Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am Oster-Sonntage.

Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am Oster-Sonntage.

Evang. Marc. 16,1 - 8.

Auferstehung Jesu.

Der Herr ist siegreich auferstanden,
Im Himmel schallt der Freudenton:
Es sind entzwei des Todes Banden
Durch unsern Christus, Gottes Sohn!
O Herr, Dein Sieg erfreuet mich!
Mein Jesus herrschet ewiglich.

Wer nun nicht stirbt, wird nicht belebet.
Nun steht der andre Adam da,
Der über allen Himmeln schwebet;
Die Himmelsthür im Geist ist nah‘,
Das Haupt ist durch und zieht uns nach,
Durch Kreuz zum ew'gen Ostertag.

Das ist der Tag, den hat der Herr gemacht, lasset uns freuen und fröhlich seyn! Der starb für unsre Sünden, ist auferstanden um unserer Gerechtigkeit willen - Jesus Christus, der ewige Gottes Sohn, unser, ja unser Heiland, der in der Krippe im Stalle geboren, am Kreuze getödtet wurde, lebet wieder, hat den Tod besieget, und Leben und unvergängliches Wesen an's Licht gebracht. Er hat sich kräftiglich erwiesen als Gottes Sohn, als Versöhner der Welt, als Hoherpriester, der das vollgültige Opfer für die Sünden aller Menschen vollbracht, und eine ewige Gerechtigkeit für uns erfunden hat. Es ist erfüllt: Du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen, und nicht zugeben, daß dein Heiliger verwese. Nachdem Sein Geist, während der Leib im Grabe lag, Paradies und Hölle durchwandert, und sich als Sieger den Seligen und Unseligen dargestellt hat, nahm Er Seinen Leib wieder an, erhob sich aus dem Grabe, und stellte sich den Seinigen, nicht der Welt, nein, den auserwählten Zeugen, lebendig dar. Wie das zuging, erzählt uns Marcus.

Und da der Sabbath vergangen war, kaufte Maria Magdalena und Maria Jacobi und Salome Spezereien, auf daß sie kämen und salbeten Ihn. Die Liebe stirbt nicht, glaubten sie auch nicht, daß Er wieder auferstehen, sondern verwesen werde, so wollten sie Ihn doch eben darum einbalsamiren, um Ihn vor der schnellen Verwesung zu bewahren, weil sie Ihn auch im Tode und Grabe liebten. Der dritte Tag war da, wo Er, wie Er sagte, auferstehen würde, doch kommt ihr zum Grabe, nicht um Seine Auferstehung zu erwarten, sondern Ihn zum Liegen und Bleiben im Grabe zu salben. Wo ist euer Glaube? - Der war klein und tief verborgen - aber die Liebe war sichtbar und thätig, und diese ist doch nie leer von Glauben - oft unbewußt - denn hattet ihr nicht an Ihn geglaubt, so hattet ihr Ihn nicht geliebt; und was ihr jetzt nicht glauben konntet, das ließet ihr dahingestellt seyn, und liebtet Ihn desto mehr. Und das sah Er an und lohnte es.

Und sie kamen sehr frühe zum Grabe, am ersten Wochentag (Sonntag) da die Sonne aufging. Die Liebe steht frühe auf; sie konnten gewiß nicht schlafen, und erwarteten mit Ungeduld den Morgen und die Sonne. Er lag ihnen in Herz und Sinn - Er war für sie nicht im steinernen Grabe; nur Sein Leichnam lag da; Er, Er selbst war in ihren Herzen begraben - in Glauben und Liebe eingewickelt - wie hätten sie Sein vergessen, wie zu Hause bleiben können. Sie suchten Ihn im Grabe, und hatten Ihn doch im Herzen. Sie hingen noch an Seiner Person, an Seinem Leichnam. Wie konnten sie auch anders? Wer Ihn so gesehen hat im Leben und Wandel, solche Gnade von Ihm, und Friede und Vergebung der Sünden erlangt hat, so betrachtet hat am Kreuze, wie sie, wie konnte der anders, als auch, wenn er Ihn gleich lebendig im Herzen hat, nach Seinem Leichnam sich umsehen, um Ihn ganz wieder zu haben, und Alles von Ihm zu sehen? Wie werden wir, die wir an Ihn glauben ohne Ihn zu sehen oder Ihn gesehen zu haben, uns freuen mit unaussprechlicher Freude, wenn wir Ihn sehen werden, wie Er ist, und Ihm gleich seyn werden!

Laßt uns täglich früh aufstehen und mit der Maria zum Grabe gehen, und Ihn suchen, nicht mehr den todten Leichnam, sondern den Auferstandenen, ewig Lebendigen. Keinen Morgen werden wir umsonst gehen und suchen, wir werden Ihn finden, denn man hat Ihn, wo man um Ihn weint. Es ist alle Tage, jeden Morgen, ein Auferstehungs-Tag, ein Auferstehungs-Morgen. Wie wir beim ersten Erwachen die Augen öffnen und das Tageslicht suchen und finden, so laßt uns im Geiste jeden Morgen die Glaubens- und Geistes-Augen aufthun, und Ihn suchen, auf Ihn schauen - Er ist auferstanden und lebet für uns, und wir sollen auch leben.

Und sie sprachen unter einander: Wer wälzet uns den Stein von des Grabes Thür? Eine Frage, die bei allen Schwierigkeiten sich ergiebt. Es liegen gar viele schwere Steine auf dem Grabe, wo Jesus gesucht wird, die keine Menschenhand heben kann. Es geht durch allerlei Unmöglichkeiten auf dem Wege des Glaubens. Doch was uns unmöglich däucht, das ist das geringste Seiner Werke. Geht ihr nur im Glauben hin, und sorget nichts; glaubet nur, der Stein, den eure schwachen Hände nicht heben können, wird schon gehoben werden, von einer Hand, die Himmel und Erde tragt. Wer Jesum so im Glauben sucht, dem müssen alle Berge aus dem Wege gehen, und alle Steine weggehoben werden. Wenn es nur Ernst ist, daß es heißt: Ihn, Ihn selber muß ich haben - ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn: Es ist nur Ein Stein, der uns Jesum verbirgt und nicht finden läßt - das ist der Unglaube. Doch auch der kann gehoben werden, wenn du bittest: Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben! Der Alles giebt, giebt auch den Glauben.

Und sie sahen dahin, und wurden gewahr, daß der Stein abgewälzt war, denn er war sehr groß. So hat man oft Steine im Kopf, in der Einbildung, die nicht mehr in der That da sind, die schon gehoben sind. Komm und sieh, daß du dir unnöthige Sorge und Kummer gemacht, und dir den großen Stein nur eingebildet hast - er ist schon weg, die Hand des Herrn, den du suchst und der sich gerne von dir finden läßt, hat ihn schon weggeräumt. Welcher Stein wäre Ihm zu groß oder zu schwer? Hätten sich die frommen Sucherinnen von dem eingebildeten großen Steine abschrecken lassen, so wären sie nicht zum Grabe gekommen, sondern wieder zurückgegangen; da sie aber dennoch gingen und suchten, so fanden sie den Stein abgewälzt. Man muß sich im Suchen des Herrn durch kein Hinderniß, durch keinen Stein im Wege, er sey noch so groß, abschrecken und zurücktreiben lassen; der von uns gefunden und geliebt seyn will, nimmt es auch auf sich, alle Steine wegzuräumen, und uns finden zu lassen. Die größten Hindernisse machen uns die Steine, die wir nicht sehen, sondern uns nur in der Ferne denken und vorstellen - die sind gar so groß und schwer. Und wenn wir's dennoch wagen, und darauf zu gehen, so finden sie sich gar nicht, und es geht herrlich und leicht, wie folgt.

Und sie gingen hinein in das Grab, und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Kleid an, und sie entsetzten sich. Statt des Steines finden sie vielmehr einen Engel, einen Boten des Himmels, der den Stein schon abgewälzt hat, und ihnen frohe Botschaft verkündet. Wie beschämt der Herr die menschliche Sorge, den Unglauben! Wie kommt Er den verlegnen Suchern entgegen, reißt sie ans allem Zweifel und macht ihnen Freude, die aber mit Entsetzen anfängt, weil sie auch so groß ist, wie der Stein, daß sie das Menschenherz nicht fassen kann, sondern sich erst entsetzt. Fürchte dich also nicht; wenn dir so ernstlich darum zu thun ist, Jesum zu finden, so müssen die Steine in Engel, die Hindernisse in Förderungsmittel verwandelt werden. Aus dem Kummer und der Sorge wird eine unbeschreibliche, zum Entsetzen große Freude geboren werden. Wenn du nur nicht abläßt. Und was sagte denn die weißgekleidete Erscheinung? Der Engel sprach zu ihnen: Entsetzet euch nicht; ihr suchet Jesum von Nazareth, den Gekreuzigten; der ist auferstanden, Er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, da sie Ihn hinlegten. Wer Jesum den Gekreuzigten sucht, bleibt vom Himmel nicht unbeachtet, die Engel sehen nicht gleichgiltig zu, sondern helfen aus aller Verlegenheit, sichtbar oder unsichtbar, gleichviel, sie sind dazu beordert. Ihr erstes Wort ist immer: Fürchtet euch nicht! entsetzet euch nicht! weil auch gläubige, fromme Seelen allemal erschrecken vor einer himmlischen Erscheinung. So fremd sind wir noch im Fleische dem Himmel und des Himmels Bewohnern, wenn wir auch den Himmel im Herzen tragen.

Die Verkündigung des Engels ist herrlich, ist die erste von der Auferstehung des Herrn. Engel sollten die ersten Boten und Evangelisten seyn, weil die Menschen alle noch nicht glaubten, sondern erst überzeugt werden mußten. Engel verkündigen zuerst: Jesus von Nazareth, der Gekreuzigte, ist auferstanden - eine Freude, die auch, wie die Geburt, allem Volke widerfahren soll. Engel zeigen zuerst das leere Grab, die Stätte, wo Er gelegen hat.

Wer früher aufsteht, Jesum zu suchen, der findet Ihn auch früher. Die frommen Frauen und Jüngerinnen des Herrn sind am frühesten zum Grabe gekommen, haben am eifrigsten gesucht, darum waren sie auch die ersten, die das Evangelium von der Auferstehung aus dem Munde des Engels horten. Wie ein Engel erscheint Jeder, der Jesum den Gekreuzigten als unsern Versöhner und den Auferstandenen als unsere Gerechtigkeit und Leben verkündiget Jedem, der das sucht und die Verkündigung glaubt. Jesum predigen ist Engelgeschäft. Wie ein Bote vom Himmel mit guter Botschaft ist jeder Zeuge des Todes und der Auferstehung Jesu. O daß sie nur alle so Glauben fänden, wie dieser Engel! O daß nur allen Zuhörern so gedient wäre mit dieser Botschaft, als den Marien am Grabe damit gedient war! O daß sich alle so freueten! so glaubten! Der Engel fuhr fort:

Gehet aber hin und saget's Seinen Jüngern und Petro, daß Er vor euch hergehen wird in Galiläa; da werdet ihr Ihn sehen, wie Er euch gesagt hat (Kap. 14, 18.). Die ersten Evangelisten, nach den Engeln, sollten diese frommen Weiber seyn, weil sie die ersten und eifrigsten Sucherinnen des Herrn waren. Die Jünger sollten es von diesen zuerst hören. Der Herr vergißt der Seinen nicht. Er wußte, wie sie warteten, wie bange sie waren, wie gern sie davon hören würden; darum machte Er ihnen auch früh die Freude, und hält Wort: am dritten Tage, wie Er versprochen hat. Der Herr hat doch Alle im Auge, wenn Er gleich Einigen früher, den Andern später die Freude macht. Er erfreuet doch Alle, die auf Ihn harren, und die mit dem Todten nicht zufrieden sind, sondern nach dem Lebendigen schmachten. Wären die Jünger auch so frühe zum Grabe gekommen, so hätten sie diese frohe Botschaft auch aus dem Munde des Engels, und früher, gehört - Doch kann der Herr nicht so lange warten, Er sendet ihnen die Nachricht zu, und kommt ihnen zuvor. Ein treuer Jesus! Sie haben sich schlecht benommen bei Seinem Leiden, bei Seiner Gefangennehmung am Oelberg - aber Er hat Alles vergessen. Sie haben Ihm Schande und Kummer gemacht, Er hat ihnen Freude bereitet, weil Er ihre Herzen ansah, die bei aller Schwachheit doch auf Ihn trauten, und sich nach Ihm sehnten.

- Und dem Petro, namentlich, besonders muß es gesagt werden, weil er wohl die bittersten Thränen über seinen Fall geweint hat, und voll Sorge und Kummer war - deswegen am heißesten verlangte, den Heiland wieder zu haben, daß Er seine Wunden heilte, ihm wieder Gnade und Vergebung angedeihen lassen möchte. Das sieht Er Alles; Er weiß wer am meisten zerknirscht, am betrübtesten ist und nach Ihm weint - und denkt daher an solche zerrissene Herzen besonders, läßt es ihnen namentlich sagen: Ich lebe, und ihr sollt auch leben! - Wie wird ihm gewesen seyn, dem Petrus, als die Frauen kamen und sagten: Der Heiland läßt euch durch einen Engel sagen, und namentlich dem Petrus, Er sey auferstanden; ihr werdet Ihn sehen dort, wo Er euch hinbestellt hat. Wie wird sein Herz erquickt, getröstet worden seyn: Also denkt Er an mich, also hat Er mich noch lieb! Also darf ich mich auch noch vor Ihm sehen lassen! - O wie viel trägt so ein Gruß vom Heiland aus! wie reißt er aus aller Noth, und erfüllt das ganze Herz mit Friede und Freude! Was wären wir, wenn kein Jesus wäre? und kein solcher Jesus, der die ärmsten Sünder gerade besonders berücksichtigt, und sich ihrer am zärtlichsten annimmt! Wäre dein Fall auch noch so groß, ärger als Petri Verläugnung, da er fluchte und schwur, er kenne Jesum nicht; wärest du der größte Sünder, wenn du bitterlich weinst und dem Herz blutet über deinen Fall, so übersieht es Jesus nicht, Er weiß es, suhlt es, erbarmt sich, und der Engel, der Bote des Evangeliums ist schon bestellt, der dir einen Gruß von Ihm bringen, und dir sagen soll, Er sey auch namentlich für dich gestorben - für deine Sünde, und auferstanden zu deiner Gerechtigkeit. Und du wirst Ihn sehen und erfahren.

Was thaten die Frauen, nachdem sie den Auftrag vom Engel hatten?

Und sie gingen schnell hinaus, und flohen von dem Grabe; denn es war sie Zittern und Entsetzen angekommen, und sagten Niemand nichts, denn sie fürchteten sich. Wer wird beim leeren Grabe stehen bleiben, wenn Jesus nicht drin ist? Wer wird selbst bei den Engeln stehen bleiben, wenn sie einem sagen: Gehet zu Jesu, da und da werdet ihr Ihn finden? Die Frauen verließen Grab und Engel, ja sie flohen davon, weil sie hörten, Jesus lebe, Er sey aber hier nicht zu finden. Sonderbar, vor dem Engel, so freundlich er spricht, so freudig und erwünscht seine Botschaft ist, erschrecken, zittern sie, und fliehen mit Entsetzen vor ihm, und Jesum suchen sie mit Freuden und Ungeduld. Warum erschrecken sie vor Ihm nicht? Er ist in unser Fleisch gekleidet, Er ist Menschenkind - Er ist uns naher als die Engel - Er ist unser Blutsverwandter und Bruder - Seine Menschheit deckt Seine hohe Majestät, daß Ihn kein Kind fürchtet, sondern sich angezogen fühlt von Ihm. O möchte uns vor jeder Erscheinung, die Er nicht selber ist, Zittern und Entsetzen ankommen, und möchte sie uns zu Jesu treiben! Möchten wir von der Schale zum Kern, von dem todten Buchstaben zum Geiste eilen! Möchten wir nicht bei denen stehen bleiben, die uns zu Jesu weisen, und wenn's Engel wären! Möchten wir Jesum selber suchen gehen, bis wir Ihn finden. Bald wird das geschehen; denn die Frauen fanden und sahen Ihn bald - wie es gleich im folgenden Verse heißt: Jesus aber, da Er auferstanden war, früh, erschien zum ersten der Maria Magdalena, von welcher Er sieben Teufel ausgetrieben hatte. So wird das Suchen belohnt, wenn man früh aufsteht, wenn man nicht beim leeren Grabe, nicht bei Engeln, noch bei Menschen, nirgend stehen bleibt, bis man Ihn selber hat.

Es ist kein Zweifel, es ist noch heute so wie gestern und in Ewigkeit dasselbe. Wie damals, so kann man Ihn, den Lebendigen, heute noch haben. So erscheint Er Jedem, der Ihn so ernstlich sucht. Es ist Seine Freude, den Seinigen sich zu offenbaren und ihnen Freude zu machen. Lasset uns Ihn nur so suchen, so nach Ihm verlangen; Er will ja Leute haben, denen Er Seinen Tod und Auferstehung lebendig in ihren Herzen als ihr Leben und ihre Seligkeit beweisen will, wie jenen ersten Jüngern und Jüngerinnen.

Erscheine uns mit Deiner Güt‘ so oft wir vor Dir weinen,
Und laß uns Deinen theuern Fried zum steten Anblick scheinen!
So können wir, o Held, mit Dir, die rechten Ostern feiern
Und uns in Dir erneuern!

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