januar

Die Schlange betrog mich also. 1 Mos. 3,13.
So kam der Betrug in die Welt. B. Weish. 14,21.
Betrüget eure Seelen nicht (mit Einbildungen). Jer. 37,9.
Niemand betrüge sich selbst. 1. Kor. 3,18.
Lasset euch von niemand betrügen mit vernünftelnden Reden. Kol. 2,4.

Bist du besser, fester, weiser, als Eva war im Paradise? Und sie ward betrogen. Konnte die Schlange den Menschen im unschuldigsten, paradiesischen Zustande betrügen, warum dich nicht, der du schon in Sünden geboren und erzogen bist? Merke dir also, was deine Mutter Eva von sich bekennt. Wie viele eitle Gedanken und Einbildungen erwachen im Herzen des Menschen, die uns Betrügen können? Wie viele Vernünfteleyen in deinem bestochenen Verstande, wie viele scheinbar gute Vorschläge von Seiten der Freunde oder Feinde? Darum warnen dich die Propheten und Apostel, und die Erfahrung aller Frommen: Sey auf deiner Hut, und bleibe in dem, der Dir zur Weisheit von Gott gemacht ist. Wer an ihm kindlich hängt, ihm, nicht sich selbst vertraut, zu ihm ohne Unterlaß, bey jedem Beginn, bey allem Thun und Lassen aufblickt, ohne Ihn nichts thut, der wird nicht betrogen, selbst von der listigen Schlange nicht; denn Jesus kann und will ihr den Kopf zertreten, ihre List und Kraft vereiteln, und uns aus all ihren Schlingen retten. Wer sich aber nicht fest und beständig an den hält, der das Haupt ist, der wird bald in seinem ersten Eifer nachlassen, und erkalten. Die Welt, der Satan, laue Freunde werden ihm gerne den Dienst thun, ihm zu beweisen, daß sein erster Eifer übertrieben, seine warme Liebe zu Christus Ueberspannung gewesen sey. Er wird es um so lieber glauben, da er nun schon mit Fleisch und Blut zu Rathe gegangen, und die Stimme derselben von der Stimme des heil. Geistes nicht mehr unterscheiden kann. Lasset euch nicht betrügen! Denkt an Eva, an Lots Weib. Jene betrog eine kleine Lust, diese ein neugieriger Blick. Aus kleinen Untreuen entstehen große, schreckliche Uebel. Lasset euch nicht betrügen.

23. Januar

Das sind Brunnen ohne Wasser - die recht entronnen waren, und nun im Irrthume wandeln; denn so sie entflohen sind dem Unflath der Welt durch die Erkenntniß des Herrn und Heilandes Jesu Christi, werden aber wieder in dieselbige verflochten, und überwunden, ist mit ihnen das Letzte ärger worden als das Erste. 2 Petr. 2,17-22

Die tiefsten Brunnen können erschöpft, und ohne Wasser werden, und der Frömmste kann gottlos werden. Wer entronnen ist, kann wieder gefangen und überwunden, in das alte Wesen wieder verflochten werden. Das thut Petrus dar durch Beispiele und Erfahrungen aus seine Zeit. Möchten wir nicht auch solche Beispiele und Erfahrungen haben! Liefere wenigstens du nicht dergleichen, lieber Leser! Sey nur nicht sicher, und rühme dich nicht. Vertraue nicht auf dich selbst, vertraue allein auf den, der alle Dinge trägt mit dem Worte seiner Kraft. Er kann, er wird dich halten, wenn du in ihm bleibest. Es giebt der Brunnen leider nur zu viele, die den Schein, die Gestalt der Brunnen haben, aber keinen Tropfen Wasser des Lebens geben. Worte genug, aber kein Wesen, keine Salbung, keinen Geist. Hüte dich vor solchen Brunnen. Warum willst du verweilen dabey, du mußt verschmachten, wenn du dir die Quelle des lebendigen Wassers nicht selbst suchest bey dem, der da sagte: Wer an mich glaubt, von deß Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen, Joh. 7,38. Wo diese Lebensströme nicht fließen, da suche deinen Durst nicht zu löschen, wenn du anders darnach dürstest, und die Quelle aus Erfahrung kennest. Wo nicht, so bist du selbst ein Brunnen ohne Wasser und wirst wieder in den Unflath fallen, wieder in das wüste Wesen der Welt verflochten, ärger werden als du warest. Willst du aber mit Ernst selig werden und selig bleiben, so kannst du; die Quelle ist nahe, ist offen für alle, die da dürsten, kommen und trinken. Ist Jesus in dir, so ist der unversiegbare Strom des Lebens in dir, dem es nie an Wasser fehlt. Darum bleibe in ihm, und laß ihn in dir seyn, so wirst du kein Brunnen ohne Wasser werden; dein Brünnlein wird immer reichlich Wasser geben, daß du und die Deinigen täglich ihren Durst löschen können.

24. Januar

Stehe auf, Nordwind, und komm, Südwind, und wehe durch meinen Garten, daß seine Würze triefen. - Mein Freund komme in seinen Garten, und esse seiner edlen Früchte. - Ich komme, meine Schwester, liebe Braut! in meinen Garten. Hohel. 4,12-17. und 5,1.

Die wahre lebendige Kirche Christi, so wie jedes Glied derselben, jeder wahre Christ, ist ein Lustgarten Gottes, den Christus gepflanzet und fruchtbar gemacht hat, den er mit lebendigem Wasser des Geistes begießet, der verschlossen, umgeben mit göttlichem Schutze, dem innern Zustande nach unbekannt und verborgen ist den Leuten dieser Welt. Oft ruft die Seele: Komm, heiliger Geist! der bald wie der kalte Nordwind straft und züchtigt, bald wie der sanfte, milde Südwind erwärmt, erquickt und tröstet, daß seine Würze, Buße, Glaube und Liebe mit all ihren Früchten reichlich triefen. Ja, die Seele seufzet und flehet um die Gegenwart des Gärtners selbst, wenn sie ihn misset, und er kommt und besucht seinen Garten, ihr Herz, und segnet und pflegt ihn, wie es recht ist. Wie steht es doch in deinem Garten? Was findet dein Gärtner, wenn er kommt? Hast du ihn lieb? Wünschest du seinen Besuch? Wehet sein Wind durch deinen Garten? Triefen deine Würze? Kommst du dem Freunde, dem einzigen Gärtner in seiner Art, mit heiliger Sehnsucht, inniger Liebe, herzlichem Verlangen, ihm zu gefallen, entgegen? Oeffnen und richten sich alle Blumen, alle Begierden deiner Seele, gegen ihn? Sieht er dieses in dir, o wie bald, wie oft wird er seinen Garten besuchen! Wie sorgfältig ihn pflegen! wie herrlich ihn halten!

25. Januar

Wohl dem, den du, Herr, züchtigest, und lehrest ihn durch dein Gesetz. Ps. 94,12.
Er strafet und züchtiget, er lehret und pfleget, wie ein Hirt seine Heerde. Sir. 18,13.
Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wirr von dem Herrn gezüchtiget, damit wir nicht mit dieser Welt verdammet werden. 1. Kor. 11,32.

Wo ist ein Kind, das keine Zucht bedarf? Welche Gnade, wenn uns der Herr nicht auf unsern eignen Wegen wandeln läßt, sondern uns in den Weg tritt und uns in Zucht nimmt, uns durch Prüfungen, Demüthigungen, Leiden oder Verfolgungen die Abwege mit Dornen verzäunt, daß wir uns nicht von ihm entfernen können, nicht verblendet, verhärtet und verstocket werden, sondern ihn suchen und bey ihm bleiben müssen! Welche Gnade, wenn er uns allen Trost von außen anzieht, alle Stützen aus den Händen schlägt, damit wir nur in ihm unsern Trost und unsre Hülfesuchen müssen! Für Züchtigungen, Leiden und Prüfungen haben alle Heiligen Gottes mehr gedankt, als für Freuden und Segnungen. Einst werden auch wir dafür danken, wenn wir es jetzt noch nicht thun können, weil wir es noch nicht verstehen. Ohne Zucht, ohne Anfechtung kann Keiner Gott-gefällig werden, Keiner das Wort Gottes recht verstehen lernen. Zucht, Anfechtung ist auch ein Schlüssel zur Bibel, der uns viele Geheimnisse Gottes aufschließt, die wir ohne denselben nie erkennen lernen würden.

26. Januar

Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Ps. 62,2.
Sey stille dem Herrn und warte auf ihn. Ps. 37,7.
Der Herr war nicht im Erdbeben, und nicht im Feuer - aber nach dem Feuer kam ein stilles sanftes Sausen. 1. Kön. 19,12.

Das Bild der Sonne spiegelt sich nur im Wasser, wenn es ruhig, still und glatt ist. So Gott in der Seele. Es giebt Fromme, die in ihren Gebeten so viel mit Gott zu reden haben, daß Gott nicht zu ihnen reden kann, weil sie ihm nicht Zeit dazu lassen. Sie warten nicht auf Antwort. Sie haben dem lieben Gott so viel zu sagen, daß er ihnen nichts sagen kann. Ein Wort, das Gott zu dir spricht, ist besser als tausend, die du zu ihm sprichst. Auch ist stille seyn vor seinen Füßen mit Maria, und sein unruhiges, ungestümes Herz vor ihm in Ruhe bringen, um seine erhabenen tiefen Eindrücke in sich aufzunehmen, sein Antlitz zu suchen und sich an seiner Gegenwart erfreuen, tausendmal besser, als mit Martha sich viel zu thun machen. Das sanfte Wehen, in dem Elias den Herrn fand, kannst du in deinem Herzen nicht wahrnehmen, und also auch den Herrn nicht in dir erfahren, noch seine Nähe genießen, wenn es in dir stürmt, oder das wilde Feuer der Natur lodert. Denke dir dich und deinen Heiland allein in deinem Kämmerlein deines Herzens, und sperre die Welt nicht nur aus deiner Kammer, sondern auch aus deinem Herzen hinaus; besänftige dein Herz von allen unordentlichen Bewegungen, so wird das sanfte Sausen des Geistes Gottes in die Fluten deines Herzens wehen, und der Herr in seinem heiligen Tempel sich spüren lassen.

27. Januar

Aber Mose allein nahe sich zu dem Herrn, und lasse jene sich nicht hinzu nahen, und das Volk komme auch nicht mit ihm herauf. 2. Mos. 24,2.
Der Herr ist in seinem heiligen Tempel, es sey vor ihm stille alle Welt,Hab. 3,20. und alles Fleisch. (Sach. 2,13.

Wer sich dem Herrn in seinem Innern recht nähern will, darf nicht mit einem zerstreuten Herzen kommen. Das Herz muss sich, wie Moses, allein auf den Berg des Herrn, zum Gebete, erheben, und Aaron, die Aeltesten und das Volk, d. h. alles, was uns im vertrauten Umgange mit dem Heilande stören könnte, ferne und unten am Berge lassen. Der Herr will die Seele ganz allein und abgeschieden haben, um ihr sein lebendiges Gesetz in das Herz zu schreiben, nicht auf steinerne Tafeln, wie den Moses, sondern auf fleischerne. Mußte dort Moses so abgesondert und allein seyn, um das steinerne, tödtende Gesetz des Buchstabens zu empfangen, wie viel mehr muß die Seele abgeschieden seyn, wenn sie sich Gott und ihrem Heilande naht, um den belebenden Geist in sich aufzunehmen; und das Gesetz, das da lebendig macht, in ihr Herz und in ihren Sinn schreiben zu lassen. Soll Gott, Christus der Schreiber in deiner Seele seyn, so mußt du stille und deine Seele rein von allen anderen Dingen seyn; jede unruhige Bewegung deines Herzens hindert den heiligen Schreiber, störet den sanften Sprecher, daß er nichts in deinen Sinn schreiben, nichts in deine Seele hineinsprechen kann.. Laß alle pöbelhafte Gedanken, alle eitle Wünsche, alle weltlichen Begierden, laß die ganze Welt, laß alles unten im Thale der Vergessenheit und Entfernung stehen, und komm zum Herrn mit einem Schüler-Herzen, das nur horcht, das nur empfangen , nur aufnehmen und erfüllen lassen will die Leere seines Innern.

28. Januar

Der Mensch prüfe sich selbst.1. Kor. 11,28.
Ein jeglicher aber prüfe sein eignes Werk. Gal. 6,4.
Ich weiß, mein Gott, daß du das Herz prüfest, und Aufrichtigkeit ist dir angenehm. 1. Chron. 30,17

Aus der Vernachlässigung der täglichen Selbstprüfung entsteht bey Frommen viel Schaden und Unheil. Man kennt sich und sein Verderben nicht, wenn man sich nicht immer mit prüfendem Auge selbst beobachtet. Das Herz fühlt dann keine Noth, und ohne Noth keinen Drang zum Gebet, keine Ursache zur Demuth, es beugt sich nicht, betet nicht, wenigstens nicht dringend und ernstlich; viele böse Neigungen schleichen sich ein und nisten in dem Herzen. Man spricht Worte ohne Kraft, rühmt sich der Gnade, ohne sie zu gebrauchen, ohne sich von ihr züchtigen zu lassen, (Tit. 2, 12) ohne die weltliche Lust zu verleugnen und züchtig, gerecht und gottselig zu leben. Prüfe dich selbst, oder der Herr prüft und züchtigt dich mit einer scharfen Ruthe. Stelle dich oft vor dem allsehenden Auge dar, wie du bist; und sprich aus dem Innersten deiner Seele: Herr, vor dir ist all meine Begierde, mein Seufzen ist dir nicht verborgen. Ps. 38, 10. Laß die Augen, die wie Feuerflammen alles durchdringen, recht oft in die geheimsten Falten deines Herzens schauen. Fürchte dich nicht; was du vor ihm aufdeckst, schadet dir nicht; aber was du vor ihm und vor dir selbst verbirgst, wird ein schleichendes Gibt, und endlich Stoff fürs Feuer zum Verbrennen; es zieht ein schweres Gericht nach sich. Aufrichtige Seelen, die den Herrn stets ins Herz schauen lassen, liebt der Herr, heilt sie, tröstet, reinigt, stärkt und beseligt sie. Sey aufrichtig, wenn du nicht gerichtet werden willst.


29. Januar

Wer wird mich scheiden von der Liebe Christi? Trübsal? oder Angst? oder Hunger? oder Blöße? oder Gefahr? oder Verfolgung? oder Schwert? u. s. w. Röm. 8,35-39.

Wer kann diese Worte dem Apostel in Wahrheit nachsprechen? Wer ist so voll Liebe zu Christus, daß ihn, ich will nicht sagen, Feuer und Schwert, große Angst und Verfolgung, sondern nur eine kleine Versuchung oder Prüfung, wo er etwas verleugnen, ein kleine Unrecht, ein hartes Wort oder einen Schaden dulden soll; wer ist so stark in der Liebe, daß er es um Christi willen tragen und in der Liebe zum Heiland, in der Liebe zu Freunden und Feinden bleiben kann; daß ihn in seinem Herzen nichts scheidet von der Liebe Christi? Machen wir also diese schönen Worte nicht zu Lügen in unserem Munde, wenn wir die Kraft nicht im Herzen haben, und im Wandel beweisen. Mancher möchte wohl in seinem Sinne große Leiden und Prüfungen aus Liebe zu Christo erdulden, ehe er die kleinen tragen gelernt hat, die ihn täglich drücken. Es scheint auch schwerer zu seyn, sich in täglichen Geduldübungen nicht von der Liebe zu scheiden, als durch große Verfolgungen und schwere Leiden sich von Christo nicht abwendig machen zu lassen. Beides muß vom Heilande erbeten und erharret werden. Die von Gott im Herzen durch den heiligen Geist ausgegossene Liebe kann Alles überwinden, läßt sich durch nichts von ihrer Quelle scheiden, so wenig als die Hitze vom Feuer oder Licht und Wärme von der Sonne. Aber die eingebildete Liebe, die nur in Worten oder in der Idee besteht, kann nichts überwinden, und kann - freilich auch nicht von Christo geschieden werden, weil sie nicht bey und in Christo, sondern nur Wahn und Einbildung ist - sie kann nicht sterben, weil sie nicht lebt - aber eben darum auch nichts tragen.


30. Januar

Du aber, o Mensch Gottes! siehe solches; strebe aber nach der Gerechtigkeit, der Gottseligkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmuth. 1. Tim. 6,11
Halte dich an das Vorbild der heilsamen Worte, die du von mir gehöret hast, in Glauben und Liebe in Christo Jesu. 2. Tim. 1,13

So wollte der Apostel den Kraft-Glauben, nicht blos den Kopf- und Maul-Glauben eingeprägt, und im Wandel die Früchte des Glaubens lebendig dargestellt wissen; indem er vor Menschen warnet, die ihren Glauben durch Geiz verloren haben. Kein Lasterhafter, kein Sündendiener kann wahrhaft glauben. Glaube hebt die Sünde oder Herrschaft der Sünde auf, und die Sünde hebt den Glauben auf. Sie sind einander entgegen, wie Geist und Fleisch, wie Feuer und Wasser, wie Licht und Finsterniß. Ein gemahltes Feuer kann sich wohl mit Finsterniß schwesterlich vertragen, so kann auch ein gefärbter Glaube in einem sündigen Herzen und Sinn mit allen Leidenschaften einträchtig zusammen wohnen. Aber der wahre, lebendige Glaube ist voll Kraft und Liebe, voll Gerechtigkeit und Gottseligkeit, voll Demuth und Geduld, und treibt Alles von sich, was diesem entgegen ist, schafft, wirket Alles, was dazu förderlich ist. Also, du o Mensch Gottes, der du dich Jesu Christi und seiner Gerechtigkeit rühmst, lies da dein Capitel 1. Tim. 6,11. was Paulus für einen Glauben predigte, ob er der deinige ist?

31. Januar

Ist dein Herz richtig, wie mein Herz mit deinem Herzen. 2. Kön. 10,15.
Wie kannst du sagen, du habest mich lieb, da dein Herz doch nicht bey mir ist. Richt. 16,15.

Diese zwey Fragen haben Menschen an Menschen gestellt. Wie vielmehr darf und wird der Herr solche Fragen an uns stellen? Fordert die schändliche Delila Simsons Herz, um ihn verführen und tödten zu können; fordert Jehu von Jonadab, daß sein Herz richtig gegen ihn stehe, um ihm die Hand zu bieten und ihn zu sich auf den Wagen steigen zu lassen; wie! soll der Herr, dein Heiland, dein Herz nicht wollen, nicht fordern, daß es richtig mit deinem Herzen gegen ihn stehe, daß es beständig mit und bey ihm sey, um dir das Leben und seine ewige Herzens-Gemeinschaft schenken zu können. Ohne dein Herz kann dir Jesus nicht Jesus, nicht Heiland seyn. Wie soll er es selig machen, wenn du's ihm entziehst? wenn es nicht bey ihm ist? Hängt dein Herz nicht an ihm, wie eine Klette am Kleide, wie das Kind an der Mutterbrust; so kannst du ohnmöglich Leben und Kraft, Frieden und Heil von seinem Herzen empfangen. Herz an Herz, Herz in Herz, so will's dein Heiland haben. Wir sind versichert, daß sein Herz immer zu uns gerichtet ist. Wo ist das unsrige? Seele, ruft er: Ist dein Herz richtig, wie meines mit deinem? Wie kannst du sagen, du liebst mich, da dein Herz doch nicht bey mir ist, sondern sich in andern fremden Dingen zerstreut? - O Herr! läutere meine Nieren und mein Herz! Ps. 26,2. Neige mein Herz zu deinen Zeugnissen. Ps. 119,136.

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