Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - Februar

Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - Februar

1. Februar

Hiskia hing dem Herrn an. 2. Kön. 18,6.
Meine Seele hanget dir an, deine rechte Hand erhält mich. Ps. 63,9.
Wer dem Herrn anhängt, der ist Ein Geist mit ihm. 1. Kor. 6,17
Das ist meine Freude, daß ich mich zu Gott halte, und meine Zuversicht setze auf den Herrn. Ps. 73,28

Wenn ein Mensch einem Menschen anhängt, so richtet er sich ganz nach ihm, sieht nur auf ihn und auf alle seine Winke, läßt sich ganz von ihm leiten; wacht und schläft, arbeitet und ruht, ißt und lebt gern mit ihm und bey ihm, kann nicht ohne ihn leben, und wenn er auch nicht leiblich bey ihm seyn kann, so ist doch Herz und Sinn bey ihm. Hängst du nun so an dem Herrn, wie Menschen an Menschen hangen, so ist es nicht schlecht um dich bestellt. Aber dein Anhangen an den Herrn soll noch tiefer gehen. Nicht nur dein Mund und Auge, dein Herz, deine Seele soll am Herrn hängen, dein Geist Ein Geist mit Jesu seyn. Du sollst die Winke seiner Augen verstehen und befolgen, wie dein ganzer Körper die Regungen deines Willens versteht und verfolgt. Deine Hand, dein Fuß richtet sich oder bewegt sich nur nach deinem Willen; dein Wille lebt, regt und bewegt sich in deinen Gliedern, so sollst du in Jesus, so Jesus in dir seyn; so sollst du dich von ihm leiten und bewegen lassen. Wer weiß, was ihm Jesus ist, und was er ohne Jesus seyn würde, der hängt mit ganzer Seele, mit Leib und Geist an ihm, der ist ein wahres lebendiges Glied am Leibe Jesu, weil er von Jesu beseelt und regiert wird, wie die Glieder seines Leibes von seiner Seele belebt und regiert werden.

2. Februar

Kehre wieder, du abtrünniges Israel, so will ich mein Angesicht nicht gegen euch verstellen. Jerem. 3,12
Kehre dich zu mir, denn ich erlöse dich. Jes. 44,22
Gott will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß sich jedermann zur Buße kehre. 2. Petr. 3,9.

Wer ist der Fromme, der sich nie, der sich nicht oft vom Herrn abwendet, und den Blick auf sein Angesicht verliert? Doch selig bist du, wenn du dich, so oft du dich von ihm wegwendest, gleich wieder zu ihm kehrest; und hättest du des Tages hundertmal Seiner vergessen, wenn du nur hundertmal sein Antlitz wieder suchest. Aber wenn du wegbleibst, in der Abkehr und Vergessenheit des Herrn verharrest, so entsteht eine Abtrünnigkeit, eine gänzliche Abwendung vom Herrn, eine Scheidung zwischen dir und ihm. Dann verliert das Herz, wenn es auch noch wollte, den Muth, zu ihm zurück zu kehren, es denkt: Er nimmt mich nicht mehr an; Er hat sein Angesicht gegen mich verstellt, hat mich verlassen. Das sind aber falsche Gedanken; denn in seinem Worte steht es anders geschrieben, als in deinem abtrünnigen Herzen. Er ruft dir, er will, das abtrünnige Israel soll sich wieder zu ihm kehren, er will keine Seele, auch die abtrünnige nicht, verloren, sondern lieber gerettet sehen. O möchten alle kommen, die sich vom Herrn, der ihnen früher so freundlich nahe war, mehr oder weniger abgewendet, ihn aus den Augen und aus dem Herzen verloren haben, möchten sie sich doch wieder zu ihm kehren! Wie gern würde er sein freundliches Angesicht wieder zu ihnen wenden, und sich von ihnen finden lassen!

3. Februar

Seyd nüchtern und wachet, denn euer Widersacher, der Teufel, gehet umher, wie ein brüllender Löwe und suchet, welchen er verschlinge. Dem widerstehet fest im Glauben. 1. Petr. 5,8.9.
Der Gott des Friedens zertrete den Satan plötzlich unter eure Füße. Röm. 16,20.

Du hast einen mächtigen Feind, den du nicht siehst, und den die ganze Welt nicht glaubt, dessen Daseyn und Einwirkung sie für Schwärmerey und Unsinn hält. Desto mächtiger und gefährlicher ist seine Einwirkung. Die Apostel Petrus und Paulus kannten und glaubten ihn, warnten ihre Gläubigen vor seinen nicht eingebildeten, sondern wirklichen und gefährlichen Nachstellungen. Was ist fürchterlicher, als ein brüllender Löwe? Wie behutsam würdest du seyn, wenn du einen solchen in der Nähe, und dich von ihm bedroht wüßtest. Sollten aber teuflische Nachstellungen nicht viel schrecklicher und gefährlicher seyn? Ihn leugnen oder sein Umhergehen, seine Lust zu verschlingen nicht glauben, das schützt dich wahrlich nicht vor ihm. Was denn? Glauben, ernster Widerstand im Glauben und beharrlichem Gebete. Wer ihn nicht glaubt, ihm nicht widersteht, ist schon in seinen Schlingen. Wer glaubt, aber nicht wachet, nicht betet, wird in seinen Rachen fallen, und nicht ohne schwere Wunde davon kommen, wo nicht ganz verschlungen werden. Er hat das Haupt, Christum, angefallen und versucht. Wird er die Glieder, die Jünger, fürchten und verschonen? Wir sind ihm zu leicht und ohnmächtig, wir können ihn nicht überwinden; aber der Herr hat ihn überwunden, und kann und will ihn auch in uns überwinden. Er ist stärker als dieser Starke. Wer in Christo bleibt, der hat den Starken, den Argen überwunden 1. Joh. 2,13. Die Welt aber liegt im Argen; 1. Joh. 5,19. sie wird von ihm gefangen gehalten, daß sie seinen Willen thun muß. 2. Tim. 2,26. Nur Gott kann erretten aus seiner Gewalt. Kol. 1,13.

4. Februar

Wenn Einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so gälte es alles nichts. Hohel. 8,7.

Liebe um Liebe. Wenn du schon Alles, was du hast und bist - dich selbst ganz für die Liebe hingegeben hättest, so hättest du sie doch nicht bezahlt, hättest noch Nichts für sie gegeben. Und doch hast du dieses Nichts noch nicht gegeben, und willst es wohl auch noch nicht mit Ernst ganz hingeben. So gering achtest du die Liebe! Sie, die köstlicher und theurer ist als alles, was Himmel und Erde Köstliches und Theures hat. Sie ist Gott selbst, das höchste Gut. Sie will sich dir schenken, aber du sollst dein Herz dazu hergeben, und durch Ausleerung deines Herzens von allem, was sie, was Gott nicht ist, dich ihrer empfänglich machen; sollst alles andere fahren lassen, um sie fassen zu können. Sie will dein Herz allein, und will sich dir ganz schenken. Du bist der Liebe Liebe schuldig, bist dich selbst ihr schuldig von Ewigkeit; denn sie hat dich von Ewigkeit her geliebet und hat sich in der Zeit auch ganz für dich hingegeben. Du kannst in Ewigkeit nicht reicher, nicht herrlicher, nicht seliger werden, als wenn du die ewige Liebe ewig mit ungetheiltem Herzen liebest, oder dich ganz an sie hingiebst.

5. Februar

Es wird die Zeit kommen, daß ihr werdet begehren zu sehen einen Tag des Menschensohnes; und werdet ihn nicht sehen. Luk. 17,22.
O hätte ich Flügel wie die Tauben! Ps. 55,7.
Wehe mir, daß ich Fremdling bin unter Mesech, ich muß wohnen unter den Hütten Kedars. Es wird meiner Seele lang zu wohnen bey denen, die den Frieden hassen. Ps. 120,5.6.

Die Tage des Menschen-Sohnes, die Tage, da Jesus auf Erden wandelte, waren ja wohl selige Tage für die, welche ihn kannten, und mit ihm umgingen. Wer, der Ihn kennt, wünscht nicht, sich oft in dieselben Tage versetzen zu können, um den menschenfreundlichsten Menschen-Sohn im Fleische wandeln zu sehen, mit ihm von Mund zu Mund sprechen zu können. Im Geiste können wir es, durch seine Gnade. Man kann ihn so nahe haben, so innig mit ihm umgehen, als sähe man ihn, als redete man mit ihm. Man kann ihn aber doch nie nahe genug haben. Man möchte ihn immer noch näher haben. Darum wünscht sich die Seele Flügel, um auffliegen zu können, zu ihm; und die werden ihr, wenn sie treu und beharrlich ist in ihrer Sehnsucht, auch zuweilen gegeben, daß sie sich mit starken Schwingen zu ihm erheben kann. Um so schwerer wird es ihr dann wieder zurücksinken, so lange wohnen und bleiben zu müssen unter Mesech und den Kedarenern, d. i. unter Leuten, die so wenig von Christo wissen und glauben, so wenig Gefühl für ihn haben als die wilden Scythen und räuberischen Araber. Schwer wird es ihr, mit Ungläubigen zu thun zu haben, die seinen Frieden hassen, weil sie ihn nicht kennen, und darum die Liebe und den lebendigen Glauben an ihn verfolgen, die da lästern, was sie nicht verstehen. Aber gedulde dich, liebe Seele! Er hat selbst um deinetwillen hier gewohnt, und unter Menschen gewandelt, die ihn ohne Ursache haßten.

6. Februar

Glaubet ihr nicht, so bleibet ihr nicht. Jes. 7,9
Wer glaubet, der fliehet nicht. Jes. 28,16
Wachet, stehet im Glauben, seyd männlich und seyd stark. 1. Kor. 10,13.
Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. 1. Joh. 5,4.

Wer nicht wachet und betet, daß ihm der Glaube erhalten und täglich vermehret und befestiget werde, wird nicht lange fest stehen, nicht beständig bleiben im Glauben, sein Glaube wird Unglaube oder Wahn und Maulglaube werden. Er wird nicht bleiben in Christo; seine Schmach nicht zu tragen vermögen, wird daher fliehen von Christo zur Welt, wenigstens mit seinem Herzen. Wer lebendig an Christum glaubt, und Christum durch den Glauben im Herzen wohnend hat, der flieht nicht zu einem andern, und steht fest, ist männlich und stark, die Welt und sich selbst zu überwinden, weil Christus, in ihm wohnend, stärker ist, als der in der Welt und als die ganze Welt. Unsere Beharrlichkeit oder Beständigkeit, so wie der Sieg über Welt, Fleisch und Teufel hängt vom Leben des Glaubens ab. Lebt der Glaube, so lebt Christus in uns; lebt Christus in uns, so stehen wir gegen alle Feinde, so sind wir stärker als die Welt, so überwinden wir weit. Christus in uns ist das Leben des Glaubens und der Sieg über alle.

7. Februar

So ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen. Jerem. 29,13.14.
Sie suchen alle das Ihre, nicht was Jesu Christi ist. Phil. 2,21.

Viele Sucher finden nicht, weil sie nicht suchen, was sie zu suchen vorgeben, oder nicht mit ganzem, sondern nur mit halbem Herzen, mit Nebenabsichten, kurz, weil sie im Grunde nur sich selbst, oder nur das Ihrige suchen, nicht Jesum Christum. Hat Paulus dieses von allen seinen Mitarbeitern behauptet, zu jener gesegneten Zeit des ersten apostolischen Christenthums; wer soll sich nicht fürchten zu unsrer egoistischen (selbstsüchtigen) Zeit, sich selbst zu betrügen? Wer soll, um diese Furcht los zu werden, sich nicht ernstlich selbst prüfen, ob er Jesum allein, nichts als Jesum, ihn, und nicht andere Dinge neben ihm suche? An der Verheißung: Ich will mich von euch finden lassen; kann es nicht fehlen. Der Herr hält Wort. Es muß also an Suchern fehlen; es muß daran fehlen, daß sie ihn nicht mit ganzem Herzen, oder nicht ihn, sondern sich selbst, oder nur das Ihre suchen. O lieber Sucher! prüfe doch dich selbst; prüfe dein Herz vor den Augen dessen, den du suchest, ob es ganz an ihm hängt, ob du alles für ihn hinzugeben bereit bist? ob du bey ihm nichts erwartest, als Ihn? ob Er dir allein genug ist, und du in ihm alles andre entbehren kannst? ob du wie Assaph denkest? Ps. 73,25.26.

8. Februar

Allein der Herr macht das Herz gewiß (fest.) Spr. 16,2.
Wie das Feuer Silber … so prüfet der Herr die Herzen. Spr. 17,3.

Mancher glaubt, wenn er den Herrn sucht, und gefunden zu haben meint, nun soll alles gut und glücklich gehen, kein Leiden, kein Trübsal dürfe sich ihm mehr nahen. Aber eben deswegen muß Trübsal und Angst über ihn kommen, weil er nicht rein den Herrn, sondern gute Tage bey ihm gesucht hat. Eben deswegen muß sein Herz in die Hitze der Trübsal und Noth hinein, wie Silber und Gold ins Feuer, um die Schlacken der Nebenabsichten oder der Selbstsucht wegzuschmelzen und auszubrennen, um das Herz gewiß, und fest, rein und lauter zu machen. Wenn aber nun Noth und Unglück, Trübsal und Angst einen solchen halbherzigen Sucher des Herrn heimsuchen, so denkt er, oder die Welt sagt es ihm ins Ohr: Was hast du nun davon; denn nun hat dich der Herr gesucht und gefunden; nun prüft und läutert er dein Herz und bereitet ist, daß du ihn mit ganzem Herzen suchest und auch finden mögest.

9. Februar

Ich bekenne dir meine Sünde, und verhehle dir meine Missethat nicht. Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Uebertretungen bekennen; da vergabst du mir die Missethat meiner Sünde. Dafür werden dich alle Heiligen bitten zur rechten Zeit. Ps. 32,5.6.
Wer seine Missethat leugnet, dem wird's nicht gelingen, wer sie aber bekennet und läßt, der wird Barmherzigkeit erlangen. Sprüch. 28,13.

Merke wohl, das Geschäft der Heiligen ist, ihre Sünden bekennen und um Vergebung bitten - zu Gott, vor dem die Himmel nicht rein sind. Was bist du für ein Heiliger, wenn du keine Sünde weißt und bekennest? Der Herr vergiebt nur den redlichen Bekennern. Den stolzen, sichern Heiligen behält er sie zum Gericht. Doch sage auch nicht: Ich muß und will sündigen, denn ich muß ja Sünde haben, und bekennen, sonst hat mein Heiland nichts zu vergeben und zu lösen, und er muß ja Heiland und Erlöser seyn. Du bist Sünder, und sündigest ohne diesen satanischen Vorsatz; denn beim redlichsten Streben nach wahrer Heiligung fehlt und fällt man nur zu oft noch. Und gerade nur dann wirst du die Sünde recht erkennen und bekennen, wenn du dich bestrebest, ohne Sünde zu seyn, oder alle Sünde abzulegen. Die größten Heiligen sind die größten Sünder in ihren Augen; denn je heiliger sie zu werden suchen, je sündiger fühlen sie sich. Wer der Heiligung nicht nach jagt, findet und kennt keine Sünde an sich. Auch bekennen die Heiligen nicht nur überhaupt, daß sie Sünder sind, sondern ihre Sünden bekennen sie. Viele nennen sich arme Sünder, ohne vor dem Herrn von ihren Sünden auch nur Eine recht zu kennen; und, wenn man ihnen nur Eine aufdeckt, zürnen sie, und rechtfertigen sich selbst, weil sie heilig scheinen, aber nicht heilig seyn wollen.

10. Februar

Meine Seele liegt im Staube, erquicke sie nach deinem Wort. Ps. 119,25.
Ich will die müden Seelen erquicken, und die bekümmerten Seelen sättigen. Jer. 31,25. Jes. 57,15.

Wer nicht müde ist, dem schmeckt die Ruhe nicht, der bedarf keiner Erquickung. Wenn aber unsere Seele tief im Staube gebeugt ist, und sich krümmet und windet wie ein Wurm im Staube; wenn sie ihr Elend, Armuth, Ohnmacht, Schwachheit und Sündhaftigkeit recht tief fühlet, daß sie zergehen möchte, und zum Herrn schreit um Erbarmen; dann kommt er und erquicket die Müde, mit seinem unbegreiflichen Frieden, dann sättigt er die ausgehungerte und um ihr Heil tief bekümmerte Seele mit himmlischen Gütern, und schüttet seine Gnadenschätze in ihren Schooß aus, daß sie sich auf einmal aus einer Wüste in ein Paradies, aus einer Hölle in den Himmeln, von den Teufeln unter die Engel versetzt zu seyn glaubt. Wer im ersten Zustande sich befindet, glaube an den zweiten; denn wie jener da ist, so muß dieser auch kommen. Alles hat seine Zeit; auf die dürre und Trockne muß endlich ein Regen kommen, der Nacht muß der Tag folgen.

11. Februar

Lasset uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebet und träge macht. Hebr. 12,1.
Verflucht sey, der des Herrn Werk lässig thut. Jer. 48,10.
Richtet wieder auf die lässigen Hände und die müden Kniee. Hebr. 12,12.

Die Trägheit, Lässigkeit schleicht sich so gern wieder ein, wenn man in der Gnade zu sicher wird, und nach der erlangten Vergebung der Sünden nicht gegen alle seine bösen Gewohnheiten zu Felde zieht, sondern mit einigen Lieblingssünden Friede schließt, und an ihnen auf seine Art hängen bleibt; wenn man beim Genusse der Freundlichkeit des Herrn glaubt, man bedürfe nun der Wachsamkeit gegen seine alten Feinde nicht mehr, der Feind könne einem nun nicht mehr schaden, man könne nicht mehr verloren gehen, weil man Gott im Schooße sitze. Allein nur zu bald offenbaret sich wieder die alte Neigung und Gewohnheit, die noch anklebende Sünde; die Gnade schwindet, weil man sie nicht festhält, nicht eifrig, sondern zu sicher ist im Werke des Herrn; da fühlt man sich denn zu schwer, läßt die Hände sinken, und schont die müden Kniee. Nicht also, ihr Lieben! Laßt euch schrecken durch den Propheten, der den Lässigen Fluch verkündigt; laßt euch reizen durch den Apostel, der euch ermuntert, die anklebende Sünde abzulegen, schon eure lässigen Hände nicht, sie aufzuheben zum Herrn, der sie mit Kraft aus der Höhe erfüllen wird, daß ihr das Schwert des Herrn führen könnet; schonet eure müden Kniee nicht -beuget sie vor dem Herrn, so wird er euch aufrichten, stärken, kräftigen und gründen.

12. Februar

Das sollst du wissen, in den letzten Tagen werden greuliche Zeiten kommen; denn es werden Menschen seyn, die von sich selbst halten (selbstgefällig, selbstsüchtig) - die die Wollust mehr lieben als Gott.2. Tim. 3,1.2.4.
Wir sollen aber nicht Gefallen an uns selber haben - denn auch Christus nicht Gefallen an ihm selber hatte. Röm. 13,1-3.

Die schändliche Eigenliebe schmeichelt so gern auch den Frommen, daß sie sich selbst wohl gefallen, sich über andere hinwegsetzen, sich selbst höher achten und die schwachen Brüder wohl gar verachten. Es ist kein schädlicheres Gift in allen Apotheken zu haben, als du, Lieber! in großem Vorrathe in dir herumträgst, und das, wenn du nicht recht auf deiner Hut bist, all' deine Handlungen vergiftet, und dir allen Genuß verbittert. Das ist deine eitle Selbstgefälligkeit, deine blinde Eigenliebe. Entschuldige dich nur nicht, du liebst dich selbst noch gar so sehr; erkenne und bekenne es frey, und willst du nicht nach und nach um alle Gnade kommen, so suche ein Gegengift gegen dieses tötende Gift; suche den Reichthum der Gnade und reinen Liebe Gottes durch Christum deinen Herrn, der dieser Schlange in dir allein den Kopf zertreten, und dich von ihren giftigen Bissen heilen kann. Wache, bete, flehe unermüdet, wenn du dieses Otterngezüchte in deinem Herzen ausrotten, und nicht daran sterben willst.

13. Februar

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hülfe kommt. Ps. 121,1.
Und die Berge werden mit süßem Wein triefen. Amos 9,13.
Der Berg Gottes ist ein fruchtbarer Berg. Gott hat Lust, auf diesem Berge zu wohnen. Ps. 68,16.17. Vergl. Jes. 2,2. 25,6. Mich. 4,1. Ps. 72,16.

Die Alten verstanden unter diesem Bilde: „Berg des Herrn,“ das heilige Gebet, die Anbetung Gottes im Geiste, weil der Tempel, die Wohnung Jehovas, auf einem Berge stand, und da das Gebet eine Erhebung, ein Aufschwung des Gemüthes zu Gott ist, wobey man alles Irdische weit unten im Thale läßt, und sein Herz im Himmel hat, und wie in der Höhe und im Heiligthume Gottes wohnt, so ist dieses Bild sehr passend. Von diesen Bergen kommt alle Hülfe, diese Berge triefen, ja Ströme des himmlischen Segens, überschwenglicher Reichthum von geistlichen Gütern ergießet sich von diesen Bergen auf die, welche sich bemühen, mit Glauben und Zuversicht, mit vollkommner Versammlung ihres Gemüthes sich dahin zu erheben, und da die Nähe ihres Heilandes zu suchen. Von diesen Bergen kommt man nie leer zurück, sondern allzeit reichlich beladen mit Gütern des Himmels; es ist, als wenn man im Himmel gewesen wäre, wenn man sich im Geiste zum Herrn auf den Berg des innigen Gebetes erhoben hat. Darum flehte David Ps. 43,3. Sende dein Licht und deine Wahrheit, daß sie mich leiten und bringen zu deinem heiligen Berge und zu deiner Wohnung, daß ich hinein gehe zu Gottes Altar, zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist.

14. Februar

Lasset uns ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. 1. Joh. 4,19.
Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, daß Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben sollen. 1. Joh. 4,9.

Es sind Tiefen, die wir nicht ergründen können, und die tiefste Tiefe unter allem, was uns zu tief ist, ist gewiß die, daß uns Gott zuvor geliebet, und nicht schlechthin geliebet, sondern so geliebet hat, daß er uns nicht mehr lieben könnte, so viel gegeben hat, daß er uns nicht mehr geben könnte - seinen eingebornen, ihm ganz gleichen Sohn, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, hat er uns geschenket - hat ihn in Noth und Tod um unsertwillen kommen lassen! Wer kann diese Tiefen ergründen? - Da stehen wir, wie an einem Abgrunde, und beten an. Am besten ist, wir stürzen uns, wie wir sind, in diesen Abgrund der Liebe hinein, denn dazu hat er sich uns aufgethan. Denn grübeln, forschen hilft uns hier nicht. Er will geliebet seyn, daß er uns desto mehr lieben könne, und wir seiner allbeseligenden Liebe desto empfänglicher werden.

15. Februar

Ist er nicht dein Vater und dein Herr?5. Mos. 32,6.
Denn selbst der Vater hat euch lieb, darum, daß ihr mich liebet. Joh. 10,27.
Sehet, welche Liebe uns der Vater erzeiget hat, daß wir Gottes Kinder heißen sollen! 1. Joh. 3,1.

Es ist ausgemacht und außer Zweifel, wer den Sohn liebt, den hat gleich der Vater auch lieb. Wir sehen es bey Menschen, wer das Kind lieb hat, dem sind die Eltern gleich zugethan; plötzlich neigt sich das Herz zu dem Menschen, der gegen ihre Kinde Liebe zeigt. Von Gott könnten wir es freilich nicht erwarten und glauben, weil wir es sogar nicht verdienen, und durchaus nicht liebenswürdig sind. Aber hier steht der Sohn, und sagt es uns selbst: Mein Vater hat euch lieb, weil ihr mich liebet. O herrliches Wort! Nun wissen wir ja, wie wir daran sind. Finden wir eine Liebe, einen Hang zu Jesus in unsern Herzen, so ist dies uns ein Siegel und Beweis, daß wir vom Vater geliebt werden, und seine Kinder sind. Ihr Seelen! habt ihr die Liebe zu Jesus in euch, so habt ihr die Liebe des Vaters für euch. Lasset aber eure Liebe zu dem, der für euch starb, nicht nur in Worten und Geberden, Gefühlen und Begriffen bestehen, sondern in der That und Wahrheit. Liebet ihr mich, sagt Jesus, so haltet meine Gebote. Joh. 14,15.

16. Februar

Fürchte dich nicht, du kleine Heerde, denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben. Luc. 12,32.
Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Joh. 18,36.

Gott giebt dir sein Reich - das Himmelreich, hier und dort. Ist dieses nicht genug, so suche dir einen andern, der dir mehr giebt. Du magst wohl ein unersättlicher Geizhals seyn, wenn dir das, was dir Gott in seinem Sohne giebt, nicht genug ist. Aber bis heute noch ist doch das, was Gott verspricht, aller Welt zu wenig; sie sucht immer andere Dinge. Sie jagt, hascht und greift immer mit heißer Begierde nach allem Schatten, nur nicht nach dem, was Gott ihr darbietet und in ihren Schooß gesendet hat. Alle Gaben Gottes in der Welt sind der Welt lieber, als die höchste, beste und größte Gabe, die mehr ist als tausend Welten - Christus und sein Reich, das Reich Gottes. Da es nun die Welt wegwirft, so greife du darnach, du kleine, von der Welt verachtete Heerde! Er wird dir desto mehr davon mittheilen, je mehr es von der Welt verschmäht wird. Aber bedenket doch: das Reich Gottes ist inwendig in euch. Luc. 17,21. Die Welt will nichts Innerliches, denn sie sieht es nicht und kennt es nicht. Wer Gottes Reich will, muß einkehren in sein Herz und ein inniger Mensch werden, muß bey sich selbst gern zu Hause seyn, muß im Geiste wandeln und nicht im Fleische.

17. Februar

Wahrlich, ich sage euch: es sey denn, daß ihr euch umkehret, und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. - Denn ihrer ist das Himmelreich. Matth. 18,3. und 19,14.

Daß der Herr dieses nicht zu den einfältigen Leuten, von denen man glaubt, sie bedeuten nichts, und es wäre besser für sie, wenn sie einfältig blieben, sondern vorzüglich zu denen gesagt habe, die Etwas, ja die Ersten und Bedeutendsten in seinem Reiche seyn wollten, zu den Aposteln selbst, das wissen und lesen wir vor und nach dem angeführten Spruche, und noch in so manchen andern Stellen, wo er seine Jünger zum Kleinwerden ermahnte. Und da er selbst der Kleinste und Kindlichste geworden ist, so lehrt es uns schon sein Beispiel, wenn er es auch nicht so deutlich mit Worten gesagt hätte. Wer kein Kind, wer nicht kinderartig werden will, der ist kein Candidat zum Himmelreiche, wie soll er ein Lehrer und Führer ins Himmelreich werden oder seyn können? So unterscheidet sich dieses Reich vor allen andern Reichen: es ist das größeste, ist unermeßlich, und doch kann es kein Riese, und kein Gewaltiger oder Held erobern, nur Kinder können es einnehmen und an sich reißen. Da heißt's wohl auch, wenn ich schwach - schwach wie ein Kindlein bin, bin ich stark, denn ich kann den Himmel heben und davon tragen. Wenn ich aber stark bin, bin ich schwach, daß ich gar nichts halten kann, daß ich alles, Himmel und Erde, fallen lassen muß.

18. Februar

Lieben Brüder! werdet nicht Kinder an dem Verständniß, sondern an der Bosheit seyd Kinder; am Verständniß aber seyd vollkommen. 1. Cor. 14,29. Vergl. Eph. 4,14.
Ich will aber, daß ihr weise seyd aufs Gute, aber einfältig aufs Böse. Röm. 10,19.

Paulus erklärt uns den Sinn Christi und zeigt uns, daß Christus nicht dummeinfältige Kinder, sondern edeleinfältige Gemüther haben wolle, aufrichtige Herzen, die ohne Tücke, Falschheit und Heucheley sind. Nicht Kinder der Finsterniß, der Schalkheit und Bosheit; Kinder des Lichts, der Wahrheit und Gerechtigkeit will der Herr. Nur das Böse, das Arge in der Welt soll uns so fremde seyn als den kleinsten Kindern; aber das Gute sollen wir wohl besser wissen und verstehen als die ältesten und erfahrensten Weltkinder und Weltweisen. Wie David sagt: Du machest mich mit deinem Gebot weiser, denn meine Feinde - Ich bin gelehrter denn alle meine Lehrer - Klüger denn die Alten, denn ich halte deine Befehle. Ps. 119,98-100. Also nicht Kinder-Dummheit, nicht Unwissenheit des Kinder-Verstandes, sondern Kinder-Einfalt und Reinheit des kindlichen Gemüthes meint der Herr und Paulus, wenn sie uns gebieten, Kindern ähnlich zu werden. Es zeigt sich auch, daß wahre Einfalt und Kindlichkeit der Sitz der wahren Weisheit ist. Je reiner das Gemüth, desto heller der Verstand; je verschrobener das Herz, desto blinder und teuflischfinster der Kopf. Reinige dein Herz von aller Bosheit, so zündest du das Licht im Verstande an. Duldest du aber Bosheit im Herzen, so löscht sie dir alle Lichter im Kopfe aus.

19. Februar

Wenn ich nur dich habe, was frag' ich nach Himmel und Erde? Ps. 73,25.
Meine Seele harret nur auf Gott, denn er ist meine Hoffnung. Ps. 62,6.
Siehe, wir kommen zu dir, denn du bist der Herr, unser Gott. - Wahrlich, es hat Israel keine Hülfe, denn am Herrn, unserm Gott. Jer. 3,23.

Was wäre der Himmel ohne Gott, ohne Jesus? Wer möchte ohne Ihn im Himmel seyn? Gott, Christus ist also unser Himmel, weil der Himmel nicht Himmel wäre, wenn wir Gott, Christum nicht im Himmel hätten. Was ist uns die Erde, wenn wir Ihn nicht haben? Eine Hölle wahrlich ist alles, wenn man ihn nicht besitzt, seiner Liebe nicht gewiß ist. Aber nun sind wir selig überall, genießen himmelvolle Lust, wenn wir ihn nahe haben, und wir können ihn haben hier und dort. Wer sollte nicht all sein Streben, Sehnen, Glauben, Hoffen, Lieben dahin richten, Ihn, Ihn zu haben, in ihm zu seyn. „Wer nur sich hat, sagte Jemand, hat nichts.“ Und wer die ganze Welt hätte, und nur die ganze Welt, der hätte doch nichts. „Die Welt besteht aus lauter Nullen, Zahlen sind nur die, in welchen Gott wohnet.“

20. Februar

Ich will euch nicht Waisen lassen, ich komme zu euch. Joh. 14,18.
Ich bin gekommen, daß sie das Leben und volle Gnüge haben. Joh. 10,11.
Und ihr wollt nicht zu mir kommen, daß ihr das Leben haben möget. Joh. 5,40

Der Herr liebt die Seinen, wie seine Kinder, und kann sie daher nicht allein in dieser Welt lassen. Ist ihnen gleich seine sichtbare Gegenwart entzogen, um sie zu üben im Glauben an dem Unsichtbaren, als sähen sie ihn, so ist er ihnen doch im Geiste nahe. Und wozu? warum kommt er zu den Seinen? Daß sie Leben und volle Gnüge, alles überschwenglich und in Fülle haben, was sie zum göttlichen Leben und Wandel bedürfen. Wehe dem, den seine Klage trifft: Ihr wollt nicht zu mir kommen - wollt das Leben nicht geschenkt von mir annehmen, wollt den Tod lieber als das Leben. O Seele! da steht dein Heiland lebendig in seinem Worte vor dir, und bietet dir sein Kommen in dein Herz, und mit ihm das ewige Leben an. In dir und außer dir und um dich ist lauter Tod und Finsterniß. Was willst du? was wählest du?

21. Februar

Also spricht der Hohe und Erhabene, der in der Ewigkeit wohnet, deß Name heilig ist: Der ich in der Höhe und im Heiligthume wohne, und bey denen, die eines zerknirschten und demüthigen Geistes sind, auf daß ich lebendig mache den Geist der Gedemüthigten, und lebendig mache das Herz der Zerknirschten. Jes. 57,15.

Der Hohe und Erhabene kann nicht über sich, sondern nur unter sich sehen, weil nichts über ihm, weil er der Höchste ist. Daher sieht er und kann er nur sehen niedrige, gebeugte, demüthige Herzen, die der Hammer seines Wortes und die Kraft seines Geistes zermalmet und niedergeschlagen hat. Diese, ja diese und nur diese sieht er in Gnaden an, d.i. er richtet sie wieder auf, er macht sie lebendig, er heilt ihre Wunden, und erwählt sogar in ihnen zu wohnen. Die arme Hütte eines gebeugten Herzens ist dem Hohen und über alles Erhabenen nicht zu klein, nicht zu niedrig, sie gefällt ihm vielmehr so wohl, daß seine Liebe nicht vorübergehen kann, sondern einkehren und ihre bleibende Wohnung aufschlagen muß. Alle Hochmüthigen - und jeder nicht zerknirschte und nicht gebeugte Sünder ist hochmüthig, der über Gott hinübersehen und sich über ihn erheben will- alle diese sieht Gott nicht an, kann sie nicht ansehen, weil er nur sieht, was sich unter ihn beugt. Darum beuge dich, o Mensch! und beuge dich immer, auch wenn du schon begnadigt bist, wenn Gott dich ansehen, bey dir wohnen und bey dir bleiben soll.

22. Februar

Gott ist es, der in euch wirket das Wollen und Vollbringen nach seinem Wohlgefallen. Phil. 2,13.
Niemand kann zu mir kommen, es sey denn, der Vater ziehe ihn - es werde ihm denn von meinem Vater gegeben. Joh. 6,44.66.

Was der Mensch aus eignem Willen und mit natürlichen Kräften anfängt, geht nicht weit, oder ist nicht rein und lauter vor Gott - nicht in Gott gethan. Soll denn aber der Mensch die Hände in den Schooß legen, und weder wollen noch wirken, weil er ohne des Vaters Zug und Kraft nichts vermag? Soll er warten und stille sitzen, bis Gott anfängt zu ihm zu kommen? Auf gewisse Weise allerdings; denn er soll kein Werk anfangen, ohne zuvor sich im Geiste, und, wenn es möglich ist, auch mit Leib und Seele sich vor seinem Gott und Heilande niederzuwerfen und sich Kraft und Stärke bey ihm zu holen. Denn Gott ist nicht ferne von einem jeden auf uns; in ihm leben, weben und sind wir, und er wohnt ja in denen, die sich vor ihm beugen, und wirket, wie Jesus sagt, Joh. 5,17., immerdar; wirket also auch in dem alles, der gebeugt und zuversichtlich alles in ihm beginnt. Du darfst also keineswegs aufhören zu wirken, sondern nur aufhören in deinem eignen Namen das Netz auszuwerfen; du sollst es nur im Namen Gottes und Jesu anfangen, so wird er es nie daran fehlen lassen, in dir Wollen und Vollbringen zu wirken, dich zu allem Guten zu ziehen, dir alles zu geben, was du nöthig hast.

23. Februar

Die Elenden und Armen suchen Wasser, und ist nichts da; ihre Zunge verdorret vor Durst. Aber ich, der Herr, will sie erhören; ich, der Gott Israels, will sie nicht verlassen. Jes. 41,17.

Der Herr führt manche Seelen auf sehr harten und rauhen Wegen durch das Leben. Sie wandeln wie durch Sandwüsten, wo sie kein Wasser des Trostes und der Labung finden, wo alle Quellen vertrocknet zu seyn scheinen. Wo man Trost sucht, findet man keinen, sondern überall noch größeres Herzeleid. Und selbst im Innern, in dem Heiligthume des Herrn, zeigt sich bey allem Flehen und Weinen kein Gnadenblick, als wenn Gott verwandelt wäre in einen Grausamen, wie Hiob meinte, Cap. 30,21. Man hat mich in Koth getreten und gleich geachtet dem Staub und Asche; schreie ich zu dir, so antwortest du nicht, trete ich hervor, so achtest du nicht darauf (Vers 19.20.) Damit müssen sich Seelen, die also verlassen zu seyn scheinen, wie Hiob, trösten. Die Erhörung ihrer Bitte wird und kann nicht ausbleiben. Gott kann sie unmöglich verlassen, wenn es gleich so scheint. Er ist in diesem Schreien, Seufzen und Sehnen schon nahe, und in dieser Dunkelheit ihr verborgnes Licht, das zu seiner Zeit helle in ihre Augen strahlen wird.

24. Februar

Der Herr ist freundlich und seine Gnade währet ewiglich. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, läßt er seine Gnade walten über die, so ihn fürchten. Ps. 106,1 und 103,11.

Gnade! o du beseligendes Wort! wer dich versteht, der hat schon den Himmel in sich. Doch wer nur das Wort hat, und nicht die Sache, die Gnade selbst, der hat wenig oder nichts; ja, es wäre besser, er hätte gar nichts, er kennete auch das Wort nicht. Die Gnade ist uns nicht gegeben, daß wir mit dem Worte spielen, sondern daß wir wirklich in der Gnade leben, und die Gnade oder den gnädigen, barmherzigen, lebendigen Gott und Heiland in uns leben lassen. Sage mir: Verstehst du, was dies heiße? Hast du die Gnade des lebendigen Gottes an deinem Herzen erfahren? - O so bewahre, benutze, gebrauche sie, damit sie dir nicht entzogen werde. Denn ungebraucht schwindet sie. Wenn du aber in ihr lebst und sie gebrauchest, vermehret sie sich und wächst. Sey aber demüthig dabey, und vergiß nicht, daß sie umsonst gegeben ist; laß Gnade Gnade bleiben, und mache kein Verdienst daraus, aber auch kein Polster der Trägheit, um darauf einzuschlafen. Sie muß dich munter, wachsam, thätig und lebendig in Christo machen und erhalten. Die Gnade währest ewiglich - verkürze sie dir nicht. Die Gnade waltet himmelhoch, in solcher Fülle, als alle Himmel nicht fassen mögen, über uns, also wohl reichlich genug, daß wir alles, alle Tage, durch sie vermögen, und nicht schläfrig und träge seyn dürfen.

25. Februar

Wenn dem Verderben gesteuret wird, so kommt die Gerechtigkeit überschwenglich. Jes. 10,22.
Darum fürchten wir uns nicht, wenn gleich die Welt untergienge und die Berge mitten ins Meer sänken, wenn gleich das Meer wüthete und wallete. Ps. 46,3.4.
Wer ist der, daß ihm auch Wind und Meer gehorchen?Matth. 8,27.

Das Verderben in aller Welt, in der wir leben müssen, ist groß, sie liegt im Arben. Die Frommen aller Zeiten haben unser Leben in der Welt immer einer gefahrvollen Fahrt auf dem Meere verglichen. Da müssen Winde wehen, Stürme kommen, sonst kommt das Schiff nicht in den Hafen. Doch unter allen Stürmen und Gefahren fürchtet sich der ächte Christ nicht, so wenig als der heilige Sänger sich fürchtete, indem er diesen Psalm sang. Das Meer dieses Lebens mag wüthen und wallen, wie es will, wer den rechten Steuermann bey sich im Schiffe - im Herzen hat, fährt sicher und ohne Gefahr, und gelangt ohne Schaden in den Hafen der Ruhe. Ja, wer den Herrn bey sich drinnen hat, der zittert nicht, wenn die Welt unterzugehen schiene, und die Berge einzufallen drohten. Denn Er ist stärker als die Berge und das Meer, er ist der Herr der Welt, er kann allem steuren.

26. Februar

Habe deine Lust an dem Herrn; er wird dir geben, was dein Herz wünschet. Ps. 37,4.
Ist auch ein Gott außer mir? Es ist kein Hort, ich weiß ja keinen. Jes. 44,8.

Durchsuche den Himmel, durchsuche die ganze Erde, einen bessern Herrn wirst du nicht finden; Keinen, der dir giebt und geben kann, was dein Herz wünschet; Keinen, der dir die Sünde tilgen, dein Gewissen heilen; Keinen, der dir ein neues Herz, einen himmlischen Sinn, Kraft und Lust, seine Gebote zu halten, geben kann; Keinen, der dir die lebendige Hoffnung zum ewigen Leben, zur göttlichen Herrlichkeit schaffen und sie so versiegeln und verpfänden kann, wie er; Keinen, auf den du dich in aller Noth so zuversichtlich und gewiß verlassen, von dem du so kräftige und schnelle Hülfe erwarten darfst, als von ihm. Er ist also der Unvergleichbare, der Einzige im Himmel und auf Erden. Aber wer kennt ihn, wer glaubt ihm also? Wem ist der Arm des Herrn offenbaret? „Nur, wer es erfahren, weiß allein, wie gut es sey, Eins mit ihm seyn.“ Habe deine Lust an ihm, das ist die einzige Bedingniß, so wird er dir alles seyn, alles geben, was dein Herz verlangt. Gieb nur dein Herz her, so giebt er dir alles hin. Sey nur ganz sein, so ist er ganz dein. Wenn alle Begierden deines Herzens auf ihn gerichtet sind, wie sich die Arme eines in Flammen liegenden Kindes nach der Mutter ausstrecken; wenn dein Verlangen ihn so umfaßt, so an ihm hängt, so wird er dir wohl mehr geben, als dein Herz verlangt; mehr als es verlangen kann; denn du kannst dir, ehe due es erfahren und genossen, keine Vorstellung machen von all dem Guten, Herrlichen und Seligen, was er denen giebt, die ihre Lust an ihm haben. Kein Auge hat's gesehen rc. 1. Kor. 2,9.

27. Februar

Wir ermahnen euch aber, lieben Brüder, daß ihr noch völliger werdet; und ringet darnach, daß ihr stille seyd, und das eure schaffet. 1. Thess. 4,10.11.
Denn wir hören, daß etliche unter euch unordentlich wandeln und arbeiten nichts, sondern treiben Vorwitz. Solchen aber gebieten wir, und ermahnen sie, durch unsern Herrn Jesum Christum, daß sie mit stillem Wesen arbeiten. 2. Thess. 3,11.12.
Der verborgene Herzens-Mensch mit unverrücktem, stillen und sanftem Geiste, der ist vor Gott köstlich. 1. Petr. 3,4.

Solche Ermahnungen der Apostel sind auch in unsern Tagen nicht überflüssig, denn es giebt auch jetzt viele müßige Schwätzer, die viel vom Christenthume sprechen, und wenig thun. Deswegen sind diese Worte der Apostel jedem wahren Christen heilig; denn er bildet sich nicht ein, es schon ergriffen zu haben, er jagt ihm aber nach, und bestrebt sich immer völliger, d.i. vollkommner, treuer, eifriger, fleißiger zu werden, in jeder Hinsicht, in seinem geistlichen und leiblichen Berufe, in allen Stücken zu wachsen an dem, der das Haupt ist. Er weiß Herzensstille mit Berufstreue und unermüdeter Arbeitsamkeit zu verbinden. Und wer das nicht weiß, kennt die Gnade Christi, die Kraft des Evangeliums nicht. Der ächte Fromme läßt sich von Gott und Menschen nie anders antreffen, als beim Gebete, oder in der Arbeit, oder, wenn es am besten mit ihm steht, bey beiden zugleich; denn er weiß zu gut, daß das müßige Schwatzen, auch oft über gute Dinge nur das Herz zerstreut; die Seele leer und geistlos läßt, anstatt sie mit Salbung zu erfüllen. Wenn der Mund viel plaudert, ist gewiß keine Gnade, kein Friede im Herzen. Ein Herz voll Frieden Gottes bewahret seinen Schatz, deckt ihn zu, und arbeitet lieber, als daß es schwatzet. Ein Vielschwätzer, ein müßiger, unthätiger Mensch ist gewiß kein Christ, sey es auch, daß er nur über Bibel und Christenthum schwatzt; viel weniger, wenn er von verborgenen und zukünftigen Dingen faselt, von denen er nichts weiß, sondern mit Vermuthungen, wie mit der Stange im Nebel, herumfährt. Der Apostel sagt uns, daß wir unser Christenthum nur durch Stilleseyn und Arbeiten beweisen sollen. Petrus sagt: Nicht ein vielwissender, nicht ein vielschwatzender, sondern ein stiller, sanfter Geist ist köstlich vor Gott, eine Herzens-Mensch, nicht ein Zungen- und Maul-Christ. Leset siebenmal diese apostolischen Ermahnungen, betet und prüft euch. Paulus bittet und beschwöret euch durch Jesum Christum dazu. Lasset euch erbitten; und widerleget durch That die ungerechten Vorwürfe, die man der Frömmigkeit macht; zeiget durch euren fleißigen und stillen Wandel, daß Christi Geist uns bey aller Innigkeit und Stille doch nicht träge und unthätig macht.

28. Februar

Herr, wer ist dir gleich? - wer ist so mächtig, heilig, schrecklich, löblich und wunderthätig? 2. Mos. 15,11.
Herr Gott Zebaoth, wer ist wie du? Ps. 89,9.
Des Herzens Lust, Herr! stehet zu deinem Namen, und zu deinem Gedächtniß. Jes. 26,8.

War der Herr den frommen Herzen des Alten Bundes das höchste Gut, mit dem nichts zu vergleichen ist; hat er sich ihnen schon so überschwenglich mitgetheilt, da die Wolke noch über dem Heiligthume hing; haben sie ihn schon so erfahren, daß ihnen alle Lust zu allen andern Dingen verging, und er und sein Andenken die einzige und höchste Freude ihres Herzens war; was sollen wir im Neuen Bunde erfahren, wo alle mit aufgedecktem, enthülltem Angesichte, wie in einem Spiegel die Herrlichkeit des Herrn schauen und in dasselbe Bild umgewandelt werden? 2. Kor. 3,18. und 4.6. Was hat Er an uns gethan? was thut er täglich an Seelen, die Seiner harren? was wird und will er in Ewigkeit an uns thun - gemäß seinen Verheißungen? Wer das weiß, und im Genusse seines Heils lebt, der ruft freilich voll Verwunderung tausendmal aus. Herr! wer ist dir gleich! Dem kann kein Gedanke an etwas anderes aufsteigen; der kann keinen Wunsch, außer oder neben ihm etwas zu besitzen, in seiner Seele beherbergen. Wer ist so gütig, so freundlich, so gnädig, wie Er? Wer giebt, wer vergiebt so viel und so oft, wie er? Wer hätte so viele Geduld und Langmuth mit unsern schwachen Herzen, die immer den Irrweg wollen; die so oft von ihm abweichen? Nein, so ist Keiner, wie er. Sein Name, sein Gedächtniß sey und bleibe die einzige Lust unsers Herzens. Nichts sey uns so lieb, wie er. Es mag so schön, groß, reitzend und vielversprechend seyn, als es wolle, ihn soll es uns nicht aus dem Herzen verdrängen; seine Stelle soll nichts in unserm Herzen einnehmen. Er sey es ganz allein, den unsre Seele umfängt, hält, und nicht mehr gehen läßt. Ihm müsse alles weichen; er müsse alles aus unserm Gemüthe verdrängen, was neben ihm nicht bestehen kann. Unser ganzes Wesen sage jeden Augenblick, als wie mit tausend Zungen: Herr, wer ist wie du?!

29. Februar

Er wird seine Heerde weiden, wie ein Hirte. Jes. 4,11
Der Israel zerstreuet hat, wird's auch wieder sammeln, und wird ihrer hüten, wie ein Hirte seiner Heerde. Jer. 31,10.
Siehe, ich will mich meiner Heerde selbst annehmen, und sie suchen, wie ein Hirte seine Schafe suchet, wenn sie von seiner Heerde verirret sind. Ezech. 34,11.12.

Die drey großen Propheten, Jesaja, Jeremia und Ezechiel, bezeugen uns die Hirtentreu Jesu, die er uns selbst, Joh. 10. und Luk. 15., so schön und rührend geschildert hat. Er ist kein furchtbarer, schrecklicher Herrscher, er ist unser Hirte; er betrachtet uns nicht als seine Sklaven, sondern als seine Schafe; er sucht nicht Wolle, oder Nutzen und Vortheile von uns, sondern unser Wohn und unsre Seligkeit. Er verachtet keines seiner Schafe, auch das elendeste nicht, auch die verirrten, verlornen nicht, er sucht sie mit unermüdetem Eifer; und hat er Eines gefunden, so ists ihm, als hätte er ein Königreich gefunden. Er nimmt alle an zu seinen Schafen. Was die Welt verachtet und auswirft, das sammelt er mit Sorgfalt und Liebe, hütet und bewahret es mit zärtlicher Treue. Er überläßt seine Schafe nicht den Miethlingen, er nimmt sich aller seiner Schafe selbst an. Welche Vortheile hat also ein Schäflein Christi, das ihn als seinen guten Hirten kennt, seine Hirtentreue erfährt, und unter seiner Hut steht? Ach, warum eilen ihm nicht alle Menschen zu? Warum verschmähen so viele dieses große Glück, ein Schäflein Christi zu seyn? Wann kommt die Stunde, da nur Ein Hirt und Eine Heerde seyn wird? Sie wird, sie muß kommen, der Israel zerstreuet hat, wird's auch wieder sammeln.

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